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  • · Nachricht · Wohnraummiete

    Tabakrauch vom Nachbarbalkon: Abhilfe durch den Vermieter

    | Rauch vom Nachbarbalkon kann eine wesentliche Gebrauchsbeeinträchtigung darstellen und einen Unterlassungsanspruch gegen den Vermieter begründen ‒ vorausgesetzt, diesem sind zumutbare Abhilfemaßnahmen möglich und dem betroffenen Mieter verbleiben keine realistischen Ausweichmöglichkeiten (AG Paderborn 20.11.24, 51 C 172/24, Abruf-Nr. 249064 ). |

     

    Der Mieter bewohnte eine Wohnung im ersten OG eines Mehrparteienhauses. Er fühlte sich zunehmend durch Tabakrauch aus der Nachbarwohnung beeinträchtigt. Insbesondere drang der Rauch ‒ nach seinen Angaben ‒ über das geöffnete Wohnzimmerfenster vom benachbarten Balkon in seine Wohnräume ein. Die Nachbarwohnung wurde von einer Mieterin genutzt, deren Lebensgefährte regelmäßig, auch nachts, am Sichtschutz zwischen den Balkonen rauchte. Der Mieter machte geltend, er sei aus gesundheitlichen Gründen auf eine regelmäßige Querlüftung der Wohnung angewiesen, insbesondere in den Sommermonaten. Eine alleinige Belüftung über das Schlafzimmerfenster zum Laubengang reiche nicht aus. Als mögliche Maßnahme schlug er eine durchgehende, rauch- und geräuschdichte Trennwand auf dem Balkon vor. Nachdem der Vermieter keine Abhilfe schuf, erhob der Mieter Klage auf Unterlassung weiterer Störungen.

     

    Die Klage blieb ohne Erfolg. Ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Unterlassung des Eindringens von Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB bestehe nicht. Zwar sei der Vermieter verpflichtet, den Mieter gegen Störungen im Gebrauch der Mietsache ‒ auch durch andere Mieter ‒ im zumutbaren Umfang zu schützen. Voraussetzung sei jedoch, dass eine wesentliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs vorliege. Ob dies der Fall sei, bestimme sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände (BGH 15.2.08, V ZR 222/06, NJW 08, 1810). Deutlich wahrnehmbarer Tabakrauch sei nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig eine wesentliche Beeinträchtigung (BGH 16.1.15, V ZR 110/14, NJW 15, 2023).

     

    Ein Unterlassungsanspruch bestehe gleichwohl nicht schrankenlos. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verlange eine Abwägung der gleichwertigen Besitzrechte der Mietparteien, insbesondere, wenn ‒ wie hier ‒ Rauchimmissionen von einem Nachbarbalkon in Rede stünden. Die rechtlich geschützte Nutzungsfreiheit des rauchenden Mieters (Art. 2 Abs. 1 GG) sei ebenso zu berücksichtigen wie das Persönlichkeitsrecht des gestörten Mieters. In der Regel führe dies zu einer zeitlichen Gebrauchsregelung, die beiden Mietparteien Teilnutzungen ermögliche.

     

    Im konkreten Fall lag keine wesentliche Beeinträchtigung vor. Der Mieter habe nicht behauptet, dass eine Belüftung der Wohnung ‒ tagsüber oder nachts ‒ generell unmöglich sei. Auch aus seiner eigenen Dokumentation ergäben sich Zeitfenster ohne Rauchbelastung. Eine dauerhafte Geruchsbelastung sei nicht dargetan. Schließlich sei der Vermieter nicht verpflichtet, bauliche Veränderungen oder andere Maßnahmen zu ergreifen, da ihm die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen worden sei.

     

    PRAXISTIPP | Will der Mieter gegen störende Immissionen aus einer Nachbarwohnung vorgehen, kann er vom Vermieter auf Grundlage von § 535 Abs. 1 S. 2 BGB Abhilfe verlangen ‒ nicht im Wege eines klassischen Unterlassungsanspruchs, sondern durch aktives Einschreiten gegen den Störer. Voraussetzung sind substanziierte Darlegungen zur Erheblichkeit, Häufigkeit und konkreten Einschränkung des Mietgebrauchs. Der Klageantrag muss das vom Vermieter geforderte Verhalten hinreichend konkret beschreiben. Bei Drittstörungen ‒ wie hier durch Tabakrauch ‒ schuldet der Vermieter kein Unterlassen, sondern die Beseitigung der Beeinträchtigung. Wie dies geschieht (z. B. durch Abmahnung, Regelung oder bauliche Maßnahmen), ist Sache des Vermieters. Der Antrag sollte deshalb auf „Beseitigung der Gebrauchsbeeinträchtigung“ gerichtet sein (vgl. BGH 12.12.03, V ZR 180/03). Inhaltlich sind Art und Umfang der Störung so zu bestimmen, dass ein vollstreckungsfähiger Titel nach § 888 ZPO entsteht.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2025 | Seite 140 | ID 50478774