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  • · Fachbeitrag · Mietminderung

    Keine Minderung bei bloßer Schimmelpilzgefahr

    von Günther Geldmacher, RiOLG a. D., Düsseldorf

    | Weist die Wohnung einen akuten Schimmelbefall auf, liegt ein Mangel i. S. d. § 536 BGB vor, es sei denn der Schimmel ist auf ein (schuldhaft!) fehlerhaftes Nutzungsverhalten zurückzuführen. Was aber gilt, wenn in einer Altbauwohnung Wärmebrücken vorhanden sind und dadurch die Gefahr von Schimmelpilzbildung besteht? Diese Frage musste der BGH entscheiden. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger ist seit 1986 Mieter einer Wohnung der Beklagten in einem 1971 errichteten Gebäude. Er macht geltend, dass es in der Wohnung aufgrund von (Bau-)Mängeln zu einem erheblichen Schimmelpilzbefall gekommen sei.

     

    Das AG hat die Beklagte verurteilt, einen Kostenvorschuss zu zahlen, um die Mängel durch Anbringen einer Innendämmung zu beseitigen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, wegen eines näher bezeichneten Schimmelpilzbefalls in mehreren Zimmern die Miete um 10 Prozent der Bruttomiete ab 2/2014 zu mindern. Des Weiteren sei er berechtigt, die Miete ‒ bis die Mängel beseitigt sind oder das Mietverhältnis beendet ist ‒ in Höhe von weiteren 20 Prozent der Bruttomiete im Wege des Zurückbehaltungsrechts einzubehalten. Den Antrag, festzustellen, dass er berechtigt sei, die Miete auch wegen einer „Schimmelpilzgefahr“ aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden zu mindern, hat das AG abgewiesen.

     

    Das LG hält eine Minderung in Höhe von 20 Prozent für berechtigt. Die Berufung des Klägers gegen den erfolglos gebliebenen Feststellungsantrag weist es zurück. Die Berufung der Beklagten gegen die Zahlung eines Kostenvorschusses blieb erfolglos. Auf ihre Revision weist der BGH die Kostenvorschussklage für die Innendämmung ab. Im Übrigen verweist er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Minderung für vorhandene Feuchtigkeitsschäden an das LG zurück.

     

    • 1. Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb ‒ bei unzureichender Lüftung und Heizung ‒ bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht.
    • 2. Welche Beheizung und Lüftung einer Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.

    (Abruf-Nr. 207020 und 207906)

     

    Relevanz für die Praxis

    Während sich der Deutsche Mieterbund „enttäuscht“ zeigte, machte sich in den Vermieterverbänden öffentliche Erleichterung breit. Der BGH stellt klar: Wärmebrücken in Altbauwohnungen, die im Einklang mit den seinerzeit gültigen Baunormen errichtet worden sind, und dadurch eine „Gefahr von Schimmelpilzbildung“ in sich tragen, sind nicht als Sachmangel i. S. d. § 536 Abs. 1 BGB aufzufassen. Dieses Verdikt befreit den Vermieter davon, eine Altbauwohnung schon bei dem bloßen Verdacht, es könnten zukünftig einmal Feuchtigkeitsschäden oder Schimmelbefall auftreten, nach § 535 Abs. 1 BGB sanieren zu müssen.

     

    Zugleich schiebt der BGH der verbreiteten Praxis einen Riegel vor, die Miete wegen Schimmelgefahr zu mindern, obwohl sich noch gar kein Schimmel gebildet hat.

     

    Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert und deshalb dem Mieter sowohl ein Recht zur Mietminderung (§ 536 Abs. 1 BGB) als auch einen Anspruch auf Mangelbeseitigung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht gewährt, ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand.

     

    Ob dies der Fall ist, prüft der BGH nach tradierter Rechtsprechung (Nachweise Urt. Tz. 21-23) in drei Schritten:

     

    • So prüft der BGH das Abweichen der Ist- von der Soll-Beschaffenheit
    • 1. Haben die Parteien Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Mietsache getroffen?
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    • 2. Falls nein, welchen Nutzungszweck haben die Parteien vereinbart? Bei einer vereinbarten Nutzung als Wohnung kann der Mieter nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen.
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    • 3. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.
     

    Bei Errichtung des Gebäudes 1971 bestand keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten. Das heißt: Das Vorhandensein geometrischer Wärmebrücken war allgemein üblicher Bauzustand. Folge: Die in der Wohnung des Klägers vorhandenen Wärmebrücken stehen im Einklang mit den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen Normen, das Gebäude ist nach den damaligen Regeln der Baukunst errichtet worden. Eine erst Jahrzehnte nach der Erbauung des Gebäudes in Kraft getretene DIN-Vorschrift (hier: DIN 4108-2:2003-07) ändert hieran nichts. Spätere Eingriffe der Vermieter in den Bauzustand des Gebäudes (z. B. Sanierung oder grundlegende [energetische] Modernisierung), die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt.

     

    Beachten Sie | Zwar kann auch der Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung mangels abweichender Vereinbarungen einen Mindeststandard verlangen, der ein zeitgemäßes Wohnen ermöglicht und den Einsatz der für die Haushaltsführung allgemein üblichen elektrischen Geräte erlaubt (BGH MK 04, 167, Abruf-Nr. 042313; MK 10, 96, Abruf-Nr. 101004; MK 15, 100, Abruf-Nr. 175953).

     

    Diese Rechtsprechung beruht auf dem Umstand, dass bei der Verwendung von Haushaltsgeräten seit den 1950er oder 1960er Jahren ein grundlegender Wandel eingetreten ist. Es werden nun in nahezu jedem Haushalt ‒ selbst bei bescheidenen Verhältnissen ‒ regelmäßig zahlreiche elektrische Geräte verwendet und jeder Mieter kann deshalb mangels abweichender Vereinbarung erwarten, dass auch in seiner Wohnung die Nutzung solcher Geräte grundsätzlich möglich ist und die Elektroinstallation diesen Mindestanforderungen genügt.

     

    Ein vergleichbarer, die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung rechtfertigender Wandel und eine hiervon abgeleitete Erwartung des Wohnraummieters hinsichtlich des Mindeststandards einer Altbauwohnung existiert nicht. Folgerichtig lehnt der BGH es ab, unter Berufung auf angebliche Grundsätze eines „zeitgemäßen Wohnens“ die vertragsgemäße Beschaffenheit einer Mietsache hinsichtlich der Wärmedämmung, über die die Parteien keine konkreten Vereinbarungen getroffen haben, durch die Bestimmung abstrakt genereller „Eckpunkte“ eines unter allen Umständen zu gewährleistenden Wohnverhaltens festzulegen.

     

    Nach Auffassung des Berufungsgerichts soll der Vermieter die Schimmelfreiheit der Wohnung auch unter der Voraussetzung gewährleisten müssen, dass der Mieter das Schlafzimmer nur auf 16 Grad Celsius, die übrigen Zimmer auf nicht mehr als 20 Grad beheize, kalte Außenwände beliebig möbliere und die Wohnung nicht mehr als zwei Mal pro Tag für fünf bis zehn Minuten stoßlüfte. Diese aus der Luft gegriffenen Vorgaben bezeichnet der BGH zu Recht als verfehlt. Was dem Mieter im Einzelfall hinsichtlich Beheizung und Lüftung der Wohnung zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.

     

    Dazu gehören das konkrete Wohnverhalten der Mieter ‒ namentlich deren Anwesenheitszeiten in der Wohnung und der Umfang der dort ausgeübten Tätigkeiten, die mit einer Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind ‒ sowie Art, Größe und Baujahr der Mietwohnung.

     

    Beachten Sie | Der BGH sieht es i. S. d. § 291 ZPO als offenkundig (wörtlich: „allgemein üblich“) an, nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie etwa Kochen, Duschen und Waschen, den davon betroffenen Raum sogleich zu lüften, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen.

     

    Hier hat der Gerichtssachverständige festgestellt, dass ein täglich zweimaliges Stoßlüften mit einer Dauer von jeweils 13 bis 17 Minuten, ein dreimaliges Stoßlüften von jeweils zehn Minuten oder ein dreimaliges Querlüften von jeweils drei Minuten ausreichen, um eine Schimmelpilzbildung im Bereich der Wandmitte und der Raumecken der Außenwände zu vermeiden. Ein solches Lüftungsverhalten ist dem Mieter zumutbar.

     

    Beachten Sie | In der Instanzrechtsprechung herrscht die verbreitete Auffassung, es sei dem Mieter unter allen Umständen unzumutbar, bei der Möblierung von Außenwänden der Wohnung irgendeine Einschränkung hinzunehmen. Daraus wird abgeleitet, dass bereits die bloße Gefahr einer Schimmelpilzbildung, die durch ein Aufstellen von Möbeln direkt und ohne Abstand an einer baualtersgemäß ungedämmten Außenwand entstehe, generell einen zur Minderung der Miete führenden Mangel darstellt. Diese Auffassung verweist der BGH in das Reich der Phantasie.

     

    PRAXISTIPP | Mieter sollten bei nicht sanierten oder nicht grundlegend modernisierten Altbauwohnungen ohne Vereinbarung keinen Neubauzustand erwarten und Möbel nur mit Abstand vor einer ungedämmten Außenwand platzieren.

     

    Da die fehlende Wärmedämmung hier keinen Mangel der Wohnung darstellt, stehen dem Kläger Gewährleistungsansprüche insoweit nicht zu und er kann folglich einen Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung nicht verlangen.

     

    Prozessual bestätigt der BGH das Feststellungsinteresse für Minderung. Dieses richtet sich hier darauf, dass zwischen den Parteien die Minderung der Miete rechtsverbindlich festgestellt wird, weil dies einerseits im Hinblick auf künftige Mietzahlungen und andererseits ‒ auch soweit zurückliegende Mietzeiträume betroffen sind ‒ als Vorfrage im Fall einer etwaigen Zahlungsverzugskündigung von Bedeutung ist. Das heißt: Diese rechtsverbindliche Feststellung kann durch eine Leistungsklage nicht erreicht werden, weil insoweit die Minderung der Miete nur eine nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage darstellt.

     

    Beachten Sie | Die Zulässigkeit der Feststellungsklage wird nicht tangiert, wenn der Feststellungsantrag ‒ entsprechend einem verbreiteten Sprachgebrauch ‒ dahin gefasst ist, die „Berechtigung“ der Mietminderung festzustellen, obwohl die Mietminderung beim Vorliegen von Mängeln bereits kraft Gesetzes eintritt.

     

    Das gleiche gilt für den Einwand, der Kläger hätte seinen Antrag dahin formulieren müssen, die Beklagte dürfe nur Miete in einer bestimmten Höhe fordern. Aus einer berechtigten Minderung von 20 Prozent der Bruttomiete folgt zwanglos, dass der Kläger eben nur 80 Prozent der Bruttomiete zahlen muss. Damit fehlt es nicht an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Nachweis einer erheblichen Gesundheitsgefährdung durch Schimmel, MK 14, 56
    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 100 | ID 45899739