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  • · Fachbeitrag · Kündigung

    Fristlose Kündigung vor Übergabe der Mietsache

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Gewerberäume aus wichtigem Grund kommt grundsätzlich auch schon vor Übergabe der Mietsache in Betracht (KG 12.9.13, 8 U 4/13, Abruf-Nr. 133923).

     

    Sachverhalt

    In dem auf 15 Jahre befristeten Mietvertrag über ein Hostel heißt es: 
„(1) Sämtliches Mobiliar und Inventar sowie alle zum Betrieb eines Hostels ­erforderlichen beweglichen Gegenstände und Betriebsvorrichtungen werden vom Mieter auf eigene Kosten beschafft und während der Laufzeit des Mietvertrages instand gehalten bzw. durch neues Mobiliar ersetzt. Diese Gegenstände oder deren Surrogate stehen und verbleiben während der Mietzeit uneingeschränkt im Eigentum des Mieters, sofern nicht gemäß § 11 von der Möglichkeit der Sicherungsübereignung Gebrauch gemacht wird. Es besteht jedoch Einigkeit, dass alle diese sich im Eigentum der Mieterin befindlichen Gegenstände dem gesetzlichen Vermieter- und Verpächterpfandrecht unterliegen. (2) Die Mieterin ist verpflichtet, spätestens vier Wochen vor Eröffnung dem Vermieter eine Aufstellung des voraussichtlichen Inventars des Hostels zu übergeben, welches in ihrem uneingeschränkten Eigentum steht und ­gemäß entsprechenden Rechnungsnachweisen einen Gesamtwert von ­mindestens 600.000 EUR erreichen wird.“

     

    Die Vermieterin sollte vor Aufnahme des Betriebs Investitionen von 13.000.000 EUR tätigen. Vor Übergabe teilte die Mieterin mit, das Inventar lediglich ­mieten zu wollen. Daraufhin verlangte die Vermieterin von ihr vergeblich die Vorlage eines Finanzierungsplans. Statt dessen teilte sie mit, dass die ­Verhandlungen mit einer Schweizer Gesellschaft, die das erforderliche ­Inventar finanzieren und an sie im Wege eines Geschäftsleasings bereit stellen sollte, ergebnislos verlaufen seien und es nun im Gegenzug zwei private Investoren gebe, die insgesamt 200.000 EUR für die Investitionen bereitstellen wollten. Nachdem die Vermieterin die Mieterin vergeblich unter Fristsetzung und Androhung der fristlosen Kündigung aufgefordert hatte, die potenziellen Investoren zu ­benennen, kündigte sie das Mietverhältnis fristlos. Die Schadenersatzklage der Mieterin hat in erster Instanz Erfolg. Das KG weist die Klage ab.

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    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die auf § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1, Abs. 2 BGB gestützte Schadenersatzklage konnte nur Erfolg haben, wenn die Kündigung der Vermieterin unwirksam war. Das KG hat dies zu Recht verneint. Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nach Satz 2 vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB auch schon vor Übergabe der Mietsache möglich ist (OLG Düsseldorf ZMR 95, 465; OLG Celle NZM 03, 64). Hiervon geht auch der BGH (MK 07, 124, Abruf-Nr. 071406) aus. Praxisrelevant ist ­insbesondere der Fall, dass der gewerbliche Mieter die vereinbarungsgemäß vor Übergabe der Mietsache zu stellende Mietsicherheit nicht erbringt.

     

    Ob die Kündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen, ist immer eine Frage des Einzelfalls und aufgrund einer Gesamtabwägung festzustellen. Diese fällt hier zugunsten der Vermieterin aus. Durch die vertragswidrige Weigerung der Mieterin waren die finanziellen Interessen der ­Vermieterin - ebenso wie in den Fällen der Nichtleistung der Kaution - ­massiv betroffen. Zum einen unterliegt lediglich gemietetes Inventar nicht dem ­Vermieterpfandrecht, zum anderen drohte im Fall der Nichtzahlung der ­Inventarmiete die Rückholung des Inventars und damit die Einstellung des Hostelbetriebes. Durch die Ankündigung, das Inventar lediglich mieten zu wollen, hatte die Mieterin deutlich kommuniziert, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Investitionsverpflichtung zu erfüllen. Daher war der Vermieterin nach zutreffender Auffassung des KG eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Mieterin nicht mehr zuzumuten. So begründet das KG sein Verdikt:

     

    • Den mietvertraglichen Vereinbarungen ist eindeutig zu entnehmen, dass das von der Mieterin zu beschaffende Mobiliar und Inventar u.a. deshalb im uneingeschränkten Eigentum der Mieterin zu sein hatte, weil diese Gegenstände dem gesetzlichen Vermieter- und Verpächterpfandrecht unterliegen sollten. Aufgrund der Ankündigung, Inventar und Mobiliar nur anmieten zu wollen, drohten der Vermieterin, die erhebliche Summen in das auf die ganz konkreten Bedürfnisse der Mieterin abgestimmte Projekt investierte, der Verlust einer nicht unerheblichen vertraglich vereinbarten Risikoabsicherung und letztlich auch das Scheitern des gesamten Projektes mit erheblichen negativen finanziellen Folgen.

     

    • Die Vermieterin hatte daher ein berechtigtes Interesse, von der Mieterin zu erfahren, wie sie ihren zukünftigen Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag nachzukommen beabsichtigte. Sie war berechtigt, die Vorlage eines Finanzierungsplans zu verlangen und war nach dessen ­Nichtvorlage berechtigt, unter Fristsetzung und Androhung der fristlosen Kündigung Auskunft über die potentiellen Investoren zu fordern.

     

    • Nachdem die Mieterin hierauf keine Reaktion zeigte, war der Vermieterin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum vertraglich vereinbarten Mietende in 15 Jahren nicht mehr zuzu­muten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Investitionen noch nicht abgeschlossen waren und die Vermieterin zum Zeitpunkt der Kündigung noch die Möglichkeit hatte, das Hostel-Projekt ohne große Verluste in ein Hotel-Projekt mit einem anderen Vertragspartner umzugestalten.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 12 | ID 42443628