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  • · Fachbeitrag · Der Vermieter des Monats

    Stört es Sie, wenn ich in Ihrer Wohnung filme?

    von RA Axel Wetekamp, RiAG a.D., München

    | In einer neuen Reihe stellen wir Ihnen im monatlichen Wechsel besonders eklatante Auswüchse auf Mieter- wie auf Vermieterseite vor. Auch wenn sich die Fälle zum Teil haarstäubend anhören, sie spiegeln das wahre Leben. Als Anwalt kann es nicht schaden, sich entsprechend zu wappnen ‒ hier zur Unverletzlichkeit der Wohnung: „Illegal betreten, reicht mir noch nicht.“ |

    1. Der Fall des Kollegen

    Das Mietverhältnis ist gekündigt, läuft aber noch. Die Mieterin befindet sich nach einer Operation in einer Reha-Klinik. Den Vermieter treibt die Weitervermietung seiner Wohnung um. Per E-Mail kündigt er dem Kollegen (Rechtsanwalt der Mieterin) an, nicht warten zu können, bis die Mieterin aus dem Reha-Aufenthalt zurück ist. Er werde die Wohnungseingangstür am nächsten Tag aufbrechen lassen, um eine Wohnungsbesichtigung durchzuführen. Gegen die Warnung des Kollegen zieht der Vermieter die Sache durch. Der Kollege reagiert sofort mit Strafanzeige und einstweiliger Verfügung.

     

    Tags darauf teilt der Vermieter in einer weiteren E-Mail mit, dass er die Wohnungseingangstür habe aufbrechen lassen und im Beisein eines Zeugen alle Räume mit seiner Videokamera gefilmt habe. Die Wohnung könne er so nicht weitervermieten. Ihm stünden Schadenersatzansprüche zu.

    2. Die Fragen des Kollegen

    Nachdem die erste Empörung über das Verhalten des Vermieters abgeklungen ist, stellt sich der Kollege wegen der Videoaufnahmen folgende Fragen:

     

    • Muss er vor Einleitung gerichtlicher Schritte Abmahnen und eine Unterlassungserklärung fordern?
    • Welcher Streitwert gilt (auch für die Zuständigkeit des Gerichts)?
    • Welcher Antrag (ggf. Anträge) sind zu stellen?
    • Einstweilige Verfügung oder Klage, was ist richtig?

    3. Die Antworten

    Vor Beantwortung der konkreten Fragen wird zunächst grundsätzlich auf das Besichtigungsrecht des Vermieters eingegangen.

     

    a) Grundsätze für die Wohnungsbesichtigung durch den Vermieter

    Natürlich ist es nicht zulässig, ein Besichtigungsrecht durch Aufbrechen der Wohnung des Mieters auszuüben. Andererseits muss der Mieter, obwohl Art. 13 GG die Unverletzlichkeit der Wohnung schützt ‒ was auch im Verhältnis von Mieter und Vermieter gilt ‒ unter bestimmten Bedingungen die Besichtigung der Mieträume gestatten. Nach BGH (MK 14, 147, Abruf-Nr. 141780) muss ein konkreter Anlass für die Besichtigung bestehen. Dies kann z. B. mit der Bewirtschaftung des Mietobjekts oder mit der bevorstehenden Beendigung des Mietverhältnisses zusammenhängen. Der Grundsatz gilt unabhängig davon, ob der Mietvertrag eine formularvertragliche Besichtigungsklausel aufweist oder das Besichtigungsrecht als Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis nicht vertraglich geregelt ist. Im Fall einer formularvertraglichen Regelung kann ein Verstoß gegen § 307 BGB vorliegen.

     

    Grundsätzlich gilt als angemessener Abstand für die Besichtigung zur Feststellung des Zustands der Mieträume ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Bei besonderen Gründen wie z. B. Verdacht auf vertragswidrigen Gebrauch oder Vernachlässigung der Obhutspflicht gelten auch kürzere Abstände.

     

    Der Vermieter muss die Besichtigung vorher anmelden ‒ im Routinefall etwa zwei bis drei Wochen vor dem Besichtigungstermin. Bei der Besichtigung mit Miet- und Kaufinteressenten im Fall der bevorstehenden Beendigung des Mietverhältnisses reicht auch eine Vorlaufzeit von etwa 24 Stunden (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 13. Aufl., § 535 BGB Rn. 213). Die Besichtigung mit Miet- und Kaufinteressenten ist jedoch kein Notfall, wie z. B. einem Wasserschaden, bei dem der sofortige Zutritt verlangt werden kann.

     

    b) Aufbrechen der Wohnungseingangstür

    In keinem Fall darf der Vermieter sich ein Besichtigungsrecht erzwingen, indem er ‒ wie hier ‒ die Wohnungseingangstüre gewaltsam öffnet. Hier werden strafrechtliche Tatbestände wie Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung verwirklicht. Außerdem bestehen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung (§ 823 BGB).

     

    c) Anfertigung von Videoaufnahmen

    Ohne Einwilligung des Mieters darf der Vermieter weder die Mieträume fotografieren noch Videoaufnahmen von den Mieträumen machen. Dies zu unterlassen, ist eine Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis. Insoweit ist der Mieter berechtigt, vom Vermieter die Löschung der angefertigten Aufnahmen zu verlangen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen.

     

    d) Abmahnen, einstweilige Verfügung oder Klage?

    Eine Abmahnung ist nicht erforderlich. Für eine einstweilige Verfügung fehlt es allerdings an der Eilbedürftigkeit, zumal weitere Beeinträchtigungen im Hinblick auf die angefertigten Aufnahmen nicht zu erwarten sind.

     

    e) Anzunehmender Streitwert

    Der Streitwert kann nur geschätzt werden. Unter Berücksichtigung des Mieterinteresses wäre er mit etwa 2.000 EUR anzusetzen. Unabhängig von der Höhe des Streitwerts ist nach § 29a Abs. 2 ZPO ausschließlicher Gerichtsstand beim AG.

     

    f) Antragstellung bei Gericht

    Der Antrag angefertigte Videoaufnahmen zu löschen, erscheint sachgerecht. Weitere Anträge können auf Schadenersatz lauten, soweit beim Aufbrechen der Wohnungstür Gegenstände des Mieters beschädigt worden sind.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2019 | Seite 164 | ID 46041319