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  • · Fachbeitrag · Urkundenprozess

    Mängelvorbehalt: Schlechte Karten für Vermieter

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Behält sich der Mieter bei der Annahme der Mietsache seine Rechte wegen eines Mangels vor, ist eine spätere Klage auf Zahlung von rückständiger Miete im Urkundenprozess nur statthaft, wenn unstreitig ist oder der Vermieter urkundlich beweisen kann, dass der Mieter trotz des erklärten Vorbehalts die Mietsache als Erfüllung angenommen hat (BGH 12.6.13, XII ZR 50/12, Abruf-Nr. 132428).

     

    Sachverhalt

    Die Vermieterin schloss mit der Mieterin einen auf 30 Jahre befristeten Mietvertrag über ein Grundstück mit vier noch zu errichtenden Messehallen. Am 30.11.05 übernahm die Beklagte das Mietobjekt, wobei sie einen Vorbehalt wegen Mängeln machte. Diesen wiederholte sie bei einer Vergleichsvereinbarung in 12/07. Die Mängel wurden in einem selbstständigen Beweisverfahren gegen die Generalunternehmerin bestätigt, Sanierungskosten 318.500 EUR (ca. zwei Prozent der Jahresnettomiete). Im Hinblick auf einen durch den EuGH (EuZW 10, 58) festgestellten Verstoß gegen europäische Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge erklärte die Beklagte am 14.7.10 die Beendigung, hilfsweise die Kündigung des Mietvertrags mit sofortiger Wirkung. Seit 8/10 leistete sie keine Miete mehr. Am 7.10.10 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ihrerseits fristlos wegen Zahlungsverzugs. Ihre Klage auf Zahlung restlicher Miete und Nutzungsentschädigung wurde in den Instanzen als im Urkundenprozess unstatthaft zurückgewiesen. Die Revision bleibt erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH arrondiert seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Urkundenprozesses für Ansprüche auf rückständige Miete oder auf Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB. Er hält daran fest, dass es der Statthaftigkeit insoweit nicht entgegensteht, wenn der beklagte Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache Minderung geltend macht oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB erhebt. Grund: Nach den auch im Urkundenprozess geltenden allgemeinen Beweislastgrundsätzen muss der Vermieter zur Begründung des Anspruchs auf Mietzahlung neben der Vorlage eines wirksamen Mietvertrags, aus dem sich die Höhe der geschuldeten Miete ergibt, nur mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln (§ 592 S. 1 ZPO) nachweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat.

     

    Beweislast nach Überlassung der Mietsache

    Nach Überlassung der Mietsache trägt der Mieter die Beweislast, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat (BGH NJW 07, 2394; MK 09, 181, Abruf-Nr. 092973).

     

    Beweislast bei anfänglichem Mangel

    Stützt der Mieter die Minderung oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags auf die Behauptung, die Mietsache sei schon bei der Übergabe fehlerhaft gewesen, folgt aus dieser Beweislastverteilung, dass eine Klage auf Zahlung von Miete oder Nutzungsentschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB im Urkundenprozess nur statthaft ist, wenn

    • entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen,
    • oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden beweisen kann (BGH MK 11, 60, Abruf-Nr. 110949; MK 09, 181).

     

    Was bedeutet Annahme als Erfüllung?

    Eine Annahme als Erfüllung liegt vor, wenn der Mieter durch sein Verhalten bei und nach Entgegennahme der Leistung zum Ausdruck bringt, dass er die Mietsache als im Wesentlichen vertragsgemäß ansieht. Einer ausdrücklichen Erklärung des Gläubigers bedarf es hierzu nicht. Ob eine Annahme als Erfüllung vorliegt, ist vielmehr aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Erklärt der Mieter wegen eines konkreten Mangels der Mietsache einen Vorbehalt, bringt er damit zum Ausdruck, dass er die ihm überlassene Mietsache nicht als vertragsgemäße Leistung ansieht. Auf eine Annahme der vom Schuldner erbrachten Leistung als Erfüllung i.S. von § 363 BGB kann dann aus dem Verhalten des Gläubigers nicht geschlossen werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin durch die von ihr vorgelegten Urkunden nicht nachweisen konnte, dass die Beklagte die Mietsache als Erfüllung i.S. des § 363 BGB angenommen hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

    Praxishinweis

    Nach § 597 Abs. 2 ZPO wird die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen, wenn der Vermieter den ihm obliegenden Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln vollständig geführt hat. Deshalb muss er zur Begründung des Anspruchs auf Mietzahlung den wirksamen Mietvertrag in Urschrift oder Abschrift (§ 593 Abs. 2 ZPO) vorlegen. Da die Erfüllung der Gebrauchsüberlassungspflicht anspruchsbegründend ist, gilt die Urkundenvorlagepflicht auch hierfür. Von diesen Grundsätzen geht auch der XII. Senat aus, lässt jedoch eine Ausnahme zu. Dem Verweis auf Thomas/Putzo/Reichold (ZPO, 34. Aufl., § 592 Rn. 6) ist zu entnehmen, dass der Senat einen Nachweis durch Urkunden nur verlangt, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisbedürftig sind. Unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen bedürfen keines Beweises durch Urkunden (BGH NJW 08, 523). Das heißt: Wenn der Mieter weder den vorgetragenen Inhalt des Mietvertrags bestreitet, noch bestreitet, die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand übernommen zu haben, ist die Belegung dieser Tatsachen durch Urkunden nicht erforderlich. Das wird auch von Obergerichten verkannt (z.B. OLG München Info M 12, 86).

     

    Die Annahme als Erfüllung ist nicht Rechtsgeschäft, sondern tatsächliche Handlung. Aufgrund dieser Wirkungen kommt ihr jedoch ein rechtsgeschäftsähnlicher Charakter zu. Folge: Die Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen sind entsprechend heranzuziehen. Ergibt die Auslegung (z.B. des Übergabeprotokolls), dass der Mieter bei Überlassung - wie hier - wegen eines konkreten (anfänglichen) Mangels der Mietsache einen Vorbehalt ausgesprochen hat, kann der Vermieter den Urkundenbeweis nicht führen.

     

    Beachten Sie | Ein allgemeiner Vorbehalt, dass die Vertragsmäßigkeit der Mietsache nicht anerkannt wird, schließt die Annahme als Erfüllung nicht aus.

     

    Als letzter Rettungsanker bleibt dem Vermieter der unsichere Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Danach verhält der Mieter sich treuwidrig, wenn der Aufwand für die Beseitigung des Mangels verhältnismäßig geringfügig ist und der Mieter gleichwohl die Annahme der Leistung verweigert. Prüfungsmaßstab sind hierbei nicht allein die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung, die hier nicht einmal zwei Prozent der Jahresnettomiete betrugen. Der BGH zieht eine Parallele zu § 640 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Besteller die Abnahme des Werks wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern kann. Ebenso wie dort ist entscheidend, ob es dem Mieter zumutbar ist, trotz des Mangels die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mängelrechten zu begnügen.

     

    Merke | Ob ein Mangel „unwesentlich“ oder „wesentlich“ ist, hängt von seiner Art, seinem Umfang und vor allem seinen Auswirkungen ab und lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. Die Höhe etwaiger Mängelbeseitigungskosten hat insoweit nur nachrangige Bedeutung. Entscheidend ist, in welchem Maße die Gebrauchsfähigkeit der Mietsache durch den Mangel beeinträchtigt ist. Diese Prüfung fiel hier zulasten der Klägerin aus.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 167 | ID 42235236