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  • · Fachbeitrag · Urkundenprozess

    Pandemiebedingte Vertragsanpassung nach § 313 BGB nur im Nachverfahren

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Die juristische „Aufarbeitung“ der wirtschaftlichen Folgen der öffentlich-rechtlichen Verbote und Einschränkungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schreitet weiter voran. Nach seiner ersten Grundsatzentscheidung vom 12.1.22 (XII ZR 8/21) hat sich der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH ‒ prozessual interessant ‒ mit der Geltendmachung von Mietforderungen im Urkundenprozess befasst, denen der Mieter den Einwand der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Umsatzausfällen durch behördliche Pandemie-Maßnahmen entgegenhält. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin verlangt von der Beklagten, restliche Gewerberaummiete für die Monate April bis Juni 2020 zu zahlen. Die Beklagte ist seit Mai 2013 Mieterin eines Ladenlokals zum Betrieb eines Einzelhandels für den Vertrieb von Damenoberbekleidung bestimmter Marken und damit zusammenhängender Lizenzprodukte sowie weiterer Untersortimente. Die Monatsmiete einschließlich Umsatzsteuer betrug zuletzt 9.847,27 EUR. In § 3 des Mietvertrags ist geregelt, dass der Mieter die für den Mietgebrauch erforderlichen Genehmigungen und Konzessionen in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten einholen muss. Die allgemeinen feuerpolizeilichen Auflagen für ein Ladenlokal zum Betreiben eines Einzelhandelsgeschäfts sowie Genehmigungen, die unabhängig vom individuellen Mietgebrauch sind, gewährleistet der Vermieter. Sollten die Behörden den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts, wie in § 1 beschrieben, unabhängig aus welchen Gründen in den Räumen untersagen, sind beide Vertragsparteien berechtigt, vom Vertrag fristlos zurückzutreten. § 8 des Mietvertrags sieht vor, dass der Mieter gegenüber der Miete nur aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann, wenn er dies dem Vermieter vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat.

     

    Die Beklagte musste das Geschäft aufgrund der COVID-19-Pandemie vom 18.3. bis zum 19.4.20 schließen; in der Zeit danach unterlag die Nutzung Einschränkungen. Mit Schreiben vom 25.3.20 an die Klägerin erklärte die Beklagte, sie könne wegen der behördlichen Schließungen keine Umsätze mehr erzielen, während Lohn-, Overhead-, Marketing- und Warenkosten unverändert anfielen. Sie setze daher die Aprilmiete aus. Mit Schreiben vom 16.4.20 schlug sie vor, die Miete prozentual herabzusetzen. Die Klägerin bot stattdessen eine Stundung an. Mitte Mai 2020 erhob die Klägerin im Urkundenprozess Klage auf Zahlung der Mieten für April und Mai 2020, die sie nach einer Teilzahlung der Beklagten teilweise zurücknahm und im Juni um den von der Beklagten für den Monat einbehaltenen Teilbetrag erweiterte. Das LG gab der Klage mit Vorbehaltsurteil (weitgehend) statt und behielt der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vor. Berufung und Revision der Beklagten blieben ohne Erfolg (BGH 16.2.22, XII ZR 17/21, Abruf-Nr. 230514).