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  • · Fachbeitrag · Mietminderung

    Überdimensionierte Heizung in Altbau kein Mangel

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Dass eine dem vertragsgemäßen Zustand der Mietsache entsprechende Heizungs- und Belüftungsanlage hohe Energiekosten verursacht, ist bei der Beurteilung, ob ein Mangel der Mietsache vorliegt, nicht von Bedeutung, wenn die Anlage dem bei der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen technischen Standard entspricht und fehlerfrei arbeitet.
    • 2. Auch bei einem gewerblichen Mietverhältnis lässt sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ein Anspruch des Mieters auf Modernisierung einer vorhandenen und den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden Heizungsanlage nicht ableiten.

    (BGH 18.12.13, XII ZR 80/12, Abruf-Nr. 140375)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien schlossen in 2/07 einen Mietvertrag über Gewerberäume in einem DDR-Altbau. Vor deren Übernahme wurde das Gebäude von der Klägerin bis auf die Fernwärme-Heizungsanlage und das Belüftungssystem, die nur zentral eingestellt werden können, umfassend saniert. Inhalt des Mietvertrags und Grundlage für den Umbau und die Ausstattung des Mietgegenstands sind die Baubeschreibung der Vermieterin und die Mieterbaubeschreibung. Darin sind die Wiederverwendung der vorhandenen Fernwärmestation, eine Grundbeheizung über statische Heizflächen in den Randbereichen und in den Büros und Sozialräumen und die weitere Nutzung der vorhandenen Lüftungsanlage mit einem 6-fachen Luftwechsel vorgesehen. Hinsichtlich der Heizung ist geregelt, dass die Zuluft während der Heizperiode bis zu einer Außentemperatur von ca. 18 Grad Celsius zentral erwärmt und im Mietbereich zur Verfügung gestellt wird. Zudem sollte vom Vermieter ein separater Anschluss für die Versorgung der Sozialräume und des Büros gestellt werden, um in diesen Räumen eine Innentemperatur von bis zu 21 Grad Celsius zu erreichen.

     

    In 2010 minderte die Beklagte die Miete. Grund: Die Heizungs- und Belüftungsanlage sei im Hinblick auf den geringen Publikumsverkehr in ihren Geschäftsräumen überdimensioniert. Sie könne zudem nicht individuell und bedarfsgerecht eingestellt und nicht wirtschaftlich betrieben werden. Außerdem sei im Rahmen der Sanierungsarbeiten kein ausreichender Wärmeschutz geschaffen worden. Die Mietzahlungsklage hat in den Instanzen überwiegend Erfolg. Der BGH weist die Revision zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Mangel der Mietsache i.S. des § 536 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist nur anzunehmen, wenn die „Ist-Beschaffenheit“ des Mietobjekts von der „Soll-Beschaffenheit“ der Mietsache negativ abweicht. Welchen Soll-Zustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter aufweisen muss, bestimmen allein die Vertragsparteien, indem sie festlegen, was dem Mieter jeweils als vertragsgemäßer Gebrauch geschuldet wird. Ist keine ausdrückliche Regelung zum „Soll-Zustand“ getroffen, muss anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund des Vertrags von ihm verlangen kann. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung der bei der Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen. Hier haben die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich der technischen Gebäudeausstattung getroffen. Dass sie den Anforderungen der Baubeschreibung der Vermieterin und der Mieterbaubeschreibung nicht genügt, ist weder festgestellt noch behauptet.

     

    • Auch die Unwirtschaftlichkeit der Anlage ist kein zur Minderung berechtigender Mangel. Grund: Durch Abschluss des Mietvertrags hat die Beklagte die vorhandene Heizungs- und Belüftungsanlage als vertragsgemäßen Zustand der Mietsache akzeptiert. Dass sie im Vergleich hohe Energiekosten verursacht, ist nicht von Bedeutung, wenn sie - wie hier - dem bei der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen technischen Standard entspricht und fehlerfrei arbeitet. Würde man in dem unwirtschaftlichen Betrieb einen Mangel sehen, müsste der Vermieter, um seinen Pflichten aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nachzukommen, die Anlage technisch verändern. Dadurch würde jedoch eine vom Gesetz nicht vorgesehene Modernisierungspflicht des Vermieters begründet, auf die der Mieter keinen Anspruch hat.

     

    • Auch das für das Wohnraummietrecht in § 556 Abs. 3 S. 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot führt zu keiner anderen Beurteilung. Danach kann die Unwirtschaftlichkeit einer technisch fehlerfrei arbeitenden Heizungsanlage zwar bei der Abrechnung der entstandenen Heizkosten von Bedeutung sein. Ein Anspruch des Mieters auf Modernisierung einer vorhandenen und den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden Heizungsanlage lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten (BGH MK 08, 19, Abruf-Nr. 073621). Dies gilt auch für den Bereich der Gewerberaummiete.

     

    • Auch der von der Beklagten beanstandete mangelnde Wärmeschutz an den Außenwänden des Gebäudes ist kein Mangel i.S. von § 536 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Zwar können auch bei einem älteren Gebäude die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags geltenden technischen Standards für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit einer Mietsache maßgeblich sein. Dies gilt aber nur, wenn der Vermieter bauliche Veränderungen an der Mietsache vornimmt, die einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes gleichkommen. Hieran fehlt es.

     

    Praxishinweis

    Der BGH führt seine Rechtsprechung fort, dass bei - wie hier - fehlender Parteivereinbarung einer bestimmten Sollbeschaffenheit des Mietobjekts der Ermittlung des vom Vermieter geschuldeten Standards im Wege der Auslegung nach der Verkehrsanschauung regelmäßig die bei Errichtung des Gebäudes maßgeblichen (technischen) Standards zugrunde zu legen sind (BGH MK 06, 134, Abruf-Nr. 061846; MK 06, 170, Abruf-Nr. 062017). Sind diese eingehalten, ist die Mietsache in der Regel nicht mangelhaft i.S. des § 536 BGB, selbst wenn der übliche Standard vergleichbarer Wohn- oder Gewerberäume unterschritten wird. Für Altbauwohnungen hat der BGH (MK 04, 167 Abruf-Nr. 042313) entschieden, dass der Mieter jedenfalls einen Mindeststandard erwarten kann, der ein zeitgemäßes Wohnen ermöglicht und den Einsatz der für die Haushaltsführung allgemein üblichen elektrischen Geräte erlaubt.

     

    MERKE | Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist für den Sollzustand nur auslegungsrelevant, wenn die Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes gleichsteht (BGH NJW 13, 2417; MK 09, 174, Abruf-Nr. 092406). In der Praxis ist das die Ausnahme.

     

    Der BGH überträgt diese zum Trittschallschutz in Mietwohnungen entwickelten Grundsätze auf eine überdimensionierte, aber ordnungsgemäß funktionierende Heizungsanlage. Die in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf (WuM 1984, 54), wonach eine unwirtschaftlich arbeitende Heizungsanlage einen Sachmangel i.S. von § 536 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist, bewertet der BGH zutreffend als nicht übertragbare Einzelfallentscheidung. Selbst das OLG Düsseldorf hält hieran nicht mehr fest (10.2.11, I - 10 U 38/10).

     

    Die Äußerung des XII. Senats, die Unwirtschaftlichkeit einer technisch fehlerfrei arbeitenden Heizungsanlage könne bei der Abrechnung der Heizkosten von Bedeutung sein - auf welche Weise bleibt offen - ist grenzwertig. Sie ist nicht entscheidungserheblich und kaum mit seinem Verdikt vereinbar, den Vermieter treffe ohne gesetzliche Verpflichtung auch aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot keine Pflicht zur Modernisierung (Langenberg, Betriebskostenrecht, 6. Aufl., H 49).

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 63 | ID 42571319