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  • · Fachbeitrag · Betriebskostenabrechnung

    Kehrtwende des VIII. Senats: Maßgebend ist die tatsächliche Wohnfläche

    von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Wohnflächenangaben in Mietverträgen entsprechen häufig nicht den tatsächlichen Flächenmaßen. Was ist, wenn die tatsächliche Mietfläche kleiner ist bzw. wenn sie ‒ wie hier ‒ größer ist als vereinbart. Der BGH hatte zu entscheiden, ob es im Rahmen seiner 10-Prozent-Rechtsprechung bei der angegebenen Wohnfläche bleibt oder ob Betriebskosten nur anhand der tatsächlichen Fläche abzurechnen sind. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin. Mietvertraglich haben die Beklagten ‒ neben der Grundmiete und einer Betriebskostenpauschale ‒ monatliche Heizkostenvorauszahlungen zu leisten, über die jährlich abgerechnet wird. „Die Wohnfläche ist mit 74,59 qm vereinbart.“Nach dem Erwerb der Wohnung durch die Klägerin stellte sich heraus, dass die wahre (beheizte) Wohnfläche 78,22 qm beträgt.

     

    Die Klägerin rechnete die Heizkosten für die Wirtschaftsjahre 2013 und 2014 unter Zugrundelegung der tatsächlichen Quadratmeterzahl der beheizten Wohnfläche ab; diese Berechnungen ergeben jeweils Guthaben der Beklagten in Höhe von 296,06 EUR (2013) sowie in Höhe von 554,09 EUR (2014). Diese errechneten ihrerseits auf der Grundlage der mietvertraglich vereinbarten (geringeren) Wohnfläche weitere Guthaben von 26,55 EUR (für 2013) sowie von 15,91 EUR (für 2014). Die genannten Beträge behielten die Beklagten von der Miete ein. Die Zahlungsklage hat in allen Instanzen Erfolg.

     

    Sofern und soweit Betriebskosten nach gesetzlichen Vorgaben (vgl. etwa § 556a Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 HeizkV) ganz oder teilweise nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, ist für die Abrechnung im Allgemeinen der jeweilige Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der betroffenen Wohnung an der in der Wirtschaftseinheit tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche maßgebend (Abruf-Nr. 201849).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klägerin hat die Heizkosten zutreffend auf der Grundlage der tatsächlich beheizten Flächen abgerechnet und der vertraglich vereinbarten Wohnfläche bei der Abrechnung keine Bedeutung zugemessen. Dieser Beurteilung entgegenstehende Ausführungen im Senatsurteil vom 31.10.06 (MK 08, 19, Abruf-Nr. 073621) hat das Berufungsgericht im Lichte des Senatsurteils vom 18.11.15 (MK 16, 25, Abruf-Nr. 145948) zu Recht als überholt angesehen.

     

    Nach der Rechtsprechung des Senats enthält die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe im Allgemeinen zugleich eine dahin gehende vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung. Dementsprechend geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel der Wohnung i. S. d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB infolge der Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB) gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt. Dies bedeutet indes nicht, dass in jedem Fall, in dem die Größe der Wohnung ein notwendiger Beurteilungsmaßstab ist, von den etwaig getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zur Wohnfläche auszugehen wäre.

     

    So hat der Senat in MK 16, 25 entschieden, dass eine von den tatsächlichen Größenverhältnissen abweichende Beschaffenheitsvereinbarung zur Wohnungsgröße keinen Einfluss auf die bei einer späteren Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 2 BGB in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete einzustellende Wohnungsgröße hat. Grund: Ausgehend von der nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers alleinigen Maßgeblichkeit des objektiven Wohnwerts der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung dürfen bei der Frage der Berechtigung einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete subjektive Elemente, zu denen auch Parteivereinbarungen zu bestimmten Wohnwertmerkmalen wie etwa der Wohnungsgröße gehören, keine Rolle spielen. Seine diesbezügliche frühere Rechtsprechung (zuletzt NJW 09, 2739), nach der auch bei Mieterhöhungen nach § 558 Abs. 2 BGB eine Abweichung der vereinbarten Wohnfläche zu der tatsächlichen Wohnfläche von bis zu 10 Prozent als unbeachtlich angesehen wurde, hat der Senat in MK 16, 25 ausdrücklich aufgegeben.

     

    Indes sind auch Betriebskosten, sofern und soweit sie nach Wohnfläche abzurechnen sind, und zu denen bei eröffnetem Anwendungsbereich (§ 1 HeizkV) ‒ jedenfalls zu einem bestimmten Prozentsatz (§ 6 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 HeizkV) ‒ auch Heizkosten zählen, nach den tatsächlichen Gegebenheiten und nicht nach den von subjektiven Vorstellungen geprägten Parteivereinbarungen zur Wohnfläche abzurechnen. Soweit der Senat früher Abweichungen bis zu 10 Prozent von der vereinbarten zu der tatsächlichen Wohnfläche auch im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung als unbeachtlich angesehen hat (MK 08, 19) hält er daran nicht mehr fest.

     

    Sofern und soweit Betriebskosten nach gesetzlichen Vorgaben (vgl. etwa § 556a Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 HeizkV) ganz oder teilweise nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, geht es im Allgemeinen um den Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der jeweils betroffenen Wohnung an der in der Wirtschaftseinheit tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche (Nachweise Urteil Tz. 23). Auch erwähnt die Heizkostenverordnung mehrfach den Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ (so in § 5 Abs. 2 S. 2, § 7 Abs. 1 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 5, § 9b Abs. 2), der eher darauf hindeutet, dass der Verordnungsgeber in erster Linie in diesen Regeln niedergelegte objektive Kriterien für die Heizkostenverteilung als maßgeblich ansieht. Dies spricht ebenfalls dafür, die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abrechnung nach Wohnflächenanteilen heranzuziehen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Erneut erweist sich, dass der Grundsatz „pacta sunt servanda“ nicht vor Korrekturen durch den BGH schützt. Weicht die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche von der tatsächlichen Wohnfläche ab, ist der Abrechnung von Betriebskosten die vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 Prozent beträgt. So hatte der BGH noch in 2007 geurteilt. Nunmehr gibt er diese Auffassung ausdrücklich auf. Folge: Sowohl im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB (BGH MK 16, 25) als auch bei der Abrechnung der Betriebskosten ist nicht mehr die vereinbarte Wohnfläche, sondern die tatsächliche Wohnfläche zugrunde zu legen. Lediglich für den Anwendungsbereich des § 536 BGB hält der BGH (noch) an seiner 10-Prozent-Rechtsprechung fest.

     

    Die Entscheidung schafft einerseits mehr Verteilungsgerechtigkeit, provoziert aber auch neue Streitpunkte. Sie eliminiert aus Sicht des BGH subjektive Vorstellungen einzelner Mietvertragsparteien zur Wohnungsgröße, die ihren Ausdruck in einer Beschaffenheitsvereinbarung zur Wohnfläche gefunden haben, von vornherein als tauglichen Abrechnungsmaßstab und ermöglicht es, objektiv entstandene und für eine geschlossene Wirtschaftseinheit (im Streitfall: für mehrere Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus) einheitlich erfasste Betriebskosten (hier: Heizkosten) nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umzulegen, der gleichermaßen für alle zur Wirtschaftseinheit zählenden Nutzer gilt.

     

    Sofern keine Konsens über die anzuwendende Berechnungsmethode erzielt wird, dürfte sich der Focus der Parteien nunmehr auf die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Fläche richten, zu der den Ausführungen des BGH nichts zu entnehmen ist. Hierzu gehört die notwendige Verknüpfung mit der Gesamtwohnfläche des Hauses. Die hierdurch entstehenden Kosten werden die oft geringfügige Nachforderung in der Regel weit übersteigen.

     

    Mag man von dem Mieter im Einzelfall noch ein substanziiertes Bestreiten der der vom Vermieter der Abrechnung zugrunde gelegten Wohnfläche seiner Wohnung verlangen können (vgl. BGH MK 17, 129), ist dies bei den Angaben des Vermieters zur Gesamtwohnfläche schon zweifelhaft (Wall, jurisPR-MietR 14/2018 Anm. 2).

     

    Den argumentativen Hinweis des BGH auf § 556a Abs. 1 BGB verstehe ich so, dass die Wendung „nichts anderes vereinbart“ es den Parteien verwehrt, die für die Umlage maßgebliche Fläche abweichend von der tatsächlichen Fläche festzulegen. Disponibel dürfte jedoch ‒ in den Grenzen des § 307 BGB ‒ die der Mietflächenberechnung zugrunde liegende Methode sein (z. B. WoflV).

     

    Für das Wohnraummietrecht schlägt Hinz (ZMR 18, 1, 7) unter zutreffendem Hinweis darauf, dass eine 100-prozentige Verteilungsgerechtigkeit ohnehin nicht erzielt werden kann und der Praktikabilität der Betriebskostenabrechnung auch vom BGH ein hoher Stellenwert beigemessen wird, eine zulässige Toleranzgrenze von 2 bis 3 Prozent vor.

     

    Es bleibt abzuwarten, ob sich der XII. Senat der Auffassung des VIII. Senats für den Bereich der Geschäfts- bzw. Gewerberaummiete anschließen wird.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 149 | ID 45408031