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  • · Fachbeitrag · Betriebskostenabrechnung

    Grundsteuer: Bei Mischnutzung kein Vorwegabzug für gewerblich genutzte Einheiten

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Wird ein vermietetes Grundstück sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken genutzt, ist Streit programmiert, wenn der Vermieter die Betriebskosten einheitlich abrechnet und keinen Vorwegabzug für die gewerblich genutzten Mieter vornimmt. Der BGH entscheidet, dass die einheitlich erhobenen Kosten der Grundsteuer selbst dann nicht nach der unterschiedlichen Nutzung der Flächen aufgeteilt werden müssen, wenn das Mietgrundstück zu mehr als 50 Prozent überwiegend gewerblich genutzt wird. |

     

    Sachverhalt

    Die Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes beträgt rund 1.100 qm, wobei auf die gewerbliche Nutzung rund 56 Prozent der Flächen und der Rest auf die Wohnnutzung entfallen. Die Kläger sind dort Mieter einer 136 qm großen Wohnung. § 3 Nr. 4 des Formular-Mietvertrags lautet: „Als Umlegungsmaßstab für die Nebenkosten oder Nebenkostenerhöhung gilt als vereinbart: das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses.“ Für 2013 belief sich die Grundsteuer nach dem (einheitlichen) Grundsteuerbescheid auf 4.580 EUR. Bei der Abrechnung der Betriebskosten für dieses Jahr legte die Beklagte den genannten Betrag einheitlich nach dem Flächenmaßstab um, ohne zwischen gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung zu unterscheiden oder für erstere einen Vorwegabzug vorzunehmen.

     

    Die Voreigentümerin hingegen hatte jeweils einen Betrag in Höhe von 70 Prozent der für das gesamte Objekt erhobenen Grundsteuer vorweg auf die gewerblichen Einheiten verteilt und lediglich ‒ für die Mieter günstiger ‒ den Restbetrag auf die Wohneinheiten umgelegt. Die Kläger meinen, dass diese Abrechnungsweise beizubehalten sei. Sie haben auf dieser Basis einen Differenzbetrag von 209 EUR errechnet, der ihnen von der Beklagten für 2013 zu Unrecht berechnet worden sei. Die Zahlungsklage scheitert in den Vorinstanzen. Der BGH weist die Revision der Kläger zurück.

     

    Bei der Betriebskostenabrechnung für ein teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutztes Grundstück bedarf es bezüglich der Umlage der Grundsteuer keines Vorwegabzugs für die gewerblich genutzten Einheiten (Abruf-Nr. 194582).

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Vorwegabzug aus Billigkeitsgründen ist nach §§ 315, 316 BGB (nur) erforderlich, wenn ‒ wofür der Mieter die Darlegungs- und Beweislast trägt ‒ durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten (pro Quadratmeter) entstehen (MK 10, 209, Abruf-Nr. 102868; NZM 11, 118; MK 06, 80, Abruf-Nr. 060768). Gemessen an diesem Maßstab hat das LG die Notwendigkeit eines Vorwegabzugs bei der Grundsteuer rechtsfehlerfrei verneint. Grund: Bei der Grundsteuer handelt es sich um eine ertragsunabhängige Objektsteuer. Das heißt: Die in einem Abrechnungsjahr erhobene Steuer hängt grundsätzlich nicht von den in diesem Jahr erzielten Erträgen und ihrer Verteilung auf die Nutzung zu gewerblichen Zwecken einerseits und zu Wohnzwecken andererseits ab.

     

    Vielmehr wird die Grundsteuer auf der Basis der vom örtlichen Finanzamt erlassenen Bescheide über den Einheitswert (hier: 56.548 EUR) und den Grundsteuermessbetrag (hier: 565,48 EUR, errechnet im Wege der Multiplikation des Einheitswerts mit der Steuermesszahl 10 vom Tausend) sowie des von der Gemeinde durch Satzungsbeschluss festgelegten Hebesatzes (in Berlin Multiplikator 8,1 = 810 Prozent) ermittelt.

     

    Auch die Revision stellt nicht in Abrede, dass es bei der derzeitigen gesetzlichen Regelung und behördlichen Praxis der Grundsteuererhebung keinen direkten Zusammenhang zwischen der im Abrechnungsjahr anfallenden Grundsteuer und der konkreten Nutzungsaufteilung sowie der konkreten Ertragssituation in diesem Zeitraum gibt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hält entgegen verbreiteter Auffassung im Schrifttum (Nachweise Urteil Tz. 24) daran fest, dass ‒ soweit nichts anderes vereinbart ist ‒ im Rahmen der Betriebskostenabrechnung ein Vorwegabzug der auf die Gewerbeflächen entfallenden Kosten ‒ hier: der Grundsteuer ‒ für alle oder einzelne Betriebskostenarten nicht geboten ist. Jedenfalls wenn diese Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen.

     

    Beachten Sie | Ein Vorwegabzug ist auch bei einer nur geringfügigen Mehrbelastung stets vorzunehmen, wenn die Parteien diesen vereinbart haben.

     

    Hier ist das nicht der Fall. Mit der Regelung in § 3 Nr. 4 des Formular-Mietvertrags wird lediglich bestimmt, dass die Betriebskosten ‒ insgesamt ‒ nach dem Flächenmaßstab zu verteilen sind. Die Frage eines Vorwegabzugs wird in der Klausel nicht ansatzweise angesprochen. Das sieht auch der BGH so.

     

    Auch aus § 556a Abs. 1 S. 2 BGB lässt sich ein Vorwegabzug bei der Umlage der Grundsteuer nicht herleiten. Eine erfasste unterschiedliche Verursachung im Sinne dieser Vorschrift scheidet von vornherein aus, weil die Grundsteuer auf einer einheitlichen Festsetzung durch die Gemeinde beruht und nicht von einem Verhalten der Mieter abhängt.

     

    Bei der Festsetzung des Einheitswerts für ein ‒ wie hier ‒ Grundstück mit einem gemischt genutzten Gebäude ist das Ertragswertverfahren anzuwenden (vgl. §§ 36 ff. BewG). Dabei wird ein in der Vergangenheit festgesetzter Einheitswert (wie hier im Bescheid vom 1.1.96) anlässlich eines Eigentümerwechsels in der Regel nicht aktualisiert, sondern wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger (vgl. § 182 Abs. 2 AO). Zudem erfolgt die Festsetzung des Einheitswerts regelmäßig bezogen auf die Wertverhältnisse zu einem weit zurückliegenden Zeitpunkt ‒ hier auf den 1.1.35.

     

    Der BGH folgert hieraus zutreffend, dass es bei der derzeitigen gesetzlichen Regelung und der behördlichen Festsetzungspraxis keinen direkten Zusammenhang zwischen der jeweils abgerechneten Grundsteuer und der konkreten Nutzungsaufteilung sowie der konkreten Ertragssituation in diesem Zeitraum gibt. Das heißt: Es fehlt an der maßgeblichen Voraussetzung eines Vorwegabzugs, dass die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten verursacht, die es unbillig erscheinen lassen, die Kosten (ohne Vorwegabzug) einheitlich nach dem Flächenmaßstab zu verteilen.

     

    Die Entscheidung bedeutet, dass für jede Betriebskostenart geprüft werden muss, ob sich ohne Vorwegabzug für den Wohnraummieter tatsächlich erhebliche Mehrkosten ergeben. Dies muss der Mieter im Streitfall darlegen und beweisen. Anders als bei einer Büronutzung liegt ein erheblicher Mehrverbrauch etwa auf der Hand, wenn in dem gemischt genutzten Gebäude eine Wäscherei oder anderes Gewerbe mit hohem Wasserverbrauch betrieben wird.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zu typischen Streitpunkten bei der Betriebskostenabrechnung, MK 16, 1
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 151 | ID 44812551