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  • 03.01.2008 | Mietwagen

    Unfallersatztarif: Diese BGH-Entscheidungen müssen Sie kennen

    Mietet der Geschädigte nach einem Unfall für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen, berechnen ihm die Kfz-Vermieter durchweg einen über dem (örtlichen) Normaltarif liegenden Unfallersatztarif. Dieser wird von den gegnerischen Haftpflichtversicherungen auch bei 100-prozentiger Einstandspflicht zunehmend nur anteilig erstattet, während die Autovermietung vom unfallgeschädigten Mieter den vollen Rechnungsausgleich verlangt. Zu diesem Problemkreis hat sich sowohl unter versicherungs- als auch mietrechtlichem Blickwinkel eine umfangreiche BGH-Rechtsprechung entwickelt. Deren Kenntnis ist für eine regressfreie Mandatsbearbeitung unerlässlich. Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über die Rechtsprechung der zuständigen Fachsenate in 2006/2007.  

     

    Checkliste: Aktuelle BGH-Entscheidungen zu Mietwagenkosten (Unfallersatztarif)

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    VersR 07, 1755 (VI. ZS.);  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2122 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2181 /XII. ZS.);  

    ZMR 07, 433 (XII. ZS.);  

    DAR 06, 681 (VI. ZS.);  

    NJW 06, 2106 VI. ZS.);  

    DAR 06, 37 (VI. ZS.)  

    Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen. Der Geschädigte verstößt aber noch nicht allein gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die Besonderheiten der Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    Für die Frage der Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs kommt es im Allgemeinen nicht darauf an, ob der Mietpreis für das Ersatzfahrzeug zwischen Mieter und Vermieter wirksam vereinbart worden ist.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    NJW 07, 2181 (XII. ZS.)  

    Für die Frage der Sittenwidrigkeit des zwischen dem Geschädigten und einem Mietwagenunternehmen geschlossenen Mietvertrags ist darauf abzustellen, ob der im Einzelfall verlangte Unfallersatztarif den auf dem Markt üblichen Unfallersatztarif in sittenwidriger Weise übersteigt.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    VersR 07, 1755 (VI. ZS.);  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    MDR 07, 713 (VI. ZS.);  

    NZV 06, 525 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 681 (VI. ZS.)  

    Es ist nicht erforderlich, dass der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs” die Kalkulation des konkreten Unternehmens – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – in jedem Falle nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif” in Betracht kommt.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    Normaltarif ist der Tarif, der für den Selbstzahler Anwendung findet und unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird. Auch wenn der Autovermieter nicht zwischen „Unfallersatztarif” und „Normaltarif” unterscheidet, sondern einen einheitlichen Tarif anbietet, der weit über dem Durchschnitt der auf dem örtlichen Markt erhältlichen „Normaltarife” liegt, ist zu prüfen, ob unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters oder sonstige mit der Unfallsituation verbundene besondere Umstände diese Erhöhung rechtfertigen.  

     

    Dass die Geschädigte im ländlichen Bereich wohnt und größere Anstrengungen und Mühen auf sich nehmen muss, um den Haftpflichtversicherer zu entlasten, sind besondere Umstände des Einzelfalls, die im Rahmen der Beurteilung der Zugänglichkeit des jeweiligen Normaltarifs zu berücksichtigen sind. Hingegen ist nicht maßgebend, dass sich der streitgegenständliche Mietwagentarif im Mittelfeld der sonst in vergleichbarer Situation angebotenen Tarife hält. Hierauf kommt es letztlich nicht an. Die Prüfung der Erforderlichkeit erstreckt sich darauf, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigen. Hingegen spielt keine Rolle, ob der Klägerin persönlich außer der Vorfinanzierung der Mietwagenkosten weitere unfallbedingte Mehrleistungen, die eine Tariferhöhung rechtfertigten, zugute gekommen sind. Auch muss zur Beurteilung der Erforderlichkeit die Kalkulation des Vermieters im konkreten Einzelfall nicht nachvollzogen werden.  

    NJW 06, 2106 (VI. ZS.);  

    Unterscheidet der Kfz-Vermieter nicht zwischen „Unfallersatztarifen” und „Normaltarifen”, sondern bietet er potentiellen Mietern einen einheitlichen Tarif an und hat der Mieter mit Ausnahme einer Vorfinanzierung der Mietwagenkosten keine unfallbedingten Mehrleistungen des Kfz-Vermieters im Zusammenhang mit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs in Anspruch genommen, darf das Gericht unter Berücksichtigung des aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB abgeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebots den Tarif des Kfz-Vermieters mit den auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen „Normaltarifen” vergleichen.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    VersR 07, 1755 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 681 (VI. ZS.);  

    NZV 06, 525 (VI. ZS.)  

    In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den „Normaltarif” auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels” im Postleitzahlengebiet des Geschädigten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung – ermitteln.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    DAR 06, 681 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 378 (VI. ZS.):  

    ZfSch 06, 505 (VI. ZS.)  

    Der Geschädigte muss darlegen und ggf. beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.  

    NJW 07, 2559 (XII. ZS.); VersR 07, 80 (XII. ZS.)  

    Es kommt nicht allein darauf an, ob der Beklagte beim Vermieter zum Normaltarif hätte anmieten können. Maßgebend ist vielmehr, ob der Mieter auf dem örtlich relevanten Markt ein Fahrzeug zum Normal-tarif hätte mieten können.  

    NJW 06, 2106 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 378 (VI. ZS.)  

    Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht i.S.d. § 254 BGB, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung: Kann der Geschädigte nach § 249 BGB nur den zur Herstellung „erforderlichen” Betrag ersetzt verlangen, gilt dies erst recht für die ausnahmsweise Ersatzfähigkeit an sich nicht erforderlicher Aufwendungen wegen der Nichtzugänglichkeit eines günstigeren „Normaltarifs”.  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2122 (VI. ZS.);  

    ZfS 06, 505 (VI. Zs.);  

    DAR 06, 378 (VI. ZS.)  

    Für die Frage, ob dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich war, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Danach kommt es insbesondere zur Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Eine besondere Eilbedürftigkeit kann jedoch auch bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen.  

    DAR 06, 681 (VI ZS.)  

    Liegt der angebotene Tarif erheblich über den in der sog. „Schwacke-Liste” aufgezeigten Tarifen und ist er auffällig hoch, hätte es für den Kläger unter den Umständen des Streitfalls nahe gelegen, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen. Das gilt jedenfalls, wenn – wie hier – zwischen dem Unfall und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs ein Zeitraum von ca. zwei Wochen liegt und auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Eilbedürftigkeit der Anmietung vorliegen, die gegen eine Erkundigungspflicht bzgl. günstigerer Tarife bzw. Anbieter sprechen könnten.  

    NJW 06, 2106 (VI. ZS.)  

     

    Dem Mieter kann als Verstoß gegen seine Schadensgeringhaltungspflicht angelastet werden, dass er bei der auf Vermittlung der Reparaturwerkstatt erfolgten Anmietung des Fahrzeuges keinerlei Erkundigungen über andere Anmietungsmöglichkeiten eingezogen hat, wenn er die Anmietung nicht in einer Eil- oder Notsituation, sondern erst einen Tag nach dem Unfall an einem gewöhnlichen Wochentag (hier: einem Mittwoch zur üblichen Geschäftszeit) vorgenommen hat.  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2122 (VI. ZS.);  

    DAR 07, 261 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 681 (VI. ZS.);  

    DAR 06, 378 (VI. ZS.)  

    Allein das allgemeine Vertrauen, der ihm vom Autovermieter angebotene Tarif sei „auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten”, rechtfertigt es nicht, zu Lasten des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren.  

    9.10.07, VI ZR 27/07, n.v.;  

    MDR 07, 713 (VI. ZS.)  

     

    Dass ein Mietwagenunternehmen dem Geschädigten nur einen Tarif angeboten hat, reicht nicht für die Annahme aus, dem Geschädigten sei kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen.  

    DAR 06, 378 (VI. ZS.)  

    Soweit bei Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifs der Vermieter nicht selbst aus abgetretenem Recht des Geschädigten klagt und dem Tatrichter die erforderlichen Schätzungsgrundlagen liefert, kann er bei einer Klage des Geschädigten diesem die benötigten Informationen erteilen und ihm – wie im vorliegenden Fall geschehen – als Streithelfer beitreten, wozu ihn der Geschädigte mittels einer Streitverkündung auffordern kann. Die prozessualen Wirkungen einer Streitverkündung bzw. einer Streithilfe (§ 68 ZPO) können in einem Folgeprozess zwischen Vermieter und Mieter bei der Frage eine Rolle spielen, ob der Vermieter bei dem Angebot eines „speziell auf die Bedürfnisse des Unfallgeschädigten zugeschnittenen Unfallersatztarifs” gegen (vor-)vertragliche Aufklärungs- und Hinweispflichten verstoßen hat.  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2122 (VI. ZS.);  

    NZV 06, 525 (VI. ZS)  

     

    Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, kann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif” in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte.  

    NZV 07, 514 (VI. ZS.);  

    NJW 07, 2122 (VI. ZS.)  

     

    Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif” nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif” übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung auch verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre.  

    NJW 07, 2559 (XII. ZS.);  

    NJW 07, 2181 (XII. ZS);  

    ZMR 07, 432 (XII. ZS.);  

    MK 06, 172 (XII. ZS.), Abruf-Nr. 062352 

    Der Vermieter muss nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h. weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote der Konkurrenz aufklären. Es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht.  

     

    Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss er den Mieter darüber aufklären. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder – wie im vorliegenden Fall von ihm behauptet – nur einen einheitlichen Tarif anbietet.  

     

    Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.  

    NJW 07, 2181 (XII. ZS.)  

    Der Kfz-Vermieter kommt seiner Aufklärungspflicht nicht mit dem Hinweis im Kfz-Mietvertrag nach, „Ich bin darauf hingewiesen worden, dass ich bei Vorauskasse (Euro-Scheck – Intern. Kreditkarte) einen günstigeren Tarif erhalten kann“.  

    ZMR 07, 437 (XII. ZS.);  

    MK 06, 172 (XII. ZS.), Abruf-Nr. 062352  

    Erklärt der Vermieter bei Vertragsschluss wider besseres Wissen, es gebe wegen der Mietwagenkosten mit der Haftpflichtversicherung keinerlei Probleme und wird der Mieter hierdurch zum Abschluss des Mietvertrags mit dem hier deutlich über dem Normaltarif liegenden Unfallersatztarif veranlasst, steht ihm gegen den Vermieter ein Schadenersatzanspruch aus c.i.c. zu (§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 S. 1, § 249 BGB).  

     

    Diesen kann er der geltend gemachten Mietzinsforderung entgegenhalten, wenn – hier: nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen – davon auszugehen ist, dass er ohne die Fehlinformation ein Kraftfahrzeug zum Normaltarif angemietet und sich damit Kosten in Höhe der Klageforderung erspart hätte.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2008 | Seite 8 | ID 116576