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  • 01.04.2006 | Leserforum

    Nicht geschuldete Betriebskosten: Das müssen Sie wissen

    von VRiLG a.D. Harald Kinne, Berlin

    Immer wieder berichten Leser von Fällen, in denen der Mieter mit Betriebskosten belastet wird, die er nicht schuldet. Dabei sind folgende Problemlagen zu unterscheiden: Der Mieter gleicht die Forderung vorbehaltlos aus, er zahlt unter – qualifiziertem – Vorbehalt, er teilt seine Einwendungen nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Zugang der Abrechnung dem Vermieter mit oder der Vermieter setzt dem Rückforderungsanspruch des Mieters die Einrede der Verjährung entgegen. Die folgenden Checklisten fassen zusammen, wie Sie diese Probleme lösen:  

     

    Checkliste 1: Vorbehaltlose Zahlung auf umlagefähige Betriebskosten
    • Die vorbehaltlose Zahlung einer Abrechnungsforderung ist als deklaratorisches Anerkenntnis mit der Wirkung eines Verzichts auf solche Einwendungen anzusehen, die der Mieter kannte oder auf Grund der Abrechnungsunterlagen hätten kennen können (BGH GE 06, 246; OLG Hamburg WuM 91, 598; LG Köln ZMR 01, 547; LG Aachen NZM 01, 707; LG Berlin GE 00, 1686; Lützenkirchen, NZM 02, 512). Dabei handelt es sich um Fehler, bei denen sich der Vermieter zwar im generellen Rahmen oder der ihm im Vertrag eingeräumten Rechte hält, ihm im Einzelfall jedoch Versehen oder Irrtümer unterlaufen.

     

    Auch die Duldung des Bankeinzugs der Nachforderung durch den Vermieter ist als vorbehaltlose Zahlung anzusehen. Der Mieter kann sich nach vorbehaltloser Zahlung auch nicht mehr darauf berufen, dass die Forderung nicht fällig war (OLG Hamburg, a.a.O.).

     

    • Zumindest führt die vorbehaltlose Zahlung des Nachforderungsbetrags dazu, dass der Mieter, der den vorbehaltlos gezahlten Betrag zurückfordert, für die Unrichtigkeit der Betriebskosten-abrechnung darlegungspflichtig ist (LG Berlin GE 98, 491).

     

    • Weitere Voraussetzung für den Ausschluss der Rückforderung ist, dass der Mieter den Fehler bei Einsicht in die Abrechnungsunterlagen hätte erkennen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Mieter nicht preisgebundenen Wohnraums einen Anspruch auf Einsicht in sämtliche Abrechnungsunterlagen hat. Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter Einsicht in sämtliche Rechnungen und Belege im Original zu gewähren. Auch Verträge sind dem Mieter auf Verlangen vorzulegen (z.B. Vollwartungsvertrag des Aufzugsunternehmens, Hauswartdienstvertrag). Datenschutzgesichtspunkte stehen dem Einsichtsrecht nicht entgegen (AG Münster WuM 00,198; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 Rn. 481). Persönliche Daten in Verträgen, die für die Abrechnung ohne Belang sind, können von der Einsicht ausgenommen werden.

     

    • Auch der Mieter der vermieteten Eigentumswohnung kann Einsicht in die Abrechnungsunterlagen selbst verlangen, wenn sich diese beim Verwalter befinden (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 482). Denn allein aus der von dem Vermieter weitergeleiteten Abrechnung der Eigentümergemeinschaft kann nicht entnommen werden, welcher Anteil an Reparatur- oder Verwaltungskosten in den Kosten des Aufzugs oder des Hauswarts enthalten ist. Der Einsichtsanspruch muss allerdings gegenüber dem vermietenden Eigentümer geltend gemacht werden, der diesen Anspruch gegenüber der Eigentümergemeinschaft durchsetzen muss.

     

    • Für den Ort der Einsicht ist zunächst die mietvertragliche Vereinbarung maßgebend. Ist die Vereinbarung unwirksam – z.B. weil sie formularmäßig den Mieter zur Einsicht an dem weit entfernten Sitz des Vermieters verpflichtet – oder fehlt eine Vereinbarung über den Einsichtsort, ist nach h.M. die Einsicht an dem Sitz des Vermieters wahrzunehmen, wenn er mit dem Belegenheitsort des vermieteten Objekts identisch ist (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 487).

     

    • Der Mieter hat keinen Anspruch auf Übersendung der Originale der Betriebskostenunterlagen, sondern muss die Originalunterlagen grundsätzlich in den Räumen des Vermieters oder seiner Hausverwaltung einsehen (KG GE 04,423; LG Leipzig NZM 05, 944; LG Berlin WuM 05,49; LG Zwickau WuM 03,271; LG Hamburg WuM 00,1997; Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 487).

     

    • Der Mieter hat nur ausnahmsweise einen Anspruch auf Übersendung von Belegkopien gegen entsprechende Kostenerstattung, wenn für den Mieter die Einsichtnahme am Sitz des Vermieters oder der Hausverwaltung unzumutbar ist, was bei einer erheblichen Entfernung der Mietwohnung vom Sitz des Vermieters bzw. der Hausverwaltung der Fall sein kann (OLG Düsseldorf WuM 93, 411; LG Berlin GE 03, 1492; LG Hamburg WuM 00, 1997; LG Frankfurt/M. NZM 00, 27). Der Vermieter kann jedoch die Übersendung der Belege davon abhängig machen, dass der Mieter ihm die dafür erforderlichen Kosten erstattet (LG Berlin GE 03, 253).

     

    • Hat der Mieter keine Einsicht in die Rechnungsbelege genommen, kann er sich nach vorbehaltlosem Ausgleich der Betriebskosten(nach)forderung nicht mehr darauf berufen, dass er zu Unrecht mit Betriebskosten belastet worden sei.

     

    Praxishinweis: Sind als Betriebskosten nicht umlagefähige Kosten umgelegt worden, ist der Ausgleich der Betriebskostennachforderung ohne Vorbehalt in diesem Umfang nicht als deklaratorisches Anerkenntnis anzusehen. Davon zu unterscheiden sind wiederum Kosten, die als Betriebskosten umlagefähig sind, deren Umlage aber nicht vereinbart worden ist. Neu eingeführte Betriebskosten (z.B. für nachträglich eingebauten Aufzug) können jedenfalls bei einer widerspruchslos akzeptierten Berechnung umgelegt werden (BGH WuM 04,151; NZM 04, 253).

     

    Ebenso reicht eine stillschweigende Vereinbarung auf Grund jahrelanger Zahlung insbesondere bei sonstigen Betriebskosten i.S.d. Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 II BV a.F. (jetzt: § 2 BetrkV) auf Grund einer Abrechnung aus (BGH WuM 04, 290; WuM 04, 292; AG Pinneberg ZMR 05, 371).

     

    • Hat der Mieter hingegen einen Vorbehalt gegenüber der Betriebskostenabrechnung erklärt, ist er mit Rückforderungsansprüchen nicht ausgeschlossen, wenn er diesen konkretisiert hat (LG Bayreuth NZM 05, 616). Ein allgemeiner Vorbehalt reicht nicht aus, da der Vermieter dann die Einwendungen des Mieters nicht überprüfen kann. Der Mieter kann durch einen allgemein gehaltenen Vorbehalt die Wirkung des Ausgleichs der Betriebkostennachforderung als Anerkenntnis nicht ausschließen.

     

    • § 556 Abs. 3 S. 5und 6 BGB, wonach der Mieter seine Einwendungen gegen die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitteilen muss (s.u., Checkliste 2), steht der Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses durch Zahlung des Nachforderungssaldos nicht entgegen (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 411 ff.). Denn § 556 Abs. 3 S. 5 BGB normiert nur eine Ausschlussfrist („spätestens bis ...”), die vorherige ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen zwischen den Mietvertragsparteien über bestimmte Nachforderungen nicht ausschließt.
     

    Checkliste 2: Einwendungsausschluss des Mieters
    • Der Mieter kann mit seinen Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung – und damit mit seinem Rückforderungsanspruch – ausgeschlossen sein, weil er diese dem Vermieter nicht spätestens bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach Zugang der Abrechnung mitgeteilt hat (§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB), es sei denn, er hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 Abs. 3 S. 6 BGB).

     

    • Da das Gesetz an den Zugang der Abrechnung anknüpft, stellt sich zunächst die Frage, ob darunter auch eine ”Abrechnung” fällt, die nicht den formalen Mindestanforderungen entspricht. Das ist umstritten. Während Schmid (ZMR 02, 727) die Auffassung vertritt, dass der Gesetzeszweck für die Heilung formeller Fehler spricht (unter Berufung auf Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht, 2001, 117), halten Lützenkirchen (NZM 02, 512) und Sternel (ZMR 01, 937) eine formell nicht ordnungsgemäße Abrechnung nicht für geeignet, die Frist auszulösen. Dafür spricht der Gesichtspunkt, dass der Mieter auf die formale Unwirksamkeit gar nicht hinzuweisen braucht, also sein Schweigen auch die Unwirksamkeit nicht heilen kann. Denn die formale (Un-)Wirksamkeit ist im Prozess von Amts wegen auch zu prüfen, wenn der verklagte Mieter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint und der Vermieter daher ein Versäumnisurteil gegen den Mieter beantragt. Insoweit dürfte aber zwischen den formalen Mindestanforderungen und materiellen Fehlern zu unterscheiden sein.

     

    • Der Mieter ist mit seinem Einwand, der Vermieter habe entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht umlagefähige Positionen abgerechnet (Lützenkirchen, NZM 02, 512; Schmid, ZMR 02, 727; Sternel, ZMR 01, 937) oder über den abschließenden Kostenkatalog des § 2 BetrKV hinaus Kosten als Betriebskosten umgelegt (z.B. Verwaltungskosten oder gestiegene Hypothekenzinsen), nach Ablauf der Frist nicht ausgeschlossen (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 556 Rn. 503). Denn über nicht umlagefähige Betriebskosten kann nicht i.S.d § 556 Abs. 5 BGB „abgerechnet” werden.

     

    • Wer nicht Vermieter ist, erstellt keine „Abrechnung” i.S. dieser Vorschrift, denn abrechnen kann immer nur der Vermieter gegenüber dem Mieter. Schwieriger ist der Fall, wenn die Abrechnung an eine Person adressiert wird, die nicht Mieter ist. Insoweit dürfte danach zu differenzieren sein, ob sich aus der Abrechnung im Übrigen – z.B. durch Bezeichnung der Wohnung – ergibt, dass sie sich an denjenigen richtet, der die Wohnung nun als Mieter nutzt. Da diese Person weiß, ob sie Mieter ist, muss sie innerhalb der Ausschlussfrist rügen, dass die Abrechnung sie nicht als Mieter bezeichnet. Denn der Vermieter weiß u.U. gar nicht, dass eine andere Person als der aus dem Mietvertrag ersichtliche Mieter nun in den Mietvertrag eingetreten ist (z.B. gemäß § 563 BGB).

     

    • Fehlt die Aufteilung der Gesamtkosten nach den einzelnen Betriebskostenarten, ist der Verteilungsschlüssel überhaupt nicht angegeben oder – soweit notwendig – nicht erläutert, fehlt die Berechnung des Anteils des Mieters oder sind die vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen nicht abgezogen, kann der Mieter dies auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist rügen.

     

    • Sonstige Einwände sind nach Ablauf der Frist ausgeschlossen, vor allem die Einwände, dass
    • zu Unrecht kein Vorwegabzug erfolgt ist, obwohl in der Abrechnung darauf hingewiesen worden ist, warum ein Vorwegabzug entbehrlich ist,
    • die für den Vorwegabzug verwendeten Prozentsätze nicht die kostenintensive Beteiligung der Gewerbeflächen richtig erfassen,
    • verbrauchsabhängig zu erfassende Kosten (z.B. Wasserversorgung und Entwässerung) nicht nach Fläche hätten umgelegt werden dürfen, sondern verbrauchsabhängig hätten erfasst und abgerechnet werden müssen,
    • der Instandhaltungs- und/oder Verwaltungskostenanteil nicht richtig ausgewiesen ist und
    • die Höhe der einzelnen Betriebskosten sowie die in der Betriebskostenabrechnung angesetzten Flächen unrichtig sind.

     

    Fehler bei der Anwendung der Abrechnungsmaßstäbe werden durch Fristablauf ebenso geheilt wie eine unrichtige Voraufteilung.

     

    • Der Mieter muss innerhalb der Ausschlussfrist konkret darlegen, warum er die Abrechnung für falsch hält (Langenberg, NZM 01, 783; ders., WuM 01, 523; Lützenkirchen, NZM 02, 512; a.A. Schmid, ZMR 02, 727), und zwar auf Grund der eingesehenen Belege (LG Berlin GE 02, 1124; NZM 02, 65). Eine allgemein gehaltene Einwendung reicht nicht aus.
     

    Checkliste 3: Verjährung der Ausgleichsansprüche
    • Die sich aus der Abrechnung über Betriebskostenvorschüsse ergebenden Ausgleichsansprüche verjähren für Vermieter und Mieter in drei Jahren (Staudinger/Weitemeyer, BGB, § 556 Rn. 124). Das gilt auch für den Anspruch auf Rückzahlung ohne Rechtsgrund gezahlter Betriebskosten (OLG Hamm ZMR 95, 294). Für diese Ansprüche des Mieters beginnt der Lauf der Verjährungsfrist wie bisher frühestens mit Ende desjenigen Jahres, in dem dem Mieter die Abrechnung zugeht (BGH NJW 91, 836).

     

    • Weitere Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste. Insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass der Mieter grob fahrlässig handelt, wenn er von seinem Recht auf Einsicht in die Betriebskostenunterlagen keinen Gebrauch macht und deswegen erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennt, dass er Betriebskosten überzahlt hat.

     

    • Der Ablauf der Verjährungsfrist wird durch Zustellung der Klage auf Rückzahlung des überzahlten Betrags oder durch Zustellung des Mahnbescheids gehemmt 204 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB ). Ein Mahnbescheid, in dem der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nur mit ”überzahlte Nebenkosten“ bezeichnet wird, reicht zur Hemmung nicht aus. Denn dadurch wird der geltend gemachte Anspruch nicht unterscheidbar von anderen Ansprüchen derart konkretisiert, dass bei Erlass eines Vollstreckungsbescheids (auf Grund des Mahnbescheids) festgestellt werden kann, über welchen Anspruch rechtskräftig entschieden worden ist. Ein spätere Konkretisierung reicht nicht aus, wenn zuvor die Verjährungsfrist schon abgelaufen war (LG Berlin 18.12.01, 64 S 292/01).

     

    • Die Verjährung gibt dem Vermieter ein Leistungsverweigerungsrecht214 Abs. 1 BGB), das er geltend machen muss. Klagt der Mieter eine begründete, aber verjährte Rückzahlungsforderung ein, ist der Vermieter zur Zahlung zu verurteilen, solange er sich nicht auf die Verjährung beruft. Hat er die Forderung beglichen und erst danach bemerkt, dass sie verjährt war, kann er die Zahlung nach § 214 Abs. 2 BGB nicht zurückverlangen (beachte aber BGH 18.1.06, VIII ZR 84/05, Abruf-Nr. 060487).
     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2006 | Seite 59 | ID 88576