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  • · Fachbeitrag · Honorarvereinbarung

    Anpassung einer formunwirksamen Pauschalvergütung an veränderte Verhältnisse

    von Simon Beyme, StB/Syndikus-RA/FA für Steuerrecht, Berlin; Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e. V.

    | Haben Steuerberater mit Mandanten eine schriftliche Pauschalvergütung mit Anpassungsklausel vereinbart, ist eine hierzu nur mündlich vereinbarte Erhöhung formunwirksam (§ 14 Abs. 1 StBVV i. V. m. § 125 BGB ). Der Steuerberater kann sich aber bei entsprechender Durchführung der vereinbarten Anpassung nicht auf die Formunwirksamkeit berufen und stattdessen mit den höheren gesetzlichen Gebühren nach StBVV abrechnen. Vielmehr ist die Vergütung anhand der ursprünglichen Vereinbarung zu bestimmen (OLG Schleswig-Holstein 11.1.19, 17 U 21/18; Rev. BGH IX ZR 15/19). |

     

    Sachverhalt

    Hintergrund war folgender Fall: Eine Steuerberatungsgesellschaft traf im Jahr 2012 eine Honorarvereinbarung, die u. a. lautete: „Wir berechnen für die laufenden Buchführungskosten monatlich eine Buchführungs- und Lohnabrechnungspauschale von 1.000 EUR. Hierbei sind wir von ca. 1.400 Buchungen im Monat und 19 Mitarbeitern ausgegangen und haben Gegenstandswerte zugrunde gelegt, wie sie sich aus dem uns mitgeteilten Geschäftsverlauf der Jahre 2010 und 2011 ergeben haben. Da der künftige Arbeitsumfang und der Geschäftsverlauf derzeit nicht absehbar sind, wird vereinbart, dass das Honorar im gegenseitigen Einvernehmen sachgerecht an den tatsächlichen Arbeitsaufwand unter Zugrundelegung der mittleren Gebühr nach der Steuerberatergebührenverordnung angepasst wird, sofern dies erforderlich ist.“

     

    In der Folgezeit übernahm die Steuerberatungsgesellschaft die Lohn- und Finanzbuchhaltung und rechnete auf Grundlage der Honorarvereinbarung ab. Aufgrund gestiegener Umsatz- und Mitarbeiterzahlen bei der Mandantin wurde ab Juli 2015 mündlich eine Erhöhung des Honorars auf 1.400 EUR und im Juli 2016 aufgrund weiter gestiegener Buchungs- und Umsatzzahlen auf 2.000 EUR vereinbart. Eine schriftliche Änderung der ursprünglichen Honorarvereinbarung erfolgte nicht. Das abgeänderte Honorar zahlte die Mandantin bis Oktober 2016. Zahlungen für November und Dezember 2016 erfolgten nicht. Hintergrund war, dass die Steuerberatungsgesellschaft ab Oktober 2016 aufgrund weiter gestiegener Umsätze und Mitarbeiterzahlen und des damit verbundenen Mehraufwands erneut eine Anpassung der Vergütungsvereinbarung auf 3.250 EUR forderte. Alternativ schlug sie eine Abrechnung mit der Mindestgebühr der StBVV unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 46 % vor. Die Mandantin ging auf die Vorschläge nicht ein, sondern beendete das Mandatsverhältnis mit Ablauf des Jahres 2016.

     

    Im April 2017 stellte die Steuerberatungsgesellschaft ihre Leistungen für das gesamte Jahr 2016 unter Zugrundelegung einer 2/10-Gebühr nach der StBVV mit rund 67.000 EUR in Rechnung und rechnete die gezahlten 16.400 EUR an. Vor Gericht war insbesondere streitig, ob die Steuerberatungsgesellschaft berechtigt war, rückwirkend für ganz 2016 nach der StBVV abzurechnen.

     

    Die Steuerberatungsgesellschaft behauptete, dass der Arbeitsaufwand im Jahr 2012 noch 10 ‒ 14 Stunden monatlich betragen und sich im Jahr 2016 aufgrund gestiegener Umsatz- und Mitarbeiterzahlen auf insgesamt 665 Arbeitsstunden gesteigert habe. Sie sei an die ursprüngliche Honorarvereinbarung nicht mehr gebunden, da diese nur bis Mitte 2015 zugrunde gelegt worden sei. Die mündlichen Abänderungsvereinbarungen seien (form-)unwirksam, da sie nicht schriftlich vereinbart waren, sodass nunmehr eine Abrechnung nach StBVV möglich sei. Die Mandantin vertrat hingegen die Auffassung, dass die ursprüngliche Honorarvereinbarung nach wie vor Bestand habe. Eine rückwirkende Abrechnung nach der StBVV sei treuwidrig.

     

    Entscheidung

    Während das Landgericht erstinstanzlich noch der Steuerberatungsgesellschaft recht gab, entschied das OLG zugunsten der (ehemaligen) Mandantin und wies die nach der StBVV abgerechnete Klageforderung weitgehend ab.

     

    So sei die Steuerberatungsgesellschaft nach wie vor an die Honorarvereinbarung aus dem Jahr 2012 gebunden. Diese sei nicht durch die mündlichen Absprachen in den Jahren 2015 und 2016 gegenstandslos geworden. Die Steuerberatungsgesellschaft kann sich nicht auf eine mangelnde Schriftform der Änderungen berufen. Dies wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), da die Mandantin insofern Vertrauensschutz genießt. Es ist einem Steuerberater verwehrt, sich auf das Fehlen einer wirksamen Pauschalvergütungsvereinbarung zu berufen, wenn er zuvor nicht auf das Schriftformerfordernis hingewiesen hat. Der unterlassene Hinweis stellt eine Pflichtverletzung dar und begründet eine Haftung, den Mandanten so zu stellen, als ob die Pauschalvergütungsvereinbarung formwirksam zustande gekommen sei. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vereinbarte Vergütung bezahlt ist und der Mandant auf die Vereinbarung vertrauen durfte. Deshalb musste sich die Steuerberatungsgesellschaft an den (form-)unwirksamen Änderungen aus den Jahren 2015 und 2016 zu ihren Ungunsten festhalten lassen. Eine vollständige Neuberechnung für 2016 auf Grundlage der ‒ durch die Honorarvereinbarung abbedungenen ‒ gesetzlichen Vergütung nach StBVV kann die Steuerberatungsgesellschaft so lange nicht verlangen, wie eine Vertragsanpassung bei verständiger Auslegung noch möglich ist.

     

    Soweit die Pauschalvergütung im Jahr 2016 teilweise nicht mehr angemessen war, stelle dies ein typisches Risiko im Rahmen der Vereinbarung einer Pauschalvergütung dar, bei der auf die mögliche Veränderung des Arbeitsaufwands eben nicht individuell und sofort reagiert werden kann. Sinn und Zweck einer pauschalen Honorarvereinbarung ist auch, dass nicht jeder ggf. nur kurzzeitige Mehraufwand langfristig zu einer erhöhten Vergütung führen soll, denn eine Pauschalvergütung erfolgt zur Vereinfachung der Abrechnung und soll damit gerade bestimmte Tätigkeiten unabhängig vom individuellen Arbeitsaufwand honorieren. Damit sind letztlich für beide Seiten Risiken eingeschlossen, ggf. ein gutes oder auch schlechtes Geschäft zu machen.

     

    Mit der von der Mandantin geleisteten Zahlung von 16.400 EUR hatte sie also die Forderung der Steuerberatungsgesellschaft für die Monate Januar bis Juni (6 × 1.400 EUR) und für die Monate Juli bis einschließlich Oktober 2016 erfüllt (4 × 2.000 EUR). Für die Monate November und Dezember 2016, für die keine Absprache bestand, stand der Steuerberatungsgesellschaft ebenfalls eine angemessene Vergütung zu. Diese berechnet sich jedoch nicht auf der Grundlage der StBVV, sondern ausschließlich auf einer Vergütungsanpassung ausgehend von der Honorarvereinbarung aus dem Jahr 2012.

     

    Eine solche Anpassung muss sich ihrem Inhalt nach ausgehend vom Wortlaut und Inhalt der vertraglichen Vereinbarung am angestrebten Vertragszweck und dem beiderseitigen Parteiwillen im Rahmen vertragstreuen Verhaltens orientieren. Insoweit kommt es auch darauf an, wie die Parteien den Vertragsinhalt „gelebt“ haben. Da bereits der Berechnung der Pauschale von ursprünglich 1.000 EUR ausdrücklich eine konkrete Anzahl von Buchungen und Mitarbeitern sowie der bisherige Geschäftsverlauf zugrunde lagen, ist dies auch hinsichtlich des Anpassungsvorbehalts relevant. Im letzten Vorschlag der Steuerberatungsgesellschaft für eine Vergütung i. H. von 3.250 EUR war die Vergütung „ausgehend von dem Stundensatz von 65 EUR und einem Zeitaufwand von insgesamt rund 600 Stunden“ berechnet worden. Der alternative Vorschlag der Abrechnung von Mindestgebühren nach der StBVV mit einem Abschlag in Höhe von 46 % führte zu einem vergleichbaren Betrag (3.154 EUR). Das OLG kam daher zum Ergebnis, dass im Rahmen der vorzunehmenden Vergütungsanpassung auf Grundlage der Honorarvereinbarung aus dem Jahr 2012 der Steuerberatungsgesellschaft für die Monate November und Dezember 2016 eine monatliche Vergütung in Höhe von je 3.250 EUR zuzubilligen war.

     

    Statt der eingeforderten 67.000 EUR nach StBVV erhielt die Steuerberatungsgesellschaft insgesamt also zumindest 22.900 EUR zugesprochen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Pauschalvergütungen nach § 14 StBVV können in Fällen mit „konstanten“ Unternehmen (stabile Umsatz- und Mitarbeiterzahlen) passen. Für stark wachsende oder schwankende Unternehmen passen Pauschalvergütungen aber oftmals nicht.

     

    Stets zu beachten ist ‒ auch bei Änderungen ‒ das Formerfordernis des § 14 Abs. 1 StBVV, das seit Juli 2017 nicht mehr die Schrift-, sondern die Textform vorsieht. Eine E-Mail zur Bestätigung der Vergütungserhöhung reicht also aus. Ohne Beachtung des Formerfordernisses sind Pauschalvergütungen grundsätzlich nichtig (§ 125 BGB).

     

    Deshalb ist erfreulich, dass das OLG die mündlichen Erhöhungsvereinbarungen auf 1.400 EUR und 2.000 EUR trotz Formunwirksamkeit im Ergebnis akzeptiert hat. Es hätte diese verwerfen und der Steuerberatungsgesellschaft nur die (wirksam) vereinbarten 1.000 EUR/Monat zusprechen können. Hilfreich war insofern, dass in der Honorarvereinbarung bereits die Geschäftsgrundlage dargestellt war, sodass das OLG unter Heranziehung von § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage“) den Vertrag anpassen konnte.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu den Risiken mündlicher Vereinbarungen siehe auch Beyme, Auslegung von (mündlichen) Honorarvereinbarungen nach dem Empfängerhorizont, KP 18, 204
    • Formfehler können richtig teuer werden! (Gilgan, KP 19, 149)
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 188 | ID 45993016

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