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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Können für Steuerberatungsverträge längere Kündigungsfristen vereinbart werden?

    von Simon Beyme, StB/Syndikus-RA/FASteuerR, GeschäftsführerSteuerberaterverband Berlin-Brandenburg

    | In der Praxis taucht immer wieder der (verständliche) Wunsch auf, die Mandanten ‒ jedenfalls die guten ‒ möglichst lange an die Kanzlei binden zu wollen. Was liegt da näher, als die Kündigung des Steuerberatungsvertrags möglichst lange hinauszuschieben. Das ist jedoch nicht durch die Rechtsprechung gedeckt. Ein bisschen was geht aber schon. |

    Steuerberatung ist ein Dienst höherer Art

    In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Steuerberatungsverträge Dienstleistungen höherer Art darstellen, die ‒ von beiden Seiten ‒ jederzeit nach § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden können. Eine jederzeitige Kündbarkeit gilt nur dann nicht, wenn ein „dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen“ besteht. Dies ist z. B. der Fall, wenn Pauschalvergütungsvereinbarungen nach § 14 StBVV abgeschlossen werden, die mindestens ein Jahr laufen. Feste Bezüge bedeuten, dass das Honorar von vornherein feststeht. Ein bestimmbares, aber von ungewissen, schwankenden Voraussetzungen (Zeitaufwand, Umsatz o. Ä.) abhängiges Honorar ist nicht festen Bezügen i. S. d. § 627 Abs. 1 BGB gleichzusetzen (vgl. AG Ludwigslust 4.3.15, 5 C 207/14).

    Ausschluss der sofortigen Kündbarkeit

    Ausgeschlossen werden kann die sofortige Kündbarkeit bei Verträgen, die nur Dienstleistungen „nicht-höherer Art“ betreffen, also z. B. nur Leistungen nach § 6 Nr. 4 StBerG (Buchen laufender Geschäftsvorfälle oder Lohnbuchhaltung) beinhalten. Sobald zu diesen Elementen jedoch im selben Vertrag ‒ wie üblich ‒ Vorbehaltsaufgaben hinzukommen, ist der Vertrag insgesamt eine Dienstleistung höherer Art, der insgesamt der sofortigen Kündbarkeit nach § 627 Abs. 1 BGB unterliegt (BGH 2.5.19, IX ZR 11/18).

     

    Bei „typischen“ Steuerberatungsverträgen, also solchen ohne feste Bezüge und mit vereinbarten Vorbehaltsaufgaben, ist ein Ausschluss des Kündigungsrechts nur in äußerst engen Grenzen möglich:

     

    • Das OLG Koblenz (18.5.90, 2 U 1382/88) hat entschieden, dass auch die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit von drei Monaten zum Ende eines Quartals nicht ausreicht, um § 627 BGB auszuhebeln. Denn damit wäre ein Mandant trotz Kündigung noch bis zu sechs Monate an den Vertrag gebunden. Dies sei, so das OLG Koblenz, auch unter Berücksichtigung der Interessenlage eines Steuerberaters nicht mehr angemessen.

     

    • Und der BGH (11.2.10, IX ZR 114/09) hat entschieden, dass die Beschränkung der Kündigung auf nur eine Möglichkeit pro Jahr unwirksam ist. In Rz. 27 der Entscheidung heißt es:

     

    Es mag sein, dass die Kündigungsmöglichkeit des Steuerberatervertrags nach § 627 Abs. 1 BGB in gewissem Umfang eingeschränkt werden kann, wenn der Steuerberater einen überwiegenden Teil seiner Dienstleistungen auf Dauer gegen feste Bezüge zu erbringen hat und dafür Betriebseinrichtungen und Personal in erheblichem Umfang vorhalten muss. Durch die Beschränkung auf lediglich eine Kündigungsmöglichkeit im Jahr erhält jedoch das Interesse des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten ein zu starkes Gewicht, sodass dieser unangemessen benachteiligt wird. Ein derartiger Ausschluss des Kündigungsrechts verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn der Mandant wäre im Extremfall gezwungen, noch fast ein Jahr und drei Monate an dem Steuerberater festzuhalten, obwohl er das Vertrauen in ihn verloren hat.

     

    Kann man die Frist nun verlängern oder nicht?

    Wo genau die Grenzen der Abbedingung von § 627 BGB bei Steuerberatungsverträgen liegen, also was die maximal noch zulässige Kündigungsfrist ist, ist gerichtlich nicht entschieden. Aus den genannten Urteilen unwirksam sind jedoch

    • eine Kündigungsmöglichkeit einmal pro Jahr,
    • eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende.

     

    Daher könnte man folgern, dass vereinbarte Kündigungsfristen von weniger als sechs Monaten nicht von vornherein unwirksam sind. Es gibt ‒ soweit ersichtlich ‒ keine Gerichtsentscheidung, die eine Kündigungsfrist von vier oder fünf Monaten für unwirksam erklärt hätte. Im Gegenteil wurde zumindest auf amtsgerichtlicher Ebene eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum jeweiligen Quartal nicht beanstandet, was eine Kündigungsfrist von bis zu fünf Monaten bedeuten kann (AG Ludwigslust 4.3.15, 5 C 207/14).

     

    FAZIT | In der Fachliteratur ist man vorsichtiger und hält allenfalls durch AGB/AAB vereinbarte Kündigungsfristen von bis zu zwei Monaten für noch wirksam (Feiter, Die neue StBVV, 2. Aufl. 16, Rz. 26; Gilgan, KP 16, 75, Beyme, Stbg 19, 381). Die Vereinbarung einer solchen Zwei-Monats-Kündigungsfrist ist, auch wenn deren Geltung nicht zu 100 % sicher ist, jedenfalls gut vertretbar und damit einen Versuch wert. Schließlich geht auch der BGH (s. o.) davon aus, dass § 627 Abs. 1 BGB „in gewissem Umfang eingeschränkt“ werden kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Steuerberatungsvertrag ist jederzeit kündbar (Gilgan, KP 16, 75)
    • Vergütung oder Schadenersatz bei vertragswidrig beendetem Mandat? (Goetz, KP 16, 88)
    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 14 | ID 46928662

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