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  • · Fachbeitrag · LG Hamburg zum Bauvertrag

    Bauhandwerkersicherung für Nachtragsleistungen

    | Es gehört schon fast zum Alltag von Bauverträgen, dass es spätestens anlässlich der Schlusszahlung zu Meinungsverschiedenheiten kommt und der Bauherr nicht (vollständig) zahlt. Grund des Streits ist meist, dass der ursprüngliche Bauplan geändert wurde. Der folgende Fall zeigt, dass auch in diesen Fällen eine Bauhandwerkersicherungshypothek erlangt werden kann, die den Bauherrn unter Druck setzt, wenn er das Bauvorhaben selbst finanziert hat bzw. Teile oder das gesamte Bauwerk weiterveräußern will. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, eine Bauhandwerkersicherung für Rohbau- und Gerüstbauarbeiten bei einem Bauvorhaben zu stellen. Der Ausgangsauftrag betrug rund 2,7 Mio. EUR. Hinzu kamen Nachträge, wobei die Parteien darüber streiten, ob diese formwirksam vereinbart wurden. Des Weiteren streiten die Parteien hinsichtlich des diesbezüglichen Inhalts, Umfangs und Preises.

     

    Im Ergebnis dreht sich der Streit um die Schlusszahlung von rund 500.000 EUR. Für diesen Betrag zuzüglich einer 10-prozentigen Sicherheit begehrt der Bauunternehmer nun, eine Bauhandwerkersicherungshypothek eintragen zu lassen, was der Bauherr vermeiden möchte.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das LG Hamburg hat einen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 648a BGB i. V. m. § 232 BGB gesehen. Sein Urteil lässt sich wie folgt zusammenfassen:

     

    • Leitsatz: LG Hamburg 10.6.15, 328 O 291/14
    • 1. Der Bauunternehmer kann für Nachtragsleistungen auch dann eine Sicherheit verlangen, wenn die Zusatzvergütung eine schriftliche Auftragserteilung voraussetzt, der Auftraggeber aber berechtigt ist, einseitig Änderungen des Bauvertrags vorzunehmen, ohne dass diese Änderungen der Schriftform bedürfen.
    • 2. Im Rahmen des Sicherheitsanspruchs nach § 648a BGB sind Skontoabzüge und Sicherheitseinbehalte nicht zu berücksichtigen.

    (Abruf-Nr. 146279)

     

    Nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB kann der Unternehmer eines Bauwerks vom Besteller „Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit zehn vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen“. Der Anspruch aus § 648 a BGB setzt nur das Bestehen oder die Möglichkeit des Bestehens eines zu sichernden Vergütungsanspruchs voraus. Dieser muss aber weder fällig noch durchsetzbar sein (Palandt, BGB, 74. Aufl., § 648a, Rn. 7). Der Unternehmer muss die Voraussetzungen eines solchen Vergütungsanspruchs i. S. d. § 648a Abs. 1 S. 1 BGB (nur) schlüssig darlegen (BGH NJW 14, 2186). Ihr Nachweis kann im Verfahren über die Sicherheit nicht verlangt werden.

     

    Dem LG hat es zum Nachweis genügt, dass der Bauunternehmer unter Vorlage der Schlussrechnung dargelegt hat, welche Leistungen er auf Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags erbracht haben will und zu welchen (Einheits-)Preisen er sie abgerechnet hat. Soweit die in der Schlussrechnung ausgewiesenen Leistungen in Art und/oder Umfang über den Ausgangsvertrag hinausgehen, hat er im Einzelnen schlüssig dargelegt, dass auch diese einen Vergütungsanspruch auf Grundlage der getroffenen Ausgangsvereinbarung begründen.

     

    Der Ausgangsvertrag sah vor, dass Zusätze schriftlich zu vereinbaren waren, ohne dass dies für alle reklamierten Zusatzaufträge vorlag. Das war für das LG unerheblich. Der Vertrag sei insoweit widersprüchlich gewesen. Denn dem Bauherrn sei vertraglich gestattet gewesen, während der Bauausführung Änderungen anzuordnen, wobei die fortfallenden bzw. zusätzliche Leistungen von den vereinbarten Einheitspreisen abgezogen bzw. ihnen zugeschlagen werden sollten. Diese Änderungen bedurften nach dem Vertrag aber keiner Schriftform, obwohl mit ihnen eine etwaige Zusatzleistung einhergehen konnte.

     

    MERKE | Ein Bauvertrag muss ‒ wie jeder Vertrag ‒ immer ganz betrachtet und verstanden werden. Schlussbestimmungen zur Schriftform können dann in einem anderen Licht erscheinen und relativiert werden.

     

    Im Verfahren über die Leistung von Sicherheit müssen ‒ § 648a Abs. 1 S. 4 BGB entsprechend angewendet ‒ rechtsvernichtende Einwendungen außer Betracht bleiben, soweit sie streitig oder nicht rechtskräftig festgestellt sind (Palandt, a.a.O., § 648a, Rn. 16). Von dem zu sichernden Vergütungsanspruch ist auch nicht ein etwaiger Sicherheitseinbehalt abzuziehen, da der Anspruch nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB die gesamte ausstehende Vergütung sichern soll.

     

    Die Entscheidung zeigt, dass es letztlich auf Folgendes ankommt, wenn Sie Bauunternehmer beraten:

     

    Checkliste / Das sollten Sie beachten, wenn Sie Bauunternehmer beraten

    • Im Ausgangsvertrag sind formelle Hürden (Schriftformerfordernis) als Vergütungsvoraussetzungen möglichst zu vermeiden.

     

    • Gerade die Schlusszahlung sollte durch entsprechende Sicherheiten vor Leistungserbringung abgesichert sein.

     

    • Die Schriftform aller Änderungen zum Ausgangsvertrag ist zu achten, soweit sie für den Werklohn relevant sind.
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    • Beachten Sie | Der Bauunternehmer sollte daher auch bei kleinen Bauvorhaben immer einen „Auftragsblock“ mitführen, in den er Zusatzaufträge notiert, die er vom Bauherrn oder dessen Beauftragten abzeichnen lässt.

     

    • Formelle Hürden hindern nicht, die Zusatzvergütung geltend zu machen, wenn diese den Vertrag nicht durchgängig und beidseits kennzeichnen.

     

    • Es sollte durch das Begehren nach einer Bauhandwerkersicherungshypothek (zulässig) Druck ausgeübt werden, um sich zeitnah gütlich zu einigen.
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 35 | ID 43802513