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  • · Fachbeitrag · Abtretung

    Nichtigkeit einer Abtretung bei ärztlichen Forderungen

    Die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung verletzt die ärztliche Schweigepflicht und ist deshalb wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, wenn der Patient der damit verbundenen Weitergabe seiner Abrechnungsunterlagen nicht zugestimmt hat. Diese Rechtsprechung, die vorrangig gewerbliche Verrechnungsstellen betrifft, ist auch anwendbar, wenn ein Zahnarzt an seinen Vater Honorarforderungen abgetreten hat, da diesem gegenüber in gleicher Weise die Verpflichtung zur Herausgabe der Behandlungsdaten und -unterlagen besteht (OLG Koblenz 12.3.14 und 3.4.14, 2 U 553/13, Abruf-Nr. 143022).

     

    Sachverhalt

    Durch Abtretungsvereinbarung trat der seit 2009 insolvente Sohn des Klägers 2011 an den Kläger seine jeweils pfändbaren Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten zu 2 ab. Er erklärte gegenüber der Beklagten zu 2 sein Einverständnis, dass die abgetretenen Honoraransprüche schuldbefreiend bis auf Weiteres auf ein von seinem Sohn zu benennendes Konto gezahlt werden dürften, wobei der Sohn zeitgleich ein eigenes Konto benannte. Zeitlich nachfolgend pfändete das beklagte Land die Honoraransprüche, worauf die Beklagte zu 2 an dieses zahlte, weil es die Abtretung für unwirksam erachtete. Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 2 erneute Zahlung und vom beklagten Land die Herausgabe der erlangten Gelder. Das LG hat die Klage abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG hat nach Erteilung eines Hinweises und erneuter Stellungnahme des Klägers die gegen das Urteil des LG gerichtete Berufung nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Das OLG geht von einer wirksamen Pfändung aus, weil die Abtretung der Honoraransprüche unwirksam gewesen sei. Dem Kläger stehe gegenüber der Pfändung daher auch kein Recht im Sinne des § 771 ZPO zu.

     

    MERKE | Die Abtretung ist ein probates Mittel zur Sicherung von Ansprüchen. Sie erspart regelmäßig nicht nur die Titulierung einer Forderung, sondern auch die Zwangsvollstreckung. Das spart neben Zeit auch Kosten. Deshalb muss einerseits auf dieses Sicherungsmittel zurückgegriffen werden, andererseits dürfen die gesetzlichen und die zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner bestehenden vertraglichen Voraussetzungen einer Abtretung nicht aus dem Auge verloren werden.

     

    Die Abtretung erweist sich vorliegend nach den in allen Forderungssachen rund um ärztliche Leistungen relevanten §§ 203 StGB, 134 BGB als unwirksam. Die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung verletzt die ärztliche Schweigepflicht und ist deshalb wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gemäß § 134 BGB nichtig, wenn der Patient der damit verbundenen Weitergabe seiner Abrechnungsunterlagen nicht zugestimmt hat (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 115, 123, zuletzt BGH MDR 13, 1388).

     

    Diese Rechtsprechung des BGH zur Tätigkeit gewerblicher Verrechnungsstellen, die für den behandelnden Arzt die Rechnungserstellung und die Einziehung seiner Honorarforderung vornehmen, überträgt das OLG auch auf sonstige Dritte. Auch in diesem Verhältnis trifft den Abtretenden nach § 402 BGB die Pflicht, diesem die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen. Dazu gehören regelmäßig zumindest die Behandlungsdaten.

     

    MERKE | Es ist also zwingend, dass der Behandler sich jeweils vom Patienten eine Einverständniserklärung mit der Abtretung der Honorarforderung an einen Dritten unterzeichnen lässt, wenn er die offenen Forderungen verkehrsfähig halten will. Das gilt auch, wenn er diese zunächst selbst beitreibt, da nie ausgeschlossen werden kann, dass er sich zu einem späteren Zeitpunkt auf seine Kernaufgaben konzentrieren will und die Forderungsbeitreibung einem Rechtsdienstleister als Serviceunternehmen überträgt oder die offenen Forderungen gar verkaufen will.

    Musterformulierung / Zustimmungserklärung

    Hiermit erkläre ich ... (Patient) ausdrücklich: Ich stimme der Weitergabe der zwecks Abrechnung und Geltendmachung der Honoraransprüche des ... (Arzt) für alle ärztlichen, therapeutischen und vergleichbaren Tätigkeiten erforderlichen Daten und Informationen, insbesondere auch der personenbezogenen Daten und Informationen aus der Patientenkarte an die im Falle des Forderungsausgleiches zu beauftragende Inkassostelle (Rechtsanwalt, Inkassounternehmen, Abrechnungsstelle) zu. Soweit die Forderung an die Inkassostelle abgetreten werden soll, stimme ich der Abtretung ebenfalls zu.

     

    Ich wurde über Folgendes informiert: Für den Fall der Abtretung zieht die Inkassostelle die Forderung im eigenen Namen ein. Die für die Geltendmachung und Einziehung erforderlichen personenbezogenen Daten und weiteren Informationen werden bei der Inkassostelle gespeichert. Diese Erklärung soll zugleich als Benachrichtigung im Sinne des § 33 BDSG gelten.  

     

    Ich wurde darüber belehrt, dass bei Auseinandersetzungen über die Berechtigung der Honorarforderung der behandelnde Arzt oder Therapeut als Zeuge gehört werden kann. Ich entbinde ihn insoweit von seiner ärztlichen Schweigepflicht, soweit es für die Geltendmachung und Einziehung der Forderung erforderlich ist.  

     

    Die vorliegende Zustimmungserklärung soll auch für künftige Behandlungen gelten. Ich wurde darüber belehrt, dass ich die Zustimmung jederzeit schriftlich widerrufen kann.  

     

    Datum, Unterschrift

     

    Es ist anerkannt, dass es für den Verstoß gegen § 203 StGB weder darauf ankommt, ob im Zusammenhang mit der Abtretung Tatsachen offenbart werden, die der Schweigepflicht unterliegen, noch maßgeblich ist, ob die Pflicht zur Information zwischen Zedent und Zessionar ausdrücklich vereinbart ist oder sich als gesetzliche Folge der Forderungsabtretung aus § 402 BGB ergibt (BGH NJW 96, 775). Der Umfang der gesetzlichen Informationspflicht wird auch nicht durch § 203 StGB inzident auf solche Tatsachen begrenzt, deren Offenbarung nicht tatbestandsmäßig und daher straffrei ist. Sie umfasst - ungeachtet ihrer strafrechtlichen Relevanz - vielmehr alle diejenigen Informationen, die der Zessionar benötigt, um die abgetretene Forderung mit Erfolg gegen den Schuldner durchsetzen zu können. Anderenfalls wäre der eigentliche Zweck der Forderungsabtretung nicht zu erreichen.

     

    Da Abtretung und Informationspflicht untrennbar zusammengehören, verstößt umgekehrt der gesamte Vorgang der Abtretung gegen § 203 StGB und unterliegt damit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB, wenn die Pflicht zur Information des Zessionars nicht ohne Verletzung der Schweigepflicht zu erfüllen ist (BGH, NJW-RR 93, 1474).

     

    MERKE | Der wunde Punkt der konkreten Entscheidung liegt darin, dass hier nicht Zahlungsansprüche des Behandlers gegen den Patienten abgetreten wurden, sondern Auszahlungsansprüche gegen eine Verrechnungsstelle. Dass diese überhaupt abrechnen durfte, lässt sich nur damit erklären, dass die Patienten dem bereits zugestimmt hatten.

     

    Die Problematik wird vom OLG im Zurückweisungsbeschluss kurz angesprochen, aber nicht zu Ende gedacht. Das OLG meint, der Auszahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2 stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Behandlungsleistungen des Sohnes an seinen Patienten, sodass er rechtlich nicht hiervon isoliert betrachtet werden könne. Möglicherweise hat hier der Bevollmächtigte des Klägers nicht hinreichend zum Verhältnis des Abtretenden zur Beklagten zu 2, insbesondere deren Berechtigung zum Forderungseinzug vorgetragen. Bei Vorliegen einer dem vorstehenden Muster entsprechenden Zustimmungserklärung, ist nämlich § 203 StGB nicht mehr einschlägig.

     

     

    Achtung | Die Abtretung hätte „gerettet“ werden können, wenn im Abtretungsvertrag § 402 BGB ausdrücklich ausgeschlossen worden wäre.

     

    Am Rande tangiert die Entscheidung die offensichtliche Absicht des insolventen Sohnes und seines Vaters, über die Abtretung den Neugläubigern des Schuldners Mittel zu entziehen und dem Schuldner zugleich einen ungetrübten Zugang zu seinem gesamtem Einkommen zu sichern. Trifft der Gläubiger auf eine solche Vereinbarung, stellt sich zunächst die Frage nach dem Rechtsgrund der Abtretung. Kann ein solcher nicht genannt werden, ist von einer Schenkung auszugehen, die ohne weitere Voraussetzungen auf die Zeit von vier Jahren nach § 4 AnfG durch den Gläubiger anfechtbar ist. Kann ein konstruiertes Grundgeschäft nicht widerlegt werden, muss an eine Anfechtung nach § 3 AnfG gedacht werden, die zwischen zwei und zehn Jahren nach Abschluss des Abtretungsvertrags noch möglich sein kann.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 191 | ID 43005555