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  • · Fachbeitrag · Zweitverfahren

    Kein erneuter Antrag in Zweitverfahren bei Rücknahme des Antrags im Erstverfahren

    | Dass Schuldner wankelmütig sind, ist keine Neuheit. Das kann allerdings erhebliche Folgen zu seinen Lasten und zu Gunsten des Gläubigers haben. Leitet der Schuldner etwa ein Insolvenzverfahren mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung ein und nimmt diesen Antrag dann aber zurück, kann er nach einer Entscheidung des AG Dortmund keine Restschuldbefreiung erlangen, wenn ein Gläubiger weiter entstandener Verbindlichkeiten nun einen Folgeantrag stellt. Dies gelte, obwohl kein Fall einer gesetzlichen Sperrfrist vorliege. |

     

    Entscheidungsgründe

    Auch unter Berücksichtigung der seit dem 1.7.14 geltenden Rechtslage sei es einem Schuldner verwehrt, unter Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung im Erstverfahren sogleich einen Folgeantrag zu stellen. Das AG sieht hier eine Manipulationsgefahr, weil der Schuldner einem erfolgversprechenden Restschuldbefreiungsversagungsantrag so die Grundlage entziehen könnte, um dann in einem weiteren Verfahren doch die Restschuldbefreiung zu erlangen (AG Dortmund 18.4.16, 255 IN 24/15, Abruf-Nr. 190445).

     

    Das Problem liegt darin, dass die Sperrfristen grundsätzlich in § 287a Abs. 2 InsO geregelt sind. Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist danach unzulässig, wenn dem Schuldner

    • in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder

     

    • wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 InsO versagt worden ist oder

     

    • dem Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO oder nach § 296 InsO versagt worden ist; dies gilt auch im Fall des § 297a InsO, wenn die nachträgliche Versagung auf Gründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO gestützt worden ist.

     

    Keiner dieser Fälle liegt aber in der eingangs geschilderten Situation vor.

     

    Das AG ist der Auffassung, dass die jetzt gesetzlich geregelten Fälle, in denen eine Sperrfrist für einen erneuten Antrag auf Restschuldbefreiung normiert ist, nicht abschließend sind, sondern jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt eine planwidrige Gesetzeslücke besteht, die durch entsprechende Anwendung der Sperrfristregelung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F., heute § 287a Abs. 2 ZPO, zu schließen ist.

     

    Das Gesetz behandele den Sachverhalt nicht, dass zum Zeitpunkt des zweiten Befreiungsantrags noch keine Entscheidung über den ersten Antrag vorliegt, bzw. infolge Antragsrücknahme nicht mehr ergehen kann. Unabhängig vom Inhalt der Entscheidung über den ersten Befreiungsantrag (Erteilung oder Versagung) wäre der Schuldner an einem erneuten Antrag gehindert.

     

    Diese rechtliche Situation zeigt Folgendes: Der Gesetzgeber toleriert‒ letztlich auch im öffentlichen Interesse, da laufende Folgeanträge mit Kostenstundung die öffentlichen Haushalte belasten ‒ ein Verhalten von Schuldnern nicht, die ‒ obwohl ihnen im Rahmen des ersten Verfahrens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs eröffnet wird ‒ entweder neue Schulden entstehen lassen oder gegen Verfahrenspflichten verstoßen und so die Gefahr einer Versagungsentscheidung auf sich ziehen.

     

    Diese Interessenlage besteht in gleicher Weise bei Rücknahme des Befreiungsantrags im Erstverfahren und Neuanbringung des Antrags im Folgeverfahren (ähnlich Hamburger Kommentar zur InO, § 287a, Rn. 10).

     

    MERKE | Das hat der BGH zum alten Recht so gesehen und deshalb eine grundsätzliche Sperrfrist von drei Jahren angenommen, wenn ein Antrag zurückgenommen wird (BGH NJW-RR 15, 108). Der Gesetzgeber wollte die Sperrfristen auch im Angesicht der Rechtsprechung zwar harmonisieren (BT-Drucksache 17/11268, S. 25), ohne allerdings auszusprechen, dass eine abschließende Regelung im Angesicht der auch hier streitigen Konstellation getroffen werden sollte. Diese Regelung wurde im Gesetzesbeschluss unverändert übernommen (BT-Drucksache 17/13535, S. 7/8).

     

    Aus der Sicht des AG muss wertend betrachtet werden, um im Einzelfall das Eingreifen einer Antragssperre zu begründen. Da dem unredlichen Schuldner eine Umgehung des Eingreifens einer Sperrfrist durch Ausnutzen der gesetzlichen Lücke versagt sein soll, muss es im Einzelfall zulässig sein, von der gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies aufgrund in der Zwischenzeit eingetretener tatsächlicher Veränderungen erforderlich ist, um dem Schuldner sein Verfahrensziel, den wirtschaftlichen Neuanfang, nicht zu versperren.

     

    Relevanz für die Praxis

    Im Einzelnen ist also zu unterscheiden:

     

    • Nimmt der Schuldner den Eigenantrag, verbunden mit dem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurück, um einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu unterlaufen oder ein bereits festgestelltes Fehlverhalten nicht zur Grundlage eines solchen Antrages werden zu lassen, ist eine Sperrfrist von drei Jahren einzuhalten.

     

    • Anders verhält es sich, wenn der Schuldner glaubhaft machen kann, nach dem Erstantrag überzeugt gewesen zu sein, seine Erwerbstätigkeit auskömmlich führen und seine Verbindlichkeiten auch ohne Insolvenz zurückführen zu können, dann den Irrtum erkennt und über einen neuen Weg nun ein weiteres Mal die Insolvenz sucht.

     

    PRAXISHINWEIS | Da es sich in analoger Anwendung von § 287a Abs. 2 InsO um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt, obliegt es dem Schuldner, darzulegen und nachzuweisen, dass der zweite und nicht der erste Grund vorliegt. Der Gläubiger ist insoweit nicht gefordert.

     

    Das lässt das Recht und die Möglichkeit des Gläubigers unberührt, Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Antragsrücknahme mit einem erneuten Antrag vorzutragen. Eine entsprechende Verfahrensweise des Schuldners gibt jedenfalls Anhaltspunkte, sein Verhalten kritisch zu hinterfragen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH bei Sperrfrist weiterhin streng: Das können Gläubiger nutzen, FMP 10, 167
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 12 | ID 44420943