12.09.2025 · IWW-Abrufnummer 250131
Landgericht Freiburg: Urteil vom 06.02.2025 – 3 S 124/23
1.
Eine Schwangerschaft mit einem Sport- und Beschäftigungsverbot kann je nach Ausgestaltung des Fitnesstudiovertrags den Kunden zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 BGB berechtigen.
2.
Bei der Frage der Zumutbarkeit im Rahmen der Prüfung des zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB kann die gesetzgeberische Wertung des § 309 Nr. 9 BGB Berücksichtigung finden, falls der Fitnessstudiovertrag im konkreten Einzelfall in erheblichem Umfang dienst- und werkvertragliche Elemente enthält.
3.
Eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB kann auch bei der Möglichkeit der Ruhendstellung des Vertrages mit anschließender Verlängerung der vereinbarten Vertragslaufzeit um die Ruhenszeit gegeben sein, wenn es sich dabei nicht nur um einen kurzen und überschaubaren Zeitraum handelt.
X GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
gegen
H.,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
wegen Mitgliedsbeitrag
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 3. Zivilkammer - am 06.02.2025 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2025 für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 08.09.2023, Az. 4 C 760/23, abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 650,69 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Zahlungen für den Zeitraum 29.05.2021 bis 31.12.2021 (31 Wochen) aus einem zwischen den Parteien am 28.02.2020 abgeschlossen Fitnessstudiovertrag mit einem ab 24.04.2020 zu zahlenden wöchentlichen Entgelt von 20,99 € (Anlage K 1). In dem Vertrag heißt es unter anderem:
"Die Mitgliedschaft beginnt am: 24.04.2020. Das Mitglied bestimmt durch die Wahl der Erstlaufzeit die Höhe seines Beitrags. Die Mitgliedschaft wird auf Wunsch des Mitglieds zunächst für die Dauer von 12 Monaten geschlossen. Die Mitgliedschaft verlängert sich jeweils für die Dauer von 12 weiteren Monaten, falls sie nicht mindestens einen Monat vor dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt in Textform gekündigt wird."
Ziff. 1 der dem Vertrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet:
"Die Mitgliedschaft kann - im gegenseitigen Einverständnis - bei nachgewiesener Krankheit, Schwangerschaft, Bundeswehr für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitpunkt ausgesetzt werden. In diesem Fall verlängert sich die ursprünglich vereinbarte Mitgliedschaft um die Zeitspanne, in welcher sie geruht hat. Ein außerordentliches Kündigungsrecht bleibt hiervon unberührt."
Die Beklagte kündigte den Vertrag mit E-Mail vom 01.05.2021 (AS II 91). Die Klägerin teilte ihr am 03.05.2022 mit, letzter Trainingstag sei der 23.04.2022 (AS II 92). Mit E-Mail vom 13.05.2021 machte die Beklagte geltend, ihr Arzt habe ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen (Risikoschwangerschaft) sportliche Aktivitäten untersagt und bat um Bestätigung ihrer außerordentlichen Kündigung (AS II 89 f.). Mit E-Mail vom 17.05.2021 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass eine vorzeitige Beendigung ihrer Mitgliedschaft aufgrund einer Risikoschwangerschaft nicht möglich sei. Sie könne gerne eine Ruhezeit für die Zeit der Schwangerschaft beantragen, wodurch sich das Vertragsverhältnis verlängere. Hierauf erwiderte die Beklagte, ihr Anwalt habe ihr telefonisch bestätigt, dass die Kündigung wegen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. XII ZR 42/10) wirksam und eine außergewöhnliche Kündigung aufgrund einer Risikoschwangerschaft rechtens sei (vgl. Anl. B 2).
Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung von 650,69 € sowie vorgerichtlich entstandener Rücklastschrift-, Mahn- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 146,35 € mit Ausnahme der Verzugszinsen für einen einzelnen Tag stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihr erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, ihre Risikoschwangerschaft habe sie zum damaligen Zeitpunkt zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Von einer Darstellung der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Zeugen Dr. med. P.. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen wird auf dessen schriftliche Zeugenaussage vom 25.09.2024 (AS II 56 ff.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass eine Unwirksamkeit von Ziffer 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Betracht kommt.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum 29.05.2021 bis 31.12.2021 in Höhe von insgesamt 650,69 € aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Fitnessstudiovertrag nicht zu, weil die Beklagte diesen Vertrag wirksam spätestens am 20.05.2021 außerordentlich gekündigt hat.
Hinsichtlich einer Vertragsbeendigung haben die Parteien lediglich vereinbart, dass eine ordentliche Kündigung jeweils zum 20. April eines Jahres möglich ist, sofern die Kündigung bis zu einem Monat vorher, mithin bis zum 20. März des jeweiligen Jahres ausgesprochen wird. Regelungen zu einer außerordentlichen Kündigung enthält der Vertrag hingegen nicht.
1. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ergibt sich aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Gesetz. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudiovertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag handelt es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, bei welchem dem Kunden ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht. In den Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 BGB und § 314 Abs. 1 BGB kommt der von Rechtsprechung und Lehre entwickelte allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zusteht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 27, juris Christensen in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Auflage 2022, (44) Sportstudioverträge und Fitnessverträge, Rn. 4). Ein solches Recht ist vorliegend nicht ausgeschlossen worden, was im übrigen AGB-rechtlich auch unwirksam wäre (Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Auflage 2022, (44) Sportstudioverträge und Fitnessverträge, Rn. 4).
2. Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies ist in der Regel der Fall, wenn einem der Vertragspartner aus Gründen, die nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen, eine weitere Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist. Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher Umstand nicht nur in einer Erkrankung des Kunden, sondern etwa auch in einer Schwangerschaft begründet sein (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII ZR 62/15 -, Rn. 12, juris; BGH, Versäumnisurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 30 f., juris; OLG München, Urteil vom 30.03.1995 - 29 U 4222/94 -, Rn. 22, juris; Graf v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Fitness- und Sportstudiovertrag Rn. 23, beck-online; Christensen in: Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 13. Auflage 2022, (44) Sportstudioverträge und Fitnessverträge, Rn. 4; Diekmann/Lube, MDR 2016, 69, 72, juris Blattner, MDR 2012, 743, 745, juris). Ob eine Schwangerschaft eine außerordentliche Kündigung nach den Maßstäben des § 314 BGB rechtfertigt, ist vom Tatrichter aufgrund der festzustellenden konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Diekmann/Lube, MDR 2016, 69 (71, 72, 74)).
3. Dabei ist vorliegend zusätzlich zu berücksichtigen, dass die in Art. 6 Abs. 4 GG zum Ausdruck kommende verfassungsrechtliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des privaten und des öffentlichen Rechts verbindlich ist und insbesondere jede werdende Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft hat. Diesem Schutzauftrag ist auch bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts Rechnung zu tragen. Das verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen den widerstreitenden grundrechtlichen Schutzgütern, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften vorzunehmen ist und die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005 - 1 BvR 906/04 -, Rn. 8-11, juris).
4. Ausgehend von diesem Maßstab ist der Beklagten im vorliegenden Einzelfall eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zumutbar gewesen und deshalb durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten aufgrund ihrer Schwangerschaft, eines Sportverbots sowie eines am 19.05.2023 ausgesprochenen Beschäftigungsverbots spätestens durch die außerordentliche Kündigung vom 20.05.2023 beendet worden.
a) Durch die glaubhafte Bestätigung des Frauenarztes der Beklagten, Dr. P., in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 25.09.2024 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Zeuge Dr. P. seiner am 12.05.1985 geborenen Patientin, der Beklagten, zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt vor dem 19.05.2021 aufgrund schwangerschaftsbedingter Beschwerden ein Sportverbot erteilt und am 19.05.2021 ein ab dem 20.05.2021 bis zum Beginn des vorgeburtlichen Mutterschutzes geltendes Beschäftigungsverbot ausgesprochen hat. Bei der Beklagten lagen zunehmend Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens aufgrund der größer werdenden Gebärmutter vor. Ausgehend hiervon durfte die Beklagte davon ausgehen, bis zur Geburt keinen Sport mehr ausüben zu können. Der errechnete Geburtstermin war nach den glaubhaften Angaben von Dr. P. der 04.08.2021. Damit musste die Beklagte prognostisch davon ausgehen, für einen erheblichen Zeitraum das Angebot der Klägerin schwangerschaftsbedingt wenn überhaupt in nur sehr reduziertem Umfang nutzen zu können, da selbst bei einer komplikationslosen Geburt mit einer Wiederaufnahme des Trainings unmittelbar nach der Geburt ebenfalls nicht zu rechnen war.
b) Diese Tatsachen reichen unter Abwägung mit den Interessen der Klägerin auf wirtschaftliche Planungssicherheit aus, um eine außerordentliche Kündigung der Beklagten im vorliegenden Einzelfall zu rechtfertigen.
aa) Die Klägerin kann der Beklagten im Rahmen der Abwägung des § 314 BGB auch nicht entgegenhalten, sie hätte das Angebot der Klägerin in eingeschränktem Umfang weiter nutzen können, indem sie die Sauna oder das Solarium aufsuchen oder ein Training mit dem Anstrengungsniveau eines Spaziergangs hätte durchführen können, was insbesondere die Teilnahme an Gruppentraining ausgeschlossen hätte. Dies war angesichts der Zeitdauer der Beklagten bereits wegen der gleichzeitigen Verpflichtung zur Bezahlung des vollen Mitgliedsbeitrages nicht zuzumuten.
bb) Den Interessen der Beklagten wird auch nicht dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass im Vertrag die unverbindliche Möglichkeit einer Aussetzung ihrer Zahlungspflicht bei gleichzeitiger Verlängerung der vertraglichen Laufzeit vorgesehen ist.
(1) Diese allgemeine Geschäftsbedingung, die nach dem Verständnis der auf Seiten des Verbrauchers beteiligten Verkehrskreise auszulegen ist, sieht keine Verpflichtung der Beklagten vor, sich zunächst um eine einvernehmliche Aussetzung des Vertrags zu bemühen. Es ergibt sich auch kein Anspruch der Klägerin auf eine Aussetzung des Vertrags. Vielmehr ist die Klausel als unverbindliche Möglichkeit zu verstehen, dass es den Parteien freisteht, eine einvernehmliche vorübergehende Aussetzung mit gleichzeitiger Verlängerung der bindenden Vertragslaufzeit zu vereinbaren. Dies folgt aus der Verwendung der Worte "kann" und "im gegenseitigen Einvernehmen". Aus einer derartigen Bestimmung lässt sich aber keine Verpflichtung der Beklagten herleiten, zunächst in Verhandlungen einzutreten, wenn die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung vorliegen. Diese als abstrakte Möglichkeit vorgesehene Ruhendstellung des Vertrags ist daher bei der Abwägung der Zumutbarkeit einer Vertragsfortsetzung nicht zu berücksichtigen.
(2) Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Kammer zur Feststellung gelangen würde, die Klägerin hätte der Beklagten von sich aus vor der Kündigung das Ruhen des Vertrags angeboten. Ob die Klägerin der Beklagten dies tatsächlich anbieten wollte, geht aus dem Email Verkehr nicht eindeutig hervor. Zunächst führt die Klägerin aus, die Beklagte könne eine Ruhezeit für die Zeit der Schwangerschaft mit damit einhergehender Vertragsverlängerung beantragen (Email vom 17.05.2021, 08:48, "Sie können gerne eine Ruhezeit für die Zeit der Schwangerschaft beantragen, beachten Sie aber das dies Vertragsverlängernd auswirkt", AS II 75), dann hieß es: "Gerne können wir Ihnen für die Zeit in der Sie kein Sport machen dürfen bzw. können eine Ruhezeit hinterlegen." (Email vom 19.05.2021, 06:26, AS II 74). Mit weiterer Email vom 20.05.2021, 17:33 verwies die Klägerin auf die Möglichkeit des Eintrags einer Ruhezeit. Aus der Verwendung des Wortes "beantragen" in der ersten Email folgt im Rahmen einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nach den §§ 133, 157 BGB, dass sich die Klägerin zunächst ein eigenes Zustimmungsrecht vorbehalten wollte. Außerdem war der Zeitraum der Aussetzung auf das Ende der Schwangerschaft begrenzt, obwohl ein sofortiger Trainingseinstieg am Folgetag nach der Geburt eher die absolute Ausnahme darstellen dürfte. Ob die Klägerin in den weiteren Emails durch den Verweis auf die Möglichkeit des Ruhens des Verfahrens zugleich konkludent unter Verzicht auf ihr Prüfungsrecht ein verbindliches Angebot auf Ruhendstellung des Vertrags für einen unbestimmten Zeitraum der fehlenden Möglichkeit, Sport zu treiben, abgeben wollte, ist in Zusammenschau mit der ersten Email nicht eindeutig. Dies bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung.
Denn die Beklagte war rechtlich nicht verpflichtet, die mit diesem Angebot einhergehende verlängerte Laufzeit des Vertrages zu akzeptieren. Eine andere Auffassung liefe der gesetzgeberischen Wertung für Vertragslaufzeiten von Dienst- und Werkleistungen, wie sie in dem Klauselverbot des § 309 Nr. 9 a) b) BGB a.F. zum Ausdruck gekommen ist, zuwider. Diese Regelung soll eine über zwei Jahre hinausgehende bindende Laufzeit des Vertrags und eine über ein Jahr hinausgehende stillschweigende Verlängerung unterbinden. Bei einer Ruhendstellung des Vertrages sowie einer anschließenden Vertragsverlängerung um die Ruhezeit läge aber eine über ein Jahr hinausgehende vertragliche Bindung durch vorangegangene stillschweigende Verlängerung vor. Je nach Dauer der Ruhezeit kann die bindende Laufzeit des Vertrages den Zeitraum von 2 Jahren auch überschreiten.
Die Regelung des § 309 Nr. 9 BGB a.F. ist auf den streitgegenständlichen Vertrag grundsätzlich anwendbar. Dass vorliegend kein bloßer Mietvertrag vorliegt, sondern in erheblichem Umfang dienst-, aber auch werkvertragliche Elemente enthalten sind, folgt aus den vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin, die neben dem zur Verfügung stellen von Trainingsgeräten u.a. das Angebot von Gymnastikkursen, Erfrischungsgetränken und einen Handtuchservice umfasst. Insoweit weicht der Sachverhalt von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, in welcher lediglich mietvertragliche Elemente als Vertragsgegenstand festgestellt worden waren und dieser eine Anwendung der Regelung abgelehnt hat (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 16 ff., juris). Da es sich bei Ziffer 1 der AGB der Klägerin jedoch, wie oben ausgeführt, um keine verbindliche Regelung handelte, scheidet eine Unwirksamkeit dieser Regelung gem. § 309 Satz 1 BGB aus. Der Rechtsgedanke des § 309 Nr. 9 BGB a.F. ist jedoch im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen gemäß § 314 BGB zu berücksichtigen.
(3) Der vorliegenden Beurteilung durch die Kammer stehen die von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Landau in der Pfalz (Beschluss vom 23.07.2010 - 1 T66/10 -), des Amtsgerichts Bielefeld (Urteil vom 02.03.2012 - 402 C 116/12 -) und des Amtsgerichts München vom 31.08.2011 (182 C 8928/10) nicht entgegen. Dort ist nicht ersichtlich, dass das Ruhen der Mitgliedschaft mit einer Vertragsverlängerung verknüpft gewesen wäre. Im Übrigen sind diese Entscheidungen entweder vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs (Versäumnisurteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10 -) ergangen oder setzten sich mit der Übertragung des Rechtsgedankens des Klauselverbots nicht auseinander.
c) Überdies ist es, selbst wenn man den Rechtsgedanken aus § 309 Nr. 9 a) b) BGB a.F. nicht übertragen wollte, zweifelhaft, ob eine Verweisung auf eine Ruhendstellung des Vertrags nicht auch wegen der absehbaren Dauer der Vertragsverlängerung unzumutbar gewesen wäre.
aa) Zwar endete mit der Geburt und damit der Zeit der Schwangerschaft auch das schwangerschaftsbedingte Sportverbot des Zeugen P., das dieser offensichtlich allein wegen des vorgeburtlichen Mutterschutzes in der für den Arbeitgeber bestimmten Bestätigung auf den Beginn des Mutterschutzes vor der Geburt beschränkt hatte. Allerdings ist gerichtsbekannt und auch durch Internetrecherchen (z.B. https://www.aok.de/pk/magazin/familie/geburt/ab-wann-ist-sport-nach-der-geburt-okay/) ohne Weiteres ersichtlich, dass selbst nach einer komplikationslosen Geburt eine sportliche Betätigung erst 6-8 Wochen nach der Geburt wieder empfohlen ist, wobei die Frist von 8 Wochen auch der gesetzlichen Mutterschutzfrist nach der Geburt entspricht.
In Rechtsprechung und Literatur wird die Inanspruchnahme einer (vertraglich vereinbarten) Ruhensregelung mit anschließender Vertragsverlängerung nur dann für zumutbar gehalten, wenn die Vertragsverlängerung überschaubar ist (bis etwa drei Monate: Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl. Kap. 44 Rn. 4; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, 7. Aufl. 2020, Teil 5. Rn. F27e Rn. F27e, beck-online; bis 6 Monate: Blattner, MDR 2012,743 (745); Graf von Westphalen in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke Stand März 20245 Rn. 23 für "nicht nur kurzen und überschaubaren Zeitraum" unter Verweis auf AG Mühldorf a. Inn, Urteil vom 12.10.2004 - 1 C 832/04 -, NJW-RR 2005, 492; für eine AGB-rechtliche Unzulässigkeit einer solchen Klausel: AG Itzehoe Urteil vom 26.11.1999 - 56 C 1402/99 - Rn. 2, juris).
Vorliegend wurde das Sportverbot durch den Zeugen Dr. P. zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt vor dem 19.05.2021, also spätestens in der Schwangerschaftswoche 29 + 0 Tage ausgesprochen. Errechneter Geburtstermin war nach der Aussage des Dr. P. der 04.08.2021. Damit verblieb ab Feststellung des Sportverbots bis zur Geburt ein Zeitraum von mindestens 11 Wochen. Rechnet man hierzu einen Zeitraum von 8 Wochen nach der Geburt hinzu, in dem die Beklagte schwangerschaftbedingt ebenfalls an einer sportlichen Betätigung verhindert war, ergibt sich ein Zeitraum von insgesamt 19 Wochen. Bei einem derart langen Zeitraum von fast 5 Monaten ist es zumindest zweifelhaft, ob vorliegend noch ein "kurzer und überschaubarer Zeitraum" für die Anwendung der Ruhensregelung mit Vertragsverlängerung vorgelegen hätte. Dies bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung, da die Kammer von einer Übertragbarkeit des Rechtsgedankens des § 309 Nr. 9 a), b) BGB a.F. ausgeht.
5. Damit entfällt der Hauptsacheanspruch der Klägerin. Mangels Anspruchs in der Hauptsache waren auch die Nebenforderungen abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die Grundsätze zu § 314 BGB sind höchstrichterlich geklärt. Ihre Anwendung hier erfolgt vor dem Hintergrund der hiesigen Vertragsgestaltung im Einzelfall. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 39, 43, 47, 48 GKG, 3 ff. ZPO.