29.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247896
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 05.03.2025 – 7 U 134/23
Zu den Rechtsfolgen einer Verletzung der Masseerhaltungspflicht in der D&O-Versicherung
OLG Frankfurt 7. Zivilsenat, Urteil vom 05.03.2025, Az. 7 U 134/23
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.10.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (7 O 2521/20) wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung wegen Haftpflichtansprüchen aus übergegangenem Recht aus einer D&O-Versicherung (Versicherung-Nr. …), welche die Insolvenzschuldnerin A GmbH als Versicherungsnehmerin bei der Beklagten als Versicherer unterhielt. In diese war der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter B als versicherte Person einbezogen. Dieser verfügte über einen Meistertitel im Heizungsbau bzw. der Sanitärtechnik.
Dem Vertrag lagen unter anderem die Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) - Ausgabe 2012 - sowie die Besondere Vereinbarung zur Beschränkung auf Drittansprüche (DUODRITT) - Ausgabe April 2009 zugrunde. Für wissentliche Pflichtverstöße statuiert Ziff. A.6 ULLA einen Leistungsausschluss.
Durch Beschluss vom 28.03.20218 eröffnete das AG Wiesbaden (Az. …) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Mit Urteil vom 06.03.2019 stellte das Landgericht Wiesbaden (Az. ...) in einem Verfahren des Klägers gegen den Geschäftsführer B wegen Insolvenzanfechtung fest, dass die Schuldnerin spätestens zum 18.09.2017 insolvent gewesen sei. Die Beklagte erstattete dem Kläger hieraus Prozesskosten i.H.v. 3.697,99 €. Mit Schreiben vom 04.07.2019, 08.08.2019 und 21.04.2020 forderte der Kläger den Geschäftsführer B und die Beklagte jeweils fruchtlos zur Zahlung von 282.442,09 € wegen Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 GmbHG (a.F.) auf. Mit Klageschrift vom 18.11.2019 erhob der Kläger bei dem Landgericht Wiesbaden gegen den Geschäftsführer B eine entsprechende Zahlungsklage. Dieser wurde mit rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 09.04.2020 (Az. …) antragsgemäß verurteilt. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 20.07.2020, der Beklagten am 22.07.2020 zugestellt, ließ der Kläger wegen der Ansprüche aus dem Urteil und dem Kostenfestsetzungsbeschluss bei der Beklagten als Drittschuldnerin einen Anspruch auf Freistellung von diesen Haftungsansprüchen pfänden.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte hafte ihm gegenüber auf den Betrag aus dem Urteil vom 09.04.2020 sowie auf die festgesetzten Verfahrenskosten aus übergegangenem Recht aufgrund der gepfändeten D&O-Freistellungsansprüche. Der Geschäftsführer B sei bedingungsgemäß auf Schadensersatz gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. in Anspruch genommen worden. Dieser habe nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 InsO Zahlungen geleistet. Zahlungsunfähigkeit sei zum 30.06.2017 eingetreten. Der Geschäftsführer B habe dies gegenüber dem Finanzamt eingestanden. Er habe auch schuldhaft gegen § 64 Satz 1 GmbHG a.F. verstoßen. Die verbotenen Zahlungen summierten sich nach Abzug privilegierter Zahlungen auf den klageweise geltend gemachten Betrag. Die Beklagte habe ihre Einstandspflicht dem Geschäftsführer B gegenüber durch ausdrückliche Deckungszusage, jedenfalls aber durch die Erstattung der Kosten im Verfahren Az. …, konkludent anerkannt.
Zur Entwicklung des Unternehmens und der Insolvenzgeschichte hat der Kläger wie folgt vorgetragen: Wegen säumiger Lohnsteuer, Solidaritätszuschlägen, Kirchensteuer, Umsatzsteuer sowie Säumniszuschlägen mit Fälligkeit 10.01.2016 bis 10.05.2016 i.H.v. 30.164,31 € habe das Finanzamt Stadt2 … die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben. In einem an den Geschäftsführer B persönlich adressierten Schreiben vom 19.05.2016 habe dieses darauf hingewiesen, dass sich die Liquiditätssteuerung verbessern müsse. Künftig sei es nicht hinzunehmen, dass das Finanzamt faktisch die Funktion der Bank übernehme und die Liquiditätsengpässe der Firma dauerhaft und wiederholt überbrücke. Gemäß weiterem Schreiben des Finanzamtes vom 27.06.2016 hätten die Rückstände aus dem Fälligkeitszeitraum 10.02.2016 bis 10.07.2016 am 27.06.2016 noch 27.859,44 € betragen. Mit Schreiben vom 22.07.2016 habe das Finanzamt wegen fortbestehender Rückstände i.H.v. 18.212,21 € und nachhaltiger Verletzung steuerlicher Pflichten angedroht, ggf. die Gewerbebehörde zu informieren. Eine erneute Androhung sei wegen Rückständen i.H.v. 31.111,12 € aus dem Fälligkeitszeitraum 10.11.2016 bis 10.01.2017 mit Schreiben vom 26.01.2017 erfolgt. Am 26.01.2017 habe das Finanzamt zudem eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen, ebenso am 12.04.2017 wegen weiterer Rückstände aus dem Fälligkeitszeitraum 10.11.2016 bis 10.04.2017 sowie am 14.07.2027 wegen Rückständen aus dem Fälligkeitszeitraum 10.05.2017 bis 10.07.2017. Zum 30.06.2017 seien auch die Rechnung eines Autohauses, Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zur Krankenkasse rückständig gewesen, die zusammen mit der Forderung des Finanzamtes 47.950,72 € ausmachten und später zur Tabelle angemeldet worden seien. Zwischen dem 01.07.2017 und dem 26.01.2018 sei es zu Barentnahmen aus der Kasse i.H.v. 37.949,20 € gekommen. Vom Geschäftskonto bei der Bank1 seien Zahlungen i.H.v. 32.592,18 € geleistet worden. Vom Geschäftskonto bei der F seien Zahlungen i.H.v. 16.984,32 € geleistet und verrechnete Gutschriften i.H.v. 6.776,72 € entgegengenommen worden, während dieses im Soll gewesen sei. Auf dem Geschäftskonto bei der Bank2 seien Gutschriften i.H.v. 13.283,02 € mit dem jeweiligen Sollsaldo verrechnet worden. Am 27.09.2017 habe die C Hessen einen ersten Insolvenzantrag gestellt, der jedoch durch Zahlung der Rückstände abgewendet worden sei. Eine betriebswirtschaftliche Auswertung habe zum 31.01.2018 ein negatives Betriebsergebnis von 64.609,87 € und für das Jahr 2017 ein negatives Betriebsergebnis von 30.853,11 € ergeben, während für die Jahre 2015 und 2016 noch ein positives Betriebsergebnis von 23.767,68 bzw. 33.865,76 € verzeichnet worden sei.
Der Geschäftsführer B habe die Insolvenzantragspflicht bzw. das Zahlungsverbot nicht wissentlich verletzt. Er habe die Insolvenzreife zwar erkennen können, sie aber nicht erkannt. Eine Überschuldungs- oder eine Liquiditätsbilanz sei nicht erstellt worden. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen ließen keine Rückschlüsse auf die Insolvenzreife zu. Insbesondere zu Beginn des auf Antrag der E Stadt1 eingeleiteten Insolvenzverfahrens habe sich dieser den damit verbundenen Rechtsfolgen und Verfügungsbeschränkungen massiv widersetzt. Er habe die Einleitung des Insolvenzantragsverfahrens durch die E als unberechtigt und unbegründet angesehen. Auch entsprechende Hinweise bzw. Belehrungen des Insolvenzverwalters und der gleichzeitig tätigen Sachbearbeiterin Rechtsanwältin Ziemann seien fruchtlos geblieben. Die Haltung des Geschäftsführers B habe sich erst nach Androhung von Zwangsmaßnahmen durch den hinzugezogenen Gerichtsvollzieher sowie der Erteilung einer entsprechenden vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Beschlusses über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen geändert. Der Kläger habe in seiner damaligen Eigenschaft als insolvenzrechtlicher Sachverständiger in seinem Gutachten zur Vorbereitung der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag auch festgestellt, dass nach den vorliegenden Jahresabschlüssen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen zwar ein Umsatzrückgang und ein erhöhter Materialeinsatz erkennbar gewesen sei, aber aus den Jahresabschlüssen kein durch Eigenkapital ungedeckter Fehlbetrag hervorgegangen sei. Unter Überschuldungsgesichtspunkten habe daher für die Geschäftsführung keine Veranlassung zu näheren Überprüfungen bestanden. Des Weiteren habe der Geschäftsführer B über keinen ausreichend insolvenzrechtlich versierten Berater verfügt. Zahlungsunfähigkeit sei durch den Geschäftsführer in Abrede gestellt worden, da er fehlerhafte Vorstellungen von den Voraussetzungen dieses Insolvenzeröffnungsgrundes gehabt habe. Er sei wohl davon ausgegangen, dass Zahlungsunfähigkeit ausscheide, solange noch Umsatzerlöse generiert und laufend Zahlungen an einzelne Gläubiger, so insbesondere an die beschäftigten Arbeitnehmer, im Wesentlichen erbracht werden könnten.
Der Kläger hat gemeint, der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei von dem Verstoß gegen das Zahlungsverbot bzw. die Masseerhaltungspflicht zu unterscheiden. Nur Letzterer habe zu dem streitgegenständlichen Schaden geführt. In § 64 Satz 1 GmbHG a.F. sei aufgrund von dessen Wertungsabhängigkeit und Komplexität der Abgrenzung zu erlaubten Zahlungen keine Kardinalpflicht zu sehen. Ziff. A.6 ULLA sei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zumindest teilweise unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion sei nicht möglich.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Freistellungsantrag sei nicht wirksam gepfändet worden, da es an einer hinreichend bestimmten Bezeichnung des zu pfändenden Anspruchs fehle. Die „Authentizität“ und inhaltliche Richtigkeit der zur Plausibilisierung der vorgetragenen Abläufe vorgelegten Anlagen sei zu bestreiten. Hilfsweise hat sie sich den Klägervortrag zur Entwicklung des Unternehmens und der Insolvenzgeschichte zu eigen gemacht und hierzu ausgeführt, die Schuldnerin sei bereits im Juni 2016 aufgrund der Rückstände beim Finanzamt und bei Sozialversicherungsträgern insolvent gewesen. Der Geschäftsführer B habe wissentlich die Kardinalpflichten aus §§ 15a InsO bzw. 64 Satz 1 GmbHG a.F. verletzt. Sofern sich der Geschäftsführer der Insolvenz bewusst verschlossen habe, sei hierin ein Verstoß gegen den in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Sorgfaltsmaßstab zu sehen. Der Geschäftsleiter hätte angesichts der Zahlungskrisen fachkundige Beratung wahrnehmen müssen, um seine behauptete Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage überprüfen zu lassen.
Wegen des weiteren Sachvortrags beider Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch das am 20.10.2023 verkündete Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 293.582,49 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, Bedenken gegen die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestünden nicht. Der Kläger habe die Voraussetzungen des Haftpflichtanspruchs im hiesigen Deckungsprozess nachgewiesen. Der Versicherungsvertrag erfasse den Fall, dass der Geschäftsführer als versicherte Person wegen eines aus § 64 GmbHG a.F. entstandenen Anspruchs Ersatz zu leisten habe (wird ausgeführt). Der Versicherungsfall sei nach dem claims made Prinzip eingetreten. Eine Leistungsfreiheit nach Ziff. A.12.2. c) ULLA wegen der unterlassenen persönlichen Anzeige durch die versicherte Person sei nicht anzunehmen (wird ausgeführt). Der Anspruch sei nicht nach Ziff. A.6 ULLA ausgeschlossen. Der Geschäftsführer habe zwar die Kardinalpflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags verletzt, sei aber seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich entlastender Umstände nachgekommen, indem er die Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage durch den Geschäftsführer nachvollziehbar erläutert habe. Die Beklagte sei beweisfällig geblieben, nachdem sie unter Protest gegen die Beweislast die Aufhebung eines Beweisbeschlusses zur Vernehmung des Geschäftsführers B erwirkt habe. Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei nicht schadenbegründend, sondern nur der hiervon zu trennende Verstoß gegen das Zahlungsverbot. In Anbetracht der schwierigen und sich für insolvenzrechtliche Laien nicht auf den ersten Blick erschließenden Unterscheidung, welche Zahlungen nach Insolvenzreife zulässig seien, bedürfe es für eine wissentliche Pflichtverletzung weitere Indizien.
Gegen das der Beklagten am 22.11.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts richtet sich die am 22.12.2023 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mittels am 22.02.2024 eingereichtem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte trägt vor, die Pfändung sei mangels Bestimmtheit der Bezeichnung des gepfändeten Anspruchs unwirksam, im Übrigen sei sie wegen Verletzung der Anzeigepflicht leistungsfrei (wird ausgeführt). Kern der Berufung sei, dass das Landgericht zu Unrecht eine wissentliche Verletzung von haftungsbegründenden Kardinalpflichten verneint habe. Der Kläger habe seiner sekundären Darlegungslast gerade nicht genügt. Der Umstand, dass der Kläger als Partei kraft Amtes zum Vorstellungsbild des Geschäftsführers nicht aus eigenem Wissen vortragen könne, führe nicht zu einer Verringerung der Darlegungslasten, da dies Konsequenz der Pfändungskonstellation sei und den Kläger nicht privilegieren könne. Die Differenzierung zwischen Insolvenzantragspflicht und Zahlungsverbot sei konstruiert. Entscheidend sei, dass die haftungsbegründende Kausalkette mit einer wissentlichen Pflichtverletzung in Gang gesetzt worden sei. Wer es als Geschäftsführer einer GmbH unterlasse, zeitnah Aktiva und Passiva gegenüberzustellen, entziehe sich den ihm obliegenden Kernpflichten. Die Nichteinholung fachkundiger Beratung durch einen nicht entscheidungskompetenten Geschäftsleiter gehöre zur Fallgruppe des „sich Verschließens“. Dann sei eine Kardinalpflichtverletzung wegen Verstoßes gegen die über das Aktiengesetz hinaus geltende Grundregel aus § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG anzunehmen. Wer mangels Kenntnis „ins Blaue hinein handele", verletze eine Kardinalpflicht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des am 20.10.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Aktenzeichen 7 O 2521/20, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags und führt ergänzend aus, die Beklagte stelle unzutreffend auf die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer B gemäß § 15a InsO ab und übersehe, dass dessen Verletzung nicht kausal für den durch Vornahme gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. verbotener Zahlungen entstandenen Schaden geworden sei. Der streitige und von der Beklagten im Rahmen des Versicherungsvertrages zu regulierende Schaden sei ausschließlich durch die Verletzung der Masseerhaltungspflicht entstanden. Inwieweit die Verletzung des Masseerhaltungsgebotes als Kardinalpflicht anzusehen sei, sei offen. Angesichts der Komplexität und der durch die Vorschrift des § 15b InsO weiter differenzierten Anforderungen an Geschäftsleiter sei davon nicht auszugehen. Der Beklagten sei es zu verwehren, sich mit niederschwelligem Sachvortrag auf die Verletzung einer Kardinalpflicht zu berufen und sich dann auf einer durch einen Insolvenzverwalter kaum erfüllbaren sekundären Beweislast des Klägers auszuruhen. Dann könne der Versicherer sich immer auf Leistungsfreiheit berufen. Dadurch würden die durch den Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.11.2020 (Az. IV ZR 217/19) entwickelten versicherungsrechtlichen Maßstäbe für die Inanspruchnahme einer D&O-Versicherung des Geschäftsleiters nach Insolvenz ad absurdum geführt.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist begründet. Dies führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Beklagte haftet nicht aufgrund eines Leistungsanerkenntnisses und ist jedenfalls aufgrund einer wissentlichen Pflichtverletzung leistungsfrei.
Dass die Beklagte, wie der Kläger erstinstanzlich vorgetragen hat, ihre Einstandspflicht dadurch anerkannt habe, dass sie ihre Einstandspflicht dem Geschäftsführer B gegenüber durch ausdrückliche Deckungszusage, jedenfalls aber durch die Erstattung der Kosten im Verfahren …, konkludent anerkannt habe, ist nicht ersichtlich. Die mögliche Zahlung kann sowohl auf Kulanz beruhen als auch auf dem Umstand, dass der Anfechtungsprozess einen anderen Versicherungsfall bildet, da die Inanspruchnahme (claims-made) nach § 64 GmbHG a.F. erst nach Erlass des Urteils im Anfechtungsprozess erfolgte.
Vorliegend hat der Geschäftsführer B wissentlich gegen Geschäftsführerpflichten verstoßen, sodass die Beklagte jedenfalls aus diesem Grund bedingungsgemäß leistungsfrei ist.
Verwirklicht ist der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung dann, wenn ein Versicherter eine Pflichtverletzung in dem Bewusstsein der Pflicht und dem Bewusstsein, sich nicht pflichtgemäß zu verhalten, begangen hat (vgl. Lange, VersR 2020, S. 588). Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer. Daraus folgt, dass der Versicherer zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers hindeutet. Dabei ist der Vortrag zusätzlicher Indizien dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, ist es Aufgabe des beweispflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dies geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2014 - IV ZR 90/13, juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 6.7.2022 - 7 U 147/20, r+s 2022, 503 Rn. 37, insoweit zustimmend Fortmann, jurisPR-VersR 8/2022 Anm. 2).
Der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hat vorliegend eine Kardinalpflicht verletzt, da er bei Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag stellte und die Geschäfte weiterführte. Die Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Kardinalpflicht. Grundsätzlich setzt die Annahme einer Kardinalpflichtverletzung voraus, dass die von dem Versicherten verletzte Rechtsnorm zu den zentralen, fundamentalen Grundregeln einer bestimmten Regelungsmaterie gehört. Zu solchen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, zählt auch die Pflicht eines Vorstands, Geschäftsführers, Aufsichtsrats oder leitenden Angestellten, weder sich noch Dritten aus dem Unternehmensvermögen Vorteile zu gewähren, auf die kein Anspruch besteht, das Unternehmensvermögen nicht für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden sowie die Pflicht, bei Insolvenzreife rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Bei der Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) handelt es sich um eine der wesentlichen gläubigerschützenden Vorschriften der Insolvenzordnung, auf die zahlreiche andere Vorschriften Bezug nehmen. Mit Blick auf die Strafvorschrift in § 15a Abs. 4 InsO wird die Bedeutung der Pflicht besonders hervorgehoben.
Zum Elementarwissen eines Geschäftsführers gehört ferner die Vergewisserung über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sowie die eingehende Prüfung der Insolvenzreife. Der Unternehmensleiter ist zur beständigen wirtschaftlichen Selbstkontrolle verpflichtet. Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen. Organmitgliedern, die „blind in die Krise segeln“ ist deckungsrechtlich die Verletzung einer Kardinalpflicht vorzuwerfen. Die offensichtliche Pflichtverletzung rechtfertigt den Schluss auf das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - 9 U 253/20. r+s 2022, 508 m.w.N.; OLG Frankfurt, Hinweisbeschl. V. 27.10.2022 - 7 U 45/22 [nicht veröffentlicht]). Die allgemein anerkannte, der Insolvenzantragspflicht vorgelagerte und in diese nahtlos übergehende Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern bestand schon vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 1 StaRUG aus § 43 Abs. 1 GmbHG.
Umstände, warum eine wissentliche Pflichtverletzung nicht vorliegen sollte, zeigt die Klage entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf. Der Kläger trägt im Gegenteil Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, mithin die die Zahlungsunfähigkeit begründenden Tatsachen, kannte bzw. sich dieser bewusst verschlossen hat, weil er etwa vermeiden wollte, dass aus einem begründeten Verdacht Gewissheit werde (vgl. i.d.S. auch OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - I-9 U 253/20, r+s 2022, 508 Rn. 44 = NZI 2022, 501 m. krit. Anm. Primozic/Spanier). Anerkannte Indizien für eine ex ante erkannte Zahlungseinstellung sind u. a. gehäufte Zwangsvollstreckungen, die verspätete Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, die Nichteinhaltung von Zahlungszusagen oder die Erklärung, fällige Verbindlichkeiten nicht bedienen zu können (vgl. ausführlich m.w.N. Gruppe, r+s 2025, 97 (101 ff.)).
Solche Indizien liegen hier vor. Zum einen wurde dem Kläger durch die wiederholten Schreiben und Vollstreckungsandrohungen des Finanzamts unmissverständlich und ausdrücklich vorgehalten, dass die Rückstände „fortbestehend und nachhaltig“ waren. Im gesamten Zeitraum von Januar 2016 bis Juni 2017, mithin über eineinhalb Jahre, bestanden Abgabenrückstände in fünfstelliger Höhe für nahezu jeden Monat der Fälligkeit. Schon in dem an den Geschäftsführer B persönlich adressierten Schreiben vom 19.05.2016 wies das Finanzamt deutlich darauf hin, dass sich die Liquiditätssteuerung verbessern müsse. Künftig sei es nicht hinzunehmen, dass das Finanzamt faktisch die Funktion der Bank übernehme und die Liquiditätsengpässe der Firma dauerhaft und wiederholt überbrücke. Auch die Androhung eines gewerberechtlichen Verfahrens musste für den Geschäftsführer ein sehr deutlicher Hinweis auf unmittelbaren Handlungsbedarf, sei es durch externen Rat oder eigene Prüfungen der Liquidität, bilden, denn mit der Androhung war die dringende Gefahr einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit verbunden (§ 35 GewO). Der Kläger hat zudem vorgetragen, dass der Geschäftsführer B die Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Finanzamt eingeräumt habe.
Es gehört zum Elementarwissen (nicht nur) eines Geschäftsführers, dass erhebliche wiederkehrende Rückstände, die über einen langen Zeitraum nicht so vollständig zurückgeführt werden können, dass künftige Rückstände nicht entstehen können, auf eine massive wirtschaftliche Krise hindeuten, die einen sofortigen „Kassensturz“ i.S. einer Liquiditätsbilanz erfordern. Der Umstand, dass es sich bei dem Geschäftsführer um einen Handwerksmeister handelte, entlastet diesen nicht. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Allgemeinen Meisterprüfungsverordnung (AMVO), die nach § 7 Abs. 1 InstallateurHeizungsbauerMstrV auch im Meisterfach Installateur- und Heizungsbauer gilt, hat der Prüfling nachzuweisen, dass er in der Lage, ist ein Unternehmen zu führen. Dabei gehört zu den Qualifikationen auch der Kenntnispunkt „Notwendigkeit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens anhand von Unternehmensdaten prüfen; insolvenzrechtliche Konsequenzen für die Weiterführung oder Liquidation eines Unternehmens aufzeigen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. k) AMVO). Auch der zwar zeitlich dem Stichtag 30.06.2017 nachgelagerte, aber indiziell verwertbare Umstand, dass sich der Geschäftsführer selbst nach dem Insolvenzantrag der E Frankfurt nicht einsichtig gezeigt haben soll, kann diesen nicht entlasten, sondern zeigt gerade, dass der Geschäftsführer sich der Notwendigkeit eines „Kassensturzes“ und einer realistischen Aufarbeitung der Liquidität sogar vor dem Hintergrund eines förmlichen Insolvenzantrags verschlossen hat. Dass er dabei sogar entsprechende Hinweise bzw. Belehrungen des Insolvenzverwalters und der Sachbearbeiterin Rechtsanwältin Ziemann ignoriert haben soll, deutet ebenfalls darauf hin, dass er sich der Gewissheit der Zahlungsunfähigkeit zumindest bewusst verschloss. Auch der Umstand, dass der Kläger keinen Überschuldungstatbestand feststellte, ist unerheblich, da die Insolvenz auf Zahlungsunfähigkeit beruhte und keine Indizien dafür vorgetragen sind, dass der Geschäftsführer eine tatsachenbasierte Hoffnung auf eine dauerhafte Besserung der Liquidität hegen durfte.
Sofern der Kläger meint, der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei von dem Verstoß gegen das Zahlungsverbot streng zu unterscheiden, ist dem nicht zu folgen. Das Zahlungsverbot nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. mag zwar eine von der Antragspflicht gesonderte Pflicht sein. Von der Verletzung der Antragspflicht ist aber auf einen Charakter des § 64 Satz 1 GmbHG a.F. als Kardinalpflicht zu schließen. Ein Verstoß gegen die Masseschmälerungspflicht ist meist ursächlich auf einen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht zurückzuführen (Für eine Gleichsetzung der Pflichten: OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - I-9 U 253/20, r+s 2022, 508; daran anschließend: OLG Frankfurt, Hinweisbeschl. v. 27.10.2022 - 7 U 45/22; Hinweisbeschl. v. 04.08.2023 - 7 U 34/21 [nicht veröffentlicht]).
Zwar wird die Rechtsfrage kontrovers beurteilt: Gegen die vorgenannte Auffassung wird in der juristischen Literatur vorgebracht, dass von der Kardinalpflicht, den Insolvenzantrag zu stellen, nicht notwendigerweise auf die Kardinalpflicht zu schließen sei, verbotene Zahlungen zu unterlassen - auch wenn beide Pflichten sehr eng miteinander verbunden seien (vgl. Oevermann, jurisPR-VersR 6/2022 Anm. 2). Auch ein Geschäftsführer, der die Insolvenzreife des Unternehmens kenne, könne unwissentlich gegen das Zahlungsverbot verstoßen (vgl. Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2022, 241). Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach § 64 Satz 2 GmbHG a.F. dem Geschäftsführer ein erhebliches kaufmännisches Ermessen zugestanden werde, bestimmte Zahlungen weiter zu leisten, und tatbestandlich scharfe Grenzen nicht gesetzt werden, sondern eine Bewertung jeder Einzelzahlung wertungsabhängig sei (vgl. Primozic/Spanier, NZI 2022, 498, 502).
Vorzugswürdig ist aber die Ansicht, die in der Verletzung der Insolvenzantragspflicht die wesentliche Ursache der Masseschmälerung sieht, da durch das schuldhafte Unterlassen der Antragstellung die Massesicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO vereitelt und masseschmälernde Verfügungen ermöglicht werden. Somit liegt dem Verstoß gegen das Masseschmälerungsverbot in aller Regel auch ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht zugrunde (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (98)). Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht allein würde praktisch nur ausnahmsweise den Regress wegen benachteiligender Verfügungen ermöglichen. Damit würde die für den Gläubigerschutz zentrale Vorschrift entwertet und ihre Verletzung sanktionslos gestellt, da die Berechnung des reinen Insolvenzverschleppungsschadens großen Schwierigkeiten begegnet (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (98) m.w.N.). Schon angesichts der Strafbewehrung des § 15a InsO kommt eine umfassende Privilegierung der versicherten Personen nicht in Betracht. Zudem sind die Pflichten zur Überwachung des Unternehmens, zur Insolvenzantragsstellung und zur Masseerhaltung zwar zeitlich und in ihrer konkreten Handlungsanforderung möglicherweise verschieden, sie können jedoch nicht trennscharf unterschieden werden und dienen dem einheitlichen Zweck, das Unternehmen und die Gläubiger zu schützen. Etwaige Wissentlichkeitsindizien bei einem Verstoß gegen irgendeine dieser Pflichten indizieren zugleich die wissentliche der Verletzung der anderen Pflichten (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (99)). Lediglich bei einer nur fahrlässigen Verkennung der Insolvenzreife kann bei nachfolgenden Verfügungen nicht auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden (vgl. Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl. 2022/2024/2025, § 15b InsO S. 1672). Sofern die materielle Insolvenz offensichtlich gewesen ist und die Zahlungen auch erkennbar nicht im Rahmen von Notgeschäftsführungsmaßnahmen erfolgt sind, lässt dies jedenfalls den Schluss auf einen wissentlichen Verstoß zu (vgl. Korch/Lüttringhaus, VersR 2024, 537 (548)). Nach den vorbeschriebenen Umständen war die Insolvenz vorliegend für den Geschäftsführer auch offensichtlich.
Ein solches Verständnis unterläuft entgegen der Auffassung des Klägers auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht, dass der Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz i.S.v. Ziff. 1.1 ULLA darstellt, für den grundsätzlich Versicherungsschutz besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020 - IV ZR 217/19, NJW 2021, 231 = BGHZ 227, 279), da sich der Bundesgerichtshof zum Wegfall des Anspruchs in dieser Entscheidung nicht geäußert hat, sondern die Sache gerade zur Prüfung dieser Frage an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Der Versicherungsschutz wird auch nicht dadurch entwertet, dass dem Versicherungsnehmer durch die „Kardinalpflichten-Rechtsprechung“ erhöhte Darlegungslasten zugemutet werden, da diese weder unerfüllbar sind noch regelmäßig an mangelndem Informationszugang des Insolvenzverwalters scheitern. Dem Insolvenzverwalter stehen neben den unternehmensinternen Papierquellen auch Auskunfts- und Mitwirkungsansprüche gegen die bisherigen Leitungsorgane zur Verfügung (§§ 97, 101 InsO).
Schließlich greift das Argument des Klägers nicht durch, die Klausel sei nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 17.03.2021 - 7 U 33/19, juris Rn. 139 ff.) zumindest teilweise unwirksam. Die Entscheidung betraf nur den rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes bei rechtskräftiger Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung und somit einen trennbaren und vom Bestand der Klausel in Ziff. A.6 ULLA unabhängigen Teil des Ausschlusses.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die zutreffende Beantwortung der Rechtsfrage nach dem Verhältnis der gesetzlichen Krisenbeobachtungs-, Insolvenzantrags- und Masseerhaltungspflichten unter dem Gesichtspunkt der indiziellen Bedeutung der Verletzung einer dieser Pflichten für die anderen Pflichten ist zweifelhaft. Dies ergibt sich daraus, dass hierzu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Die praktisch bedeutsame, klärungsfähige Rechtsfrage berührt - wegen § 15b InsO - zudem eine unbestimmte Vielzahl von Fällen auch nach Außerkrafttreten des § 64 GmbHG a.F.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung wegen Haftpflichtansprüchen aus übergegangenem Recht aus einer D&O-Versicherung (Versicherung-Nr. …), welche die Insolvenzschuldnerin A GmbH als Versicherungsnehmerin bei der Beklagten als Versicherer unterhielt. In diese war der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter B als versicherte Person einbezogen. Dieser verfügte über einen Meistertitel im Heizungsbau bzw. der Sanitärtechnik.
Dem Vertrag lagen unter anderem die Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) - Ausgabe 2012 - sowie die Besondere Vereinbarung zur Beschränkung auf Drittansprüche (DUODRITT) - Ausgabe April 2009 zugrunde. Für wissentliche Pflichtverstöße statuiert Ziff. A.6 ULLA einen Leistungsausschluss.
Durch Beschluss vom 28.03.20218 eröffnete das AG Wiesbaden (Az. …) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Mit Urteil vom 06.03.2019 stellte das Landgericht Wiesbaden (Az. ...) in einem Verfahren des Klägers gegen den Geschäftsführer B wegen Insolvenzanfechtung fest, dass die Schuldnerin spätestens zum 18.09.2017 insolvent gewesen sei. Die Beklagte erstattete dem Kläger hieraus Prozesskosten i.H.v. 3.697,99 €. Mit Schreiben vom 04.07.2019, 08.08.2019 und 21.04.2020 forderte der Kläger den Geschäftsführer B und die Beklagte jeweils fruchtlos zur Zahlung von 282.442,09 € wegen Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 GmbHG (a.F.) auf. Mit Klageschrift vom 18.11.2019 erhob der Kläger bei dem Landgericht Wiesbaden gegen den Geschäftsführer B eine entsprechende Zahlungsklage. Dieser wurde mit rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 09.04.2020 (Az. …) antragsgemäß verurteilt. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 20.07.2020, der Beklagten am 22.07.2020 zugestellt, ließ der Kläger wegen der Ansprüche aus dem Urteil und dem Kostenfestsetzungsbeschluss bei der Beklagten als Drittschuldnerin einen Anspruch auf Freistellung von diesen Haftungsansprüchen pfänden.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte hafte ihm gegenüber auf den Betrag aus dem Urteil vom 09.04.2020 sowie auf die festgesetzten Verfahrenskosten aus übergegangenem Recht aufgrund der gepfändeten D&O-Freistellungsansprüche. Der Geschäftsführer B sei bedingungsgemäß auf Schadensersatz gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. in Anspruch genommen worden. Dieser habe nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 InsO Zahlungen geleistet. Zahlungsunfähigkeit sei zum 30.06.2017 eingetreten. Der Geschäftsführer B habe dies gegenüber dem Finanzamt eingestanden. Er habe auch schuldhaft gegen § 64 Satz 1 GmbHG a.F. verstoßen. Die verbotenen Zahlungen summierten sich nach Abzug privilegierter Zahlungen auf den klageweise geltend gemachten Betrag. Die Beklagte habe ihre Einstandspflicht dem Geschäftsführer B gegenüber durch ausdrückliche Deckungszusage, jedenfalls aber durch die Erstattung der Kosten im Verfahren Az. …, konkludent anerkannt.
Zur Entwicklung des Unternehmens und der Insolvenzgeschichte hat der Kläger wie folgt vorgetragen: Wegen säumiger Lohnsteuer, Solidaritätszuschlägen, Kirchensteuer, Umsatzsteuer sowie Säumniszuschlägen mit Fälligkeit 10.01.2016 bis 10.05.2016 i.H.v. 30.164,31 € habe das Finanzamt Stadt2 … die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben. In einem an den Geschäftsführer B persönlich adressierten Schreiben vom 19.05.2016 habe dieses darauf hingewiesen, dass sich die Liquiditätssteuerung verbessern müsse. Künftig sei es nicht hinzunehmen, dass das Finanzamt faktisch die Funktion der Bank übernehme und die Liquiditätsengpässe der Firma dauerhaft und wiederholt überbrücke. Gemäß weiterem Schreiben des Finanzamtes vom 27.06.2016 hätten die Rückstände aus dem Fälligkeitszeitraum 10.02.2016 bis 10.07.2016 am 27.06.2016 noch 27.859,44 € betragen. Mit Schreiben vom 22.07.2016 habe das Finanzamt wegen fortbestehender Rückstände i.H.v. 18.212,21 € und nachhaltiger Verletzung steuerlicher Pflichten angedroht, ggf. die Gewerbebehörde zu informieren. Eine erneute Androhung sei wegen Rückständen i.H.v. 31.111,12 € aus dem Fälligkeitszeitraum 10.11.2016 bis 10.01.2017 mit Schreiben vom 26.01.2017 erfolgt. Am 26.01.2017 habe das Finanzamt zudem eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen, ebenso am 12.04.2017 wegen weiterer Rückstände aus dem Fälligkeitszeitraum 10.11.2016 bis 10.04.2017 sowie am 14.07.2027 wegen Rückständen aus dem Fälligkeitszeitraum 10.05.2017 bis 10.07.2017. Zum 30.06.2017 seien auch die Rechnung eines Autohauses, Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zur Krankenkasse rückständig gewesen, die zusammen mit der Forderung des Finanzamtes 47.950,72 € ausmachten und später zur Tabelle angemeldet worden seien. Zwischen dem 01.07.2017 und dem 26.01.2018 sei es zu Barentnahmen aus der Kasse i.H.v. 37.949,20 € gekommen. Vom Geschäftskonto bei der Bank1 seien Zahlungen i.H.v. 32.592,18 € geleistet worden. Vom Geschäftskonto bei der F seien Zahlungen i.H.v. 16.984,32 € geleistet und verrechnete Gutschriften i.H.v. 6.776,72 € entgegengenommen worden, während dieses im Soll gewesen sei. Auf dem Geschäftskonto bei der Bank2 seien Gutschriften i.H.v. 13.283,02 € mit dem jeweiligen Sollsaldo verrechnet worden. Am 27.09.2017 habe die C Hessen einen ersten Insolvenzantrag gestellt, der jedoch durch Zahlung der Rückstände abgewendet worden sei. Eine betriebswirtschaftliche Auswertung habe zum 31.01.2018 ein negatives Betriebsergebnis von 64.609,87 € und für das Jahr 2017 ein negatives Betriebsergebnis von 30.853,11 € ergeben, während für die Jahre 2015 und 2016 noch ein positives Betriebsergebnis von 23.767,68 bzw. 33.865,76 € verzeichnet worden sei.
Der Geschäftsführer B habe die Insolvenzantragspflicht bzw. das Zahlungsverbot nicht wissentlich verletzt. Er habe die Insolvenzreife zwar erkennen können, sie aber nicht erkannt. Eine Überschuldungs- oder eine Liquiditätsbilanz sei nicht erstellt worden. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen ließen keine Rückschlüsse auf die Insolvenzreife zu. Insbesondere zu Beginn des auf Antrag der E Stadt1 eingeleiteten Insolvenzverfahrens habe sich dieser den damit verbundenen Rechtsfolgen und Verfügungsbeschränkungen massiv widersetzt. Er habe die Einleitung des Insolvenzantragsverfahrens durch die E als unberechtigt und unbegründet angesehen. Auch entsprechende Hinweise bzw. Belehrungen des Insolvenzverwalters und der gleichzeitig tätigen Sachbearbeiterin Rechtsanwältin Ziemann seien fruchtlos geblieben. Die Haltung des Geschäftsführers B habe sich erst nach Androhung von Zwangsmaßnahmen durch den hinzugezogenen Gerichtsvollzieher sowie der Erteilung einer entsprechenden vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Beschlusses über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen geändert. Der Kläger habe in seiner damaligen Eigenschaft als insolvenzrechtlicher Sachverständiger in seinem Gutachten zur Vorbereitung der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag auch festgestellt, dass nach den vorliegenden Jahresabschlüssen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen zwar ein Umsatzrückgang und ein erhöhter Materialeinsatz erkennbar gewesen sei, aber aus den Jahresabschlüssen kein durch Eigenkapital ungedeckter Fehlbetrag hervorgegangen sei. Unter Überschuldungsgesichtspunkten habe daher für die Geschäftsführung keine Veranlassung zu näheren Überprüfungen bestanden. Des Weiteren habe der Geschäftsführer B über keinen ausreichend insolvenzrechtlich versierten Berater verfügt. Zahlungsunfähigkeit sei durch den Geschäftsführer in Abrede gestellt worden, da er fehlerhafte Vorstellungen von den Voraussetzungen dieses Insolvenzeröffnungsgrundes gehabt habe. Er sei wohl davon ausgegangen, dass Zahlungsunfähigkeit ausscheide, solange noch Umsatzerlöse generiert und laufend Zahlungen an einzelne Gläubiger, so insbesondere an die beschäftigten Arbeitnehmer, im Wesentlichen erbracht werden könnten.
Der Kläger hat gemeint, der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei von dem Verstoß gegen das Zahlungsverbot bzw. die Masseerhaltungspflicht zu unterscheiden. Nur Letzterer habe zu dem streitgegenständlichen Schaden geführt. In § 64 Satz 1 GmbHG a.F. sei aufgrund von dessen Wertungsabhängigkeit und Komplexität der Abgrenzung zu erlaubten Zahlungen keine Kardinalpflicht zu sehen. Ziff. A.6 ULLA sei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zumindest teilweise unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion sei nicht möglich.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Freistellungsantrag sei nicht wirksam gepfändet worden, da es an einer hinreichend bestimmten Bezeichnung des zu pfändenden Anspruchs fehle. Die „Authentizität“ und inhaltliche Richtigkeit der zur Plausibilisierung der vorgetragenen Abläufe vorgelegten Anlagen sei zu bestreiten. Hilfsweise hat sie sich den Klägervortrag zur Entwicklung des Unternehmens und der Insolvenzgeschichte zu eigen gemacht und hierzu ausgeführt, die Schuldnerin sei bereits im Juni 2016 aufgrund der Rückstände beim Finanzamt und bei Sozialversicherungsträgern insolvent gewesen. Der Geschäftsführer B habe wissentlich die Kardinalpflichten aus §§ 15a InsO bzw. 64 Satz 1 GmbHG a.F. verletzt. Sofern sich der Geschäftsführer der Insolvenz bewusst verschlossen habe, sei hierin ein Verstoß gegen den in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Sorgfaltsmaßstab zu sehen. Der Geschäftsleiter hätte angesichts der Zahlungskrisen fachkundige Beratung wahrnehmen müssen, um seine behauptete Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage überprüfen zu lassen.
Wegen des weiteren Sachvortrags beider Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch das am 20.10.2023 verkündete Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 293.582,49 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, Bedenken gegen die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestünden nicht. Der Kläger habe die Voraussetzungen des Haftpflichtanspruchs im hiesigen Deckungsprozess nachgewiesen. Der Versicherungsvertrag erfasse den Fall, dass der Geschäftsführer als versicherte Person wegen eines aus § 64 GmbHG a.F. entstandenen Anspruchs Ersatz zu leisten habe (wird ausgeführt). Der Versicherungsfall sei nach dem claims made Prinzip eingetreten. Eine Leistungsfreiheit nach Ziff. A.12.2. c) ULLA wegen der unterlassenen persönlichen Anzeige durch die versicherte Person sei nicht anzunehmen (wird ausgeführt). Der Anspruch sei nicht nach Ziff. A.6 ULLA ausgeschlossen. Der Geschäftsführer habe zwar die Kardinalpflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags verletzt, sei aber seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich entlastender Umstände nachgekommen, indem er die Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage durch den Geschäftsführer nachvollziehbar erläutert habe. Die Beklagte sei beweisfällig geblieben, nachdem sie unter Protest gegen die Beweislast die Aufhebung eines Beweisbeschlusses zur Vernehmung des Geschäftsführers B erwirkt habe. Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei nicht schadenbegründend, sondern nur der hiervon zu trennende Verstoß gegen das Zahlungsverbot. In Anbetracht der schwierigen und sich für insolvenzrechtliche Laien nicht auf den ersten Blick erschließenden Unterscheidung, welche Zahlungen nach Insolvenzreife zulässig seien, bedürfe es für eine wissentliche Pflichtverletzung weitere Indizien.
Gegen das der Beklagten am 22.11.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts richtet sich die am 22.12.2023 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mittels am 22.02.2024 eingereichtem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte trägt vor, die Pfändung sei mangels Bestimmtheit der Bezeichnung des gepfändeten Anspruchs unwirksam, im Übrigen sei sie wegen Verletzung der Anzeigepflicht leistungsfrei (wird ausgeführt). Kern der Berufung sei, dass das Landgericht zu Unrecht eine wissentliche Verletzung von haftungsbegründenden Kardinalpflichten verneint habe. Der Kläger habe seiner sekundären Darlegungslast gerade nicht genügt. Der Umstand, dass der Kläger als Partei kraft Amtes zum Vorstellungsbild des Geschäftsführers nicht aus eigenem Wissen vortragen könne, führe nicht zu einer Verringerung der Darlegungslasten, da dies Konsequenz der Pfändungskonstellation sei und den Kläger nicht privilegieren könne. Die Differenzierung zwischen Insolvenzantragspflicht und Zahlungsverbot sei konstruiert. Entscheidend sei, dass die haftungsbegründende Kausalkette mit einer wissentlichen Pflichtverletzung in Gang gesetzt worden sei. Wer es als Geschäftsführer einer GmbH unterlasse, zeitnah Aktiva und Passiva gegenüberzustellen, entziehe sich den ihm obliegenden Kernpflichten. Die Nichteinholung fachkundiger Beratung durch einen nicht entscheidungskompetenten Geschäftsleiter gehöre zur Fallgruppe des „sich Verschließens“. Dann sei eine Kardinalpflichtverletzung wegen Verstoßes gegen die über das Aktiengesetz hinaus geltende Grundregel aus § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG anzunehmen. Wer mangels Kenntnis „ins Blaue hinein handele", verletze eine Kardinalpflicht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des am 20.10.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Aktenzeichen 7 O 2521/20, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags und führt ergänzend aus, die Beklagte stelle unzutreffend auf die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer B gemäß § 15a InsO ab und übersehe, dass dessen Verletzung nicht kausal für den durch Vornahme gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. verbotener Zahlungen entstandenen Schaden geworden sei. Der streitige und von der Beklagten im Rahmen des Versicherungsvertrages zu regulierende Schaden sei ausschließlich durch die Verletzung der Masseerhaltungspflicht entstanden. Inwieweit die Verletzung des Masseerhaltungsgebotes als Kardinalpflicht anzusehen sei, sei offen. Angesichts der Komplexität und der durch die Vorschrift des § 15b InsO weiter differenzierten Anforderungen an Geschäftsleiter sei davon nicht auszugehen. Der Beklagten sei es zu verwehren, sich mit niederschwelligem Sachvortrag auf die Verletzung einer Kardinalpflicht zu berufen und sich dann auf einer durch einen Insolvenzverwalter kaum erfüllbaren sekundären Beweislast des Klägers auszuruhen. Dann könne der Versicherer sich immer auf Leistungsfreiheit berufen. Dadurch würden die durch den Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.11.2020 (Az. IV ZR 217/19) entwickelten versicherungsrechtlichen Maßstäbe für die Inanspruchnahme einer D&O-Versicherung des Geschäftsleiters nach Insolvenz ad absurdum geführt.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist begründet. Dies führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Beklagte haftet nicht aufgrund eines Leistungsanerkenntnisses und ist jedenfalls aufgrund einer wissentlichen Pflichtverletzung leistungsfrei.
Dass die Beklagte, wie der Kläger erstinstanzlich vorgetragen hat, ihre Einstandspflicht dadurch anerkannt habe, dass sie ihre Einstandspflicht dem Geschäftsführer B gegenüber durch ausdrückliche Deckungszusage, jedenfalls aber durch die Erstattung der Kosten im Verfahren …, konkludent anerkannt habe, ist nicht ersichtlich. Die mögliche Zahlung kann sowohl auf Kulanz beruhen als auch auf dem Umstand, dass der Anfechtungsprozess einen anderen Versicherungsfall bildet, da die Inanspruchnahme (claims-made) nach § 64 GmbHG a.F. erst nach Erlass des Urteils im Anfechtungsprozess erfolgte.
Vorliegend hat der Geschäftsführer B wissentlich gegen Geschäftsführerpflichten verstoßen, sodass die Beklagte jedenfalls aus diesem Grund bedingungsgemäß leistungsfrei ist.
Verwirklicht ist der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung dann, wenn ein Versicherter eine Pflichtverletzung in dem Bewusstsein der Pflicht und dem Bewusstsein, sich nicht pflichtgemäß zu verhalten, begangen hat (vgl. Lange, VersR 2020, S. 588). Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer. Daraus folgt, dass der Versicherer zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers hindeutet. Dabei ist der Vortrag zusätzlicher Indizien dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, ist es Aufgabe des beweispflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dies geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2014 - IV ZR 90/13, juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 6.7.2022 - 7 U 147/20, r+s 2022, 503 Rn. 37, insoweit zustimmend Fortmann, jurisPR-VersR 8/2022 Anm. 2).
Der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hat vorliegend eine Kardinalpflicht verletzt, da er bei Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag stellte und die Geschäfte weiterführte. Die Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Kardinalpflicht. Grundsätzlich setzt die Annahme einer Kardinalpflichtverletzung voraus, dass die von dem Versicherten verletzte Rechtsnorm zu den zentralen, fundamentalen Grundregeln einer bestimmten Regelungsmaterie gehört. Zu solchen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, zählt auch die Pflicht eines Vorstands, Geschäftsführers, Aufsichtsrats oder leitenden Angestellten, weder sich noch Dritten aus dem Unternehmensvermögen Vorteile zu gewähren, auf die kein Anspruch besteht, das Unternehmensvermögen nicht für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden sowie die Pflicht, bei Insolvenzreife rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Bei der Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) handelt es sich um eine der wesentlichen gläubigerschützenden Vorschriften der Insolvenzordnung, auf die zahlreiche andere Vorschriften Bezug nehmen. Mit Blick auf die Strafvorschrift in § 15a Abs. 4 InsO wird die Bedeutung der Pflicht besonders hervorgehoben.
Zum Elementarwissen eines Geschäftsführers gehört ferner die Vergewisserung über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sowie die eingehende Prüfung der Insolvenzreife. Der Unternehmensleiter ist zur beständigen wirtschaftlichen Selbstkontrolle verpflichtet. Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen. Organmitgliedern, die „blind in die Krise segeln“ ist deckungsrechtlich die Verletzung einer Kardinalpflicht vorzuwerfen. Die offensichtliche Pflichtverletzung rechtfertigt den Schluss auf das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - 9 U 253/20. r+s 2022, 508 m.w.N.; OLG Frankfurt, Hinweisbeschl. V. 27.10.2022 - 7 U 45/22 [nicht veröffentlicht]). Die allgemein anerkannte, der Insolvenzantragspflicht vorgelagerte und in diese nahtlos übergehende Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern bestand schon vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 1 StaRUG aus § 43 Abs. 1 GmbHG.
Umstände, warum eine wissentliche Pflichtverletzung nicht vorliegen sollte, zeigt die Klage entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf. Der Kläger trägt im Gegenteil Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, mithin die die Zahlungsunfähigkeit begründenden Tatsachen, kannte bzw. sich dieser bewusst verschlossen hat, weil er etwa vermeiden wollte, dass aus einem begründeten Verdacht Gewissheit werde (vgl. i.d.S. auch OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - I-9 U 253/20, r+s 2022, 508 Rn. 44 = NZI 2022, 501 m. krit. Anm. Primozic/Spanier). Anerkannte Indizien für eine ex ante erkannte Zahlungseinstellung sind u. a. gehäufte Zwangsvollstreckungen, die verspätete Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, die Nichteinhaltung von Zahlungszusagen oder die Erklärung, fällige Verbindlichkeiten nicht bedienen zu können (vgl. ausführlich m.w.N. Gruppe, r+s 2025, 97 (101 ff.)).
Solche Indizien liegen hier vor. Zum einen wurde dem Kläger durch die wiederholten Schreiben und Vollstreckungsandrohungen des Finanzamts unmissverständlich und ausdrücklich vorgehalten, dass die Rückstände „fortbestehend und nachhaltig“ waren. Im gesamten Zeitraum von Januar 2016 bis Juni 2017, mithin über eineinhalb Jahre, bestanden Abgabenrückstände in fünfstelliger Höhe für nahezu jeden Monat der Fälligkeit. Schon in dem an den Geschäftsführer B persönlich adressierten Schreiben vom 19.05.2016 wies das Finanzamt deutlich darauf hin, dass sich die Liquiditätssteuerung verbessern müsse. Künftig sei es nicht hinzunehmen, dass das Finanzamt faktisch die Funktion der Bank übernehme und die Liquiditätsengpässe der Firma dauerhaft und wiederholt überbrücke. Auch die Androhung eines gewerberechtlichen Verfahrens musste für den Geschäftsführer ein sehr deutlicher Hinweis auf unmittelbaren Handlungsbedarf, sei es durch externen Rat oder eigene Prüfungen der Liquidität, bilden, denn mit der Androhung war die dringende Gefahr einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit verbunden (§ 35 GewO). Der Kläger hat zudem vorgetragen, dass der Geschäftsführer B die Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Finanzamt eingeräumt habe.
Es gehört zum Elementarwissen (nicht nur) eines Geschäftsführers, dass erhebliche wiederkehrende Rückstände, die über einen langen Zeitraum nicht so vollständig zurückgeführt werden können, dass künftige Rückstände nicht entstehen können, auf eine massive wirtschaftliche Krise hindeuten, die einen sofortigen „Kassensturz“ i.S. einer Liquiditätsbilanz erfordern. Der Umstand, dass es sich bei dem Geschäftsführer um einen Handwerksmeister handelte, entlastet diesen nicht. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Allgemeinen Meisterprüfungsverordnung (AMVO), die nach § 7 Abs. 1 InstallateurHeizungsbauerMstrV auch im Meisterfach Installateur- und Heizungsbauer gilt, hat der Prüfling nachzuweisen, dass er in der Lage, ist ein Unternehmen zu führen. Dabei gehört zu den Qualifikationen auch der Kenntnispunkt „Notwendigkeit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens anhand von Unternehmensdaten prüfen; insolvenzrechtliche Konsequenzen für die Weiterführung oder Liquidation eines Unternehmens aufzeigen.“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. k) AMVO). Auch der zwar zeitlich dem Stichtag 30.06.2017 nachgelagerte, aber indiziell verwertbare Umstand, dass sich der Geschäftsführer selbst nach dem Insolvenzantrag der E Frankfurt nicht einsichtig gezeigt haben soll, kann diesen nicht entlasten, sondern zeigt gerade, dass der Geschäftsführer sich der Notwendigkeit eines „Kassensturzes“ und einer realistischen Aufarbeitung der Liquidität sogar vor dem Hintergrund eines förmlichen Insolvenzantrags verschlossen hat. Dass er dabei sogar entsprechende Hinweise bzw. Belehrungen des Insolvenzverwalters und der Sachbearbeiterin Rechtsanwältin Ziemann ignoriert haben soll, deutet ebenfalls darauf hin, dass er sich der Gewissheit der Zahlungsunfähigkeit zumindest bewusst verschloss. Auch der Umstand, dass der Kläger keinen Überschuldungstatbestand feststellte, ist unerheblich, da die Insolvenz auf Zahlungsunfähigkeit beruhte und keine Indizien dafür vorgetragen sind, dass der Geschäftsführer eine tatsachenbasierte Hoffnung auf eine dauerhafte Besserung der Liquidität hegen durfte.
Sofern der Kläger meint, der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei von dem Verstoß gegen das Zahlungsverbot streng zu unterscheiden, ist dem nicht zu folgen. Das Zahlungsverbot nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. mag zwar eine von der Antragspflicht gesonderte Pflicht sein. Von der Verletzung der Antragspflicht ist aber auf einen Charakter des § 64 Satz 1 GmbHG a.F. als Kardinalpflicht zu schließen. Ein Verstoß gegen die Masseschmälerungspflicht ist meist ursächlich auf einen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht zurückzuführen (Für eine Gleichsetzung der Pflichten: OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 - I-9 U 253/20, r+s 2022, 508; daran anschließend: OLG Frankfurt, Hinweisbeschl. v. 27.10.2022 - 7 U 45/22; Hinweisbeschl. v. 04.08.2023 - 7 U 34/21 [nicht veröffentlicht]).
Zwar wird die Rechtsfrage kontrovers beurteilt: Gegen die vorgenannte Auffassung wird in der juristischen Literatur vorgebracht, dass von der Kardinalpflicht, den Insolvenzantrag zu stellen, nicht notwendigerweise auf die Kardinalpflicht zu schließen sei, verbotene Zahlungen zu unterlassen - auch wenn beide Pflichten sehr eng miteinander verbunden seien (vgl. Oevermann, jurisPR-VersR 6/2022 Anm. 2). Auch ein Geschäftsführer, der die Insolvenzreife des Unternehmens kenne, könne unwissentlich gegen das Zahlungsverbot verstoßen (vgl. Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2022, 241). Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach § 64 Satz 2 GmbHG a.F. dem Geschäftsführer ein erhebliches kaufmännisches Ermessen zugestanden werde, bestimmte Zahlungen weiter zu leisten, und tatbestandlich scharfe Grenzen nicht gesetzt werden, sondern eine Bewertung jeder Einzelzahlung wertungsabhängig sei (vgl. Primozic/Spanier, NZI 2022, 498, 502).
Vorzugswürdig ist aber die Ansicht, die in der Verletzung der Insolvenzantragspflicht die wesentliche Ursache der Masseschmälerung sieht, da durch das schuldhafte Unterlassen der Antragstellung die Massesicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO vereitelt und masseschmälernde Verfügungen ermöglicht werden. Somit liegt dem Verstoß gegen das Masseschmälerungsverbot in aller Regel auch ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht zugrunde (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (98)). Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht allein würde praktisch nur ausnahmsweise den Regress wegen benachteiligender Verfügungen ermöglichen. Damit würde die für den Gläubigerschutz zentrale Vorschrift entwertet und ihre Verletzung sanktionslos gestellt, da die Berechnung des reinen Insolvenzverschleppungsschadens großen Schwierigkeiten begegnet (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (98) m.w.N.). Schon angesichts der Strafbewehrung des § 15a InsO kommt eine umfassende Privilegierung der versicherten Personen nicht in Betracht. Zudem sind die Pflichten zur Überwachung des Unternehmens, zur Insolvenzantragsstellung und zur Masseerhaltung zwar zeitlich und in ihrer konkreten Handlungsanforderung möglicherweise verschieden, sie können jedoch nicht trennscharf unterschieden werden und dienen dem einheitlichen Zweck, das Unternehmen und die Gläubiger zu schützen. Etwaige Wissentlichkeitsindizien bei einem Verstoß gegen irgendeine dieser Pflichten indizieren zugleich die wissentliche der Verletzung der anderen Pflichten (vgl. Gruppe, r+s 2025, 97 (99)). Lediglich bei einer nur fahrlässigen Verkennung der Insolvenzreife kann bei nachfolgenden Verfügungen nicht auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden (vgl. Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl. 2022/2024/2025, § 15b InsO S. 1672). Sofern die materielle Insolvenz offensichtlich gewesen ist und die Zahlungen auch erkennbar nicht im Rahmen von Notgeschäftsführungsmaßnahmen erfolgt sind, lässt dies jedenfalls den Schluss auf einen wissentlichen Verstoß zu (vgl. Korch/Lüttringhaus, VersR 2024, 537 (548)). Nach den vorbeschriebenen Umständen war die Insolvenz vorliegend für den Geschäftsführer auch offensichtlich.
Ein solches Verständnis unterläuft entgegen der Auffassung des Klägers auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht, dass der Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz i.S.v. Ziff. 1.1 ULLA darstellt, für den grundsätzlich Versicherungsschutz besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020 - IV ZR 217/19, NJW 2021, 231 = BGHZ 227, 279), da sich der Bundesgerichtshof zum Wegfall des Anspruchs in dieser Entscheidung nicht geäußert hat, sondern die Sache gerade zur Prüfung dieser Frage an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Der Versicherungsschutz wird auch nicht dadurch entwertet, dass dem Versicherungsnehmer durch die „Kardinalpflichten-Rechtsprechung“ erhöhte Darlegungslasten zugemutet werden, da diese weder unerfüllbar sind noch regelmäßig an mangelndem Informationszugang des Insolvenzverwalters scheitern. Dem Insolvenzverwalter stehen neben den unternehmensinternen Papierquellen auch Auskunfts- und Mitwirkungsansprüche gegen die bisherigen Leitungsorgane zur Verfügung (§§ 97, 101 InsO).
Schließlich greift das Argument des Klägers nicht durch, die Klausel sei nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 17.03.2021 - 7 U 33/19, juris Rn. 139 ff.) zumindest teilweise unwirksam. Die Entscheidung betraf nur den rückwirkenden Wegfall des Versicherungsschutzes bei rechtskräftiger Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung und somit einen trennbaren und vom Bestand der Klausel in Ziff. A.6 ULLA unabhängigen Teil des Ausschlusses.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die zutreffende Beantwortung der Rechtsfrage nach dem Verhältnis der gesetzlichen Krisenbeobachtungs-, Insolvenzantrags- und Masseerhaltungspflichten unter dem Gesichtspunkt der indiziellen Bedeutung der Verletzung einer dieser Pflichten für die anderen Pflichten ist zweifelhaft. Dies ergibt sich daraus, dass hierzu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Die praktisch bedeutsame, klärungsfähige Rechtsfrage berührt - wegen § 15b InsO - zudem eine unbestimmte Vielzahl von Fällen auch nach Außerkrafttreten des § 64 GmbHG a.F.
RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 15b InsO