16.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247646
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 17.12.2024 – 4 U 857/24
1. Der Behandlungsvertrag mit den Eltern eines Minderjährigen ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter.
2. Die auf Veranlassung des Trainers eines minderjährigen Sportlers erfolgte telefonische "Freigabe" von Schmerzmitteln durch den Arzt stellt eine medizinische Behandlung dar.
3. Die vor einer solchen Behandlung erforderliche Aufklärung ist durch den Arzt zu erbringen.
4. Der Vorwurf, ein Sportmediziner habe nicht über eine medizinisch gebotene "Sportpause" aufgeklärt und keine "Sportbefreiung" ausgestellt, betrifft die therapeutische Sicherungsaufklärung, die zur Beweislast des Patienten steht.
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 17.12.2024, Az. 4 U 857/24
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Chemnitz - 4 O 1945/21 - vom 29.05.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 32.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 00.00.2001 geborene Klägerin macht Ansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Jahr 2017 geltend.
Die Klägerin war Kunstturnerin auf Leistungssportniveau. Sie wurde im Alter von 12 Jahren in Chemnitz im Olympiastützpunkt aufgenommen und von 2013 bis Anfang 2019 von dem Beklagten (Facharzt für Orthopädie) als Arzt des Olympiastützpunktes behandelt. Ihre Trainerin war Frau G...... F.......
Die Klägerin stellte sich bei dem Beklagten immer wieder mit Schmerzen (Rücken, Ellenbogen, Sitzbein) vor. Am 06.02.2017 suchte sie ihn wegen Schmerzen in der rechten Hüfte (Coxalgie) auf, und der Beklagte veranlasste ein MRT. Der Befund der radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 15.02.2017 ergab keinen Nachweis eines Impingements-Syndroms, jedoch die Verdachtsdiagnose eines minimalvermehrten Knochenmarksödems am rechten Sitzbein. Wegen Rückenschmerzen stellte sie sich am 29.05.2017 und wegen Hüftschmerzen erneut am 02.10.2017 bei dem Beklagten vor, der ein erneutes MRT der rechten Hüfte wegen persistierender Schmerzen anordnete. Der radiologische Befund vom 24.10.2017 enthält keine Impingmentkonstellation, sondern ein 15 x 25 mm großes Knochemarksödem im rechten Sitzbein. Zu einem unbekannten Zeitpunkt Ende 2017 fand ein Telefonat zwischen dem Beklagten und der Trainerin der Klägerin, G...... F......, statt, in dem es um die anhaltenden Schmerzen der Klägerin und die für sie anstehenden vier Wettkämpfe im November und Dezember 2017 ging. Das Telefonat mit der Trainerin F...... dokumentierte der Beklagte am 27.11.2018. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Im Zeitraum November bis Dezember 2017 nahm die Klägerin insgesamt acht Tabletten Tilidin Ratiopharm 50/4 mg aus den Beständen der Trainerin ein. Bei einem Wettkampf in Japan im Dezember 2017 stürzte die Klägerin bei einem Seitwärtssalto und fiel bei der Landung mit dem Rücken auf den Balken.
Am 08.01.2018 stellte sich die KIägerin im Universitätsklinikum U...... vor, wo ein Impingementsyndrom rechts bei CAM-Deformität festgestellt wurde (Anlage K9). Die Klägerin wurde anschließend im Klinikum Pforzheim vorstellig und wurde dort am 06.02.2018 operiert (Anlage K3). Anschließend erfolgte eine Rehabilitation. Die Klägerin hat ihre Leistungssportkarriere zwischenzeitlich beendet. Die Klägerin, ihre Schwester sowie eine weitere Turnerin haben Strafanzeige gegen den Beklagten, einen weiteren Arzt und G...... F...... gestellt (230 Js 46029/20 Staatsanwaltschaft Chemnitz).
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe die MRT-Befunde mit ihr nicht besprochen. Es hätte wegen der anhaltenden Schmerzen einer weiteren Diagnostik und einer Überweisung zu anderen Fachärzten bedurft. Zur Schonung hätte eine Sportpause angeordnet werden müssen. Grob behandlungsfehlerhaft sei die Verordnung eines starken Schmerzmittels wie Tilidin, gewesen. Sie habe zwar einerseits an den Wettkämpfen teilnehmen wollen, aber zum damaligen Zeitpunkt auch eine depressive Phase durchlebt und es sei zu schweren Konflikten mit der Trainerin gekommen. Die Trainerin habe ihr insgesamt 20 Tabletten (2 Blister) Tilidin gegeben. Sie habe erst später davon erfahren, dass sich die Trainerin erst nachträglich eine Bescheinigung für "das Ganze" geholt habe. Von den Tilidin habe sie bis zum Wettkampf in Japan acht Tabletten genommen. Sie habe die Tabletten nicht gut vertragen und sei müde und benommen gewesen. Aus diesem Grund sei es zu dem Sturz gekommen. Sie habe sich schmerzhaft verletzt und einige blaue Flecken davongetragen. Die Verordnung dieses Medikamentes hätte mit ihren Eltern und mit ihr besprochen werden müssen. Das Training sei für sie eine Qual gewesen, sie habe ständig Schmerzen gehabt und weinen müssen. Zudem sei sie durch die Auseinandersetzung mit der Trainerin, die ihre Beschwerden nicht ernst genommen habe, belastet gewesen.
Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C...... L...... eingeholt und die Klage mit Urteil vom 29.05.2024 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie beanstandet, dass das Landgericht sie nicht zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt informatorisch angehört habe. Das Urteil sei überraschend. Auch der gerichtliche Sachverständige habe nicht feststellen können, dass die Klägerin über Risiken und Nebenwirkungen von Tilidin und über Therapieoptionen gegen die andauernden Hüftschmerzen aufgeklärt worden sei. Es sei weder über mögliche Risiken und Therapien noch die Fortsetzung des uneingeschränkten Trainings gesprochen worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass der Sachverständige es bei minderjährigen Hochleistungssportlerinnen für vertretbar halte, bei bekannten Schmerzen eine "Eskalation der Schmerztherapie" durchzuführen. Soweit der Sachverständige die Verabreichung von Tilidin wegen einer bereits geschlossenen Epiphysenfuge für medizinisch vertretbar gehalten habe, gebe die Patientenakte dafür nichts her. Es müsse des Weiteren mit Nichtwissen bestritten werden, dass das MRT die bestmögliche Diagnosemöglichkeit gewesen sei und der Beklagte heraus die gebotenen Befunde erhoben habe. Die Klägerin habe insbesondere aufgrund ihrer monatelang anhaltenden starken Hüftschmerzen und der bis heute andauernden psychischen Beeinträchtigungen ergänzend die Einholung eines psychologischen Gutachtens beantragt. Dies habe das Landgericht übergangen. Die Klägerin müsse davon ausgehen, dass der Beklagte gegenüber ihrer Trainerin die Verabreichung von 20 Tabletten Tilidin freigegeben habe, weil ihre Trainerin diese sonst nicht an sie weitergegeben hätte. Hieraus folge eine Haftung des Beklagten, Tilidin für die Wettkampftage nicht hätte verordnet werden dürfen, da unter dem Einfluss dieses Medikamentes kein Hochleistungssport an Kunstturngeräten wie Schwebebalken, Stufenbarren und auch keine sprungakrobatischen Elementen möglich sei. Der Sturz in Japan sei völlig atypisch gewesen und daher auf die Einnahme des Medikaments zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt:
1.
Den Beklagten unter Abänderung des am 29.05.2024 verkündeten Urteils des Landgerichts Chemnitz zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (Vorstellung: 30.000,00 €) zu zahlen
sowie
2.
unter Abänderung des vorgenannten Urteils festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche entstandenen und entstehenden materiellen Schäden und sämtliche zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die zurückzuführen sind auf die schuldhaft fehlerhafte Behandlung des Beklagten in der Zeit 04/2017 bis mindestens 12/2017, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Die Akte der Staatsanwaltschaft Chemnitz (230 Js 46029/20) wurde beigezogen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
A
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch wegen fehlerhafter Behandlung gemäß §§ 630a ff., 280, 253, 823 Abs.1 BGB zu. Weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler lässt sich feststellen. Dabei kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie auch zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche aktivlegitimiert ist. Ein Behandlungsvertrag ist zwar nicht mit der damals minderjährigen Klägerin zustande gekommen. Bei minderjährigen Kindern kommt der Behandlungsvertrag vielmehr zwischen den Eltern und dem Behandelnden als Vertrag zugunsten des Kindes zustande, §§ 630a, 328 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2022 - III ZR 78/21 - juris). Dem Kind steht aber ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch zu (vgl. Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 328 Rn 19). Es kann auch offenbleiben, ob zwischen dem Beklagten und dem Deutschen Turnerbund ein Vertrag über die Behandlung der Klägerin abgeschlossen wurde, denn auch in diesem Fall handelt es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß §§ 630a, 328 BGB.
1.
a)
Behandlungsfehler liegen nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L...... aber nicht vor. Soweit die Klägerin u. a. behauptet, ihr hätte eine Sportpause empfohlen werden müssen, der Beklagte hätte sie zu weiteren Untersuchungen an andere Ärzte verweisen müssen, insbesondere weil das MRT nicht die beste Diagnosemöglichkeit gewesen sei, rügt sie der Sache nach einen Verstoß gegen deren Pflichten zu einer therapeutischen Sicherungsaufklärung. Dieser liegt jedoch nicht vor. Auch einen Befunderhebungsfehler hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben.
Der Sachverständige Prof. L...... hat vielmehr festgestellt, dass die Klägerin durch den Beklagten entsprechend dem Facharztstandard behandelt worden ist und Befunderhebung, Diagnosestellung und die therapeutische Behandlung sorgfältig erfolgt sind. Nach den Befunden aus der Patientenakte und der Röntgen- und MRT-Diagnostik sei es zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen, eine dringende Empfehlung zur Unterlassung sportlicher Belastung im Allgemeinsport oder im Leistungssport auszusprechen. Bei seiner Anhörung hat er dies dahingehend präzisiert, dass eine ausreichende Diagnostik am 24.10.2017 durch ein MRT erfolgt sei. Der Befund habe keinen strukturellen Schaden ergeben. Das MRT sei in dieser Situation die bestmögliche Diagnosemöglichkeit, eine Indikation für eine weitere Diagnostik im Hinblick auf die persistierenden Schmerzen habe es im Anschluss hieran nicht gegeben. Dass nach dem Ausschluss einer Impingementkonstellation nicht noch zusätzliche Röntgenaufnahmen angefertigt wurden, sei aus Sicht des Strahlenschutzes geboten. Nur bei zwingenden weiterführenden Fragestellungen wären Röntgenaufnahmen zu diesem Zeitpunkt indiziert gewesen. Aus der Dokumentation sei nicht nachvollziehbar, dass eine Sportbefreiung veranlasst gewesen wäre. Nachdem mehrere MRT keinen pathologischen Befund ergeben hätten, habe der Beklagte Physiotherapie verordnet, was dem medizinischen Standard entspreche. Im Hochleistungssport werde auf Schmerzen nicht mit Ruhigstellung, sondern mit einer Trainingsumstellung reagiert, die das betroffene Gelenk schonen, zugleich aber den Fitnesszustand des Athleten erhalte. Flankierend dazu werde bei Schmerzen mit Elektrotherapie und intensiver Physiotherapie reagiert. Das sei hier auch verordnet worden. Daneben sei auch eine medikamentöse Therapie eine Option. Dies gelte auch bei minderjährigen Hochleistungssportlern. Maßgeblich bei minderjährigen Hochleistungssportlern sei die Frage, ob das Skelett voll ausgebildet sei. Wenn der Sportler noch nicht ausgewachsen sei, dann werde man mit Rücksicht auf die offenen Wachstumsfugen eher eine Sportpause verordnen als bei solchen Heranwachsenden, bei denen das Skelett bereits ausgewachsen ist. In den hiesigen Breitengraden seien Mädchen zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr ausgewachsen, wenn sie mit der ersten Regel konfrontiert seien. Dann werde auf hormonelle Weise die Wachstumsfuge geschlossen. Bei der Klägerin ergebe sich aus den MRT-Aufnahmen, dass die Wachstumsfugen bereits skelettal ausgewachsen gewesen seien. Im Hinblick auf den radiologischen Befund zu dem MRT aus Februar 2017 sei es entbehrlich, dass dieser Aspekt des vollständig ausgewachsenen Skeletts nochmals in der Dokumentation aufgenommen werde. Er sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Sportunterbrechung hätte empfohlen werden müssen. Dieser medizinisch begründeten Auffassung stellte die Klägerin nur ihre abweichende Meinung entgegen.
Auch die Verordnung des Medikaments Tilidin hat der Sachverständige grundsätzlich nicht beanstandet. Das Medikament (2 x täglich 50 mg) sei für Patienten im Alter der Klägerin zugelassen gewesen.
Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die MRT Befunde nicht mit ihr besprochen, zeigt die Berufung nicht auf, welcher Schaden der Klägerin daraus erwachsen sein soll. Die MRT Befunde vom 15.02.2017 und vom 24.10.2017 ergaben keinen Nachweis eines Impingement Syndroms. Eine weitere Besprechung mit der Klägerin hätte sich auf den Behandlungsverlauf nicht ausgewirkt.
Angesichts dessen besteht kein Raum für eine weitere Beweisaufnahme. Der Senat ist an die Feststellungen des Landgerichtes gemäß § 529 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die bloße Behauptung eines Behandlungsfehlers entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und gut begründeten Sachverständigengutachtens genügt hierfür nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 - 4 U 1285/20 - juris). Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf Sachverständigenrat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris). Anders ist es hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier einen Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindung an das erstinstanzliche Ergebnis einer Beweisaufnahme hinaus (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 - 4 U 657/21 Rn. 18 - juris). Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er ohne konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer Hinsicht Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, nur dadurch vortragen, dass ein Privatgutachten vorliegt, zumindest aber selbst auf medizinische Fundstellen oder Leitlinien zurückgreift, die für seine Behauptung streiten (vgl. Senat a.a.O.). Entspricht der Vortrag diesen Anforderungen nicht und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 - 4 U 657/21, Rn. 8 - juris). So ist es hier. Es genügt nicht, wenn die Klägerin - wie hier - dem Sachverständigen nur widerspricht und behauptet, es hätte eine weitere Diagnostik und Weiterüberweisung an eine "spezialisierte Einrichtung" erfolgen müssen und eine Intensivierung der Schmerzmedikation hätte nicht erfolgen dürfen, ohne zugleich medizinisch fundiert anzugeben, worauf sie diese abweichende Auffassung stützt.
b)
Entgegen der Auffassung der Klägerin war auch die Einholung eines psychologischen Gutachtens nicht veranlasst, ein Befunderhebungsfehler kann dem Beklagten auch insoweit nicht vorgeworfen werden. Auf Symptome, die dem Arzt nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, muss er nicht reagieren. Im Rahmen der Anhörung vor dem Senat hat die Klägerin aber eingeräumt, den Beklagten nicht auf psychische Problemen hingewiesen zu haben. Sie habe ihm lediglich von den Schmerzen berichtet sowie davon, dass sie deswegen nachts häufig wach geworden sei. Aus der Behandlungsdokumentation ergibt sich auch kein Hinweis darauf, dass die Klägerin dem Beklagten von einer psychischen Belastung (depressive Verstimmung, häufiges Weinen) berichtet hätte. Unabhängig hiervon ist der Klägerin auch insoweit kein Schaden entstanden, weil unstreitig die von ihr geschilderte psychische Belastung lediglich zu "depressiven Phasen", jedoch nicht zur Ausprägung einer psychischen Erkrankung geführt hat, die bei einer früheren Behandlung verhindert worden wäre.
2.
Zu Gunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass die Freigabe einer Tablette Tilidin durch den Beklagten im Gespräch mit der Trainerin eine ärztliche Verordnung dargestellt und der Beklagte seine Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat, weil er nicht über die Risiken und Nebenwirkungen des verordneten Medikaments Tilidin aufgeklärt hat (a). Jedoch ist die mangelnde Aufklärung für den Schaden (Sturz im Dezember 2017 beim Weltcup in Japan) nicht kausal geworden, denn die Freigabe nur einer Tablette Tilidin hat den Sturz nicht verursacht (b). Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren behauptet, der Beklagte habe der Weitergabe von 20 Tabletten Tilidin an sie zugestimmt, ist das Vorbringen im Berufungsverfahren neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen (c).
a)
Grundsätzlich ist der Patient über die Risiken einer Medikation und somit auch über die Nebenwirkungen eines verordneten Medikaments vor dem ersten Einsatz des Medikaments aufzuklären (vgl. Senat, Beschluss vom 20.04.2018 - 4 U 307/18 - juris). Bei der Verordnung eines Medikaments handelt es sich um einen Eingriff, für den der Arzt beim Fehlen einer wirksamen Einwilligung grundsätzlich einzustehen hat. Die Aufklärung über eine solche Medikation dient der Unterrichtung des Patienten über das Risiko des beabsichtigten ärztlichen Vorgehens, damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht liegt beim Arzt (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 289/03 - juris; vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2015 - 8 U 115/12, Rn 69 - juris).
Ausweislich der dem Medikament Tilidin beigefügten Gebrauchsinformation (Bl. 622 ff. der Akte der Staatsanwaltschaft Chemnitz 230 Js 46029/20) handelt es sich dabei um ein Opiod, das die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen so weit beeinträchtigen kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen nicht mehr gegeben ist. Als Nebenwirkungen sind im Beipackzettel häufig Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nervosität genannt. Angesicht des Umstandes, dass die zum damaligen Zeitpunkt 16-jährige Klägerin das Medikament wegen starker Schmerzen während der anstehenden Wettkämpfe einnehmen wollte, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin über diese mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Medikation mit aggressiven bzw. nicht ungefährlichen Arzneimitteln als ein ärztlicher Eingriff im weiteren Sinne anzusehen, so dass die Einwilligung des Patienten in die Behandlung mit dem Medikament unwirksam ist, wenn er nicht über dessen gefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 289/03 - juris). Dies ist hier der Fall. Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit der Klägerin nach § 630 d Abs. 1 BGB hat der Senat nicht. Diese erfordert die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich Art, Notwendigkeit, Bedeutung, Folgen und Risiken der medizinischen Maßnahme (Weidenkaff in Grüneberg, BGB 83. Aufl., § 630 d, Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Alter von 16 Jahren als Turnerin, Leistungssportlerin und Internatsschülerin die Tragweite der Einnahme eines Opiods vor einem Wettkampf nicht hätte einschätzen können, sind nicht ersichtlich.
b)
Die Kausalität dieses Aufklärungsfehlers für den Sturz beim Wettkampf in Japan lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit nach § 286 ZPO feststellen.
Eine ärztliche Heilbehandlung ohne wirksame Einwilligung des Patienten - die eine ausreichende Aufklärung voraussetzt - führt nur dann zur Haftung des Arztes, wenn sie einen Gesundheitsschaden des Patienten zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2008 - VI ZR 69/07 - juris). Auch bei einer unzureichenden medizinischen Risikoaufklärung scheidet ein Schadensersatzanspruch aus, wenn nicht feststeht, dass der eingetretene Schaden durch den wegen der unwirksamen Einwilligung rechtswidrigen Eingriff verursacht worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 05.02.2024 - 4 U 1376/23 - juris; vgl. auch Senat, Beschluss vom 27.05.2024 - 4 U 2057/23, Rn 42 - juris). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Die Klägerin hatte nach ihren Angaben in der Klageschrift vor dem ersten Wettkampftraining am Abend des 10.11.2017 (Bundesliga Dresden) eine Tablette eingenommen, der Sturz beim Toyota-Cup in Japan ereignete sich jedoch erst am 08.12.2017. Dass sie zu diesem Zeitpunkt noch unter dem Einfluss der vom Beklagten freigegebenen Medikation stand, hält der Senat für ausgeschlossen. Vielmehr hat die Klägerin selbst eingeräumt, bis unmittelbar vor dem Wettkampf noch weitere Tabletten eingenommen zu haben, was aber nicht auf eine Verordnung des Beklagten, sondern auf einer Anweisung der Trainerin beruhte, die sich der Beklagte nicht zurechnen lassen muss.
c)
Die Behauptung der Klägerin in der Berufungsbegründung, der Beklagte habe nicht nur eine, sondern 20 Tabletten freigegeben - bevor ihr die Trainerin diese ausgehändigt habe - ist im Berufungsverfahren neu und nach § 531 Abs.2 ZPO ausgeschlossen. Diesem erstmaligen Beweisantritt hierzu war angesichts dessen nicht nachzugehen.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz behauptet, dass ihre Trainerin sich "nachträglich" eine Bescheinigung vom Beklagten "für das Ganze" geholt habe. Wäre dies zutreffend, so wäre die Freigabe von Tilidin an die Klägerin durch den Beklagten gar nicht kausal für die Einnahme und deren möglichen Folgen gewesen. Denn die nach der Übergabe der Tabletten an die Klägerin erteilte "Freigabe", die zeitlich von keiner der Parteien eingeordnet werden kann, hätte auf den Kausalverlauf keinen Einfluss mehr gehabt. Demgegenüber hat sie erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Beklagte die von ihrer Trainerin beabsichtigte Weitergabe von 20 Tabletten Tilidin an sie gebilligt habe. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin keine eigene Wahrnehmung zu dem Gespräch hat und von dem Telefonat erst im Nachhinein erfahren haben will, ergibt sich auch aus der Formulierung, dass sich die Trainerin eine "Bescheinigung für das Ganze" geholt habe, nicht die Behauptung, der Beklagte sei mit der Weitergabe von 20 Tabletten einverstanden gewesen. Mit Beschluss vom 17.08.2022 hat die Kammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin jedenfalls unstreitig eine Tablette Tilidin aus dem "Fundus" der Trainerin mit Billigung des Beklagten erhalten habe und angekündigt, Beweis darüber zu erheben, ob die Abgabe einer Tablette dem Facharztstandard entsprochen habe. Weiter hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Abgabe weiterer Tabletten von der Trainerin den Anspruch nicht tragen könne, weil insoweit ein Fehlverhalten des Beklagten nicht behauptet werde. Binnen der den Parteien gewährten Stellungnahmefrist, hat die Klägerin hierzu ihr Einverständnis erklärt. Für das Berufungsverfahren ist mithin dieser Sachverhalt zu unterstellen. Die Behauptung der Klägerin, sie wisse nicht, ob es überhaupt und wozu eine Abrede zwischen dem Beklagten und ihrer Trainerin gegeben habe, müsse jedoch davon ausgehen, dass sich die Trainerin vom Beklagten die Freigabe zu den anschließend "an sie übergebenen 20 Tabletten Tilidin" geholt habe, ist im Berufungsverfahren neu, was angesichts des ausdrücklichen Hinweises durch das Landgericht auf Nachlässigkeit beruht. Soweit die Klägerin meint, die Angaben der Klägerin und des Beklagten in der mündlichen Verhandlung würden Veranlassung geben, die Zeugin F...... zu hören, trifft dies nicht zu. Maßgeblich, dass das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren neu und streitig ist. Die Voraussetzungen unter denen neues Vorbringen im Berufungsverfahren zugelassen werden kann, liegen - wie bereits ausgeführt - nicht vor, § 531 Abs. 2 ZPO.
Auch dies kann jedoch dahinstehen, da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei dem Sturz am 08.12.2017 lediglich über "starke Rückenschmerzen" klagte, die in der Winterpause folgenlos verheilt sind. Hierbei handelt es sich indes um Bagatellverletzungen, die nach dem die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB bestimmenden Billigkeitsgrundsatz keinen ein Schmerzensgeld rechtfertigenden Schaden darstellen (Senat, Beschluss vom 05.01.2017, Az.: 4 U 1385/16, juris).
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Der Feststellungsantrag wurde mit 2.000 EUR bemessen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Tenor:
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 32.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 00.00.2001 geborene Klägerin macht Ansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Jahr 2017 geltend.
Die Klägerin war Kunstturnerin auf Leistungssportniveau. Sie wurde im Alter von 12 Jahren in Chemnitz im Olympiastützpunkt aufgenommen und von 2013 bis Anfang 2019 von dem Beklagten (Facharzt für Orthopädie) als Arzt des Olympiastützpunktes behandelt. Ihre Trainerin war Frau G...... F.......
Die Klägerin stellte sich bei dem Beklagten immer wieder mit Schmerzen (Rücken, Ellenbogen, Sitzbein) vor. Am 06.02.2017 suchte sie ihn wegen Schmerzen in der rechten Hüfte (Coxalgie) auf, und der Beklagte veranlasste ein MRT. Der Befund der radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 15.02.2017 ergab keinen Nachweis eines Impingements-Syndroms, jedoch die Verdachtsdiagnose eines minimalvermehrten Knochenmarksödems am rechten Sitzbein. Wegen Rückenschmerzen stellte sie sich am 29.05.2017 und wegen Hüftschmerzen erneut am 02.10.2017 bei dem Beklagten vor, der ein erneutes MRT der rechten Hüfte wegen persistierender Schmerzen anordnete. Der radiologische Befund vom 24.10.2017 enthält keine Impingmentkonstellation, sondern ein 15 x 25 mm großes Knochemarksödem im rechten Sitzbein. Zu einem unbekannten Zeitpunkt Ende 2017 fand ein Telefonat zwischen dem Beklagten und der Trainerin der Klägerin, G...... F......, statt, in dem es um die anhaltenden Schmerzen der Klägerin und die für sie anstehenden vier Wettkämpfe im November und Dezember 2017 ging. Das Telefonat mit der Trainerin F...... dokumentierte der Beklagte am 27.11.2018. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Im Zeitraum November bis Dezember 2017 nahm die Klägerin insgesamt acht Tabletten Tilidin Ratiopharm 50/4 mg aus den Beständen der Trainerin ein. Bei einem Wettkampf in Japan im Dezember 2017 stürzte die Klägerin bei einem Seitwärtssalto und fiel bei der Landung mit dem Rücken auf den Balken.
Am 08.01.2018 stellte sich die KIägerin im Universitätsklinikum U...... vor, wo ein Impingementsyndrom rechts bei CAM-Deformität festgestellt wurde (Anlage K9). Die Klägerin wurde anschließend im Klinikum Pforzheim vorstellig und wurde dort am 06.02.2018 operiert (Anlage K3). Anschließend erfolgte eine Rehabilitation. Die Klägerin hat ihre Leistungssportkarriere zwischenzeitlich beendet. Die Klägerin, ihre Schwester sowie eine weitere Turnerin haben Strafanzeige gegen den Beklagten, einen weiteren Arzt und G...... F...... gestellt (230 Js 46029/20 Staatsanwaltschaft Chemnitz).
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe die MRT-Befunde mit ihr nicht besprochen. Es hätte wegen der anhaltenden Schmerzen einer weiteren Diagnostik und einer Überweisung zu anderen Fachärzten bedurft. Zur Schonung hätte eine Sportpause angeordnet werden müssen. Grob behandlungsfehlerhaft sei die Verordnung eines starken Schmerzmittels wie Tilidin, gewesen. Sie habe zwar einerseits an den Wettkämpfen teilnehmen wollen, aber zum damaligen Zeitpunkt auch eine depressive Phase durchlebt und es sei zu schweren Konflikten mit der Trainerin gekommen. Die Trainerin habe ihr insgesamt 20 Tabletten (2 Blister) Tilidin gegeben. Sie habe erst später davon erfahren, dass sich die Trainerin erst nachträglich eine Bescheinigung für "das Ganze" geholt habe. Von den Tilidin habe sie bis zum Wettkampf in Japan acht Tabletten genommen. Sie habe die Tabletten nicht gut vertragen und sei müde und benommen gewesen. Aus diesem Grund sei es zu dem Sturz gekommen. Sie habe sich schmerzhaft verletzt und einige blaue Flecken davongetragen. Die Verordnung dieses Medikamentes hätte mit ihren Eltern und mit ihr besprochen werden müssen. Das Training sei für sie eine Qual gewesen, sie habe ständig Schmerzen gehabt und weinen müssen. Zudem sei sie durch die Auseinandersetzung mit der Trainerin, die ihre Beschwerden nicht ernst genommen habe, belastet gewesen.
Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C...... L...... eingeholt und die Klage mit Urteil vom 29.05.2024 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie beanstandet, dass das Landgericht sie nicht zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt informatorisch angehört habe. Das Urteil sei überraschend. Auch der gerichtliche Sachverständige habe nicht feststellen können, dass die Klägerin über Risiken und Nebenwirkungen von Tilidin und über Therapieoptionen gegen die andauernden Hüftschmerzen aufgeklärt worden sei. Es sei weder über mögliche Risiken und Therapien noch die Fortsetzung des uneingeschränkten Trainings gesprochen worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass der Sachverständige es bei minderjährigen Hochleistungssportlerinnen für vertretbar halte, bei bekannten Schmerzen eine "Eskalation der Schmerztherapie" durchzuführen. Soweit der Sachverständige die Verabreichung von Tilidin wegen einer bereits geschlossenen Epiphysenfuge für medizinisch vertretbar gehalten habe, gebe die Patientenakte dafür nichts her. Es müsse des Weiteren mit Nichtwissen bestritten werden, dass das MRT die bestmögliche Diagnosemöglichkeit gewesen sei und der Beklagte heraus die gebotenen Befunde erhoben habe. Die Klägerin habe insbesondere aufgrund ihrer monatelang anhaltenden starken Hüftschmerzen und der bis heute andauernden psychischen Beeinträchtigungen ergänzend die Einholung eines psychologischen Gutachtens beantragt. Dies habe das Landgericht übergangen. Die Klägerin müsse davon ausgehen, dass der Beklagte gegenüber ihrer Trainerin die Verabreichung von 20 Tabletten Tilidin freigegeben habe, weil ihre Trainerin diese sonst nicht an sie weitergegeben hätte. Hieraus folge eine Haftung des Beklagten, Tilidin für die Wettkampftage nicht hätte verordnet werden dürfen, da unter dem Einfluss dieses Medikamentes kein Hochleistungssport an Kunstturngeräten wie Schwebebalken, Stufenbarren und auch keine sprungakrobatischen Elementen möglich sei. Der Sturz in Japan sei völlig atypisch gewesen und daher auf die Einnahme des Medikaments zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt:
1.
Den Beklagten unter Abänderung des am 29.05.2024 verkündeten Urteils des Landgerichts Chemnitz zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (Vorstellung: 30.000,00 €) zu zahlen
sowie
2.
unter Abänderung des vorgenannten Urteils festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche entstandenen und entstehenden materiellen Schäden und sämtliche zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die zurückzuführen sind auf die schuldhaft fehlerhafte Behandlung des Beklagten in der Zeit 04/2017 bis mindestens 12/2017, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Die Akte der Staatsanwaltschaft Chemnitz (230 Js 46029/20) wurde beigezogen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
A
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch wegen fehlerhafter Behandlung gemäß §§ 630a ff., 280, 253, 823 Abs.1 BGB zu. Weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler lässt sich feststellen. Dabei kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie auch zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche aktivlegitimiert ist. Ein Behandlungsvertrag ist zwar nicht mit der damals minderjährigen Klägerin zustande gekommen. Bei minderjährigen Kindern kommt der Behandlungsvertrag vielmehr zwischen den Eltern und dem Behandelnden als Vertrag zugunsten des Kindes zustande, §§ 630a, 328 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2022 - III ZR 78/21 - juris). Dem Kind steht aber ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch zu (vgl. Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 328 Rn 19). Es kann auch offenbleiben, ob zwischen dem Beklagten und dem Deutschen Turnerbund ein Vertrag über die Behandlung der Klägerin abgeschlossen wurde, denn auch in diesem Fall handelt es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß §§ 630a, 328 BGB.
1.
a)
Behandlungsfehler liegen nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L...... aber nicht vor. Soweit die Klägerin u. a. behauptet, ihr hätte eine Sportpause empfohlen werden müssen, der Beklagte hätte sie zu weiteren Untersuchungen an andere Ärzte verweisen müssen, insbesondere weil das MRT nicht die beste Diagnosemöglichkeit gewesen sei, rügt sie der Sache nach einen Verstoß gegen deren Pflichten zu einer therapeutischen Sicherungsaufklärung. Dieser liegt jedoch nicht vor. Auch einen Befunderhebungsfehler hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben.
Der Sachverständige Prof. L...... hat vielmehr festgestellt, dass die Klägerin durch den Beklagten entsprechend dem Facharztstandard behandelt worden ist und Befunderhebung, Diagnosestellung und die therapeutische Behandlung sorgfältig erfolgt sind. Nach den Befunden aus der Patientenakte und der Röntgen- und MRT-Diagnostik sei es zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen, eine dringende Empfehlung zur Unterlassung sportlicher Belastung im Allgemeinsport oder im Leistungssport auszusprechen. Bei seiner Anhörung hat er dies dahingehend präzisiert, dass eine ausreichende Diagnostik am 24.10.2017 durch ein MRT erfolgt sei. Der Befund habe keinen strukturellen Schaden ergeben. Das MRT sei in dieser Situation die bestmögliche Diagnosemöglichkeit, eine Indikation für eine weitere Diagnostik im Hinblick auf die persistierenden Schmerzen habe es im Anschluss hieran nicht gegeben. Dass nach dem Ausschluss einer Impingementkonstellation nicht noch zusätzliche Röntgenaufnahmen angefertigt wurden, sei aus Sicht des Strahlenschutzes geboten. Nur bei zwingenden weiterführenden Fragestellungen wären Röntgenaufnahmen zu diesem Zeitpunkt indiziert gewesen. Aus der Dokumentation sei nicht nachvollziehbar, dass eine Sportbefreiung veranlasst gewesen wäre. Nachdem mehrere MRT keinen pathologischen Befund ergeben hätten, habe der Beklagte Physiotherapie verordnet, was dem medizinischen Standard entspreche. Im Hochleistungssport werde auf Schmerzen nicht mit Ruhigstellung, sondern mit einer Trainingsumstellung reagiert, die das betroffene Gelenk schonen, zugleich aber den Fitnesszustand des Athleten erhalte. Flankierend dazu werde bei Schmerzen mit Elektrotherapie und intensiver Physiotherapie reagiert. Das sei hier auch verordnet worden. Daneben sei auch eine medikamentöse Therapie eine Option. Dies gelte auch bei minderjährigen Hochleistungssportlern. Maßgeblich bei minderjährigen Hochleistungssportlern sei die Frage, ob das Skelett voll ausgebildet sei. Wenn der Sportler noch nicht ausgewachsen sei, dann werde man mit Rücksicht auf die offenen Wachstumsfugen eher eine Sportpause verordnen als bei solchen Heranwachsenden, bei denen das Skelett bereits ausgewachsen ist. In den hiesigen Breitengraden seien Mädchen zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr ausgewachsen, wenn sie mit der ersten Regel konfrontiert seien. Dann werde auf hormonelle Weise die Wachstumsfuge geschlossen. Bei der Klägerin ergebe sich aus den MRT-Aufnahmen, dass die Wachstumsfugen bereits skelettal ausgewachsen gewesen seien. Im Hinblick auf den radiologischen Befund zu dem MRT aus Februar 2017 sei es entbehrlich, dass dieser Aspekt des vollständig ausgewachsenen Skeletts nochmals in der Dokumentation aufgenommen werde. Er sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Sportunterbrechung hätte empfohlen werden müssen. Dieser medizinisch begründeten Auffassung stellte die Klägerin nur ihre abweichende Meinung entgegen.
Auch die Verordnung des Medikaments Tilidin hat der Sachverständige grundsätzlich nicht beanstandet. Das Medikament (2 x täglich 50 mg) sei für Patienten im Alter der Klägerin zugelassen gewesen.
Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die MRT Befunde nicht mit ihr besprochen, zeigt die Berufung nicht auf, welcher Schaden der Klägerin daraus erwachsen sein soll. Die MRT Befunde vom 15.02.2017 und vom 24.10.2017 ergaben keinen Nachweis eines Impingement Syndroms. Eine weitere Besprechung mit der Klägerin hätte sich auf den Behandlungsverlauf nicht ausgewirkt.
Angesichts dessen besteht kein Raum für eine weitere Beweisaufnahme. Der Senat ist an die Feststellungen des Landgerichtes gemäß § 529 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die bloße Behauptung eines Behandlungsfehlers entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und gut begründeten Sachverständigengutachtens genügt hierfür nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 - 4 U 1285/20 - juris). Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf Sachverständigenrat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris). Anders ist es hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier einen Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindung an das erstinstanzliche Ergebnis einer Beweisaufnahme hinaus (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 - 4 U 657/21 Rn. 18 - juris). Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er ohne konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer Hinsicht Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, nur dadurch vortragen, dass ein Privatgutachten vorliegt, zumindest aber selbst auf medizinische Fundstellen oder Leitlinien zurückgreift, die für seine Behauptung streiten (vgl. Senat a.a.O.). Entspricht der Vortrag diesen Anforderungen nicht und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 05.07.2022 - 4 U 657/21, Rn. 8 - juris). So ist es hier. Es genügt nicht, wenn die Klägerin - wie hier - dem Sachverständigen nur widerspricht und behauptet, es hätte eine weitere Diagnostik und Weiterüberweisung an eine "spezialisierte Einrichtung" erfolgen müssen und eine Intensivierung der Schmerzmedikation hätte nicht erfolgen dürfen, ohne zugleich medizinisch fundiert anzugeben, worauf sie diese abweichende Auffassung stützt.
b)
Entgegen der Auffassung der Klägerin war auch die Einholung eines psychologischen Gutachtens nicht veranlasst, ein Befunderhebungsfehler kann dem Beklagten auch insoweit nicht vorgeworfen werden. Auf Symptome, die dem Arzt nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, muss er nicht reagieren. Im Rahmen der Anhörung vor dem Senat hat die Klägerin aber eingeräumt, den Beklagten nicht auf psychische Problemen hingewiesen zu haben. Sie habe ihm lediglich von den Schmerzen berichtet sowie davon, dass sie deswegen nachts häufig wach geworden sei. Aus der Behandlungsdokumentation ergibt sich auch kein Hinweis darauf, dass die Klägerin dem Beklagten von einer psychischen Belastung (depressive Verstimmung, häufiges Weinen) berichtet hätte. Unabhängig hiervon ist der Klägerin auch insoweit kein Schaden entstanden, weil unstreitig die von ihr geschilderte psychische Belastung lediglich zu "depressiven Phasen", jedoch nicht zur Ausprägung einer psychischen Erkrankung geführt hat, die bei einer früheren Behandlung verhindert worden wäre.
2.
Zu Gunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass die Freigabe einer Tablette Tilidin durch den Beklagten im Gespräch mit der Trainerin eine ärztliche Verordnung dargestellt und der Beklagte seine Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat, weil er nicht über die Risiken und Nebenwirkungen des verordneten Medikaments Tilidin aufgeklärt hat (a). Jedoch ist die mangelnde Aufklärung für den Schaden (Sturz im Dezember 2017 beim Weltcup in Japan) nicht kausal geworden, denn die Freigabe nur einer Tablette Tilidin hat den Sturz nicht verursacht (b). Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren behauptet, der Beklagte habe der Weitergabe von 20 Tabletten Tilidin an sie zugestimmt, ist das Vorbringen im Berufungsverfahren neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen (c).
a)
Grundsätzlich ist der Patient über die Risiken einer Medikation und somit auch über die Nebenwirkungen eines verordneten Medikaments vor dem ersten Einsatz des Medikaments aufzuklären (vgl. Senat, Beschluss vom 20.04.2018 - 4 U 307/18 - juris). Bei der Verordnung eines Medikaments handelt es sich um einen Eingriff, für den der Arzt beim Fehlen einer wirksamen Einwilligung grundsätzlich einzustehen hat. Die Aufklärung über eine solche Medikation dient der Unterrichtung des Patienten über das Risiko des beabsichtigten ärztlichen Vorgehens, damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht liegt beim Arzt (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 289/03 - juris; vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2015 - 8 U 115/12, Rn 69 - juris).
Ausweislich der dem Medikament Tilidin beigefügten Gebrauchsinformation (Bl. 622 ff. der Akte der Staatsanwaltschaft Chemnitz 230 Js 46029/20) handelt es sich dabei um ein Opiod, das die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen so weit beeinträchtigen kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen nicht mehr gegeben ist. Als Nebenwirkungen sind im Beipackzettel häufig Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nervosität genannt. Angesicht des Umstandes, dass die zum damaligen Zeitpunkt 16-jährige Klägerin das Medikament wegen starker Schmerzen während der anstehenden Wettkämpfe einnehmen wollte, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin über diese mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Medikation mit aggressiven bzw. nicht ungefährlichen Arzneimitteln als ein ärztlicher Eingriff im weiteren Sinne anzusehen, so dass die Einwilligung des Patienten in die Behandlung mit dem Medikament unwirksam ist, wenn er nicht über dessen gefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 289/03 - juris). Dies ist hier der Fall. Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit der Klägerin nach § 630 d Abs. 1 BGB hat der Senat nicht. Diese erfordert die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich Art, Notwendigkeit, Bedeutung, Folgen und Risiken der medizinischen Maßnahme (Weidenkaff in Grüneberg, BGB 83. Aufl., § 630 d, Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Alter von 16 Jahren als Turnerin, Leistungssportlerin und Internatsschülerin die Tragweite der Einnahme eines Opiods vor einem Wettkampf nicht hätte einschätzen können, sind nicht ersichtlich.
b)
Die Kausalität dieses Aufklärungsfehlers für den Sturz beim Wettkampf in Japan lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit nach § 286 ZPO feststellen.
Eine ärztliche Heilbehandlung ohne wirksame Einwilligung des Patienten - die eine ausreichende Aufklärung voraussetzt - führt nur dann zur Haftung des Arztes, wenn sie einen Gesundheitsschaden des Patienten zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2008 - VI ZR 69/07 - juris). Auch bei einer unzureichenden medizinischen Risikoaufklärung scheidet ein Schadensersatzanspruch aus, wenn nicht feststeht, dass der eingetretene Schaden durch den wegen der unwirksamen Einwilligung rechtswidrigen Eingriff verursacht worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 05.02.2024 - 4 U 1376/23 - juris; vgl. auch Senat, Beschluss vom 27.05.2024 - 4 U 2057/23, Rn 42 - juris). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Die Klägerin hatte nach ihren Angaben in der Klageschrift vor dem ersten Wettkampftraining am Abend des 10.11.2017 (Bundesliga Dresden) eine Tablette eingenommen, der Sturz beim Toyota-Cup in Japan ereignete sich jedoch erst am 08.12.2017. Dass sie zu diesem Zeitpunkt noch unter dem Einfluss der vom Beklagten freigegebenen Medikation stand, hält der Senat für ausgeschlossen. Vielmehr hat die Klägerin selbst eingeräumt, bis unmittelbar vor dem Wettkampf noch weitere Tabletten eingenommen zu haben, was aber nicht auf eine Verordnung des Beklagten, sondern auf einer Anweisung der Trainerin beruhte, die sich der Beklagte nicht zurechnen lassen muss.
c)
Die Behauptung der Klägerin in der Berufungsbegründung, der Beklagte habe nicht nur eine, sondern 20 Tabletten freigegeben - bevor ihr die Trainerin diese ausgehändigt habe - ist im Berufungsverfahren neu und nach § 531 Abs.2 ZPO ausgeschlossen. Diesem erstmaligen Beweisantritt hierzu war angesichts dessen nicht nachzugehen.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz behauptet, dass ihre Trainerin sich "nachträglich" eine Bescheinigung vom Beklagten "für das Ganze" geholt habe. Wäre dies zutreffend, so wäre die Freigabe von Tilidin an die Klägerin durch den Beklagten gar nicht kausal für die Einnahme und deren möglichen Folgen gewesen. Denn die nach der Übergabe der Tabletten an die Klägerin erteilte "Freigabe", die zeitlich von keiner der Parteien eingeordnet werden kann, hätte auf den Kausalverlauf keinen Einfluss mehr gehabt. Demgegenüber hat sie erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Beklagte die von ihrer Trainerin beabsichtigte Weitergabe von 20 Tabletten Tilidin an sie gebilligt habe. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin keine eigene Wahrnehmung zu dem Gespräch hat und von dem Telefonat erst im Nachhinein erfahren haben will, ergibt sich auch aus der Formulierung, dass sich die Trainerin eine "Bescheinigung für das Ganze" geholt habe, nicht die Behauptung, der Beklagte sei mit der Weitergabe von 20 Tabletten einverstanden gewesen. Mit Beschluss vom 17.08.2022 hat die Kammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin jedenfalls unstreitig eine Tablette Tilidin aus dem "Fundus" der Trainerin mit Billigung des Beklagten erhalten habe und angekündigt, Beweis darüber zu erheben, ob die Abgabe einer Tablette dem Facharztstandard entsprochen habe. Weiter hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Abgabe weiterer Tabletten von der Trainerin den Anspruch nicht tragen könne, weil insoweit ein Fehlverhalten des Beklagten nicht behauptet werde. Binnen der den Parteien gewährten Stellungnahmefrist, hat die Klägerin hierzu ihr Einverständnis erklärt. Für das Berufungsverfahren ist mithin dieser Sachverhalt zu unterstellen. Die Behauptung der Klägerin, sie wisse nicht, ob es überhaupt und wozu eine Abrede zwischen dem Beklagten und ihrer Trainerin gegeben habe, müsse jedoch davon ausgehen, dass sich die Trainerin vom Beklagten die Freigabe zu den anschließend "an sie übergebenen 20 Tabletten Tilidin" geholt habe, ist im Berufungsverfahren neu, was angesichts des ausdrücklichen Hinweises durch das Landgericht auf Nachlässigkeit beruht. Soweit die Klägerin meint, die Angaben der Klägerin und des Beklagten in der mündlichen Verhandlung würden Veranlassung geben, die Zeugin F...... zu hören, trifft dies nicht zu. Maßgeblich, dass das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren neu und streitig ist. Die Voraussetzungen unter denen neues Vorbringen im Berufungsverfahren zugelassen werden kann, liegen - wie bereits ausgeführt - nicht vor, § 531 Abs. 2 ZPO.
Auch dies kann jedoch dahinstehen, da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei dem Sturz am 08.12.2017 lediglich über "starke Rückenschmerzen" klagte, die in der Winterpause folgenlos verheilt sind. Hierbei handelt es sich indes um Bagatellverletzungen, die nach dem die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB bestimmenden Billigkeitsgrundsatz keinen ein Schmerzensgeld rechtfertigenden Schaden darstellen (Senat, Beschluss vom 05.01.2017, Az.: 4 U 1385/16, juris).
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Der Feststellungsantrag wurde mit 2.000 EUR bemessen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
RechtsgebietArztrechtVorschriften§ 328 BGB