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  • 07.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232667

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 23.09.2022 – 8 W 29/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 23.09.2022

    8 W 29/22

    Tenor:

    I.
    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 13.07.2022 - 4 O 125/22 - wird zurückgewiesen.

    II.
    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

    III.
    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 786.587,18 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin Mehrvergütungen für erbrachte Werkleistungen in Gesamthöhe von 786.587,18 € zu zahlen.

    Die Antragsgegnerin beauftragte die Antragstellerin als Nachunternehmerin unter anderem mit der Erbringung von Erd- und Rohbauarbeiten das Neubauvorhaben "B." in K. betreffend. Das Bauvorhaben wurde in drei Bauabschnitte eingeteilt. Soweit hier von Interesse, schlossen die Bauvertragsparteien unter anderem den Nachunternehmervertrag Nr. 8584/130/005 über Erd- und Rohbauarbeiten zur Errichtung von 18 Reihenhäusern im ersten Bauabschnitt 8584 mit vier unterschiedlichen Haustypen zum Pauschalpreis von 1.079.100 € netto (Anl. 3, Seite 5). Der weitere Bauauftrag über Erd- und Rohbauarbeiten für den zweiten Bauabschnitt Nr. 8585/130/003 betrifft 16 Reihenhäuser verschiedener Typen zum Pauschalpreis von 940.500 € netto (Anl. 3, Seite 9). Die Geltung der VOB/B wurde jeweils vereinbart.

    Nach Fertigstellung der Bauarbeiten und deren Abnahme erteilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin jeweils Schlussrechnung vom 18.02.2021 (nicht vorgelegt). Die Antragsgegnerin kürzte im Rahmen der Rechnungsprüfungen die Schlussrechnungen und wies mit (nicht vorgelegtem) Schreiben vom 25.02.2021 auf die Wirkung einer vorbehaltlos angenommenen Schlusszahlung hin. Hierauf reagierte die Antragstellerin mit (nicht vorgelegtem) Schreiben vom 08.03.2021 und erklärte den Vorbehalt gegen den Schlussrechnungseinwand. Mit Schreiben vom 20.04.2021 (Anl. 8 und 9) begründete die Antragstellerin ihre Einwände gegen die vorgenommenen Rechnungskürzungen. Darüber hinaus machte sie mit diesen Schreiben jeweils weitere Nachträge "für zusätzliche oder geänderte Leistungen" geltend. Für den ersten Bauabschnitt (8584) bezifferte sie ihre vermeintliche Mehrvergütungsforderung mit insgesamt weiteren 283.850,36 € und für den zweiten Bauabschnitt (8585) mit insgesamt weiteren 502.136,82 €. Sie setzte der Antragsgegnerin jeweils Zahlungsfristen auf den 04.05.2021 zur Begleichung der sich nunmehr aus den Schlussrechnungen ergebenden Restwerklohnforderungen von 673.531,42 € (erster Bauabschnitt) und 840.193,84 € (zweite Bauabschnitt).

    Die Antragsgegnerin hat auf die vorgenannten Schreiben vom 20.04.2021, die per Einschreiben mit Rückschein versandt wurden, nicht reagiert.

    Mit ihrem am 07.07.2022 beim Landgericht Köln eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt die Antragstellerin die Zahlung der in den oben genannten Schreiben vom 20.04.2021 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachten Mehrvergütungsforderungen von 283.850,36 € und 502.736,82 €.

    Das Landgericht Köln hat sich mit Beschluss vom 08.07.2022 für örtlich unzuständig erklärt und den Antrag an das Landgericht Baden-Baden verwiesen.

    Das Landgericht hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 13.07.2022 zurückgewiesen. Es fehle an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Insoweit könne sich die Antragstellerin nicht auf die Vermutung des § 650d BGB berufen. Denn die Antragstellerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich die Vertragsparteien über das Anordnungsrecht gemäß § 650b BGB oder die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB streiten würden.

    Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Eilantrag weiterverfolgt und der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

    II.

    Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

    Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, an die Antragstellerin einen Betrag von 786.587,18 € zu zahlen, ist unbegründet. Der Erlass einer solchen Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren nicht gegeben.

    1. Verfügungsgrund

    1. Das Landgericht ist im Ergebnis der zutreffenden Auffassung, dass im vorliegenden Fall der nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO grundsätzlich erforderliche Verfügungsgrund nicht nach § 650d BGB vermutet wird. Abgesehen davon, dass Streitigkeiten über reine Mengenänderungen, auf die der Antrag teilweise gestützt wird, nicht unter §§ 650b und 650c BGB und damit auch nicht unter § 650d BGB fallen (vergleiche Sacher in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 12. Teil Rn. 105-107), kommt die Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn nach Sinn und Zweck des § 650d BGB ist nach Fertigstellung der Bauleistungen dessen Anwendungsbereich nicht mehr eröffnet. Der Antrag auf Erlass der Leistungsverfügung wurde erst (lange) danach und darüber hinaus (lange) nach erfolgter Schlussrechnungsprüfung gestellt.

    Nach § 650b BGB ist es zum Erlass einer einstweiligen Verfügung in Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b BGB oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650c BGB nach Beginn der Bauausführung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird. Im vorliegenden Fall geht es um Streitigkeiten über die Vergütungsanpassung gemäß § 650c BGB.

    aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob § 650d BGB im Streitfall schon deshalb keine Anwendung findet, weil die Parteien die Geltung der VOB/B (2016) vereinbarten und die Antragstellerin sich (deshalb) nicht auf eine den Mehrvergütungsanspruch nach § 650c BGB erst auslösende Änderungsanordnung der Antragsgegnerin als Bestellerin (in Textform) nach § 650b Abs. 2 BGB beruft (vergleiche zum Meinungsstand Manteufel in: Kniffka/Jurgeleit, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650b Rn. 8).

    bb) Nach Sinn und Zweck des § 650d BGB ist dessen Anwendungsbereich nach Fertigstellung der Leistungen durch den Unternehmer und Schlussrechnungsreife nicht mehr eröffnet; ab diesem Zeitpunkt können Abschlagsrechnungen nicht mehr geltend gemacht werden. Ob die Vermutung des § 650d BGB wegfällt, wenn im Verlaufe des Eilverfahrens über eine Abschlagszahlung Schlussrechnungsreife eintritt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

    (1) Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf sollen mit der in § 650d BGB enthaltenen Regelung einstweilige Verfügungen zur Durchsetzung von Forderungen des Unternehmers auf Abschlagszahlungen oder Sicherheitsleistungen, die sich wegen Anordnungen des Bestellers geändert haben, erleichtert werden (vergleiche BT-Drs. 18/8486 S. 57). Dem vorleistungspflichtigen Unternehmer, der aufgrund einer kostenerhöhenden Änderungsanordnung in besonderem Maße auf Liquidität angewiesen ist, soll ermöglicht werden, im einstweiligen Verfügungsverfahren schnell einen Titel über den geänderten Abschlagszahlungsanspruch zu erlangen (BT-Drs., a.a.O. S. 58). Daneben soll § 650d BGB den Parteien helfen, Streitigkeiten, die gerade bei Nachträgen häufig auftreten und einem zügigen Baufortschritt entgegenstehen können, schnell und verbindlich zu klären (vergleiche Mundt in: beck-online Grosskommentar (Stand: 01.01.2022), § 650d BGB Rn. 7). Mit den §§ 650b-650d BGB hat der Gesetzgeber das Anordnungsrecht des Bestellers für Leistungsänderungen (Lösung: § 650b BGB), die hierfür zu zahlende Vergütung und das Abschlagszahlungsrecht (Lösung: § 650c BGB) in Verbindung mit der Möglichkeit, eine schnelle Entscheidung über das Anordnungsrecht und die Vergütungsanpassung während der Bauphase zu erhalten (Lösung: § 650d BGB), geregelt.

    (2) Nach Fertigstellung der Arbeiten, erst recht aber wenn - wie hier - die Arbeiten abgenommen sind und die Schlussrechnung gestellt ist, kann der mit § 650d BGB verfolgte Zweck, insbesondere dem Unternehmer schnell einen Titel über die infolge der Änderungsanordnung erhöhte Abschlagszahlung zu verschaffen, nicht mehr erreicht werden. Abschlagszahlungen können ab Schlussrechnungsreife nicht mehr verlangt werden. Die isolierte Geltendmachung einer Schlussrechnungsposition, etwa ein Nachtrag, der auf eine Änderungsanordnung des Bestellers zurückzuführen ist, ist nicht möglich (siehe hierzu noch weiter unten). Bauverzögerungen, die durch Streitigkeiten über die Vergütung von Nachträgen auftreten können, sind nicht mehr zu befürchten, wenn die Bauleistungen vollständig erbracht sind (vergleiche Mundt, a.a.O. Rn. 13; Sacher, a.a.O. Rn. 111).

    (3) Die gegenteilige Auffassung, wonach eine einstweilige Verfügung nach § 650d BGB selbst nach Schlussrechnungsreife und sogar bis zu einem abschließenden Urteil über den Mehrvergütungsanspruch im Hauptsacheverfahren möglich sein soll (vergleiche etwa KG, Urteil vom 02.03.2021 - 21 U 1098/20 -, juris Rn. 39-61), teilt der Senat nicht.

    Sein (fortbestehendes) Liquiditätsinteresse kann der Unternehmer im Wege der Verfügung nach § 650d BGB nur durch Geltendmachung einer (erhöhten) Abschlagszahlung (einstweilen) befriedigen; die gerichtliche Geltendmachung der sich aus einer Schlussrechnung ergebenden Restwerklohnforderung wird von § 650d BGB nicht erfasst. Dieses Verständnis von § 650d BGB ergibt sich aus der bereits oben genannten Gesetzesbegründung sowie dem Regelungszusammenhang von § 650c Abs. 3 BGB mit § 650d BGB (wie hier im Ergebnis auch Manteufel, a.a.O. Rn. 23; Leuperts/Halfmeier in PWW, BGB, 16. Aufl., § 650d Rn. 7; Sacher, a.a.O. Rn. 97, 144).

    Nach der gegenteiligen Auffassung wären einstweilige Verfügungen nach § 650d BGB noch Jahre nach der Fertigstellung der Bauleistungen und selbst während eines laufenden Hauptsacheverfahrens möglich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Vermutung des Verfügungsgrundes derart weit erstrecken wollte, bestehen nicht. Vielmehr will er mit § 650d BGB sicherstellen, dass Streitigkeiten über Nachträge möglichst zeitnah während der Bauphase geklärt werden (vergleiche Mundt, a.a.O. Rn. 15 f.).

    Hinzu kommt folgendes: Die geltend gemachten Mehrvergütungsansprüche sind rechtlich keine eigenständigen Forderungen, sondern nur unselbstständige Rechnungsposten und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden (vergleiche BGH, Urteil vom 22.10.1998 - VII ZR 167/97 -, juris Rn. 7). Restwerklohnforderungen können der Antragsstellerin nur in Gestalt der Schlussrechnungssalden der beiden Schlussrechnungen vom 18.02.2021 in Verbindung mit den Nachforderungsschreiben vom 20.04.2021 zustehen. Die hier geltend gemachten Mehrvergütungsansprüche sind nur bei der Berechnung der jeweils geschuldeten Restwerklohnforderung zu berücksichtigen. Die in den Schlussrechnungen (also ohne die hier streitigen Mehrvergütungsforderungen) geltend gemachten Salden sind - wie sich aus den Schreiben der Antragstellerin vom 20.04.2021 ergibt - i.H.v. 389.681,06 € (Bauabschnitt 1, 8584) und 337.447,02 € (Bauabschnitt 2, 8585) streitig. Dabei geht es nicht um Streitigkeiten im Sinne von § 650d BGB, sondern um sonstige Abrechnungsstreitigkeiten. Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin insgesamt Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 673.531,42 € für den ersten Bauabschnitt und von 840.193,84 € für den zweiten Bauabschnitt. Auch wenn man das Begehren der Antragstellerin dahin verstehen würde, dass sie jeweils einen Teilbetrag aus diesen Salden in Höhe von 283.850,36 € und von 502.736,82 € geltend machen will, so müsste im hiesigen Verfahren auch über den oben genannten Abrechnungsstreit, der nicht unter § 650d BGB fällt, mitentschieden werden, wodurch das einstweilige Verfügungsverfahren mit allen Fragen der Ermittlung der Höhe der Schlussrechnungssalden belastet wäre. Wäre § 650d BGB auch bei Geltendmachung einer abgerechneten Restwerklohnforderung anwendbar, so könnte der Unternehmer durch die Forderung einer Mehrvergütung erreichen, dass er erleichtert insgesamt eine Restwerklohnforderung erlangen kann. Es bestünde ein Wertungswiderspruch, wenn auf Restwerklohn gerichtete Leistungsverfügungen unter den erleichterten Voraussetzungen des § 650d BGB zulässig sein sollen, wenn (auch) die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB im Streit steht, diese Möglichkeit aber im Übrigen - wenn es um andere Streitfragen einer Restwerklohnforderung geht - regelmäßig (mangels kaum darzulegenden Verfügungsgrund) ausscheidet (vergleiche Leupertz/Halfmeier, a.a.O. Rn. 162 mit weiteren Nachweisen).

    2. Der nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist nicht gegeben.

    aa) Bei einer Leistungsverfügung, die zu einer vollen Befriedigung des Gläubigers führen würde, sind an den Verfügungsgrund nach § 940 ZPO regelmäßig strenge Anforderungen zu stellen. Die erforderliche besondere Dringlichkeit liegt in der Regel nur vor, wenn ohne Erlass der einstweiligen Verfügung wesentliche Nachteile für den Gläubiger nicht abgewendet werden könnten und er ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme hat oder wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht (mehr) möglich ist und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleich käme (vergleiche Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 940 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen).

    bb) Solches macht die Antragstellerin aber nicht geltend.

    Sie bringt hierzu - gestützt auf die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 28.07.2022 - vor, sie müsse ständig weitere Kontokorrentkredite in Anspruch nehmen, die Kosten verursachen und ihre Liquidität belasten würden, wenn die Antragsgegnerin nicht zahle. Es sei ihr unzumutbar, den Anspruch per Hauptsacheklage geltend zu machen, weil es sich um eine typische Masche der Antragsgegnerin handeln dürfte.

    Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin ohne den Erlass der Leistungsverfügung unabwendbare wesentliche Nachteile erleiden würde. Der insoweit geltend gemachte drohende Verzugsschaden genügt für den Erlass einer Leistungsverfügung bei weitem nicht. Ein auf Ersatz gerichteter Zahlungstitel kann im (anhängigen oder noch anhängig zu machenden) Hauptsacheprozess erlangt werden. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin als Kapitalgesellschaft eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht geltend macht, wäre selbst für diesen Fall fraglich, ob solches den Erlass einer Befriedigungsverfügung rechtfertigen würde (die wohl herrschende Meinung lehnt dies ab, vergleiche dazu OLG München, Urteil vom 20.06.2018 - 7 U 1079/18 -, juris Rn. 50 ff. mit weiteren Nachweisen).

    3. Unabhängig von obigen Ausführungen würde es an einem Verfügungsgrund schließlich deshalb fehlen, weil die Antragstellerin die Vermutung des Verfügungsgrundes in § 650d BGB durch ihr zögerliches Verhalten selbst widerlegt hätte.

    aa) Der (gesetzlich vermutete) Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, wenn der Antragsteller nach Eintritt der Gefährdung mit dem Antrag (zu lange) zuwartet. Wie lange der Antragsteller mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab (vergleiche Drescher in Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 935 Rn. 19). In den Blick zu nehmen ist ferner, welcher gesetzgeberischer Zweck mit der infrage stehenden gesetzlichen Vermutung verfolgt wird. Das ist bei dem in § 650d BGB vermuteten Verfügungsgrund in erster Linie das Interesse des Unternehmers, schnell einen Zahlungstitel über den (infolge der Änderungsanordnung) erhöhten Abschlagszahlungsanspruch zu erhalten (vergleiche BT-Drs., a.a.O. S. 58). Hat der Unternehmer die aufgrund der Änderungsanordnung erbrachten Bauleistungen in Kenntnis des Umstandes erbracht, dass eine Einigung über den damit geänderten Preis nicht (mehr) zustande kommen wird, so muss er den ihm seiner Auffassung nach gegen den Besteller zustehenden Mehrvergütungsanspruch in seinem Liquiditätsinteresse in angemessener Zeit im Wege des hierfür unter den erleichterten Voraussetzungen nach § 650d BGB möglichen Eilverfahrens geltend machen. Wartet er längere Zeit zu und gibt er damit zu erkennen, dass es ihm nicht eilig ist, so ist die gesetzliche Vermutung widerlegt.

    bb) Dies zugrunde gelegt, käme der Antragstellerin die Vermutung des § 650d BGB nach ihrem eigenen Vorbringen nicht mehr zugute.

    Danach hat sie die auf die Änderungsanordnungen zurückzuführenden Bauleistungen fehlerfrei erbracht. Sie hat in Kenntnis einer fehlenden Vergütungsvereinbarung weder einen Nachtrag gefertigt noch eine Abschlagsrechnung gestellt. Die hier fraglichen Mehrvergütungsforderungen hat sie auch nach Fertigstellung aller ihr übertragenen und (förmlich) abgenommenen Bauleistungen nicht in die Schlussrechnungen vom 18.02.2021 eingestellt. Erstmals im Rahmen ihres Vorbehaltsschreibens vom 20.04.2021 gegen die erfolgte Rechnungsprüfung und dem darin enthaltenen Hinweis auf die Ausschlusswirkung der Schlusszahlung für etwaige Nachforderungen hat sie die hier fraglichen Mehrvergütungsforderungen geltend gemacht und jeweils Frist bis 04.05.2021 für die Bezahlung der Restwerklohnforderungen gesetzt. In Kenntnis des Streits über die Berechtigung ihrer Restwerklohnforderungen, insbesondere über die nachträglich geltend gemachten Positionen über die hier fraglichen Nachtragsforderungen, hat die Antragstellerin - trotz der Verweigerungshaltung der Antragsgegnerin - gut weitere 14 Monate bis zur Stellung des vorliegenden Eilantrages zugewartet. Unter diesen Umständen hat die Antragstellerin selbst zu erkennen gegeben, dass ihr diese Angelegenheit nicht eilbedürftig erscheint; die gesetzliche Vermutung wäre damit widerlegt. Besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, ihr Verhalten anders zu werten, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

    2. Verfügungsanspruch

    Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Verfügungsansprüche lassen sich dem Vortrag zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entnehmen. Danach stehen der Antragstellerin die geltend gemachten Forderungen i.H.v. 283.850,36 € und 502.736,82 € gegen die Antragsgegnerin nicht zu.

    a) Wie bereits erwähnt, können die in eine Schlussrechnung einzustellenden unselbstständigen Rechnungsposten nicht isoliert geltend gemacht werden (vergleiche BGH, Urteil vom 22.10.1998, a.a.O. Rn. 7, 10). Im vorliegenden Fall macht die Antragstellerin nicht die vollen sich aus den Salden der Schlussrechnungen vom 18.02.2021 i.V.m. den Schreiben vom 20.04.2021 geltend gemachten Restwerklohnforderungen, sondern nur die sich ihrer Ansicht nach aus den nachträglich erstellten Nachträgen ergebenden Geldbeträge geltend. Da sich aber immerhin die ihrer Ansicht nach bestehenden Schlussrechnungssalden von 673.531,42 € und 840.193,84 € aus den Schreiben vom 20.04.2021 herleiten lassen, kann der Antrag im wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin so ausgelegt werden, dass sie jeweils einen Teilbetrag aus diesen Salden in jeweils bezifferter Höhe geltend macht.

    b) Teilrestforderung aus der mit Schreiben vom 20.04.2021 geänderten Schlussrechnung vom 18.02.2021 für den Bauabschnitt (1) 8584 (Saldo nunmehr: 673.531,42 €) i.H.v. 283.850,36 €

    Die Antragstellerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihr diese (Teil-) Forderung gegen die Antragsgegnerin zusteht. Es fehlt an der Darlegung der insoweit maßgeblichen vertraglichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 2 Abs. 5 VOB/B und/oder § 2 Abs. 6 VOB/B.

    aa) Der Unternehmer muss (auch) im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung den Verfügungsanspruch schlüssig darlegen. Die Last der Darlegung folgt den allgemeinen Darlegungsregeln. Stützt er seine Mehrvergütungsansprüche auf verschiedene Sachverhalte, muss er zu den jeweiligen Anspruchsgrundlagen dem Grunde und der Höhe nach gesondert vortragen. Da im vorliegenden Eilverfahren nur Mehrvergütungsansprüche aufgrund Änderungsanordnungen zu prüfen sind, kann es im vorliegenden Fall nur um die sich aus den §§ 2 Abs. 5 und 2 Abs. 6 VOB/B (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B) etwa ergebenden Mehrvergütungsansprüche gehen.

    (1) Will der Unternehmer seinen Mehrvergütungsanspruch auf § 2 Abs. 5 VOB/B stützen, hat er jeweils einen Sachverhalt vorzutragen, aus dem sich eine von dem Besteller angeordnete Änderung des Bauentwurfs ergibt (§ 1 Abs. 3 VOB/B). Er hat ferner darzulegen, dass sich hierdurch die Grundlagen des Preises für eine (konkrete) im Vertrag vorgesehene Leistung geändert hat und eine Vereinbarung über den neuen Preis nicht zu Stande gekommen ist. Ferner ist der neue Preis schlüssig darzulegen. Dazu gehört die Darlegung der Mehr- oder Minderkosten, die sich aus der Änderung des Bauentwurfs ergeben. Eine Klage, mit der lediglich erhöhte Kosten einzelner Elemente der Preisgrundlage geltend gemacht werden, ist grundsätzlich unschlüssig, weil sie nicht die geforderten Mehr- und Minderkostenberechnung enthält und auch nicht darauf gestützt ist, dass der neue Preis höher ist als der alte Preis, sodass der Besteller verpflichtet ist, die Differenz zu vergüten (vergleiche BGH, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 205/07 -, juris Rn. 61).

    (2) Stützt der Unternehmer hingegen seine Mehrvergütungsansprüche auf § 2 Abs. 6 VOB/B, hat er unter anderem jeweils ein Verlangen des Bestellers auf eine nach dem Vertrag nicht vereinbarte, aber zur Erreichung des geschuldeten Werkerfolgs notwendige Leistung darzulegen (§ 1 Abs. 4 VOB/B). Ferner ist darzulegen, dass er den Anspruch auf die Mehrvergütung dem Besteller angekündigt hatte, bevor er mit der Ausführung der Leistung begann. Schließlich ist gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B die besondere Vergütung darzulegen.

    bb) Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin ihre geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht schlüssig dargelegt. Sie trägt lediglich vor, die Mehrforderungen würden sich aus "Mengenmehrungen und Leistungsänderungen", die nicht bezeichnet werden, ergeben. Die sich aus den schon damals vorliegenden Plänen ergebenden Mengen seien nicht in ihrer Kalkulation eingeflossen, weil sich daraus nur die Leistungsqualitäten ergeben würden. Erst recht würde sich der Anspruch aus solchen Positionen ergeben, die nach Abschluss des Vertrages geändert worden seien. Um welche Änderungen welcher Positionen es dabei gehen soll und welche "Baumaterialien bzw. Stein- und Bauteiltiefe etc" davon in welchem Umfang betroffen sein sollen, teilt die Antragstellerin nicht mit. Eine Begründung anhand des zum Vertragsbestandteil gemachten Leistungsverzeichnisses, das nicht vorgelegt wird, findet nicht statt.

    Die Antragstellerin verweist allerdings auf ihr Schreiben vom 20.04.2021 nebst Anlagenkonvolut (Anl. 10 und 11). Abgesehen davon, dass die Vorlage von Anlagen einen schlüssigen schriftsätzlichen Parteivortrag grundsätzlich nicht ersetzen kann, ergeben sich auch daraus nicht die vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen. In dem Schreiben vom 20.04.2021 wird der Mehrvergütungsanspruch pauschal mit "zusätzlichen oder geänderten Leistungen, die über das geschuldete Leistungssoll hinausgehen und bei Angebotserstellung weder bekannt, noch erkennbar waren" begründet. Warum für den Haustyp 1 weitere 195.067,68 € und den Haustyp 4 weitere 214.589,60 € geschuldet sein sollen, wird nicht anspruchsbezogen im Sinne der oben genannten Vertragsbestimmungen dargelegt. Erst recht gilt dies für die mit weiteren 43.708,42 € bezifferten "fdu Zulagen".

    Soweit Ansprüche nach § 2 Abs. 6 VOB/B betroffen sein könnten, ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin sogar, dass die Leistungen ausgeführt waren, bevor der (jeweilige) Mehrvergütungsanspruch der Antragsgegnerin angekündigt wurde. Dies geschah nach dem Vorbringen der Antragstellerin erstmals mit Schreiben vom 20.04.2021, also nach Fertigstellung, Abnahme und Schlussrechnungserstellung.

    Darüber hinaus lassen weder der schriftsätzliche Vortrag, noch die vorgelegten Anlagen erkennen, welche Mehrvergütungsansprüche auf welche Art von Änderungsanordnung zurückzuführen sein sollen.

    Die vorgelegten "fdu Abrechnungen" lassen keinen Bezug zu einer Änderungsanordnung der Antragsgegnerin erkennen.

    Auf den mangelnden Vortrag zu den fraglichen Änderungsanordnungen hat das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss (Seite 2) hingewiesen.

    c) Teilrestforderung aus der mit Schreiben vom 20.04.2021 geänderten Schlussrechnung vom 18.02.2021 für den Bauabschnitt (2) 8585 (Saldo nunmehr: 840.193,84 €) i.H.v. 502.736,82 €

    Die Antragstellerin hat auch diese Forderung nicht schlüssig dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf obige Ausführungen verwiesen. Die beiden Nachforderungsschreiben vom 20.04.2021 haben - mit Ausnahme der geforderten Beträge - den gleichen Wortlaut. Ergänzend ist anzumerken, dass die als Anl. 10 und 11 vorgelegten "Nachtragsangebote" vom 18.04.2021 den Bauabschnitt (1) 8584, nicht aber den hier infrage stehenden Bauabschnitt (2) 8585 betreffen. Die mit Anl. 11 vorgelegten "fdu Abrechnungen" für den Bauabschnitt (2) 8585 enden jeweils mit einem "abzurechnenden Betrag" für den ersten Bauabschnitt (8584). Diese Umstände vertiefen die oben dargelegte Unschlüssigkeit des Vorbringens der Antragstellerin.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.