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  • 10.06.2020 · IWW-Abrufnummer 216142

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 19.03.2020 – 4 U 2594/19

    1. Eine juristische Person kann sich zu dem behaupteten Abschluss eines Darlehensvertrages auch dann nicht mit Nichtwissen erklären, wenn ihr an den Verhandlungen beteiligter Vertreter zwischenzeitlich unter Mitnahme des maßgeblichen Schriftverkehrs aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.

    2. In einem solchen Fall trifft sie vielmehr eine Erkundigungspflicht hinsichtlich der Handlungen derjenigen Personen, die in ihrer Verantwortung tätig geworden sind.

    3. Ist nach dem Wortlaut eines Vertrages unklar, ob eine Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt gewollt war, ist im Zweifel von einem Schuldbeitritt auszugehen.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 19.03.2020

    Az.: 4 U 2594/19

    In dem Rechtsstreit

    H...... S......, ...
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte S...... N...... P...... Partnerschaft, ...
    gegen
    XXX xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx GmbH, ...
    vertreten durch d. Geschäftsführer
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    D...... Rechtsanwälte, ...

    wegen Rückzahlung Darlehen

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,
    Richterin am Oberlandesgericht P...... und
    Richterin am Oberlandesgericht R......

    ohne mündliche Verhandlung am 19.03.2020
    beschlossen:

    Tenor:

    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
    2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

    Gründe

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Der Kläger hat einen Anspruch nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrages. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das nach Vernehmung der Zeugin S...... davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Abschluss eines Darlehensvertrages sowie die Auskehr der Darlehensmittel im Umfang der Klageforderung nachgewiesen hat, begegnet keinen Zweifel, die Anlass zu einer erneuten Beweisaufnahme böten.

    1. Entgegen der Auffassung der Berufung ist vom wirksamen Abschluss eines Darlegungsvertrages zwischen den Parteien auszugehen. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines graphologischen Gutachtens oder der Vorlage der Originaldarlehensurkunde durch den Kläger bedarf es nicht. Der Vortrag des Klägers zum Abschluss des Darlehensvertrages ist vielmehr nach den Grundsätzen des § 138 Abs. 2, 4 ZPO als zugestanden zu behandeln. Das erstinstanzliche Vorbringen, der Darlehensvertrag liege der Beklagten nicht vor, so dass "dessen Inhalt bis zur Vorlage vollumfänglich bestritten werden muss", ist unbehelflich.

    a) Unter Vorlage der Kopie eines Darlehensvertrages vom 15.11.2014 (Anlage K 1) hat der Kläger vorgetragen, ein entsprechender Darlehensvertrag sei zwischen den Parteien - seinerzeit vertreten durch die unstreitig alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und Zeugin V...... S...... - geschlossen worden. Hierzu kann sich die Beklagte zulässigerweise nicht mit Nichtwissen erklären. Denn der behauptete Abschluss eines Darlehensvertrages mit einer Partei ist auch dann Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung i.S.d. § 138 Abs. 4 ZPO, wenn es sich hierbei um eine juristische Person handelt, deren handelnde Vertreter nach dem behaupteten Vertragsschluss aus dem Unternehmen ausgeschieden sind, weil es sich auch dann bei der auf den Vertragsschluss abzielenden Willenserklärung um eine eigene Handlung der juristischen Person handelt, die nicht mit Nichtwissen bestritten werden kann (vgl. statt aller Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. § 138 Rn 13). Die erklärungspflichtige Partei trifft zudem eine Informations- und Erkundigungspflicht hinsichtlich der Handlungen derjenigen Personen, die unter ihrer Anleitung, Aussicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 19.04.2001, I ZR 238/98, Ziffer 30 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 15.11.2019 - 13 U 407/18, Rz. 36 m.w.N.). Dass mit Wirkung zum 29.10.2018 die Zeugin V...... S...... als Geschäftsführerin abbestellt und an ihrer Stelle H......-J...... A...... F...... zum Geschäftsführer bestellt wurde, ändert hieran nichts, zumal sich auch aus der Aussage der Zeugin S...... vor dem Landgericht gerade nicht ergibt, dass die von ihr möglicherweise nicht herausgegebenen Geschäftsunterlagen für den neuen Geschäftsführer nicht zugänglich oder vernichtet worden sind. Für Geschäftsunterlagen besteht sowohl nach dem Handelsgesetzbuch (§ 257 HGB) als auch nach der Abgabenordnung (§ 147 AO) eine mindestens 6-jährige Aufbewahrungspflicht, die bei Übernahme der Geschäftsführung durch den neuen Geschäftsführer noch nicht abgelaufen war. Kontounterlagen und auf dem Computer der Firma vorhandener E-Mail-Verkehr dürften ohnehin sowohl bei der zuständigen Bank als auch im PC abrufbar sein. Obendrein würde auch die häusliche Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen durch die vormalige Geschäftsführerin V...... S...... nichts an der Zugänglichkeit dieser Unterlagen ändern: Die Zeugin ist unter derselben Anschrift wohnhaft, an der sich auch der Geschäftssitz der Beklagten befindet (A..........straße xx in D......). Dabei handelt es sich um ein kleines Haus, das zugleich als Vereinshaus für den örtlichen Kanu-Verein fungiert. Es erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen, dass ein persönlicher Austausch nicht stattgefunden hat, oder zumindest nicht hätte stattfinden können.

    b) Der mit der Berufungsbegründung wiederholte Fälschungseinwand der Darlehensurkunde greift schon deshalb nicht durch, weil im Anschluss an die o.a. Ausführungen davon auszugehen ist, dass beide Parteien den Abschluss eines Darlehensvertrags wollten, dieser selbst aber nicht formbedürftig ist. Unabhängig hiervon lässt der Kläger auch beide Unterschriften auf den zu den Gerichtsakten gelangten Kopien gegen sich gelten. Dass die Zeugin S...... ihrerseits den Darlehensvertrag für die Beklagte unterzeichnet hat, steht nach ihrer Vernehmung durch das Landgericht mit genügender Sicherheit im Sinne des § 286 ZPO fest. Der Kläger hat erklärt, dass er den Vertrag niemals im Original besessen, sondern nur per E-Mail übermittelt bekommen habe. Diesem Teil des Vortrages hat die Beklagte an keiner Stelle widersprochen, sondern nur in Frage gestellt, ob "denn tatsächlich" der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. Ebenso blieb der klägerische Vortrag unwidersprochen, wonach die Beklagte der wiederholten Bitte des Klägers um Übersendung der Vereinbarung im Original nicht nachgekommen sei. Nicht bestritten hat die Beklagte zudem, dass sich der Original-Darlehensvertrag allein in ihrem Besitz befindet. Auch dieser Teil des Vortrages ist damit als zugestanden anzusehen. Die mit der Berufungsbegründung geltend gemacht Urkundenvorlage nach § 420 ZPO durch den Kläger wäre damit tatsächlich nicht möglich. Wegen des nach den o.a. Ausführungen zugestandenen Vertragsschlusses zwischen den Parteien ist sie aber auch nicht erforderlich. Nach § 138 Abs. 2 ZPO trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei überdies eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 18.12.2019 - VII ZR 13/19, Rz. 35 m.w.N. - nach juris). Auch vorliegend wäre es der Beklagten ohne Weiteres möglich, den in ihrem Besitz befindlichen Originaldarlehensvertrag vorzulegen oder zumindest vorzutragen, warum ihr die Vorlage nicht möglich sei.

    2. Für den vom Kläger zu führenden Nachweis der Auskehr der Darlehensvaluta (BGH NJW 1986, 2571 [BGH 10.06.1985 - III ZR 178/84]; Senat, Urteil vom 15.3.2007, 4 U 1575/06 n.v.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Aufl., § 488 Rz. 29) gilt das zuvor Gesagte: In dem als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag vom 15.11.2014 ist niedergelegt und von der Zeugin Saalfrank quittiert, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bereits 6.300,00 EUR in Teilbeträgen von je 800,00 EUR, 3.000,00 EUR und 2.500,00 EUR auf diesen Darlehensvertrag geflossen sind. Hinsichtlich der Teilbeträge von 3.000,00 und 2.500,00 EUR, die laut Überweisungsbeleg "gemäß Vertrag vom 20.02.2014" und "Vertrag vom 20.02.2014 + Absprache vom 03.11.2014" geflossen sind, mag es ursprünglich andere Absprachen gegeben haben, jedenfalls aber haben die Parteien am 15.11.2014 vereinbart, dass die geflossenen Zahlungen als Zahlungen auf dieses Darlehen gelten sollten. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Zeugin S...... vor dem Landgericht ausgesagt hat, der Teilbetrag in Höhe von 3.000,00 EUR sei für Herrn J...... S...... privat und nicht für die XXX bestimmt gewesen. Denn einerseits war ihre Erinnerung ohnehin nur sehr spärlich und lückenhaft und andererseits hat sie im Zusammenhang hiermit angegeben, es sei bei der Beklagten insgesamt darum gegangen, "Ideen" von J...... S......, dem Bruder des Klägers, zu verwirklichen. Angesichts dessen hält es der Senat für ohne weiteres plausibel, dass in ihrer Erinnerung eben auch Teilbeträge eines an die Beklagte geflossenen Darlehens direkt an J...... S...... weitergeleitet werden sollten. In Anbetracht der Regelungen im Vertrag vom 15.11.2014, die eindeutig sowohl auf die Vereinbarung eines Darlehens als auch auf die Anrechnung der dort im Einzelnen aufgeführten Teilbeträge auf die auszuzahlende Darlehensvaluta hinweisen, besteht eine tatsächliche Vermutung auch für die Auskehr der Darlehensvaluta an die Beklagte, der diese nichts Substantielles entgegengesetzt hat.

    3. Schließlich ist auch die Beweiswürdigung des Landgerichts, das angenommen hat, die G...... H...... F...... habe die Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung nicht anstelle der Beklagten übernommen, sondern sei dieser lediglich beigetreten, nicht zu beanstanden. Für die Abgrenzung zwischen einer befreienden Schuldübernahme i.S.d. §§ 414 ff BGB zu einem Schuldbeitritt, bei dem der Mitübernehmer zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis eintritt, ist ausgehend vom Wortlaut und der übrigen Umstände der Wille der Vertragsparteien zu ermitteln. Der Wortlaut des streitgegenständlichen Darlehensvertrags mag insofern nicht eindeutig für das eine oder andere sprechen. Welches genaue Ziel die Parteien mit dieser Klausel verfolgt haben, lässt sich dem beiderseitigen Parteivorbringen ebenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Ist aber nicht klar, was die Parteien gewollt haben, so ist im Zweifel von einem Schuldbeitritt auszugehen, weil die befreiende Schuldübernahme mit dem erheblichen Nachteil zu Lasten des Gläubigers einhergeht, dass er einen potentiellen Schuldner verliert und weil sie zugleich die Verpflichtung des Übernehmers und die Verfügung über die Forderung des Gläubigers untrennbar miteinander verknüpft. In aller Regel hat sie eine solche Bedeutung, dass kein Gläubiger ohne Weiteres auf seinen bisherigen Schuldner verzichten wird. Ein hierauf gerichteter Wille des Gläubigers kann daher nur dann angenommen werden, wenn er deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist oder wenn die Umstände den in jeder Hinsicht zwingenden Schluss darauf zulassen (BGH, Urteil vom 12.04.2012 - VII ZR 13/11, juris Rz. 7 m.w.N.). Wegen der regelmäßig für den Gläubiger nachteiligen Folgen sind also an seine Erklärung strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 21.03.1996 - IX ZR 195/95; Urteil vom 20.10.1982 - IVa ZR 81/81 - jeweils nach juris). Eine solche geforderte Eindeutigkeit ist vorliegend nicht ersichtlich, hierauf abzielende Umstände hat die Beklagte weder erstinstanzlich noch mit der Berufung behauptet.

    Auf der Grundlage dieser Hinweis rät der Senat zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

    RechtsgebietProzessrechtVorschriften§ 138 ZPO