15.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207226
Landgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 10.10.2018 – 2-16 S 218/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 10.10.2018
Az.: 2-16 S 218/17
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az.: 31 C 1440/17 (17), teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.03.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte 16 % und die Klägerin 84 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Beklagte 24 % und die Klägerin 76 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das am 13.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az.: 31 C 1440/17 (17), ist - soweit aufrechterhalten - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Kraftfahrthaftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht Ersatz von restlichen Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall in zwei Fällen.
Wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Lebenssachverhalts wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Zu ergänzen ist folgendes:
Die Klägerin bietet einen Standardtarif (Tarif I) an, der dem Normaltarif nach Schwacke Automietpreisspiegel 2006 unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuererhöhung auf 19 % ab 01.01.2017 entspricht. Die Inanspruchnahme des Tarif I setzt gemäß der Preisliste der Klägerin (Anlage K 11, Bl. 197 d.A.) voraus, dass die voraussichtlichen Mietkosten plus Kaution sofort bei Anmietung ausschließlich mit international gültiger und akzeptierter Kreditkarte entrichtet werden. Im Übrigen bietet die Klägerin einen "Service-Tarif" (Tarif II) an, der dem Normaltarif laut Schwacke-Liste zzgl. eines Aufschlags von 20 % nebst Nebenkosten und Mehrwertsteuer entspricht.
Im Fall der Geschädigten … (Fall 1), wohnhaft in ….., ereignete sich der Verkehrsunfall in …. am 01.09.2014 gegen 07.50 Uhr. Der Unfallwagen der Geschädigten gehört der Fahrzeuggruppe 6 an. Die Geschädigte mietete am Unfalltag um 16:35 Uhr bei der Klägerin einen Mietwagen der Fahrzeuggruppe 6. Sie erklärte sich nicht zur Hinterlegung einer Kaution bereit. Die Parteien vereinbarten daher den "Service-Tarif" (Tarif II) zzgl. Nebenkosten. Es wird auf das Mietvertragsformular (Anlage K2, Bl. 11 d.A.) verwiesen. Bestandteil des Mietvertrags war ein beigefügtes und von der Geschädigten unterzeichnetes Formular "Fragebogen/Kundeninformation" (Anlage K2, Bl. 12 d.A.). Dort ist u.a. angekreuzt: "Ich bin nicht in der Lage die Anmietvoraussetzungen für den Tarif I (Selbstzahler) zu erfüllen (…)". Des Weiteren sind dort unter der Überschrift "folgende Nebenkosten gemäß Preisliste fallen während der Anmietzeit an" die Felder für "Haftungsbeschränkungskosten reduziert auf SB 500,00 € gemäß meiner VK-Versicherung", "Zustellung/Abholung", "Automatikgetriebe" und "Navigationssystem" angekreuzt. Die Abtretungserklärung vom 01.09.2014 (Anlage K3, Bl. 13 d.A.) enthält zum Unfallwagen u.a. die Angaben "Navi" und "Autom.".
Mit der Klage hat die Klägerin neben Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von 70,20 € restliche Mietwagenkosten in Höhe von 439,32 € verlangt, die sie nach der Schwacke-Liste ausgehend vom PLZ-Gebiet … und Fahrzeuggruppe 6 wie folgt berechnet:
Normaltarif, Wochenpauschale 587,00 € : 7 x 9 754,71 €
Haftungsbeschränkungskosten 9 x 23,00 € 207,00 €
Automatikfahrzeug 9 x 10,00 € 90,00 €
Navigationsgerät 9 x 10,00 € 90,00 €
Zustellung und Abholung 2 x 23,00 € 46,00 €
Zwischensumme 1.187,71 €
abzgl. 5 % ersparte Eigenaufwendungen 59,39 €
Zwischensumme 1.128,32 €
abzgl. gezahlter 689,00 €
Summe 439,32 €
Im Fall des Geschädigten … (Fall 2), wohnhaft in …, ereignete sich der Verkehrsunfall in …am 02.01.2015 gegen 05:56 Uhr. Der Unfallwagen des Geschädigten gehört der Fahrzeuggruppe 4 an. Der Geschädigte mietete am Unfalltag um 10:45 Uhr bei der Klägerin einen Mietwagen der Fahrzeuggruppe 2. Er vereinbarte den "Service-Tarif" (Tarif II) zzgl. Nebenkosten. Es wird auf das Mietvertragsformular (Anlage K8, Bl. 21 d.A.) verwiesen. Bestandteil des Mietvertrags war ein beigefügtes und von dem Geschädigten unterzeichnetes Formular "Fragebogen/Kundeninformation" (Anlage K2, Bl. 12 d.A.). Dort ist u.a. angekreuzt: "Ich bin nicht in der Lage die Anmietvoraussetzungen für den Tarif I (Selbstzahler) zu erfüllen (…)". Des Weiteren sind dort unter der Überschrift "folgende Nebenkosten gemäß Preisliste fallen während der Anmietzeit an" die Felder für "Haftungsbeschränkungskosten reduziert auf SB 500,00 € gemäß meiner VK-Versicherung", "Zustellung/Abholung" und "Winterreifenausrüstung", angekreuzt. Die Abtretungserklärung vom 02.01.2015 (Anlage K9, Bl. 23 d.A.) enthält zum Unfallwagen u.a. die Angaben "WR". Mit Schreiben vom 11.03.2015 lehnte die Beklagte über den Betrag von 525,00 € hinausgehende Zahlungen ab. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 11 (Bl. 25 d.A.) verwiesen.
Mit der Klage hat die Klägerin einen restlichen Betrag in Höhe von 659,86 € verlangt, den sie nach der Schwacke-Liste 2014 ausgehend vom PLZ-Gebiet 470 und Fahrzeuggruppe 2 wie folgt berechnet:
Winterreifenzuschlag 11 x 10,00 € 110,00 €
Haftungsreduzierungskosten 11 x 20,00 € 220,00 €
Zwischensumme 1.184,86 €
abzgl. gezahlter 525,00 €
Summe 659,86 €
Die Beklagte hat behauptet, seinerzeit wäre jeweils konkret u.a. bei AVIS, Europcar, Sixt oder Enterprise ein Fahrzeug mit Hol- und Bringdienst über deren 24stündig erreichbarer Hotline bundesweit einschließlich Haftungsbegrenzung, freier Kilometerleistung und Zustellung zu den von ihr erstatteten Preisen anmietbar gewesen. Hierfür hat die Beklagte als Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Sie hat bestritten, dass die Geschädigten im Rahmen ihrer gewohnten Lebens- und Geschäftsführung nicht in der Lage gewesen seien, eine Kaution zu leisten, in Vorkasse zu treten oder aber keine Kreditkarte besitzten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 704,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132,23 € seit dem 16.10.2014 und aus 572,00 € seit dem 11.03.2015 zu zahlen sowie die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten ihrer Bevollmächtigten in Höhe von 70,20 € freizustellen. Es hat dabei als Schätzungsgrundlage jeweils die Schwacke-Liste herangezogen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.12.2017 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 22.12.2017, beim Landgericht eingegangen am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 19.02.2018, beim Landgericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass die geltend gemachten Mängel hinsichtlich der Schwacke-Liste sich auf den zu entscheidenden Fall auswirkten. Es bleibe bei den Einwendungen gegen die Schwacke-Liste. Die Beklagte nimmt Bezug auf das dahingehend angebotene Sachverständigengutachten.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 13.12.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 31 C 1440/17 (17), die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe nicht angegeben, mit welchen konkreten Tatsachen sie Mängel der Schwacke-Liste aufgezeigt habe. Ihr obliege es, preiswertere Angebote, die ohne weiteres zugänglich gewesen wären, vorzutragen. Die Einholung des von der Beklagten angebotenen Sachverständigengutachtens käme einem Ausforschungsbeweis gleich.
II.
I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
II. Sie hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Die Klägerin hat insgesamt (Fall 1 und Fall 2) gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 7 StVG, 249 BGB, 115 VVG, 398 BGB in Höhe von 189,52 €.
1. Im Fall der Geschädigten … (Fall 1) kann die Klägerin von der Beklagten keinen über die bereits erfolgte Zahlung von 689,00 € hinausgehenden Betrag verlangen.
Ein solcher war für die Schadenbeseitigung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB nicht erforderlich.
Erforderlich sind die Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot kann der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als objektiv erforderlich ersetzt verlangen. Die Miete ist demgemäß grundsätzlich nur bis zur Höhe des sog. Normaltarifs erstattungsfähig (so in st. Rspr. der BGH seit NJW 2005, 51 [BGH 12.10.2004 - VI ZR 151/03]; zuletzt BGH NJW 2013, 1870 [BGH 05.03.2013 - VI ZR 245/11]).
Diesen "Normaltarif" kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen. Dabei gibt § 287 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter die Schätzungsgrundlage nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Der BGH hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif sowohl auf der Grundlage des Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer Tabelle ermittelt werden kann. Eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen hat er aber ebenfalls nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (z.B. BGH NJW-RR 2010, 1251 [BGH 18.05.2010 - VI ZR 293/08]; BGH NJW-RR 2011, 823 [BGH 22.02.2011 - VI ZR 353/09]). Der BGH hat dabei auch wiederholt die generelle Eignung beider Tabellenwerke zur Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO betont und hervorgehoben, allein der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen könnten, genüge nicht, um grundsätzliche Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzungsgrundlage zu begründen (so z.B. BGH, NJW 2011, 1947, Rn. 18). Deshalb ist der Tatrichter bei der Verwendung dieser Listen grundsätzlich frei. Insbesondere, wenn das Gericht berechtigte Zweifel an der Eignung einer Liste hat, kann es deren Heranziehung ablehnen (BGH NJW 2011, 1947 [BGH 12.04.2011 - VI ZR 300/09], Rn. 17 a.E.).
Nach Auffassung der Kammer kommt weder eine Schätzung allein auf Basis des Schwacke-Liste noch allein auf Basis der Fraunhofer Tabelle in Betracht. Denn gegen beide Erhebungen werden in der Rechtsprechung und Literatur jeweils nachvollziehbare, erhebliche Bedenken vorgebracht.
Gegen die Preisermittlung der Schwacke-Liste wird vor allem vorgebracht, dass die Mietwagenkosten für Selbstzahler in der Weise erfragt würden, dass Fragebögen an die Mietwagenunternehmen versandt würden und der damit offengelegte Verwendungszweck die Gefahr einer Manipulation der Ergebnisse durch die Autovermieter in sich berge. Dieses Argument erscheint auch nicht fernliegend, da die Durchschnittspreise der Tarife der Schwacke-Liste deutlich über den Normaltarifen der Fraunhofer Tabelle liegen. Die Fraunhofer Tabelle hat gegenüber der Schwacke-Liste den Vorteil, dass sie aufgrund einer anonymen Abfrage von Mietwagenpreisen derartigen Manipulationen besser vorbeugen kann.
Allerdings ist gegen die Fraunhofer Tabelle einzuwenden, dass ein großer Teil der Erhebungen auf Internetangeboten basiert, die auf dem maßgeblichen regionalen Markt nicht ohne weiteres zugänglich sind, da in der konkreten Unfallsituation nicht stets ein Internetzugang zur Verfügung steht oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund von Vorbehalten gegen die erforderliche Verwendung von Kreditkarten, eine Buchung per Internet abgelehnt wird. Auch entspricht die bei der Erhebung der Fraunhofer Tabelle zugrunde gelegte einwöchige Vorbuchungsfrist regelmäßig nicht der Anmietsituation nach einem Unfallgeschehen. Weiterhin ist hinsichtlich der Fraunhofer Tabelle zu beachten, dass sich die Erhebungen - insbesondere auch per Telefon - auf ein Gebiet, das nach Maßgabe zweistelliger Postleitzahlen ausgewählt ist, beschränken und insofern ein räumlich relativ grobes Raster angelegt wird. Demgegenüber weist die Schwacke-Liste, deren Erhebung dreistellige Postleitzahlgebiete zugrunde liegen, eine größere Ortsnähe auf. Damit wird dem Umstand besser Rechnung getragen, dass sich der Geschädigte grundsätzlich nur auf dem allgemein zugänglichen regionalen Markt verweisen lassen muss.
Aufgrund der aufgezeigten Mängel beider Erhebungen sieht die Kammer in beiden Listen jeweils für sich genommen keine geeignete Schätzungsgrundlage gemäß § 287 Abs. 1 ZPO für die Ermittlung des Normaltarifs. Vielmehr hält es die Kammer für sachgerechter, zwecks Ausgleichs der jeweiligen Schwächen beide Listen derart zu kombinieren, dass als Schätzungsgrundlage das aus der Summe der Mietpreise beider Listen gebildete arithmetische Mittel ("Fracke") herangezogen wird (so auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.12.2009, Az.: 4 U 294/09, NJW-RR 2010, 541 [OLG Saarbrücken 22.12.2009 - 4 U 294/09-83]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2013, Az.: 1 U 130/12, BeckRS 2014, 02868; OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, Az.: 15 U 186/12, NZV 2014, 314; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az.: 1 U 165/11, BeckRS 2014, 21180; OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016, Az.: 9 U 142/15, NZV 2016, 336; OLG Celle, Urteil vom 01.02.2017, Az.: 14 U 61/16, BeckRS 2017, 140012). Auf diese Weise lässt sich ein angemessener Ausgleich zwischen den erheblichen Differenzen beider Listen erreichen. Die Kammer hält mithin an ihrer bisherigen Rechtsprechung, nach der sie die Schwacke-Liste gegenüber der Fraunhofer Tabelle für vorzugswürdig erachtet und als Schätzungsgrundlage herangezogen hat, nicht weiter fest.
Gegen die Anwendung des arithmetischen Mittels als Schätzungsgrundlage kann nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass damit letztlich Abstand von dem Ansatz genommen würde, als Grundlage für den Schadensersatzanspruch den tatsächlichen Marktpreis anhand einer empirischen Schätzungsgrundlage zu ermitteln (so aber OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 06715, Rn. 48 u. 49). Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die beiden Markterhebungen nach Schwacke und Fraunhofer lediglich als Grundlage der Schätzung dienen und es dem Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO frei steht, von den sich aus den Markterhebungen ergebenden Tarifen etwa durch Zuschläge abzuweichen (so auch OLG Celle NJW-RR 2016, 1119, Rn. 30 und 31). Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass das Ergebnis der richterlichen Schätzung die Wirklichkeit regelmäßig ohnehin nicht exakt abbildet. Demgemäß hat der BGH - wie bereits ausgeführt - die Bildung des arithmetischen Mittels grundsätzlich nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (z.B. BGH NJW-RR 2010, 1251 [BGH 18.05.2010 - VI ZR 293/08]; BGH NJW-RR 2011, 823 [BGH 22.02.2011 - VI ZR 353/09]).
Die Eignung des arithmetischen Mittels als Schätzungsgrundlage ist im vorliegenden Fall auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine der Parteien mit konkreten Tatsachen aufgezeigt hätte, dass Mängel dieser Schätzmethode sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (so BGH, Urteil vom 18.05.2010, Az.: VI ZR 293/08, NJW-RR 2010, 1251, juris-Rn. 4; BGH, Urteil vom 22.02.2011, Az.: VI ZR 353/09, NJW-RR 2011, 823, juris-Rn. 7; BGH, Versäumnisurteil vom 17.05.2011, Az.: VI ZR 142/10, NJW-RR 2011, 1109, juris-Rn. 8). Den Parteien bleibt es unbenommen, bezogen auf den konkreten Einzelfall durch Vorlage im Hinblick auf Zeitraum und Anmietsituation etc. vergleichbarer Angebote darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen, dass dem Geschädigten im Verhältnis zur Schätzungsgrundlage ein vergleichbares Ersatzfahrzeug zu schlechteren oder besseren Konditionen zur Verfügung gestanden hätte. Dies ist hier nicht erfolgt. Soweit die Beklagte behauptet hat, seinerzeit wäre jeweils u.a. bei AVIS, Europcar, Sixt oder Enterprise über deren 24stündig erreichbarer Hotline ein Fahrzeug mit Hol- und Bringdienst einschließlich Haftungsbegrenzung zu den von ihr erstatteten Preisen anmietbar gewesen, hat sie weder durch Vorlage konkreter Angebote noch sonst dargetan, dass insoweit mit dem Mietfahrzeug vergleichbare Fahrzeuge zugrunde liegen. Zudem benennt die Beklagte auch keine Anmietstationen im relevanten örtlichen Bereich. Das insoweit beantragte Sachverständigengutachten war daher nicht einzuholen.
Auf Basis des arithmetischen Mittels ergibt sich im vorliegenden Fall für den Normaltarif ein Schätzbetrag von 705,98 €.
Dabei geht die Kammer bei der Bildung des arithmetischen Mittels von der Summe der in den Listen von Fraunhofer und Schwacke angegebenen Mietpreise aus und schlägt dem daraus errechneten arithmetischen Mittel anschließend die in der Schwacke-Liste im Einzelnen aufgeführten Nebenkosten zu, sofern sie erstattungsfähig und in dem streitgegenständlichen Mietverhältnis tatsächlich angefallen sind. Eine Bereinigung der den Listen entnommenen Mietpreise zwecks Herstellung einer besseren Vergleichbarkeit ist dabei nicht erforderlich. Zwar beinhalten die Mietpreise in beiden Listen eine unterschiedliche hohe Haftungsreduzierung, da die Fraunhofer Tabelle eine Selbstbeteiligung zwischen 750,- und 950,- € (vgl. Fraunhofer Tabelle 2014, Seite 24) einpreist und die Schwacke-Liste eine solche bis zu 500,- € (vgl. Schwacke-Liste 2014, Seite 13). Der Unterschied ist jedoch aus Sicht der Kammer nicht derart erheblich, dass er korrigiert werden müsste, zumal er durch die Ermittlung des arithmetischen Mittels ohnehin nivelliert wird (vgl. hierzu auch OLG Hamm NZV 2016, 336 [OLG Hamm 18.03.2016 - 9 U 142/15], Tz. 27). Auch im Übrigen bedarf es keiner Korrektur der Werte der Fraunhofer Tabelle, da diese ausweislich ihrer Erläuterungen (Fraunhofer Tabelle 2014, Seite 24) Aufschläge und Zuschläge für besondere Ausstattungsmerkmale wie z.B. Navigationssystem oder Winterreifen vermeidet, sofern sie extra ausgewiesen und nicht bereits im Preis enthalten sind. Soweit dies nahelegt, dass von der Fraunhofer Tabelle zum Teil auch Mietpreise erfasst sein könnten, die Nebenkostenpositionen enthalten, hält die Kammer dies aus den vorgenannten Gründen gleichfalls für hinnehmbar.
Maßgeblich sind sowohl für die Schwacke-Liste als auch für die Fraunhofer Tabelle die jeweiligen Listen aus dem Jahr 2014, da sich der Unfall am 01.09.2014 ereignete. Damit liegt der Unfallzeitpunkt zwar außerhalb des Datenerhebungszeitraums der Fraunhofer Liste für das Jahr 2014 (01.03.2014 bis 31.07.2014). Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Mietpreisniveau sich im fraglichen Zeitraum bis zum Unfalltag nicht wesentlich verändert hat. Dies gilt angesichts der zeitlichen Nähe und des Umstands, dass sich nach der Erläuterungen im Editorial der Schwacke-Liste (Schwacke-Liste 2014, Seite 5) die Mietpreise in der Regel im Frühjahr ändern.
Als maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist von dem PLZ-Gebiet 410 für …… auszugehen. Maßgeblich ist das Preisniveau an dem Ort, an dem das Fahrzeug angemietet und übernommen wird (BGH, Urteil vom 11.03.2008, Az. VI ZR 164/07, NJW 2008 1519 juris-Rn. 11). Der maßgebliche Ort hierfür ist ….., was zwischen den Parteien unstreitig ist. Bei der Anwendung der Fraunhofer Tabelle hat die Kammer den zweistelligen Postleitzahlbereich und folglich das PLZ-Gebiet 41 zugrunde gelegt.
Die Schätzung erfolgt nach Fahrzeuggruppe 06, da sowohl das angemietete Fahrzeug als auch der Unfallwagen unstreitig dieser Fahrzeuggruppe angehörten.
Eine Mietdauer von 9 Tagen ist unstreitig. Bei der Bestimmung der Abrechnungseinheit teilt die Kammer den gesamten Mietzeitraum in Zeitabschnitte gemäß den Vorgaben der Listen auf. Danach ist hier der Mietpreis aus einer Wochenpauschale zuzüglich zwei Tagespauschalen zu ermitteln (so auch OLG Karlsruhe BeckRS 2011, 20780). Auf diese Weise wird ein bei vorzeitiger Rückgabe entstehender Mehraufwand berücksichtigt. Die von der Klägerin angewendete Methode einiger Oberlandesgerichte (u.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2015, Az. 1 U 114/14, zit. nach juris, Rn. 10; OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, Az. 15 U 186/12, zit. nach juris, Rn. 40), wonach der nach den Mietpreisspiegeln - nach Maßgabe der tatsächlichen Gesamtzeit - höchste Anmietzeitraum (Tagespauschale, 3-Tagespauschale oder Wochenpauschale) herangezogen und daraus ein durch Teilung sich ergebender Eintageswert errechnet wird, der dann mit den Gesamtmiettagen zu multiplizieren sei, zielt dagegen auf eine - nach § 287 ZPO nicht geforderte - Detailgenauigkeit, welche im Einzelfall ohnehin schwerlich erreichbar ist.
Bei der Ermittlung des Mietpreises nach der Schwacke-Liste legt die Kammer den sogenannten "Modus" zugrunde. Denn der "Modus" kommt der realen Marktsituation am nächsten, da er eine reine Angebotserhebung darstellt. Dies entspricht am besten der Situation des Geschädigten nach einem Verkehrsunfall, wenn dieser sich bei mehreren Vermietern nach den Tarifen erkundigt. Die Fraunhofer Tabelle weist dagegen von vornherein lediglich das arithmetische Mittel aller erhobenen Einzelwerte aus.
Als Nebenkosten sind die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs zu berücksichtigen. Diese Positionen sind ausweislich des Formulars "Fragebogen/Kundeninformation" (Anlage K2, Bl. 12 d.A.) vereinbart, da unter der Überschrift "Folgende Nebenkosten (…) fallen während der Mietzeit an" das Feld "Zustellung/Abholung" angekreuzt ist und das Formular Bestandteil des Mietvertrags ist. Den Anfall dieser Position hat die Beklagte nicht bestritten. Die entsprechenden Kosten gehören grundsätzlich zu dem erforderlichen Schadenersatz im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (OLG Köln NZV 2010, 614 [OLG Köln 18.08.2010 - 5 U 44/10]). Sie sind nur dann nicht erforderlich, wenn der Geschädigte ohne besonderen Aufwand das Fahrzeug von der Autovermietung entgegennehmen kann. Dies ist im Allgemeinen nicht der Fall, wenn - wie hier - der Firmensitz der Autovermietung vom Wohnsitz der Geschädigten verschieden ist.
Erstattungsfähig sind weiterhin Kosten für ein Navigationssystem. Die Vereinbarung ergibt sich auch insoweit aus dem Zusatzformular "Fragebogen/Kundeninformation" zum Mietvertrag. Die Kosten sind erstattungsfähig, da der Unfallwagen der Geschädigten mit einem Navigationssystem ausgestattet war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der entsprechenden Angabe der Geschädigten zum Unfallwagen in der von dieser unterzeichneten Abtretungserklärung vom 01.09.2014 (Anlage K3, Bl. 13 d.A.).
Nicht anzusetzen sind dagegen Nebenkosten für ein Automatikgetriebe. Sie sind in der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste nicht enthalten. Es ist davon auszugehen, dass sie bereits in den Grundpreisen - gemittelt - enthalten und daher nicht gesondert in Ansatz zu bringen sind (so KG BeckRS 2015, 12148; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, Az.: 15 U 186/12, NZV 2014, 314).
Gleichfalls nicht erstattungsfähig sind die Kosten für eine Haftungsreduzierung. Die von der Schwacke-Liste insoweit vorgesehenen Nebenkosten betreffen die Vereinbarung einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung unter 500,00 € (Schwacke-Liste 2014, Seite 424). Die Klägerin behauptet aber lediglich eine Haftungsreduzierung auf einen Selbstbehalt von 500,- €. Eine solche Haftungsbeschränkung ist ausweislich der Erläuterungen der Schwacke-Liste bereits in dem gemäß der Tabelle ausgewiesenen Normaltarif berücksichtigt (vgl. Schwacke-Liste 2014, Seite 3 und 13).
Nach Schwacke ergibt sich als Normaltarif folgende Schätzung (Beträge inkl. Mehrwertsteuer):
Wochenpauschale 417,00 € x 1 417,00 €
Tagespauschale 128,50 € x 2 257,00 €
Summe 674,00 €
Nach Fraunhofer ergibt sich als Normaltarif folgende Schätzung (Beträge inkl. Mehrwertsteuer):
Tagespauschale 100,18 € x 2 200,36 €
Summe 465,95 €
Hieraus ergibt sich der auf Basis des arithmetischen Mittels geschätzte Normaltarif unter Hinzurechnung der angefallenen und erstattungsfähigen Nebenkosten wie folgt:
arithmetisches Mittel 674,00 € + 465,95 € = 1.139,95 € : 2 569,98 €
zzgl. Navigationsgerät 10,00 € x 9 90,00 €
zzgl. Zustellung und Abholung 23,00 € x 2 46,00 €
Zwischensumme 705,98 €
Die Klägerin kann den Mietpreis nur bis zur Höhe dieses Normaltarifs von der Beklagten erstattet verlangen. Soweit sie der Klage einen über diesen Normaltarif hinausgehenden Mietpreis von 1.187,71 € zugrunde legt, hat sie keine Umstände dargetan, die einen über den Normaltarif liegenden Mietpreis rechtfertigen würden.
Nach der Rechtsprechung des BGH verstößt der Geschädigte noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB erforderlich sind (BGH NJW 2013, 1870, 1871).
Der Geschädigte kann diesen teureren Tarif allerdings nur dann verlangen, wenn der Mehrbetrag aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt oder der günstigere Normaltarif für den Geschädigten nicht ohne weiteres zugänglich war. Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - kein wesentlich günstigerer Tarif (nicht nur für Unfallgeschädigte) als der vereinbarte zugänglich war. Dabei kann sich die Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs auch daraus ergeben, dass dem Geschädigten aufgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit in seiner konkreten Anmietsituation nicht zumutbar war, sich vor der Anmietung nach günstigen Tarifen zu erkundigen. Eine solche Eil- und Notsituation kann auch dann fehlen, wenn eine Anmietung noch am Unfalltag stattfindet (BGH NJW 2013, 1870 [BGH 05.03.2013 - VI ZR 245/11]; NJW 2007, 2122 [BGH 20.03.2007 - VI ZR 254/05]).
Nach Maßgabe dessen hat die Klägerin die Erforderlichkeit der von ihr geltend gemachten Mietwagenkosten nicht dargetan.
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Geschädigte aufgrund der unfallbedingten Entscheidungssituation unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und trotz zumutbarer Anstrengungen keinen günstigeren Tarif vereinbaren konnte. Von einer Nachfrage nach günstigen Tarifen ist im Klagevortrag nicht die Rede. Weiterhin fehlt ein hinreichend konkreter Vortrag dazu, dass eine Entscheidungssituation, die eine besondere Eilbedürftigkeit der Anmietung begründet hätte, bestand. Eine Anmietung - wie hier - in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall allein indiziert nach den obigen Ausführungen jedenfalls noch keine besondere Eilbedürftigkeit.
Weiterhin kann die Klägerin den von ihr geltend gemachten, über dem Normaltarif liegenden Mietpreis nicht mit Erfolg darauf stützen, sie habe unfallbedingte Mehrleistungen erbracht, die die Vereinbarung eines Unfallersatztarifs oder einen Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigen könnten. Hierzu ist ein konkreter Sachvortrag zu den unfallbedingten Mehrleistungen erforderlich (BGH NJW 2008, 1519 [BGH 11.03.2008 - VI ZR 164/07]). Die Klägerin hat darzulegen, dass sie solche Mehrleistungen gerade der Geschädigten gegenüber unfallbedingt erbracht hat. Dies ist nicht der Fall.
Soweit die Klägerin sich darauf stützt, die Geschädigte habe sich nicht zur Hinterlegung einer Kaution bereit erklärt, weshalb die Anmietvoraussetzungen ihres Normaltarifs (Tarif I) nicht erfüllt gewesen seien, dringt sie damit letztlich nicht durch. Zwar hat der BGH die Vorfinanzierung des Mietpreises ohne gleichzeitige Sicherheitsleistung des Kunden grundsätzlich als einen allgemeinen unfallspezifischen Kostenfaktor, der einen höheren Mietpreis rechtfertigen kann, anerkannt (z.B. BGH, Urteil vom 05.03.2013, Az.: VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870).
Dies erfolgte jedoch mit der Einschränkung, dass der Unfallgeschädigte zur Leistung einer Sicherheit, in welcher Form auch immer, aufgefordert wurde, er hierzu nicht in der Lage war oder dies ihm sonst unzumutbar gewesen ist (BGH a.a.O.). Insoweit reicht es nicht aus, dass die Geschädigte in dem Formular "Fragebogen/Kundeninformation" (Anlage K 2, Bl. 12 d.A.) angekreuzt hat, sie sei nicht in der Lage die Anmietvoraussetzungen für den Tarif I zu erfüllen. Denn die genannte Anforderung des BGH verlöre jeden praktischen Wert, wenn sich die Geschädigte allein mit der formularmäßigen Angabe, sie sei "nicht in der Lage" einer weiteren Darlegung der insoweit maßgeblichen Umstände entledigen könnte. Der Geschädigten ist - auch ohne Darlegung der näheren finanziellen Verhältnisse - vielmehr zumutbar, zumindest generelle Angaben dazu zu machen, aus welchen Gründen sie keine Sicherheit leisten konnte. Zu diesen Gründen sowie zu den konkreten Umständen der Vereinbarung des teureren Servicetarifs hat die Klägerin jedoch nicht weiter vorgetragen. So bleibt insbesondere offen, in welcher Höhe der Geschädigten eine Kaution abverlangt worden war, ob sie diese aus finanziellen Gründen nicht habe leisten können oder ob ihr keine bzw. keine nach den Bedingungen der Klägerin geeignete Kreditkarte in der Anmietsituation zur Verfügung stand. Unabhängig davon, ob man diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Erforderlichkeit gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB oder im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB beurteilt, hätte die Klägerin jedenfalls im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näheren Vortrag dazu halten müssen (vgl. zur sekundären Darlegungslast BGH, a.a.O., Tz. 19; vgl. ferner OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.11.2012, Az.: 6 U 23/12, zit. nach juris, Rn. 22). Hierzu bestand auch Veranlassung, da die Beklagte in Abrede gestellt hat, dass die Geschädigte nicht in der Lage gewesen wäre, eine Kaution zu leisten, in Vorkasse zu treten oder aber keine Kreditkarte besitze. Im Übrigen dürfte die vorgenannte Klausel im "Fragebogen", in der der Kunde bestätigt, zur Erfüllung der Anmietvoraussetzungen des Selbstzahlertarifs nicht in der Lage zu sein, gegen § 309 Nr. 12 b BGB verstoßen und mithin unwirksam sein. Hinzu kommt, dass die Tarifgestaltung der Klägerin gemäß Anlage K11 (Bl. 197 d.A.) Treu und Glauben gemäß § 242 BGB widerspricht. Sie verlangt nämlich dem Kunden zur Abwendung des teureren Tarifs II eine unverhältnismäßig hohe Vorleistung, nämlich die Zahlung des Mietpreises plus einer Kaution, ab. Mithin kann die Klägerin nicht geltend machen, sie habe der Geschädigten eine echte Wahlmöglichkeit eingeräumt.
Weiterhin ergibt sich eine Rechtfertigung eines über den Normaltarif hinausgehenden Mietpreises auch nicht hinsichtlich sonstiger erhöhter betriebswirtschaftlicher Kosten. Insoweit fehlt es schon daran, dass diese gerade der Geschädigten gegenüber unfallbedingt erbracht worden sind.
Denn die Klägerin rechtfertigt nach ihrem eigenen Vortrag die Vereinbarung ihres sogenannten "Servicetarifes" - mithin die Nichtberücksichtigung ihres Selbstzahlertarifs - allein damit, dass die Geschädigte keine Kaution hinterlegt habe. Sonstige betriebswirtschaftliche Faktoren liegen damit der Preiskalkulation nicht zugrunde.
Die Klägerin hat somit nur Anspruch auf Erstattung des Normaltarifs in Höhe von 705,98 €.
Eine Kürzung des Anspruchs aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB ist nicht vorzunehmen.
Erforderlich hierzu ist die Darlegung, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war (BGH NJW 2008, 2190). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass der Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif als der von der Kammer geschätzte Normaltarif in der konkreten Situation zugänglich gewesen sei.
Die Klägerin muss sich von dem geschätzten Normaltarif in Höhe von 705,98 € jedoch ersparte Eigenaufwendungen der Geschädigten anrechnen lassen. Bei "klassengleicher" Abrechnung wie im vorliegenden Fall hält die Kammer in ständiger Rechtsprechung (vgl. das Urteil vom 10.10.2012, Az.: 16 S 83/12) einen Abschlag von 5% von dem Mietpreis insgesamt für ausreichend, aber auch für angemessen. Des Weiteren ist die bereits erfolgte Zahlung der Beklagten in Höhe von 689,00 € zu berücksichtigen. Es ergibt sich folgender Restanspruch:
abzgl. 5 % ersparte Eigenaufwendungen 35,30 €
Zwischensumme 670,68 €
abzgl. gezahlter 689,00 €
Endergebnis 0,00 €
Mangels eines Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen sowie auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
2. Die Klägerin hat im Fall 2 (Geschädigter ….) gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 7 StVG, 249 BGB, 115 VVG, 398 BGB in Höhe von 189,52 €.
Die Klägerin ist insoweit aktivlegitmiert. Die zu ihren Gunsten mit dem Geschädigten vorgenommene Abtretung des Schadenersatzanspruchs bezüglich des Ersatzes der Mietwagenkosten ist wirksam.
Der zugesprochene Betrag in Höhe von 189,52 € war für die Schadenbeseitigung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich.
Aus den vorgenannten Gründen wendet die Kammer auch in diesem Fall zwecks Ermittlung des Normaltarifs als Schätzungsgrundlage das arithmetische Mittel der beiden Markterhebungen ("Fracke") an. Die Parteien haben auch insoweit die Eignung dieser Schätzungsgrundlage nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine der Parteien mit konkreten Tatsachen aufgezeigt hätte, dass Mängel dieser Schätzmethode sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten und des beantragten Sachverständigengutachtens kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden. Die Beklagte hat insoweit zum Fall des Geschädigten … keinen weitergehenden Vortrag gehalten.
Auf Basis des arithmetischen Mittels ergibt sich im vorliegenden Fall für den Normaltarif ein Schätzbetrag von 714,52 €.
Dabei war für die Ermittlung des arithmetischen Mittels sowohl für die Schwacke-Liste als auch für die Fraunhofer Tabelle die jeweilige Liste aus dem Jahr 2014 maßgeblich. Der Unfallzeitpunkt, nämlich der 02.01.2015, liegt zwar außerhalb des Datenerhebungszeitraums beider Listen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Mietpreisniveau am Unfalltag von den Vorjahreslisten zutreffend abgebildet wird. Ausgehend davon, dass sich die Mietpreise in der Regel erst im Frühjahr des nachfolgenden Jahres ändern (Schwacke-Liste 2014, Seite 5), kommt eine Anwendung der Schwacke-Liste 2015 nicht Betracht, da für diese Daten erst ab April 2015 erhoben wurden (vgl. Schwacke-Liste 2015, Seite 5). Die Fraunhofer Tabelle 2015 beruht zwar auf Daten, die bereits ab dem 23.02.2015 (vgl. Einleitung Fraunhofer Tabelle 2015) erhoben wurden. Jedoch beruht sie auf Erhebungen, die bis Ende Juli 2015 reichen. Ihre Ergebnisse werden folglich ganz überwiegend von den Preisangaben ab Frühjahr 2015 beeinflusst. Trotz der zeitlichen Nähe des Unfalls zum Beginn des Erhebungszeitraums Ende Februar 2015 erscheint daher die Berücksichtigung des Marktpreisniveaus 2014 sachgerechter.
Als maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist unstreitig von dem PLZ-Gebiet 417 für …… auszugehen. An der Zugrundelegung des PLZ-Gebiets 470, von der bei der Berechnung des Klagebetrags ausgegangen wurde, hat die Klägerin ausweislich der Ausführungen auf Seite 2 im Schriftsatz vom 24.10.2017 (Bl.218 d.A.) nicht festgehalten. Hierfür sind auch keine Gründe ersichtlich. Bei der Anwendung der Fraunhofer Tabelle hat die Kammer den zweistelligen Postleitzahlbereich und folglich das PLZ-Gebiet 41 zugrunde gelegt. Die Schätzung erfolgt nach Fahrzeuggruppe 02. Denn unstreitig gehörte das angemietete Fahrzeug dieser Gruppe und der Unfallwagen der höheren Fahrzeuggruppe 04 an.
Eine Mietdauer von 11 Tagen ist unstreitig. Die Kammer ermittelt den Mietpreis anhand der Listen aus einer Wochenpauschale zuzüglich einer 3-Tagespauschale und einer Tagespauschale. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Fall 1 verwiesen. Bei der Ermittlung des Mietpreises nach der Schwacke-Liste legt die Kammer - soweit vorhanden - den sogenannten "Modus" zugrunde. Hinsichtlich der Wochenpauschale wendet sie, da insoweit ein Modus nicht existiert, das arithmetische Mittel an.
Als Nebenkosten ist die Ausstattung des Mietwagens mit Winterreifen zu berücksichtigen. Diese Position ist ausweislich des Formulars "Fragebogen/Kundeninformation" (Anlage K10, Bl. 24 d.A.) vereinbart, da unter der Überschrift "Folgende Nebenkosten (…) fallen während der Mietzeit an" das Feld "Winterbereifung" angekreuzt ist und das Formular Bestandteil des Mietvertrags ist. Angesichts des Anmietzeitpunkts Anfang Januar erscheint eine entsprechende Ausstattung des Fahrzeugs auch naheliegend. Die Kosten gehören zu dem erforderlichen Schadenersatz im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil v. 05.03.2013, NJW 2013, 1870 [BGH 05.03.2013 - VI ZR 245/11]) kann für eine Ausstattung mit Winterreifen eine gesonderte Vergütung verlangt werden, auch wenn der Vermieter die Überlassung eines verkehrstauglichen Fahrzeugs schuldet. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob der Unfallwagen des Geschädigten mit Winterreifen ausgestattet war. Denn das Mietwagenunternehmen hat den Mietwagen verkehrssicher zur Verfügung zu stellen, so dass der Geschädigte auf den Anfall dieser Kostenposition ohnehin keinen Einfluss hat. Im Übrigen ist auch davon auszugehen, dass der Unfallwagen des Geschädigten tatsächlich entsprechend ausgestattet war. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Angabe des Geschädigten zum Unfallwagen in der von ihm unterzeichneten Abtretungserklärung vom 02.01.2015 (Anlage K9, Bl. 23 d.A.).
Nicht anzusetzen sind Nebenkosten für eine Haftungsreduzierung. Auch im Falle des Geschädigten….. behauptet die Klägerin lediglich eine Haftungsreduzierung auf einen Selbstbehalt von 500,- €. Eine solche Haftungsbeschränkung ist bereits in dem gemäß der Tabelle ausgewiesenen Normaltarif bereits berücksichtigt. Es wird auf die Ausführungen zum Fall 1 Bezug genommen.
Nach Schwacke ergibt sich als Normaltarif folgende Schätzung (Beträge inkl. Mehrwertsteuer):
Wochenpauschale 506,19 € x 1 506,19 €
3-Tagespauschale 276,00 € x 1 276,00 €
Tagespauschale 95,00 € x 1 95,00 €
Summe 877,19 €
Nach Fraunhofer ergibt sich als Normaltarif folgende Schätzung (Beträge inkl. Mehrwertsteuer):
Wochenpauschale 164,99 € x 1 164,99 €
3-Tagespauschale 109,35 € x 1 109,35 €
Tagespauschale 57,50 € x 1 57,50 €
Summe 331,84 €
Hieraus ergibt sich der auf Basis des arithmetischen Mittels geschätzte Normaltarif unter Hinzurechnung der angefallenen und erstattungsfähigen Nebenkosten wie folgt:
arithmetisches Mittel 877,19 € + 331,84 € = 1.209,03 € : 2 604,52 €
zzgl. Winterreifen 10,00 € x 11 110,00 €
Zwischensumme 714,52 €
Die Klägerin kann den Mietpreis nur bis zur Höhe dieses Normaltarifs von der Beklagten erstattet verlangen. Soweit sie der Klage einen über diesen Normaltarif hinausgehenden Mietpreis von 1.184,86 € zugrunde legt, hat sie keine Umstände dargetan, die einen über den Normaltarif liegenden Mietpreis rechtfertigen würden.
Die Klägerin hat auch im Falle des Geschädigten …..nicht dargelegt, dass er erfolglos nach günstigeren Tarifen Nachfrage gehalten hat. Auch ergibt sich aus dem Klagevortrag nichts für eine Entscheidungssituation, die eine besondere Eilbedürftigkeit der Anmietung begründet hätte. Es kann insoweit auf die Ausführungen zu Fall 1 hinsichtlich der Anmietung am Unfalltag verwiesen werden. Letzteres gilt auch hinsichtlich der Behauptung unfallbedingter Mehrleistungen der Klägerin. Auch insoweit beschränkt sich der klägerische Vortrag - wie im Fall 1 - auf die Angabe des Geschädigten im "Fragebogen", er sei nicht in der Lage, die Anmietvoraussetzungen des Selbstzahlertarifs zu erfüllen.
Eine etwaige Eigenersparnis des Geschädigten ist nicht in Abzug zu bringen. Wenn auch die Inanspruchnahme eines Mietwagens einer niedrigeren Klasse nicht zu einem Wegfall einer Eigenersparnis führt, entspricht es einer weitüberwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein Ersparnisabzug der Billigkeit widerspräche, weil der Schädiger so in doppelter Weise entlastet würde (vgl. hierzu BGH DAR 2013, 379, Tz.26).
Dieser Auffassung ist aus dem genannten Grund der Vorzug zu geben. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor, da durch die Wahl eines Fahrzeugs zwei Klassen unter dem Unfallwagen eine doppelte Entlastung vermieden wird. In Abzug zu bringen ist allerdings die bereits erfolgte Zahlung der Beklagten. Es ergibt sich folgender Restanspruch:
Normaltarif nach "Fracke" 714,52 €
abzgl. gezahlter 525,00 €
Endergebnis 189,52 €
Der Zinsanspruch ab 12.03.2015 rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.03.2015 eine weitere Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
RechtsgebietMietwagenVorschriften§ 287 ZPO