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  • 12.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245386

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 23.05.2024 – 4 U 2/23

    Liegt eine Vereinbarung zwischen einem Schuldner und seinem Drittschuldner vor, die eine Zahlung auf ein treuhänderisch geführtes Fremdkonto einer Rechtsanwaltskanzlei vorsieht, und vereinbaren der zahlungsunfähige Schuldner und der beauftragte Rechtsanwalt dieser Kanzlei, welche Zahlungen noch an Gläubiger fließen sollen, ist der Insolvenzverwalter berechtigt, diese Kanzlei wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO in Anspruch zu nehmen, sofern die beratende Kanzlei zu diesen Gläubigern aufgrund ihres Honoraranspruchs zählt.

    Ein Bargeschäft i.S.d. § 142 Abs. 1 InsO ist nicht anzunehmen, wenn eine Rechtsanwaltskanzlei von einem dementsprechend eingesetzten Fremdkonto Leistungen auf ihre Honoraransprüche erhält. Es besteht gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 InsO auch eine persönliche Haftung der Gesellschafter einer Rechtsanwaltskanzlei als GbR nach § 721 S. 1 BGB für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Insolvenzanfechtung nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO.


    Tenor:

        1.

        Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.12.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-13 O 295/21) wie folgt abgeändert:

        Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 15.042,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.03.2021 zu zahlen.
        2.

        Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
        3.

        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
        4.

        Die Revision wird nicht zugelassen.
        5.

        Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.042,04 € festgesetzt.

    Gründe

    A.

    Der Kläger begehrt von den Beklagten Erstattung von Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung.

    Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 03.05.2018 vom Insolvenzschuldner X (Schuldner) beantragten und am 28.06.2018 vom Amtsgericht Darmstadt (Insolvenzgericht) eröffneten Insolvenzverfahren. In seinem Eröffnungsantrag gab der Schuldner Hauptforderungen i.H.v. 359.741,27 € an, darunter eine Forderung der Bank1 i.H.v. 268.285,06 €, sowie Nebenforderungen. Der Schuldner war als selbständiger Zahnarzt tätig und beauftragte die Beklagte zu 1) mit seiner rechtlichen Beratung. Der Beklagte zu 2) ist Rechtsanwalt und Gesellschafter der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

    Aufgrund von Krankheit verkaufte der Schuldner seine Praxis mit Vertrag vom 17.11.2017 an den Zeugen Y (Erwerber). Nach dem Vertrag schuldete der Erwerber als Kaufpreis 190.000 €. Nach § 10 Abs. 3 dieses Vertrags (Anlage K8, Bl. 74, 79 d. A.) sollte der Erwerber einen Teilbetrag von 35.160,30 € direkt an Firma1 überweisen, einem Gläubiger des Schuldners, den Rest auf ein noch zu benennendes Konto.

    Nach einem "Nachtrag" zu dem Vertrag (Anlage K8, Bl. 79 d. A.), auf die der Vertrag in § 10 Abs. 3 Bezug nimmt, sollte der Erwerber

        - einen weiteren Teilbetrag von 4.890,90 € mit dem Verwendungszweck "X, Kaufvertrag Praxis" direkt auf ein Konto der Beklagten zu 1) überweisen (was am 14.12.2017 so geschah), die dem Schuldner am 15.11.2017 ein Honorar in gleicher Höhe in Rechnung gestellt hatte (Anlage K7, Bl. 63 d. A.),

        - einen weiteren Teilbetrag von 3.000,00 € mit dem Verwendungszweck "Provision B" direkt auf ein anderes Konto der Beklagten zu 1) überweisen,

        - einen weiteren Teilbetrag von 146.948,80 € direkt an die Bank1 überweisen, die Gläubigerin des Schuldners war.

    Der Erwerber kaufte vom Schuldner zudem eine Cerec Einheit für 35.000 €, wovon ein Teil für die Ablösung eines Gläubigers verwendet wurde und der Schuldner 11.502,31 € erhalten sollte (Anlage B3, Bl. 214 d. A.). Den letztgenannten Teil des Kaufpreises sowie den genannten Teilbetrag von 3.000,00 € des Kaufpreises für die Praxis, insgesamt also 14.502,31 €, leistete der Erwerber auf ein Fremdkonto, welches die Beklagte zu 1) für den Schuldner führte, als "Treuhandkonto" bezeichnete und auf dem diese Summe am 14.12.2017 gutgeschrieben wurde (Anlage K6, Bl. 155 d. A.; Anlage B6, Bl. 229 d. A.; Anlage B7, Bl. 230 d. A.).

    Der Schuldner war vor dem Verkauf an einer schweren Depression erkrankt. Ab dem 14.09.2017 war er bis Februar 2018 arbeitsunfähig. Ab dem 02.10.2017 musste er stationär behandelt werden (Bl. 365 d. A.). Kurz zuvor erhielt die Beklagte zu 1) am 28.09.2017 eine Vollmacht betreffend "Schuldenbereinigung, Insolvenzantrag" (Anlage K10, Bl. 251 d. A.), deren Vollmachtstext von Rechtsanwältin A aus der Kanzlei der Beklagten zu 1) handschriftlich eingetragen worden war (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2022, S. 7, Bl. 370 d. A.). Der anschließende Verkauf der Praxis wurde von der Beklagten zu 1) beraten. Der Beklagte zu 2) war bei der Beklagten zu 1) der mandatsführende Rechtsanwalt, der zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern vermittelte.

    Zur Abwicklung dieser Zahlungen sollte ein auf die Beklagte zu 1) lautendes Fremdkonto verwendet werden, auf das vom Erwerber am 14.12.2017 die genannten 14.502,31 € eingezahlt worden waren (Anlage B6, Bl. 228 d. A.). Die Beklagte zu 1) führte sodann wie folgt sechs Zahlungen aus (Anlage K6, Bl. 155 d. A.):

    Am 14.12.2017 überwies die Beklagte zu 1) 4.288,00 € an den Gläubiger V GbR - den Vermieter des Schuldners - sowie 3.000,00 € an den Gläubiger W GmbH. Am 15.12.2017 überwies die Beklagte zu 1) 314,87 € an das Finanzamt Stadt1.

    Mit drei Zahlungen an sich selbst erfüllte die Beklagte zu 1) ihre Honorarforderungen gegenüber dem Schuldner aus den Rechnungen vom 15.12.2017 über 1.474,89 € mit einer Überweisung vom 21.12.2017, vom 18.01.2018 über 773,50 € mit einer Überweisung vom 19.01.2018 und vom 24.01.2018 über 299,86 € mit einer Überweisung vom gleichen Tag.

    Den verbleibenden Betrag von 4.351,17 € überwies die Beklagte zu 1) auf ein Konto des Schuldners.

    Der Kläger ficht gegenüber den Beklagten die Zahlungen in Höhe von 4.288,00 €, 3.000,00 €, 314,87 €, 1.474,89 €, 299,86 € und 773,50 € - zusammen 10.151,12 € - sowie die Zahlung vom 14.12.2017 von 4.890,90 € auf ein anderes Konto der Beklagten zu 1) zugunsten ihrer eigenen Honorarforderung - insgesamt 15.042,02 € - unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Benachteiligung an.

    Der Kläger stellte am 30.12.2021 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Dessen Bekanntgabe wurde vom Landgericht am 14.01.2022 veranlasst (Bl. 86 d. A.). Mit Beschluss des Landgerichts vom 17.02.2022 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das Landgericht sah die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung für nicht gegeben an. Die am 10.03.2022 ohne Prozesskostenhilfe anhängig gemachte Klage wurde am 12.05.2022 zugestellt, nachdem der Kostenvorschuss vom Landgericht am 09.05.2022 angefordert und sodann umgehend vom Kläger bezahlt wurde.

    Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass das von der Beklagten zu 1) geführte Fremdkonto ein Treuhandkonto gewesen sei. Das Mandat habe die Schuldenbereinigung des Schuldners umfasst, wie der Gegenstand der Vollmacht zeige. Der Schuldner sei spätestens ab dem 01.12.2017 zahlungsunfähig gewesen, was die Beklagte zu 1) erkannt habe. Jedenfalls müsse sich die Beklagte zu 1) die Kenntnis ihres geschäftsführenden Gesellschafters - des Beklagten zu 2) - zurechnen lassen. Der Beklagte zu 2) habe durch die Verhandlungen mit den Gläubigern Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners gehabt. Der Schuldner habe der Beklagten zu 1) im Übrigen von seiner Zahlungsunfähigkeit berichtet. Als Gesellschafter der GbR hafte der Beklagte zu 2) für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1) (Bl. 138 d. A.).

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ging davon aus, dass die Voraussetzungen des Insolvenzanfechtungstatbestands des § 133 Abs. 1 InsO nicht erfüllt seien. Die Beklagte zu 1) sei nur Zahlungsmittlerin gewesen. Es sei nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1) an der Auswahl beteiligt gewesen sei, an welche Gläubiger noch Zahlungen geleistet werden (Urteil, S. 4 f.). Der Kläger habe ein kollusives Zusammenwirken zwischen Schuldner und Beklagter zu 1) nicht nachgewiesen. Zwar spreche der Vollmachtstext für eine beidseitige Kenntnis von einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit und die Aussage des Schuldners in seiner Zeugenvernehmung zu seiner eigenen Zahlungsfähigkeit sei nicht glaubhaft gewesen (Urteil, S. 5). Das Landgericht war aber davon überzeugt, dass der Schuldner nicht in die Auswahl der begünstigten Gläubiger involviert gewesen sei (Urteil, S. 5). Die Zahlungsempfänger seien im Übrigen in einem Nachtrag zum Kaufvertrag bestimmt worden. Wer den Vertrag nebst Nachtrag erstellt habe, sei jedoch vom Kläger nicht bewiesen worden (Urteil, S. 6). Hinsichtlich der angefochtenen Zahlung von 4.890,90 € habe der Kläger keine Kenntnis der Beklagten am 14.12.2017 von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners beweisen können. Für eine entsprechende Kenntnis habe es zwar mehrere Umstände gegeben, das Landgericht habe aber Restzweifel nicht überwinden können (Urteil, S. 7).

    Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Schuldners als Zeuge. Der Schuldner hat in seiner Vernehmung angegeben, dass der Beklagte zu 2) die Abwicklung des Praxisverkaufs verhandelt und die Verhandlung mit dem Hauptgläubiger, der Bank1, geführt habe (Bl. 369 d. A.), dem mitgeteilt worden sei, dass er länger erkrankt sei und die Zahlungen möglicherweise nicht mehr weiterleisten könne wie noch in der Vergangenheit (Bl. 369 d. A.). Der Schuldner gab ferner an, dass er und der Beklagte zu 2) besprochen hätten, welche Gläubiger wie bedient werden sollten (Bl. 368 f. d. A.), darunter auch die Beklagte zu 1) mit ihren Honorarforderungen (Bl. 372 d. A.). Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme vom 16.11.2022 (Bl. 364 ff. d. A.) Bezug genommen. Zur weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit er zu den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Widerspruch steht.

    Die Entscheidung des Landgerichts wurde dem Kläger am 08.12.2022 zugestellt. Gegen diese hat der Kläger am 05.01.2023 Berufung eingelegt und diese am 07.02.2023 begründet.

    In zweiter Instanz vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.

    Der Kläger beantragt zuletzt,

    das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 15.042,04 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.03.2021 zu verurteilen.

    Die Beklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagten verteidigen das klageabweisende Urteil und tragen vor, dass die Überweisung des Erwerbers von 4.890,90 € auf ihr eigenes Konto zur Erfüllung ihrer eigenen Honorarrechnung sowie ihre Überweisung am 14.12.2017 von 3.000,00 € an den Gläubiger W GmbH auf eine Weisung des Schuldners sowie des Erwerbers zurückgehe, der damit den Kaufpreis entsprechend der Anlage zu dem Kaufvertrag habe erfüllen wollen (Klageerwiderung S. 10, Bl. 208 d. A.). Der Erwerber habe daher eigene Interessen verfolgt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Finanzamt die Zahlung auf das Fremdgeldkonto erstattet habe (Klageerwiderung S. 10, Bl. 208 d. A.). Die Beklagten behaupten, dass sie lediglich die betriebswirtschaftliche Auswertung für das Einzelunternehmen des Schuldners mit Stand Oktober 2017 kannten (Anlage B10, Bl. 237 d. A.), hingegen keine Anhaltspunkte für eine eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit hatten. Gegen einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und eine vermeintliche Kenntnis der Beklagten spreche im Übrigen, dass der Schuldner gute Umsätze erzielt sowie ein hohes Krankentagegeld erhalten habe und später wieder in seinem Beruf tätig gewesen sei. Die Erfüllung der drei weiteren Honorarforderungen der Beklagten zu 1) sei schließlich ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO und daher nicht anfechtbar. Die Beklagten haben im Übrigen in erster Instanz die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 256 d. A.).

    B.

    Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Die Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

    I. Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1) für die angefochtenen Zahlungen und den vereinnahmten Betrag ein Anspruch aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO in der ab dem 05.04.2017 geltenden Fassung zu (vgl. Art. 103j Abs. 1 EGInsO). Der Beklagte zu 2) haftet für diese Verbindlichkeit der Gesellschaft nach § 721 Satz 1 BGB persönlich.

    Anfechtbar ist nach § 133 Abs. 1 InsO eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO).

    Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

    Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:

    1. Es liegt eine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO vor.

    a) Die sechs Zahlungen der Beklagten zu 1) von einem für den Schuldner treuhänderisch geführten Fremdkonto waren gläubigerbenachteiligend. Von einer Gläubigerbenachteiligung ist nach allgemeiner Meinung auszugehen, wenn die Aktivmasse des Schuldners verkürzt wurde (BGH, Urteil vom 09.12.2021 - IX ZR 201/20, NJW 2022, 1465 Rn. 12; BGH, Urteil vom 23.06.2022 - IX ZR 75/21, NZI 2022, 777 [BGH 23.06.2022 - IX ZR 75/21] Rn. 12; Bartels, in: Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 80. Lfg. 6/2019, § 129 Rn. 161; Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 44). Das Vermögen auf dem Fremdkonto stand unstreitig dem Schuldner zu. Die Beklagte zu 1) hat in ihrem Schreiben vom 01.10.2019 (Anlage K6) und in ihrem Schreiben vom 17.05.2018 (Anlage B6, S. 2, Bl. 229 d. A.) selbst von einem Treuhandkonto geschrieben. Es handelte sich also nicht um Eigenvermögen der Beklagten zu 1). Dem Schuldner stand vielmehr aus dem Auftrag bzw. dem Treuhandverhältnis eine Forderung gegen die Beklagte zu 1) auf Auskehr des Guthabens auf dem für ihn treuhänderisch geführten Fremdkonto zu. Nachdem der Schuldner die Beklagte zu 1) angewiesen hatte, aus diesem Vermögen seine Gläubiger zu befriedigen, erfüllte die Beklagte zu 1) die Anweisung und ließ damit die Forderung des Schuldners gegen sich untergehen (§ 362 Abs. 1 BGB). Spiegelbildlich verlor der Schuldner seine Forderung gegen die Beklagte zu 1). Eine solche "Anweisung auf Schuld" i.S.v. § 787 Abs. 1 BGB ist nach ganz herrschender Meinung gläubigerbenachteiligend (BGH, Beschluss vom 16.10.2008 - IX ZR 147/07, NZI 2009, 56 Rn. 9; Kayser/Freudenberg, in: MüKoInsO, 4. Aufl. 2019, § 129 Rn. 78; Kirstein, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 5. Aufl. 2023, § 129 Rn. 39; Jacobi/Böhme NZI 2012, 865).

    b) Auch die Erfüllung des Anspruchs des Schuldners gegen den Erwerber in Höhe von 4.890,90 € durch dessen Zahlung auf ein Eigenkonto der Beklagten zu 1) war gläubigerbenachteiligend, da auch hier eine Anweisung auf Schuld vorlag.

    aa) Die nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO zurückzugewährenden Werte müssen nach der Rechtsprechung des BGH nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt. Für den Dritten muss allerdings erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat (BGH, Urteil vom 17.03.2011 - IX ZR 166/08, NJW-RR 2011, 988 Rn. 10; Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 41).

    bb) Zur Aktivmasse des Schuldners gehörte eine Forderung gegen den Erwerber. Diese ging unter, als der Erwerber weisungsgemäß auf ein Konto der Beklagten zu 1) leistete (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB). Diese wiederum befriedigte damit ihre eigene Honorarforderung. Sie erkannte, dass es sich wirtschaftlich um eine Leistung des Schuldners handelte, denn die Beklagte zu 1) hatte den Kaufvertrag zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Erwerber beraten.

    c) Es kann dahinstehen, ob das Finanzamt zu einem späteren Zeitpunkt die angefochtene Zahlung erstattet hat. Die Frage einer Gläubigerbenachteiligung ist vielmehr isoliert zu betrachten und unabhängig von einer etwaigen Vorteilsausgleichung (Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 45).

    2. Die Zuwendung des Erwerbers an die Beklagte zu 1) sowie die sechs Überweisungen der Beklagten zu 1) auf Konten von Gläubigern des Schuldners und ihr eigenes Konto stellen Rechtshandlungen des Schuldners i.S.v. §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 1 InsO dar.

    Eine Rechtshandlung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO ist jedes von einem Wollen getragene Verhalten, das in irgendeiner Weise Rechtswirkungen zur Folge haben kann (K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 129 Rn. 26). Zu den erfassten Rechtshandlungen gehören auch mittelbare Zuwendungen, also Rechtshandlungen des Schuldners, durch die dessen unmittelbare Leistung an den Empfänger durch das Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird (Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 41; Kirstein, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 5. Aufl. 2023, § 129 Rn. 14; Bograkos, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 5. Aufl. 2023, § 133 Rn. 8). Eine solche mittelbare Zuwendung ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner seinen eigenen Schuldner veranlasst, die geschuldete Leistung nicht ihm, sondern einem Gläubiger zu erbringen (BGH, Urteil vom 14.10.2010 - IX ZR 16/10, NZI 2011, 189 Rn. 8; BGH, Urteil vom 28.01.2021 - IX ZR 64/20, NZI 2021, 387 Rn. 13; Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 41).

    a) Die Vereinbarung des Schuldners mit dem Erwerber, den geschuldeten Kaufpreis teilweise seiner Gläubigerin - der Beklagten zu 1) - zu erbringen, stellt eine rechtsgeschäftliche Handlung dar. Sie ermöglichte die Befriedigung eines Gläubigers, was für den Begriff der Rechtshandlung genügt (Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 133 Rn. 18). Dass der Schuldner diese Vereinbarung mit dem Erwerber getroffen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig.

    b) Es genügt, dass der Schuldner die Zuwendung an die weiteren Gläubiger durch einen Leistungsmittler ausführen ließ (vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 129 Rn. 41). Weist der Schuldner nämlich einen Dritten an, ist dessen Rechtshandlung dem Schuldner zuzurechnen (Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 133 Rn. 18). Diese Anweisung gab der Schuldner durch den von ihm abgeschlossenen Kaufvertrag mit dem Erwerber nebst Nachtrag (Anlage K8). In seiner Vernehmung gab der Schuldner glaubhaft an, dass er mit dem Beklagten zu 2) besprochen habe, wie etwas abzulösen, welchem Gläubiger also etwas zuzuwenden ist (Bl. 368 d. A.).

    3. Die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen vorsätzlicher Benachteiligung liegen vor.

    a) Eine Anfechtung gegenüber der Beklagten zu 1), die das Fremdkonto zugunsten des Schuldners verwaltet und die Zahlungen weisungsgemäß ausgeführt hat, ist nach § 133 InsO grundsätzlich möglich. Der zahlungsvermittelnde Verwaltungstreuhänder ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht schutzwürdig, wenn er infolge seiner Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, der sich nicht nur auf die Begründung der Verwaltungstreuhand beschränkt, sondern eine Masseverkürzung durch die auf diesem Wege ermöglichten mittelbaren Zuwendungen an bestimmte Insolvenzgläubiger einschließt, sich auch die weitere Gläubigerbenachteiligung zurechnen lassen muss (BGH, Urteil vom 26.04.2012 - IX ZR 74/11, NJW 2012, 1959 [BGH 26.04.2012 - IX ZR 74/11] Rn. 15; ebenso Bork, in: Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 92. Lfg. 6/22, § 133 Rn. 71). Der Verwaltungstreuhänder ist dann gesamtschuldnerisch mit den Empfängern der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet. Seine Regressmöglichkeit nach § 426 Abs. 1 BGB mildert sein eigenes anfechtungsrechtliches Haftungsrisiko (BGH, a.a.O.). In der Rechtsprechung des BGH werden derartige Insolvenzanfechtungen zugelassen, wenn sich die Mitwirkung des Anfechtungsgegners nicht allein in der Erledigung des Zahlungseingangs erschöpft, sondern aufgrund einer Vereinbarung mit dem Schuldner Bereitschaft erklärt wurde, weisungsgemäß an ausgewählte Gläubiger zu leisten. Damit erfährt der Anfechtungsgegner eine eigene maßgebliche Rolle und verfolgt zumindest die Sonderinteressen des Schuldners (BGH, Urteil vom 14.09.2017 - IX ZR 3/16, NZI 2018, 114 [BGH 14.09.2017 - IX ZR 261/15] Rn. 22; ebenso Bork, in: Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 92. Lfg. 6/22, § 133 Rn. 71).

    So verhält es sich hier. Der Beklagten zu 1) kam durch die Anlegung des Fremdkontos, dessen Guthaben sie nach ihren eigenen Schreiben treuhänderisch für den Schuldner verwaltet hat, die Beratung des Schuldners und die Ausführung der Zahlungen an ausgewählte Insolvenzgläubiger eine maßgebliche Rolle zu. Nur durch diese Rolle war es möglich, beträchtliches Vermögen vom direkten Zugriff der Gläubiger abzuschirmen. Sie kannte den Kaufvertrag, der auf einen Nachtrag Bezug nimmt, und beriet den Verkauf samt Abwicklung. In diesem Nachtrag waren nicht nur die begünstigten Gläubiger genannt, sondern auch die Daten zu zwei ihrer Bankkonten, die für die Zahlungen verwendet werden sollten. Der Schuldner hat glaubhaft angegeben, mit dem Beklagten zu 2) besprochen zu haben, welcher Gläubiger noch eine Zuwendung erhalten sollte. Die Beklagte zu 1) verfolgte damit zum einen die Sonderinteressen des Schuldners, ausgewählte Insolvenzgläubiger zu befriedigen, zum anderen ihre eigenen Interessen, auf diese Weise vier Honorarrechnungen bezahlt zu bekommen. Soweit die Beklagte zu 1) im Nachhinein ihre Rolle zu relativieren versuchte, erschien dies nicht überzeugend, da die hier gewählte Abschirmung von Vermögen nur durch die Unterstützung der Beklagten zu 1) möglich wurde. Dass die Beklagte zu 1) zwar in vier Fällen, aber nicht in allen hier streitgegenständlichen Fällen wirtschaftlich eine Leistung erhalten hat, steht der Anwendung von § 133 InsO nicht entgegen, da weder § 133 InsO - anders als etwa §§ 130, 131, 135 InsO - noch die Rechtsprechung des BGH verlangen, dass der Anfechtungsgegner wirtschaftlich selbst etwas erhalten hat.

    b) Der Schuldner handelte bei den angefochtenen Rechtshandlungen mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, da er seine Zahlungen eingestellt hatte und erkannte oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, aufgrund seiner langwierigen Krankheit auch künftig seine Gläubiger nicht vollständig befriedigen zu können, gleichwohl noch ausgewählte Insolvenzgläubiger befriedigen wollte.

    aa) Benachteiligungsvorsatz liegt vor, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger gewollt oder sie jedenfalls als mutmaßliche Folge seines Handelns erkannt und gebilligt hat, sei es auch als sogar unerwünschte Nebenfolge eines anderen erstrebten Vorteils (sog. dolus eventualis; BGH, Urteil vom 23.06.2022 - IX ZR 75/21, NZI 2022, 777 Rn. 17; BGH, Urteil vom 13.10.2022 - IX ZR 130/21, NZI 2023, 143 Rn. 9; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 133 Rn. 35).

    bb) Ein solcher Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Rechtshandlung zahlungsunfähig i.S.v. § 17 InsO war. Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720 Rn. 15).

    Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz eines Schuldners setzt im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit ferner voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen (BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720, 2. Leitsatz und Rn. 31). Wird als Beweisanzeichen auf die erkannte Zahlungseinstellung abgestellt, gilt, dass der Schuldner in der Regel dann auch seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat (BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720, 2. Leitsatz und Rn. 41).

    cc) Ein starkes Beweisanzeichen ist im Grundsatz eine inkongruente Deckung bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnisses, da ein Schuldner in der Regel nicht breit ist, zu Gunsten seines Gläubigers etwas zu leisten, auf das der Gläubiger keinen Anspruch hat oder dies zu dieser Zeit nicht verlangen kann (BGH, Urteil vom 23.06.2022 - IX ZR 75/21, ZInsO 2022, 1734 Rn. 40; Bograkos, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 5. Aufl. 2023, § 133 Rn. 66).

    dd) Die Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Schuldner hatte seine Zahlungen ab dem 01.12.2017 eingestellt und die in der Klageschrift S. 5 f. genannten Verbindlichkeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28.06.2018 nicht erfüllt. Der Vortrag des Klägers deckte sich mit der eigenen Aufstellung des Schuldners in seinem Eröffnungsantrag. So gab auch der Schuldner an, dass beispielsweise bis zuletzt eine bedeutende Forderung i.H.v. 31.338,76 € gegen ihn geltend gemacht wurde. Diese Verbindlichkeiten haben die Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach substantiiert bestritten, sodass die dargelegten Tatsachen nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln waren. Da der Schuldner am 28.09.2017 eine Vollmacht betreffend "Schuldenbereinigung, Insolvenzantrag" (Anlage K10, Bl. 251) ausgestellt hatte, war ihm die wirtschaftliche Lage augenscheinlich nicht verborgen geblieben. Daran ändert nichts, dass der Schuldner diese Vollmacht auch in Vorgriff auf seinen stationären Klinikaufenthalt und motiviert durch nahestehende Person ausgestellt haben mag. Entscheidend ist, dass ihm offenbar die wirtschaftliche Lage klargeworden war, da andernfalls kein Bedarf an einer solchen Vollmacht bestanden hätte. Jedermann - und damit auch dem Schuldner - war im Übrigen klar, dass seine Gläubiger keinen Anspruch darauf hatten, durch Zahlungen des Erwerbers der Praxis befriedigt zu werden. Diese inkongruenten Leistungen wurden in beengten finanziellen Verhältnissen und in Anbetracht der gesundheitlichen Lage des Schuldners allein deshalb vorgenommen, da der Schuldner nur so - also nicht mit eigener Liquidität - die Gläubiger befriedigen konnten.

    Der Schuldner gab in seiner Vernehmung vor dem Landgericht eindeutig zu verstehen, dass es die Aufgabe des Beklagten zu 2) gewesen sei, für die Befriedigung ausgewählter Gläubiger zu sorgen, namentlich die Leasinggeber zu bezahlen (Protokoll vom 16.11.2022, Bl. 368 und 369 d. A.). Er selbst habe mit dem Beklagten zu 2) "besprochen, wie etwas abzulösen ist" (Protokoll vom 16.11.2022, Bl. 368 d. A.). Eindrücklich beschrieb er die Funktion des Fremdkontos, welches Vermögen vom direkten Zugriff der übrigen Gläubiger abhalten sollte, in seiner Vernehmung als "Verschiebekonto" (Protokoll vom 16.11.2022, Bl. 369 d. A.). Ferner räumte er in seiner Vernehmung ein, dass der Beklagte zu 2) einem maßgeblichen Gläubiger, der Bank1, mitteilen sollte, dass aufgrund seiner Krankheit "Zahlungen vielleicht nicht so weiterlaufen, wie sie das bisher getan haben" (Protokoll vom 16.11.2022, Bl. 369 d. A.).

    Durch seine schwere Erkrankung, die Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.09.2017, die stationäre Behandlung ab dem 02.10.2017 und das zeitlich begrenzte Krankentagegeld fehlte es an einer konkreten Aussicht darauf, durch eine Fortsetzung seiner ärztlichen Tätigkeit jedenfalls künftig seine übrigen Gläubiger vollständig befriedigen zu können. Stattdessen wollte er mithilfe der Beklagten zu 1) ausgewählte Gläubiger befriedigen - darunter die ihn beratende Beklagte zu 1) - und nahm jedenfalls billigend in Kauf, mangels greifbarer und konkreter wirtschaftlicher Perspektive auch künftig die übrigen Gläubiger nicht vollständig befriedigen zu können. Eine etwaige Hoffnung (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720 Rn. 36), etwa durch eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nach Überwindung der schweren Erkrankung, war daher jedenfalls nicht konkretisiert oder konkretisierbar, sondern blieb allenfalls vage. Insoweit konnte dem Schuldner nicht verschlossen geblieben sein, dass die in seiner Vernehmung erwähnten Zahlungen der KZV für seine zahnärztlichen Leistungen auslaufend waren, da er aufgrund seiner langwierigen Krankheit arbeitsunfähig war und damit keine neuen Vergütungsansprüche generieren konnte.

    Unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls (vgl. §§ 525 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist das Berufungsgericht nach alldem überzeugt, dass der Schuldner nach Einstellung der Zahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten, nach Erteilung der auf den Eröffnungsantrag bezogenen Vollmacht, der planmäßigen, anwaltlich abgestimmten Befriedigung von ausgewählten Gläubigern - einschließlich seiner eigenen beratenden Kanzlei - und im Wissen um seine gesundheitliche Situation, die am 14.12.2017 einer greifbaren und konkreten wirtschaftlichen Perspektive entgegenstand, zumindest billigend in Kauf genommen hat, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht befriedigen zu können.

    c) Die Beklagte zu 1) hatte zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen i.S.v. § 133 Abs. 1 InsO Kenntnis von dem Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen.

    aa) Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist ebenso wie der Vorsatz selbst eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-)Tatsachen hergeleitet werden. Die einzelnen Beweisanzeichen dürfen nicht schematisch angewandt werden und müssen umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt werden (BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720 Rn. 11 f.; BGH, Urteil vom 23.06.2022 - IX ZR 75/21, NZI 2022, 777 Rn. 17; BGH, Urteil vom 13.10.2022 - IX ZR 130/21, NZI 2023, 143 Rn. 9 f.).

    bb) Die Beklagte zu 1), die sich das Wissen ihrer geschäftsführenden Gesellschafter zurechnen lassen muss (vgl. § 31 BGB analog, § 166 Abs. 1 BGB; Leuschner, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 24; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 31 Rn. 9), hatte Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen:

    Erstens erhielt die Beklagte zu 1) unstreitig am 28.09.2017 - mithin wenige Monate vor den hier angefochtenen Zahlungen - eine Vollmacht betreffend "Schuldenbereinigung, Insolvenzantrag" (Anlage K10, Bl. 251 d. A.), deren Vollmachtstext von ihrer geschäftsführenden Gesellschafterin, Rechtsanwältin A, handschriftlich eingetragen worden war.

    Zweitens hatte der Beklagte zu 2) nach der glaubhaften Aussage des damals kranken Schuldners im Zuge der Vollmachtserteilung die Aufgabe erhalten, einem maßgeblichen Gläubiger, der Bank1, mitzuteilen, dass aufgrund der Krankheit des Schuldners "Zahlungen vielleicht nicht so weiterlaufen, wie sie das bisher getan haben" (Protokoll vom 16.11.2022, Bl. 369 d. A.).

    Drittens spricht die unstreitige Einrichtung eines Fremdkontos für den Schuldner, das vom Schuldner als "Verschiebekonto" bezeichnet wurde, und die vom Schuldner beschriebene, ausgewählte Befriedigung von Insolvenzgläubigern dafür, dass die Beklagte zu 1) den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht nur erkannt hatte, sondern durch ihre Beratung die Abschirmung des Vermögens zur punktuellen Befriedigung von Insolvenzgläubigern - sich eingenommen - erst ermöglichte.

    Viertens war die Befriedigung der höchsten Honorarforderung durch den Schuldner des Schuldners (Drittschuldner) inkongruent, was die Beklagte zu 1) erkannt hatte, da sie den Verkauf nebst Abwicklung zwischen dem Schuldner mit dessen Schuldner beraten hatte. Die Beklagte zu 1) hatte auch keinen Anspruch darauf, von einem Fremdgeldkonto Vermögen auf ein Eigenkonto zu überweisen, um eigene Honorarforderungen zu befriedigen. Die Inkongruenz ist nach der Rechtsprechung des BGH und dem Schrifttum im Grundsatz ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des anderen Teils (BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720 Rn. 31; Bork, in: Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 92. Lfg. 6/22, § 133 Rn. 72; Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 133 Rn. 46), was in der vorliegenden Konstellation überzeugend ist, da die Beklagte zu 1) durch die Beratung des Verkaufs den Rahmen dafür geschaffen hatte, eine Direktzahlung vom Drittschuldner des beratenen Schuldners zu erhalten.

    Fünftens ist der Beklagten zu 1) unstreitig die gesundheitliche Situation des Schuldners bekannt gewesen. Mangels einer greifbaren und konkreten wirtschaftlichen Perspektive war der Beklagten zu 1) klar, dass der Schuldner zumindest billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht befriedigen zu können (vgl. zur Anforderung an die Kenntnis des Anfechtungsgegners BGH, Urteil vom 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720 Rn. 36).

    Mit diesen Tatsachen ist dem Kläger in der Gesamtschau der Vollbeweis für den subjektiven Tatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO gelungen, da das Berufungsgericht nach dem Inhalt der Verhandlung und der vorgelegten Urkunden nach freier Überzeugung davon überzeugt ist, dass die Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 1) habe Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt, für wahr zu erachten ist (vgl. §§ 525 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insoweit konnte die Beklagte zu 1) nicht überzeugend darlegen, dass der eindeutige Text der Vollmacht nicht für eine Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners sprach, sondern ohne wirtschaftlichen Anlass rein vorsorglich erteilt wurde. Die Beklagte zu 1) konnte auch nach mehrfacher Anhörung in der mündlichen Verhandlung keinen vernünftigen Grund dafür darlegen, dass das "Verschiebekonto" gerade nicht der Abschirmung von Vermögen - auch zu ihren Gunsten - diente, sondern redlichen Motiven. Schließlich vermochte die Beklagte zu 1) das Beweisanzeichen der Inkongruenz nicht zu widerlegen und konnte keine Begründung nennen, warum sie nicht erkannt haben soll, dass sie nur deshalb von einem Drittschuldner bezahlt wurde und Vermögen von einem Fremdkonto erhielt, weil dies der - gesundheitlich stark erkrankte - Schuldner aus eigener Kraft nicht mehr vermochte.

    Damit kommt es auf den Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht mehr an.

    4. Die angefochtenen Zahlungen wurden innerhalb der Anfechtungsfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ausgeführt. Soweit die Rechtshandlungen der Beklagten zu 1) Befriedigungen gewährt haben, ist die kürzere Anfechtungsfrist des § 133 Abs. 2 InsO maßgeblich, die ebenfalls gewahrt wurde.

    5. Der Anfechtung der Honorarzahlungen auf ein Konto der Beklagten zu 1) bzw. der Vereinnahmung des Geldes für ihre Honorarforderungen steht § 142 InsO nicht entgegen.

    Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nach dem sog. Bargeschäftsprivileg nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

    Die Darlegungs- und Beweislast für die Ausnahmeregelung des § 142 InsO trägt der Anfechtungsgegner (van Rossum, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 5. Aufl. 2023, § 142 Rn. 55; Riggert, in: Braun, InsO, 9. Aufl. 2022, § 142 Rn. 28). Die Beklagten haben schon nicht hinreichend dargelegt, dass der Austausch von jeder Leistung und Gegenleistung jeweils unmittelbar i.S.v. § 142 InsO war. Die schlagwortartige Behauptung in der Klageerwiderung (S. 11) genügte insoweit nicht.

    Dem ungeachtet kommt das Bargeschäftsprivileg auch deshalb nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind (siehe oben unter 3.) und der Schuldner durch die Einrichtung des "Verschiebekontos" - also einer Methode der Haftungsvereitelung - unlauter handelte und die Beklagte zu 1) davon Kenntnis hatte (vgl. Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 142 Rn. 17; Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl. 2023, § 142 Rn. 17). Die Beklagte zu 1), eine Rechtsanwaltskanzlei, beriet und ermöglichte die Vorgehensweise und war in erheblichen Maße Profiteur von selbiger, was in der Gesamtschau als Kenntnis von der unlauteren Handlung des Schuldners zu bewerten ist.

    6. Der Insolvenzanfechtungsanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährung des geltend gemachten Insolvenzanfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 146 Abs. 1 InsO). Der Anfechtungsanspruch entsteht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zu diesem Zeitpunkt fällig (Büteröwe, in: K. Schmidt, InsO, 20. Aufl. 2023, § 143 Rn. 2). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann frühestens mit Ende des Jahres 2018 zu laufen, da das Insolvenzverfahren 2018 eröffnet wurde.

    Die dafür allerdings auch zu beachtenden subjektiven Voraussetzungen können hier offenbleiben, denn die Verjährung wurde jedenfalls durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gehemmt. Es mag sein, dass der Antrag unzulässig, unschlüssig oder unbegründet war, jedoch hemmt auch ein solcher Antrag die Verjährung (Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 204 Rn. 30). Im Grundsatz gelten für die Hemmung der Verjährung die §§ 203 ff. BGB, hier also § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB. Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag missbräuchlich gestellt wurde, ergeben sich weder aus dem Antrag, der Kammerentscheidung des Landgerichts noch aus den Schriftsätzen der Beklagten.

    Für das Ende der Hemmung gilt die sechs-Monats-Regelung nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB. Mit Beschluss des Landgerichts vom 17.02.2022 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die schon am 10.03.2022 ohne Prozesskostenhilfe anhängig gemachte Klage wurde zwar erst am 12.05.2022 zugestellt, was aber immer noch in der Zeit des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB lag. Zudem wurde der Kostenvorschuss vom Landgericht erst am 09.05.2022 angefordert. Dieser wurde sodann umgehend vom Kläger bezahlt, sodass die Verzögerung, nicht zu Lasten des Klägers gehen kann.

    7. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 143 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO, §§ 819, 291 Satz 1, 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007 - IX ZR 96/04, NJW-RR 2007, 557 [BGH 01.02.2007 - IX ZR 96/04] Rn. 22).

    a) Schuldnerverzug i.S.v. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB lag jedenfalls nach Ablauf der in der Mahnung vom 04.02.2021 gesetzten Frist (Bl. 15 d. A.) ab dem 05.03.2021 vor.

    b) Rechtshängigkeit trat mit Zustellung der Klage am 24.05.2022 (Bl. 196 d. A.) ein (vgl. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1, 166 ff. ZPO). Die Zinspflicht entstand diesbezüglich entsprechend § 187 Abs. 1 BGB am folgenden Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit (BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15, NJW 2017, 2986 Rn. 103; Lorenz, in: BeckOK BGB, 70. Ed. 01.05.2024, § 291 Rn. 7), mithin am 25.05.2022.

    8. Der Beklagte zu 2) ist nach der nicht angegriffenen Feststellung des Landgerichts, die der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Gesellschafter der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft folgt aus § 721 Satz 1 BGB. Weder das BGB noch die InsO sehen bei der Akzessorietätshaftung Einschränkungen dergestalt vor, dass ein Gesellschafter nicht für Verbindlichkeiten der GbR aus Insolvenzanfechtung haftet.

    Allerdings können die Personengesellschaft und deren Gesellschafter nicht gesamtschuldnerisch zur Rückgewähr verurteilt werden, denn zwischen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihren Gesellschafter besteht keine Gesamtschuld i.S.v. § 421 BGB (Gehrlein, in: BeckOK BGB, 69. Ed. 01.02.2024, § 421 Rn. 10; Heinemeyer, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 421 Rn. 42). Die Gesellschafter haften nicht gleichstufig zur Gesellschaft, sondern akzessorisch zur primär haftenden Gesellschaft. Da der klagende Insolvenzverwalter dessen ungeachtet vollständig obsiegt, ist für § 92 ZPO kein Raum.

    II. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diese Norm erfasst auch die Kosten für das Rechtsmittelverfahren (Schulz, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 91 Rn. 22).

    2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung folgt aus § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis unterblieb wegen §§ 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach sollen Schuldnerschutzanordnungen unterbleiben, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aufgrund einer Beschwer, die 20.000 € nicht übersteigt, nicht zulässig.

    3. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die Entscheidung beruht hinsichtlich der angefochtenen Zahlungen auf der Fallgruppe "Anweisung auf Schuld", die seit dem Beschluss vom 16.10.2008 - IX ZE 147/07, NZI 2009, 56 [BGH 16.10.2008 - IX ZR 147/07] Rn. 9 der ständigen Rechtsprechung des BGH entspricht. Sie beruht ferner auf der Fallgruppe der mittelbaren Zuwendungen, die ebenfalls mehrfach vom BGH geklärt wurde (BGH, Urteil vom 14.10.2010 - IX ZR 16/10, NZI 2011, 189 Rn. 8; BGH, Urteil vom 28.01.2021 - IX ZR 64/20, NZI 2021, 387 Rn. 13). Die Entscheidung beruht schließlich auf der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung gegenüber zahlungsvermittelnden Verwaltungstreuhändern (BGH, Urteil vom 26.04.2012 - IX ZR 74/11, NJW 2023, 1959 Rn. 15), von der nicht abgewichen wurde.

    RechtsgebietInsolvenzVorschriften § 143 InsO § 129 InsO § 133 InsO