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  • 15.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238304

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 24.08.2023 – 4 U 444/23

    Wird nicht dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und erst später mit der Prozessführung beauftragt war, kommt der Ansatz einer Geschäftsgebühr für eine vorprozessuale Zahlungsaufforderung nicht in Betracht.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 24.08.2023

    4 U 444/23

    In dem Rechtsstreit
    W... H..., ...
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte G... R... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ...
    gegen
    M... Krankenversicherung a.G., ...
    vertreten durch den Vorstand
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte:
    B... L... D... Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, ...

    wegen Feststellung, Forderung und Auskunft

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    xxx

    ohne mündliche Verhandlung am 24.08.2023 beschlossen:

    Tenor:

    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
    2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
    3. Der auf Dienstag, 12.09.2023, 15.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
    4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.023,84 € festzusetzen.

    Gründe

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

    1.

    Der Senat geht davon aus, dass der Kläger in der Berufungsinstanz nur noch die Abweisung der Klage im Hinblick auf die Beitragserhöhungen zum 01.01.2019 und 01.01.2021 sowie die Abweisung der Klage im Hinblick auf die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten angreift. Soweit die Berufungsbegründung auf S. 4 unten und S. 5 Mitte einen Verweis auf die Beitragsanpassung zum 01.01.2020 enthält, findet dies weder in den Anträgen noch im übrigen Vortrag des Klägers eine Stütze, so dass der Senat insoweit von einem redaktionellen Versehen ausgeht.

    2.

    Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die formelle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen zum 01.01.2019 und zum 01.01.2021 bejaht. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.

    a)

    In dem dem Mitteilungsschreiben vom November 2018 beigefügten Schreiben "Informationen zu Ihrer Beitragsanpassung" ist auf Seite 1 der Schwellenwertmechanismus wie folgt beschrieben:

    "Der erste Faktor prüft ob die Abweichung der erwarteten von den einkalkulierten Versicherungsleistungen größer ist als der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen genannte Schwellenwert. Dieser beträgt in der Regel 5 %. In den Tarifen ...".

    Die gesetzliche Verpflichtung zur Überprüfung der Beiträge in Form der Verpflichtung der Faktoren "Leistungsausgaben" und "Sterbewahrscheinlichkeit" ist ebenfalls auf S. 1 dieses Informationsschreibens wie folgt beschrieben:

    "Der Gesetzgeber verpflichtet alle Krankenversicherungsunternehmen zu einer jährlichen Gegenüberstellung der tatsächlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Dies geschieht für jeden Tarif separat ..."

    Auf Seite 2 des Informationsblattes ist dann ausdrücklich der im Falle des Klägers betroffene Tarif 861 genannt, der auslösende Faktor mit "Versicherungsleistungen" bezeichnet und die Höhe des Faktors mit "+ 19,81 %" beziffert. Dies genügt.

    b)

    Gleiches gilt für die Beitragsanpassung zum 01.01.2021. Das dortige Informationsblatt enthält bis auf geringfügige sprachliche Abweichungen die gleichen Informationen wie das Informationsblatt für das Jahr 2019. Auch hier wird auf S. 2 der im einzelnen betroffene Tarif, der auslösende Faktor und - überobligatorisch - der exakte Wert der Abweichung, nämlich "+12,18%" genannt. Mehr kann nicht verlangt werden.

    3.

    Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Der Senat hat in einem gleichgelagerten Fall mit den gleichen Prozessbevollmächtigten und gleichgelagertem Vortrag zu den Rechtsverfolgungskosten folgendes ausgeführt:

    "Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (so  BGH, Urteil vom 22.06.2021 - VI ZR 353/20 - juris). Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ist dann kein Raum mehr (so BGH, a.a.O.). Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwaltes beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Der Kläger hat darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt hat (so  BGH, Urteil vom 22.06.2021 - VI ZR 353/20 - juris). Dazu liegt hier indes kein Vortrag vor. Es kann in diesem Zusammenhang auch offen bleiben, ob die weitere Voraussetzung des Erstattungsanspruchs, dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus Sicht des Klägers mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war, woran es deshalb fehlen könnte, weil der Beklagte bekanntermaßen nicht auf außergerichtliche Aufforderungsschreiben hin zahlt." (Urteil vom 20.12.2022 - 4 U 1223/22).

    Hieran hält der Senat fest.

    Der Senat rät angesichts all dessen zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 19 RVG