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  • 11.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224018

    Landgericht Frankfurt/Oder: Urteil vom 20.01.2021 – 16 S 121/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Frankfurt an der Oder

    Urteil vom 20.01.2021

    16 S 121/20

    In dem Rechtsstreit
    xxx
    hat das Landgericht Frankfurt (Oder) - 6. Zivilkammer - durch die XXX, die XXX und den XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2021 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Eberswalde vom 24.04.2020, Az. 2 C 367/19, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Kläger zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

    II.

    Auf die zulässige und begründete Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

    1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,- €. Mit den Ausführungen im Beschluss vom 02.07.2020 im Verfahren 16 T 83/20 wird die Beschwer der Beklagten gemäß § 3 ZPO auf rund 1.700,- € geschätzt.

    Unschädlich ist zudem, dass die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinen förmlichen Sachantrag angekündigt hat, weil ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zweifelsfrei erkennbar war (vgl. BGH, Beschl. v. 13.07.1982, VI ZB 5/82, juris Rn. 6).

    2. Ihr Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist die Klage zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

    a) Die Klage ist zulässig. Legt der Schuldner Widerspruch gegen die Anmeldung einer Forderung ein, die vom Gläubiger als aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultierend bezeichnet wird, kann der Insolvenzgläubiger Klage auf Feststellung dieses Rechtsgrundes erheben (BGH, Urt. v. 21.06.2007, IX ZR 29/06, juris Rn. 7; BGH, Urt. v. 18.01.2007, IX ZR 176/05, juris Rnrn. 10f). So verhält es sich hier. Die Beklagte ist der Anmeldung der Forderung zur Tabelle des Insolvenzverwalters als solcher nicht entgegengetreten und wendet sich lediglich gegen das Forderungsattribut, dass diese aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung herrühre.

    b) Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat der Anbringung eines die Erteilung der Restschuldbefreiung hindernden Forderungsattributs mit Recht widersprochen.

    aa) Die Klägerin ist gemäß §§ 5 OEG, 81a BVersG zwar Inhaberin der als solchen unstreitigen Forderung auf Ersatz von schädigungsbedingten Versorgungsleistungen geworden.

    bb) Die hier zur Tabelle angemeldete Forderung ist jedoch nicht als eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO herrührend zu werten.

    Für die Annahme eines vorsätzlichen Handelns wird in Rechtsprechung und Literatur verlangt, dass sich der Vorsatz auf die Verletzung des absolut geschützten Rechtsguts oder Schutzgesetzes und auf die Schadensfolge bezieht (BGH, Beschl. v. 21.06.2007 aaO Rn. 10; Stephan in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. § 302 Rn. 8a; Wenzel in: Kübler/Prütting/Bork, Kommentar zur Insolvenzordnung, 72. Eg., § 302 Rn. 3).

    Zur Frage, ob die Bestimmung des §§ 302 Nr. 1 InsO bereits unmittelbar dahin zu verstehen ist, dass dieser Vorsatz konkret in der Person des Insolvenzschuldners bestanden haben muss, werden divergierende Auffassungen vertreten. Hierfür spricht sich Cymutta (Anmerkungen zu AG Eberswalde, Urt. v. 03.04.2020, 3 C 366/19, beck-online) aus. Dagegen wird in der Literatur zum wertungsgleichen (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2007 aaO Rn. 23; BGH, Urt. v. 21.07.2011, IX ZR 151/10, juris Rn. 10) § 850f BGB - freilich ohne nähere Begründung - vertreten, dass dem Gläubiger das Pfändungsprivileg auch gegen den Erben des aus unerlaubter Handlung verschärft haftenden Schuldners zur Seite stehe (Stöber in: Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn. 1192; Würdinger in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. § 850f Rn. 11; Smid in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. § 850f Rn. 16).

    Wenngleich für die erste Ansicht gewichtige Gründe gegeben sein dürften, bedarf diese Frage keiner abschließenden Entscheidung, denn vorliegend sprechen jedenfalls Billigkeitsgesichtspunkte gegen eine verschärfte Haftung der Beklagten.

    Unbeschadet der zum Schutzzweck des § 302 Nr. 1 ZPO vertretenen Ansichten ist die Nachhaftung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen ihres besonderen Unrechtsgehalts gerechtfertigt, weshalb es Billigkeitsgesichtspunkte sind, die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegen (BGH, Beschl. v. 21.06.2007 aaO Rn. 9; BGH, Beschl. v. 25.06.2015, IX ZR 199/14, juris Rn. 14). Es war die Absicht des Gesetzgebers, die Nachhaftung des Schuldners, der ein Insolvenzverfahren durchlaufen hat, auf Ausnahmen zu beschränken (BGH, Beschl. v. 25.06.2015, aaO Rn. 15).

    Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor; der Gedanke der Unbilligkeit einer Haftungsentlastung rührt gerade aus dem Umstand der vorsätzlich verursachten Schädigung des Gläubigers her (BGH, Beschl. v. 21.06.2007, aaO Rn. 10). Unter Billigkeitsgesichtspunkten ist es zunächst nicht geboten, den Insolvenzschuldner, der - wie hier die Beklagte - nachträglich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die ursprünglich aufgrund vorsätzlich rechtswidriger unerlaubter Handlung begründete Forderung eingerückt ist, einer verschärften Haftung zu unterwerfen. Entscheidend ist hier, dass es gerade unbillig erschiene, dem Zessionar über das Schädigervermögen hinausgehende Zugriffsmöglichkeiten zu eröffnen. Denn offenkundig ist der Schädiger hier selbst nicht leistungsfähig gewesen. Nach dessen Ableben auf die Beklagte übergegangenes Vermögen hätte diese im Rahmen des Insolvenzverfahrens bzw. des für die Erlangung der Restschuldbefreiung notwendigen Wohlverhaltens zur Schuldtilgung einzusetzen gehabt. Soweit ihr dies mangels des Übergangs von Aktivpostens nicht möglich war, hätte die Beklagte, folgte man der Rechtsauffassung des Klägers, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zukünftig in einem wesentlich weiteren Umfang, als der Geschädigte einen Ersatz vom Schädiger hätte erlangen können, einzusetzen.

    Unberücksichtigt hat es bei dieser Abwägung zu bleiben, dass die Beklagte ihre Enthaftung auch im Wege der Ausschlagung der Erbschaft oder durch Erklärung der Nachlassinsolvenz hätte erreichen können. Denn der Umstand, dass sie gemäß § 1922 BGB grundsätzlich als Gesamtrechtsnachfolgerin für sämtliche Verbindlichkeiten des Erblassers einzustehen hat, ist rechtlich unabhängig von der Frage des Umfangs der Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1 InsO zu betrachten.

    3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

    Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    4. Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit ist weder von grundsätzlicher Bedeutung, noch weicht die Kammer bei ihrer Entscheidung insbesondere aufgrund der Billigkeitserwägungen von bestehender höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung ab, so dass weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern.

    RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 302 InsO