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  • 16.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216879

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 30.04.2020 – C-191/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    30. April 2020(*)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung ‒ Luftverkehr ‒ Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ‒ Ausgleichsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung ‒ Nichtbeförderung ‒ Annullierung ‒ Flug mit Anschlussflug ‒ Umbuchung eines Teilflugs einer Beförderung im Luftverkehr gegen den Willen des Fluggasts ‒ Ankunft des Fluggasts ohne Verspätung an seinem Endziel“

    In der Rechtssache C‑191/19

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Februar 2019, in dem Verfahren

    OI

    gegen

    Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und F. Biltgen,

    Generalanwalt: P. Pikamäe,
    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    ‒        von OI, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,
    ‒        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und A. Berg als Bevollmächtigte,
    ‒        der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll als Bevollmächtigte,
    ‒        der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Bertelmann und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

    2

    Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen OI und der Air Nostrum Líneas Aéreas del Mediterráneo SA (im Folgenden: Air Nostrum) über einen von OI geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 wegen gegen ihren Willen vorgenommener Änderungen ihrer Buchung.

    Rechtlicher Rahmen
    Unionsrecht

    3

    In den Erwägungsgründen 1 bis 4 sowie 9 und 10 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:

    „(1)      Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

    (2)      Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen sind für die Fluggäste ein Ärgernis und verursachen ihnen große Unannehmlichkeiten.

    (3)      Durch die Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr [(ABl. 1991, L 36, S. 5)] wurde zwar ein grundlegender Schutz für die Fluggäste geschaffen, die Zahl der gegen ihren Willen nicht beförderten Fluggäste ist aber immer noch zu hoch; dasselbe gilt für nicht angekündigte Annullierungen und große Verspätungen.

    (4)      Die Gemeinschaft sollte deshalb die mit der genannten Verordnung festgelegten Schutzstandards erhöhen, um die Fluggastrechte zu stärken und um sicherzustellen, dass die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in einem liberalisierten Markt harmonisierten Bedingungen unterliegt.



    (9)      Die Zahl der gegen ihren Willen nicht beförderten Fluggäste sollte dadurch verringert werden, dass von den Luftfahrtunternehmen verlangt wird, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen, anstatt Fluggästen die Beförderung zu verweigern, und denjenigen, die letztlich nicht befördert werden, eine vollwertige Ausgleichsleistung zu erbringen.

    (10)      Fluggäste, die gegen ihren Willen nicht befördert werden, sollten in der Lage sein, entweder ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu stornieren oder diese unter zufrieden stellenden Bedingungen fortzusetzen, und sie sollten angemessen betreut werden, während sie auf einen späteren Flug warten.“

    4

    Art. 1 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

    „Durch diese Verordnung werden unter den in ihr genannten Bedingungen Mindestrechte für Fluggäste in folgenden Fällen festgelegt:

    a)      Nichtbeförderung gegen ihren Willen,

    b)      Annullierung des Flugs,

    c)      Verspätung des Flugs.“

    5

    Art. 2 Buchst. h, j und l der Verordnung bestimmt:

    „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck



    h)      ‚Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;



    j)      ‚Nichtbeförderung‘ die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;



    l)      ‚Annullierung‘ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.“

    6

    Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

    „(1)      Diese Verordnung gilt

    a)      für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

    b)      sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

    (2)      Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

    a)      über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und ‒ außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 ‒ sich

    ‒        wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden

    oder, falls keine Zeit angegeben wurde,

    ‒        spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder

    b)      von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür.“

    7

    In Art. 4 Abs. 3 der Verordnung heißt es:

    „Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9.“

    8

    Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung sieht vor:

    „Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen



    c)      vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

    i)      sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

    ii)      sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

    iii)      sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.“

    9

    In Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:

    „(1)      Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

    a)      250 [Euro] bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,

    b)      400 [Euro] bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,

    c)      600 [Euro] bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

    Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.



    (4)      Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Entfernungen werden nach der Methode der Großkreisentfernung ermittelt.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    10

    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens buchte über das Reiseunternehmen L’TUR Tourismus AG einen Flug mit Anschlussflug, der es ihr ermöglichte, von Jerez de la Frontera (Spanien) über Madrid (Spanien) nach Frankfurt am Main (Deutschland) zu reisen. Dieser Flug mit Anschlussflug, dem eine einzige Buchung zugrunde lag, bestand aus einem ersten von Air Nostrum ausgeführten Flug von Jerez de la Frontera nach Madrid mit der Nr. IB 8505, planmäßigem Abflug am 3. Oktober 2015 um 13.35 Uhr und planmäßiger Landung am selben Tag um 14.45 Uhr und anschließend einem zweiten Flug von Madrid nach Frankfurt am Main mit der Nr. AB 5325, planmäßigem Abflug am 3. Oktober 2015 um 20 Uhr und planmäßiger Landung am selben Tag um 22.40 Uhr.

    11

    Die Buchung der Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde gegen ihren Willen geändert, so dass sie vom ersten Flug IB 8505 auf den Flug IB 8507 umgebucht wurde, der in Jerez de la Frontera am 3. Oktober 2015 gegen 17.55 Uhr startete und am selben Tag gegen 19.05 Uhr in Madrid landete.

    12

    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens verließ Madrid auf dem planmäßigen Weiterflug um 20 Uhr und kam in Frankfurt am Main zehn Minuten früher als geplant an.

    13

    Sie erhob beim Amtsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Klage gegen Air Nostrum auf Ausgleichszahlung gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 wegen der einseitig vorgenommenen Änderungen. Das Gericht wies die Klage der Klägerin des Ausgangsverfahrens ab, da sie ihr Endziel innerhalb der durch Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 vorgegebenen Fristen erreicht habe.

    14

    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen diese Entscheidung beim Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Berufung ein. Sie meint, ihr stehe auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 eine Ausgleichszahlung wegen einer Nichtbeförderung zu. Einschränkungen dieses Anspruchs, wie sie für Fälle einer Annullierung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii dieser Verordnung vorgesehen seien, könnten nicht angewendet werden.

    15

    Das Landgericht Frankfurt am Main weist darauf hin, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den Gerichtshof abhänge. Es stellt erstens fest, die Klägerin des Ausgangsverfahrens könne nur dann einen Ausgleichsanspruch gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 haben, wenn die Umbuchung zu einer Nichtbeförderung geführt habe. Es handele sich nämlich vorliegend nicht um einen Fall der Annullierung, da der Flug, auf dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens ursprünglich befördert werden sollte, durchgeführt worden sei. Die Umbuchung eines Fluggasts gegen dessen Willen auf einen späteren Flug falle unter Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004, wenn der ursprüngliche Flug durchgeführt werde. Eine andere Auslegung dieser Bestimmung könne zu einer Umgehung der Rechtsfolgen dieser Verordnung durch die Luftfahrtunternehmen führen.

    16

    Zweitens fragt es sich, ob Art. 5 Abs. 1 Bucht. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 auf Fälle der Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung analog angewandt werden könne.

    17

    Unter diesen Umständen hat das Landgericht Frankfurt am Main beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.      Stellt die Umbuchung eines zur Abfertigung am Flughafen erscheinenden Fluggasts, der für einen bestimmten Flug über eine bestätigte Buchung verfügt, gegen dessen Willen auf einen späteren Flug einen Fall der Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar, wenn der Flug, auf den sich die bestätigte Buchung des Fluggasts bezieht, weiter durchgeführt wird?

    2.      Sofern dies bejaht wird: Ist die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Bucht. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 auf Fälle der Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung analog anzuwenden?

    Zu den Vorlagefragen
    Zur ersten Frage

    18

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass die Umbuchung eines zur Abfertigung am Flughafen erscheinenden Fluggasts, der für einen bestimmten Flug über eine bestätigte Buchung verfügt, gegen dessen Willen auf einen späteren Flug einen Fall der Nichtbeförderung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, obwohl der Flug, auf den sich seine Buchung bezieht, durchgeführt wird.

    19

    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, van der Lans, C‑257/14, EU:C:2015:618, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    20

    Von dieser Möglichkeit ist in dem vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren Gebrauch zu machen.

    21

    Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich nicht hervor, dass sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens tatsächlich innerhalb der in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgegebenen Fristen zur Abfertigung eingefunden hat.

    22

    Der Gerichtshof ist deshalb nicht in der Lage, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Situation wie die der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegende unter Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 fallen kann.

    23

    Dagegen steht fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens mittels eines Fluges mit Anschlussflug befördert wurde, wobei sie trotz der Änderung, die den ersten Teilflug der Beförderung betraf, ihr Endziel mit dem zweiten Teilflug der von ihr gebuchten Beförderung erreichte.

    24

    Darüber hinaus steht fest, dass die Vorlagefrage im Rahmen eines Rechtsstreits über die Gewährung einer Ausgleichszahlung durch das Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gestellt wird.

    25

    Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, damit dieses den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheiden kann, ist seine erste Frage demnach umzuformulieren und davon auszugehen, dass es wissen möchte, ob die Verordnung Nr. 261/2004, insbesondere ihr Art. 7, dahin auszulegen ist, dass einem Fluggast, der für einen Flug mit Anschlussflug über eine einzige Buchung verfügt, eine Ausgleichszahlung zusteht, wenn seine Buchung gegen seinen Willen geändert wurde mit der Folge, dass er den ersten Teilflug seiner gebuchten Beförderung nicht antrat, obwohl dieser Flug durchgeführt wurde, und dass er auf einen späteren Flug umgebucht wurde, der es ihm ermöglichte, den zweiten Teilflug seiner gebuchten Beförderung anzutreten und damit sein Endziel zur planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

    26

    Hierzu ist festzustellen, dass ein Flug mit einem oder mehreren Anschlussflügen, die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, für die Zwecke des in der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Wegener, C‑537/17, EU:C:2018:361, Rn. 18 und 19).

    27

    Der Gerichtshof hat daher rechtliche Schlussfolgerungen aus der Situation des betreffenden Fluggasts gezogen, wie sie sich nach seiner Beförderung im Luftverkehr, d. h. bei der Ankunft an seinem in Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 261/2004 definierten Endziel, darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Mai 2018, Wegener, C‑537/17, EU:C:2018:361, Rn. 17, und vom 26. Februar 2013, Folkerts, C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 34 und 35).

    28

    Bei Flügen mit Anschlussflug ergibt sich diese Auslegung bereits aus dem Wortlaut dieses Art. 2 Buchst. h, wonach „verfügbare alternative Anschlussflüge … unberücksichtigt [bleiben], wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird“.

    29

    Der Gerichtshof hat speziell zum Ausgleichsanspruch bei Flügen mit Anschlussflug entschieden, dass Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass einem Fluggast, der sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts, C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 47).

    30

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach ihrer Beförderung im Luftverkehr ihr Endziel ohne Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte.

    31

    Daher kann ihr kein Ausgleichsanspruch auf der Grundlage von Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 zustehen.

    32

    Zwar soll mit der Verordnung Nr. 261/2004, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1 und 2 ergibt, Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten für die Fluggäste bei einer Beförderung im Luftverkehr abgeholfen werden, und verursacht die Umbuchung eines Teilflugs der Beförderung für den betroffenen Fluggast eine Unannehmlichkeit. Diese Unannehmlichkeit kann jedoch nicht als „groß“ im Sinne der Verordnung angesehen werden, wenn der Fluggast sein Endziel zur planmäßigen Ankunftszeit erreicht.

    33

    Demnach liefe es dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 zuwider, einen Fluggast wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach Art. 7 der Verordnung zu entschädigen.

    34

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 261/2004, insbesondere ihr Art. 7, dahin auszulegen ist, dass einem Fluggast, der für einen Flug mit Anschlussflug über eine einzige Buchung verfügt, keine Ausgleichszahlung zusteht, wenn seine Buchung gegen seinen Willen geändert wurde mit der Folge, dass er den ersten Teilflug seiner gebuchten Beförderung nicht antrat, obwohl dieser Flug durchgeführt wurde, und dass er auf einen späteren Flug umgebucht wurde, der es ihm ermöglichte, den zweiten Teilflug seiner gebuchten Beförderung anzutreten und damit sein Endziel zur planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

    Zur zweiten Frage

    35

    In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

    Kosten

    36

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

    Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, insbesondere ihr Art. 7, ist dahin auszulegen, dass einem Fluggast, der für einen Flug mit Anschlussflug über eine einzige Buchung verfügt, keine Ausgleichszahlung zusteht, wenn seine Buchung gegen seinen Willen geändert wurde mit der Folge, dass er den ersten Teilflug seiner gebuchten Beförderung nicht antrat, obwohl dieser Flug durchgeführt wurde, und dass er auf einen späteren Flug umgebucht wurde, der es ihm ermöglichte, den zweiten Teilflug seiner gebuchten Beförderung anzutreten und damit sein Endziel zur planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

    RechtsgebietFluggastrechteVorschriftenArt. 4 FluggastrechteVO