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  • 12.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211117

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 07.06.2019 – 17 W 8/19

    1. Die Erledigungserklärung gem. § 91a ZPO kann auch schlüssig erfolgen.

    2. Die vorbehaltlose Zahlung der Klagesumme hat in der Regel zur Folge, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO zu tragen hat.


    OLG Frankfurt
    17. Zivilsenat

    07.06.2019

    17 W 8/19

    Beschluss

    Tenor

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

    Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Der Gebührenstreitwert entspricht dem Kosteninteresse der Parteien.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger hat ursprünglich als Eigentümer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen A wegen eines Verkehrsunfallgeschehens am XX.XX.2017 um 00:54 auf der C gegen die Beklagte zu 1) als Fahrzeugführerin und Halterin des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen B Schadensersatz klageweise geltend gemacht.

    Die Beklagte zu 1) war nach einem Platzen des Reifens verunfallt und auf der linken Fahrspur der C mit dem Fahrzeug schräg zum Stillstand gekommen. Ob sie vor Verlassen des Fahrzeuges die Warnblinkanlage eingeschaltet hatte, steht zwischen den Parteien im Streit. Jedenfalls blieb das Standlicht eingeschaltet. Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug ebenfalls die linke Fahrspur der BAB. Die Straßenführung in Fahrtrichtung des Klägers ist leicht ansteigend mit einer leichten Rechtskurve. Um nicht mit dem liegen gebliebenen Fahrzeug der Beklagten zu 1) zu kollidieren, zog der Kläger sein Fahrzeug nach rechts und kollidierte mit einem auf der mittleren Fahrspur fahrenden LKW, den der Kläger zu überholen gedachte.

    Die Frage der Erkennbarkeit des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) für den Kläger vor dem Unfallgeschehen, dessen daran anknüpfende Reaktionszeit und die von ihm gefahrene Geschwindigkeit steht zwischen den Parteien im Streit.

    Nachdem die Beklagte zu 2) bereits vorgerichtlich quotal einen Teil des von dem Kläger geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruchs an diesen gezahlt hatte, brachte sie mittels Ankündigung in einem Schreiben vom 13. August 2018 - nach Rechtshängigkeit der Klage und zeitgleich mit dem die Klageabweisung beantragenden Schriftsatz des Beklagtenvertreters - den restlich geltend gemachten materiellen Schaden des Klägers gut. Offen blieben zunächst die mit der Klage geltend gemachten restlichen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers.

    Im Hinblick auf die Zahlung der Beklagten zu 2) auf den materiellen Anspruch erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

    Der Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem prozessleitend die wechselseitig benannte Zeugen geladen worden waren, ist von dem Einzelrichter des Landgerichts danach aufgehoben worden.

    Nachdem der Einzelrichter wegen der noch offenen Rechtsverfolgungskosten eine Vorgehensweise nach § 128 Abs. 2 ZPO angeregt und auf eine mögliche umfassende Erledigung und Entscheidung gem. § 91a ZPO im Falle der Zahlung auch dieser Kosten durch die Beklagten hingewiesen hatte, zahlte die Beklagte zu 2) auch diesen Betrag an den Kläger, so dass dieser (auch insoweit) die Erledigung der Hauptsache erklärte. Die Beklagten reagierten nicht mehr. Der Einzelrichter fasste sodann den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe des § 91a ZPO mit der Kostenquote von 25% zulasten des Klägers. Der Ablauf des Unfallgeschehens sei unklar, die Zahlung der Beklagten zu 2) beinhalte kein Schuldeingeständnis und sei auch ansonsten motivational indifferent.

    Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Klägers mit der er die Bevollmächtigung des Prozessvertreters der Beklagten rügt und die vollständige Kostenlast der Beklagten mit dem Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2) begründet.

    Nach Aufforderung durch den Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine schriftliche und zeitlich aktuell datierte Prozessvollmacht der Beklagten vorgelegt und nach weiterem Hinweis des Senats erklärt, die Beklagten hätten die (seine) bisherigen Prozesshandlungen genehmigt.

    Dem ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht mehr entgegengetreten. Eine weitergehende sachliche Einlassung zur Beschwerde ist seitens der Beklagten nicht erfolgt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 91a Abs. 2; 567 ff. ZPO.

    Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, §§ 91a; 100 Abs. 4 ZPO. Hiervon erfasst sind auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Das Landgericht hat zu Recht nach beiderseitiger Erklärung der Erledigung der Hauptsache gemäß § 91a ZPO durch Beschluss über die Kosten des Rechtsstreits befunden.

    Es kann offen bleiben, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Erklärung der Erledigung der Hauptsache im Wege der Anschließung nach der Zahlung der Hauptforderung und der zur Hauptforderung erstarkten Forderung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten durch die Beklagte zu 2) bevollmächtigt war oder nicht. Jedenfalls haben die Beklagten dessen Prozesserklärung genehmigt.

    Der Kläger ist der Behauptung der Genehmigung durch den Beklagtenvertreter nicht mehr entgegengetreten.

    Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt der Zustimmung zur Erledigung der Hauptsache zurück.

    Wegen der zunächst nicht erledigten vorgerichtlichen Rechtverfolgungskosten lag eine genehmigungsfähige Einwilligung der Beklagten in die Erledigung der Hauptsache durch Erklärung des Klägers vor.

    Der Beklagtenvertreter hat die Erledigung zwar nicht ausdrücklich erklärt. Aus dem Prozessverhalten kann indessen eine konkludente Zustimmung der Beklagten zur auch insoweit erklärten Erledigung der Hauptsache hergleitet werden.

    In Übereinstimmung mit der Wertung durch den XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 12. März 1991 - XI ZR 148/90 -, NJW-RR 1991, 1211) geht der Senat davon aus, dass die Erklärung der Erledigung der Hauptsache weder wörtlich noch sonst ausdrücklich abgegeben werden muss, sondern ausreichend ist, wenn sich der hierauf gerichtete Wille schlüssig im Wege der Auslegung aus dem prozessualen Verhalten erschließt.

    Hieran gemessen haben sich die Beklagten der Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch den Kläger wegen der vorgerichtlichen Kosten angeschlossen.

    Das Landgericht hat die Parteien wegen des bis dahin nicht erledigten Teils darauf hingewiesen, dass insoweit beabsichtigt sei, im schriftlichen Verfahren zu befinden. Im Falle der Zahlung könne eine Entscheidung „insgesamt“ gemäß § 91a ZPO ergehen. Auf diesen Hinweis hat die Beklagte zu 2) sogleich den restlichen Schadensersatzanspruch durch Zahlung erfüllt, ohne etwa einen klageabweisenden Antrag im Weiteren zu stellen oder anderweitig zu erkennen gegeben, dass die Zahlung nicht der Erledigung der Hauptsache diene. Auf die Erklärung der Erledigung insoweit durch den Kläger haben die Beklagten nicht abweichend reagiert, so dass ungeachtet der gesetzlichen Fiktion gemäß § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO vorliegend hieraus ein Anschluss an die Erledigungserklärung durch den Kläger abgleitet werden kann. Die Beklagten haben im Beschwerdeverfahren auch nicht etwa zu erkennen gegeben, dass eine übereinstimmende Erledigung der Hauptsache nicht gewollt sei. Die Genehmigung der prozessualen Handlungen des Prozessbevollmächtigten bezieht sich dann auch zwanglos auf die Anschlusserklärung zur Erledigung der Hauptsache.

    Soweit das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits anteilig dem Kläger zu 25% auferlegt hat, ist die Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern und deshalb aufzuheben.

    Nach Maßgabe des § 91a ZPO war über die Kosten des Rechtstreits unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu befinden. Dies führt hier zur vollständigen Kostenlast der Beklagten.

    Dass das Landgericht entsprechend des „offenen“ Sach- und Streitstandes die Kostenquote zulasten des Klägers mit 25% bezifferte ist angesichts des anzunehmenden „Auffahrgeschehens“ - der Kläger behauptet, ein Auffahren auf das liegengebliebene Fahrzeug der Beklagten zu 1) nur durch ein Ausweichen nach rechts vermieden zu haben - grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. OLG München, Urteil v. 28. September 2018 - 10 U 4206/17 -, juris, m. w. N.).

    Das Landgericht hat allerdings das Prozessverhalten der Beklagten bei der Bildung der Kostenentscheidung nicht ausreichend gewürdigt. Der vollständige Ausgleich der mit der Klage geltend gemachten Forderung durch die Beklagte zu 2) führt vorliegend zur vollständigen Auferlegung der Kosten des Rechtstreits auf die Beklagten.

    So geht der Bundesgerichtshof in ständiger Spruchpraxis davon aus, das jedenfalls in Verkehrsunfallsachen der vollständige Ausgleich der zunächst in Abrede gestellten Klageforderung durch die Haftpflichtversicherung mit der Erklärung, die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen zur Folge habe, dass sich die Beklagten freiwillig in die Rolle der unterlegenen Partei begeben. Dies rechtfertige es, der beklagten Partei die gesamten Kosten des Rechtstreits aufzuerlegen. Dies gelte auch, wenn die Erklärung der Kostenübernahme zwar nicht ausdrücklich erfolge, indessen aus dem Verhalten der Beklagten entnommen werden könne, dass der Rechtsstandpunkt des Klägers im Ergebnis hingenommen werde (vgl. BGH Beschluss v. 24. Oktober 2011 - IX ZR 244/09 -, NJW - RR 2012, 688f; Beschluss v. 27. Juli 2010 - VI ZR 154/08 -, BeckRS 2010, 20021, Rz. 5 m. w. N.).

    Die Beklagte zu 2) hat vorliegend zwar die Zahlung bewirkt, allerdings diese nicht mit einer Erklärung zur Kostenfolge in dem Rechtstreit verbunden. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen, ohne etwa einen eigenen Kostenantrag wegen der Entscheidung nach § 91a ZPO zu stellen, obwohl das Landgericht zur Stellungnahme über die Kostentragung (-einigung) aufgefordert hat. Angesichts des aufgezeigten vorbehaltlosen Zahlungsverhaltens der Beklagten zu 2) und der Tatsache, dass sich die Beklagten wegen der Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO weder erst- noch zweitinstanzlich wegen einer zu ihren Gunsten in Betracht kommenden Kostenquote geäußert haben, ist davon auszugehen, dass die Beklagten mit der Zahlung den mit der Klage dargelegten Rechtsstandpunkt des Klägers vorbehaltlos akzeptiert haben, so dass es der Billigkeit entspricht, ihnen die Kosten des Rechtstreits - auch des Beschwerdeverfahrens - aufzuerlegen.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Entscheidung kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung.

    RechtsgebietProzessrechtVorschriften§ 91a ZPO