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  • 18.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198876

    Amtsgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 30.11.2017 – 30 C 570/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    AG Frankfurt am Main

    01.06.2017

    30 C 570/17 (68)

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand

    Der Kläger macht mit der Klage weiteren Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der verspäteten Anlieferung seines Reisegepäcks geltend.

    Der Kläger war Passagier der Beklagten auf einer Luftbeförderung von XXX über XXX nach XXX am 30.04.XXXX. Die genaueren Flugzeiten sind nicht mitgeteilt.

    Bei Ankunft in XXX war das Gepäck des Klägers nicht vorhanden.

    Er nahm daher Ersatzbeschaffungen vor. Im Einzelnen erwarb er am Abend des 30.04.XXXX im Armani Jeans Shop acht Kleidungsstücke zum Preis von 835,00 € und in einem Geschäft namens "XXX" Kosmetika für insgesamt 123,63 €. Am Morgen des 01.05.XXXX tauschte er wiederum im Armani Jeans Shop einen am Vortrag erworbenen Artikel um und erwarb zwei weitere Kleidungsstücke zum Preis von weiteren 310,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Belege, Bl. 10 und 11 d.A., Bezug genommen.

    Insgesamt wendete der Kläger mithin 1.268,63 € auf.

    Der Koffer des Klägers wurde am Morgen des 01.05.XXXX um 10:40 Uhr angeliefert.

    Der Kläger reichte mit E-Mail vom 06.05.XXXX die Belege ein und forderte die Beklagte zur Zahlung von 1.268,63 € auf. Die Beklagte zahlte 300,00 €. Mit Schreiben des nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.12.XXXX ließ dieser die Beklagte unter Fristsetzung auf den 02.01.XXXX zur Zahlung des Differenzbetrages sowie der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten auffordern. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich auf eine 1,5-fache Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 968,63 nebst Post- und telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer.

    Der Kläger behauptet, er habe auf XXX einen Geschäftstermin wahrzunehmen gehabt und anschließend Urlaub geplant. Um den Geschäftstermin wahrnehmen zu können, habe er sich neu einkleiden müssen.

    Die Auslieferung sei auch nicht in den frühen Morgenstunden erfolgt, sondern "wesentlich später" am Tag.

    Der Ersatzbedarf sei am subjektiven Maßstab des Geschädigten zu beurteilen.

    Ihm sei zuzugestehen, die kosmetischen Produkte zu verwenden, die er auch sonst verwende. Er könne auf Hotelprodukte nicht zurückgreifen, da er vom Shampoo Schuppen bekommen und empfindliches Zahnfleisch habe, die zur Verfügung gestellten Einwegrasierer seien für seinen Bartwuchs auch nicht geeignet.

    Er kleide sich für gewöhnlich ausschließlich mit Markenartikeln, vor allem der Marken Gucci und Louis Vuiton, die angeschafften Kleidungsstücke seien dagegen nicht wirklich Qualitätsware und veränderten bereits nach zweimaligem Waschen die Form und könnten an die Beklagte übergeben werden.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 968,63 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.XXXX zu zahlen;

    Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 166,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.XXXX zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie behauptet, sie habe den Kläger bereits bei dessen Ankunft darüber informiert, dass ihm sein Gepäck am nächsten Tag ausgeliefert werde.
    Die vom Kläger vorgenommenen Ersatzbeschaffungen sprengten vor diesem Hintergrund das Notwendige und Angemessene. Angemessen seien eine Grundgarderobe sowie eine Basisausstattung mit Kosmetikartikeln, wobei dem Kläger ein Zurückgreifen auf die vom Hotel zur Verfügung gestellten Kosmetika zuzumuten sei.

    Vor diesem Hintergrund habe der Kläger seiner Schadensgeringhaltungspflicht nicht genügt; darüber hinaus stünden ihm die angeschafften Gegenstände nach wie vor zur Verfügung und hätten zu einem Vermögenvorteil auf Seiten des Klägers geführt.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main folgt aus Art. 33 Abs. 1 MÜ.

    Die Klage ist aber unbegründet, da der Kläger über die geleistete Zahlung von 300,00 € hinaus keine weiteren Schadensersatzansprüche wegen der Gepäckverspätung hat.

    Dem Grunde nach ergibt sich sein Anspruch aus Art. 19 MÜ, dessen Voraussetzungen vorliegen.

    Aussagen zur Höhe des Schadensersatzes trifft das Montrealer Übereinkommen abgesehen von der in Art. 22 Abs. 1 MÜ festgelegten Höchstgrenze nicht.

    Art und Umfang des zu leistenden Schadensersatzes bestimmen sich daher nach dem nationalen Recht (Pokrant in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 3. Aufl. 2015, 22-23). Dies ist vorliegend unzweifelhaft deutsches Recht, da sowohl der Kläger als auch die Beklagte in Deutschland ansässig sind.

    Ausgangspunkt der Bemessung des Schadensersatzes in Geld ist der erforderliche Betrag. Dieser Begriff erfasst die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte, wobei § 254 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden ist.

    Unstreitig wurde der Koffer des Klägers am späten Morgen des Folgetages angeliefert. Der Vortrag des Klägers, hierbei handele es sich nicht um die frühen Morgenstunden, ist jedenfalls nicht als Bestreiten dieses konkreten Beklagtenvortrags zu werten. Damit steht fest, dass der Kläger konkreten Ersatzbedarf hatte lediglich für die Nacht und den Folgetag. Geschuldet war somit lediglich ein Satz Kleidung und eine Basisausstattung mit Kosmetika. Der Kläger hat jedoch ausweislich der vorgelegten Bons folgende Dinge angeschafft: Am Abend des 30.04.XXXX
    Schuhe ("Loafer") für 142,50 €,

    einen Gürtel ("Tongue Belt") für 110,00 €
    ein T-Shirt für 70,00 €
    ein Sweatshirt für 165,00 €
    ein Paar Hosen für 170,00 €
    ein Unterhemd ("Mens Knit Tank") 34,85 €
    3 "normale" Unterhosen (Mens Woven 2Pack Brie, heißt wohl briefs) für 47,75
    eine Boxershort für 95,00 €

    Am Folgetag wurde offenbar das T-Shirt umgetauscht sowie ein weiterer Pullover ("Jumper") sowie ein weiteres Paar Hosen angeschafft.

    Erforderlich und angemessen gewesen wäre ohne Darlegung besonderer subjektiver Umstände aber lediglich ein Satz neuer Unter- und Oberbekleidung sowie Wäsche für die Nacht und einen Tag. Schuhe und Gürtel zählen ohnehin nicht zu den Dingen, deren Erforderlichkeit ohne weitere Darlegungen zu erkennen wäre, da der Kläger nicht barfuß gereist sein dürfte. Auch dass für den Kläger absehbar war, dass er einen längeren Zeitraum überbrücken würde müssen, ist nicht zu erkennen; er selbst trägt es auch nicht ansatzweise vor. Soweit er die Notwendigkeit seiner Anschaffungen mit einem nicht näher dargelegten Geschäftstermin zu begründen versucht, ist dieser schon nicht substantiiert dargetan.

    Wann und wo sowie mit wem dieser Termin hätte stattfinden sollen, ist nicht ersichtlich, ebensowenig, was genau er für diesen Termin angeschafft haben will. Hemd, Anzug oder Sakko finden sich jedenfalls nicht auf den Bons. Zudem hat die Beklagte auch den bloß pauschalen Vortrag des Klägers, er habe einen Geschäftstermin wahrzunehmen gehabt, bestritten, der Kläger hat insoweit keinen Beweis angetreten, so dass sich insgesamt hieraus keine besonderen Umstände ergeben, die eine andere Bewertung des Bedarfs des Klägers rechtfertigen würden. Soweit der Kläger - wiederum ohne Beweisantritt - im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.05.XXXX vorträgt, er habe die Schuhe für den "in der Frühe" stattfindenden in den frühen Morgenstunden gebraucht, ist dieser Vortrag nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen und damit nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anlass.

    Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Definition des zur Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages eben gerade auf einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen abstellt. Relevant ist daher nicht, ob der Kläger wie von ihm angegeben, Üblicherweise Kleidungsmarken aus dem Luxussegment bevorzugt, sondern dass ein wirtschaftlich denkender Mensch, der davon ausgeht, lediglich einen Tag überbrücken zu müssen, sich mit mittelwertiger Kleidung zufrieden geben würde. Der Kläger hat zwar zuzugebenderweise keine Anschaffungen aus dem Luxussegment getätigt, jedoch mit "Armani Jeans" ein für einen verständig denkenden Menschen doch recht hochpreisiges Geschäft aufgesucht.

    An Kosmetika erwarb der Kläger insgesamt 22 Artikel, darunter auch Stylingprodukte wie Haarwachs und Gegenstände wie eine Nagelschere, bei denen nicht unbedingt auf der Hand liegt, dass es sich um einen Mindestbedarf für die Nacht und den Morgen handelt, der nach Auffassung des Gerichts auch bei starkem Bartwuchs und empfindlicher Haut auf Zahnbürste und -creme, Duschgel, Shampoo, Gesichts- sowie Körpercreme, Rasierer und Rasierschaum begrenzt ist.

    Im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine einfache Ausstattung an Ober- und Unterbekleidung sowie Kosmetika bestehend aus den jeweils weiter oben aufgeführten Artikeln für 300,00 € ohne weiteres zu erhalten ist und daher die Beklagte über die geleistete Zahlung hinaus keine weiteren Zahlungen zu leisten hat.

    Mangels Hauptanspruch bestehen auch keine Nebenansprüche.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebietReiserechtVorschriftenArt. 19 des Montrealer Übereinkommens