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  • 06.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133841

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 17.05.2013 – 19 U 133/12

    Ein Mahnbescheid wegen einer Werklohnforderung muss erkennen lassen, wegen welcher Arbeiten die Ansprüche geltend gemacht werden. Dabei ist nicht erforderlich, dass dies aus dem Mahnbescheid selbst für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Antragsgegner anhand aufgeführter Rechnungsnummern in der Lage ist, die Rechnungen einem bestimmten Bauvorhaben zuzuordnen.


    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.4.2012 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

    Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 3.165,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.6.2007 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 77% und das beklagte Land 23% zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen. Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

    Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Werklohnklage der Klägerin abgewiesen, weil die Ansprüche der Klägerin wegen im Jahr 2005 erbrachter Werkleistungen gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt seien. Die Zustellung des Mahnbescheides vom 16.12.2010 habe die Verjährung nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt, weil der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch nicht in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechenden Weise individualisiert worden sei. Zudem sei auch keine weitere Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB durch die Klagebegründung erfolgt.

    Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter. Sie vertritt die Auffassung, § 690 Abs. 1 Nr. 3 BGB sei vom Landgericht fehlerhaft angewendet worden. Mit der Bezeichnung "gem. Rechnung - ... vom 19.4.2007" sei der Anspruch der Klägerin hinreichend individualisiert worden, weil für das beklagte Land die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche erkennbar gewesen seien. Dies folge bereits daraus, dass die Beklagte - unstreitig - unter Verwendung des Rechnungsdatums 19.4.2010 Teilzahlungen auf die beiden im Mahnbescheid bezeichneten Rechnungen geleistet habe.

    Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

    Die Klägerin beantragt,

    das am 26.4.2012 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen,

    an die Klägerin 13.968,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.6.2007 und auf die verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung zu zahlen.

    Das beklagte Land beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Es verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

    Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

    II.

    Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung hat teilweise Erfolg, im Übrigen ist sie als unbegründet zurückzuweisen.

    1. Entgegen der Rechtsauffassung der Kammer ist die Klageforderung der Klägerin nicht gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Die Verjährung ist durch die Zustellung des Mahnbescheides vom 16.12.2010 am 11.1.2011, die demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgte, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gehemmt worden. Die Ansprüche der Klägerin sind in dem Mahnbescheid gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert. Voraussetzung hierfür ist vorliegend, dass sich aus den Angaben im Mahnbescheid erkennen lässt, wegen welcher Werklohnarbeiten die Ansprüche von der Klägerin geltend gemacht werden. Dabei ist nicht erforderlich, dass dies aus dem Mahnbescheid selbst für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist BGH, Urt. v. 12.4.2007 - VII ZR 236/05 - Rn. 46, m. w. N., juris). Dem beklagten Land standen zur Individualisierung ausreichende Erkenntnisse zur Verfügung, um die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche zuzuordnen. Auf Grund der Bezugnahme auf die Rechnungsnummern war das beklagte Land in die Lage gesetzt, die Rechnungen dem Bauvorhaben zuzuordnen hinsichtlich dessen die Ansprüche geltend gemacht werden. Dem beklagten Land waren die Rechnungen der Klägerin mit den im Mahnbescheid bezeichneten Rechnungsnummern bekannt. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es schon zuvor Zahlungen auf diese Rechnungen vorgenommen hat, wie die von der Klägerin vorgelegten Kontoauszüge K15/K16 (Bl. 229/230 d. A.) belegen. Überdies hat das beklagte Land die Rechnungen zur Prüfung durch die Bauleitung zugesandt erhalten unter Benennung des Bauvorhabens in den Begleitschreiben vom 19.4.2007 (Anlage KB2/KB4 - Bl. 330/332 d. A.) und es hat die Rechnungen im Übrigen auch geprüft, so dass sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen kann, diese Rechnungen wegen einer Vielzahl von Bauvorhaben, für die die Klägerin Werkleistungen im Auftrag des Landes durchgeführt hat, nicht zuordnen zu können. Die Mühewaltung einer Zuordnung der Rechnungen war dem beklagten Land auch im Hinblick auf die mehreren Vertragsbeziehungen der Parteien zuzumuten. Die Zumutbarkeit folgt dabei bereits aus dem Gesichtspunkt redlichen Verhaltens unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für beide Vertragsparteien die Zuordnung von Leistungen und Rechnungen wegen der Vielzahl der Bauvorhaben hinsichtlich derer die Parteien Vertragspartner waren, erschwert war. Dass die Zuordnung für das beklagte Land möglich war, zeigt auch die Einlassung des Justiziars des beklagten Landes A in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 26.1.2012, er habe lange Zeit benötigt, um herauszufinden, zu welchem Bauvorhaben diese Rechnungen gehören. Damit können nur die im Mahnbescheid benannten Rechnungen gemeint sein. Dies zeigt, dass trotz der Vielzahl von Bauvorhaben, in denen die Klägerin für das beklagte Land tätig war, die Individualisierbarkeit für das beklagte Land letztlich doch möglich war. Unverständlich ist sodann die weitere Bekundung des Justiziars, er habe trotz Zuordnung der Rechnungsnummern den Mahnbescheid "überhaupt nicht zuordnen" können. Denn wenn die Zuordnung der Rechnungen, die im Mahnbescheid mit den Rechnungsnummern angegeben sind, möglich war, dann doch zweifelsohne auch der Mahnbescheid selbst. Die Divergenz hinsichtlich des Rechnungsdatums der einen Rechnung, der Schlussrechnung (Anlage K5), die auf den 10.4.2007 lautet, zu der Angabe im Mahnbescheid (19.4.2007) ist unerheblich, da zum einen die auf beide Rechnungen durch Überweisungen geleisteten Teilzahlungen die Angabe des Datums 19.4.2007 aufweisen, zum anderen dieses Datum für das beklagte Land jedenfalls als Druckdatum ausgewiesen ist, so dass bei gehöriger und den Mitarbeitern des beklagten Landes auch zumutbarer Anstrengung die Zuordnung auch insoweit möglich war. Zudem hat auch das jeweilige Rechnungsanschreiben, wie bereits ausgeführt, die erforderliche Klarheit hinsichtlich der jeweiligen Rechnungsnummer und des Bauvorhabens hergestellt. Wegen dieser Klarstellungen und der Tatsache, dass das beklagte Land im Besitz der Rechnungen mit den jeweiligen Rechnungsnummern war, ist es auch unerheblich, dass die Klägerin im Mahnbescheid den Gesamtforderungsbetrag nicht nach den jeweiligen Rechnungen aufgeschlüsselt hat.

    Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch auch gemäß § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien klageweise geltend gemacht, so dass erneut die Hemmung der Verjährung begonnen hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin versehentlich statt des streitgegenständlichen Bauvorhabens (Klinik Stadt1) in der Anspruchsbegründung ein anderes Bauvorhaben (Amtsgericht und Landgerichtsgebäude Stadt2) angegeben hat, da für das beklagte Land auf Grund des Sachvortrages und der der Klage beigefügten Anlagen, die alle das richtige Bauvorhaben betreffen bzw. ausweisen, ohne weiteres erkennbar war, um welches Bauvorhaben es sich handelt und dass die Bezeichnung des Bauvorhabens im Text der Anspruchsbegründung auf einem offensichtlichen Versehen der Klägerin beruhte. Dies hat das beklagte Land mit der Klageerwiderung auch festgestellt.

    Nach alledem kann dahinstehen, ob die Berufung des beklagten Landes auf die Verjährung die Voraussetzungen treuwidrigen Verhaltens erfüllt.

    2. Der Rechtsstreit ist auch im Übrigen entscheidungsreif.

    a) Der Werklohnanspruch ist in Höhe eines Betrages von 3.165,50 € begründet.

    aa) Der Rechtsstreit ist zunächst hinsichtlich der Forderung in Höhe von 2.004,10 € begründet, weil das beklagte Land in Höhe dieser Teilforderung keine Einwendungen gegen die Berechtigung dieser Werklohnforderung geltend gemacht hat. Die Einwendungen des beklagten Landes betreffen einen Gesamtbetrag in Höhe von 11.964,27 €. Die Klageforderung beträgt 13.968,37 €, so dass ein Differenzbetrag von 2.004,10 € verbleibt, hinsichtlich dessen das beklagte Land keine Einwendungen geltend gemacht hat.

    bb) Der Anspruch der Klägerin ist des Weiteren auch begründet hinsichtlich ihres den Nachtrag Nr. 3 betreffenden Anspruchs zu den Positionen 9.1 bis 9.26 der Teilschlussrechnung sowie der Pos. 9.25 der Schlussrechnung. Insoweit sind die Rechnungskürzungen des beklagten Landes in Höhe von 962,44 € netto (1.116,43 € brutto) und 37,79 € netto (44,97 € brutto) nicht gerechtfertigt. Die Klägerin hat als Anlage K 14 ihr Nachtragsangebot Nr. 3 nebst den detaillierten Kalkulationsnachweisen für die in Pos. 9.1 bis 9.26 berechneten Einheitspreise vorgelegt. Zu der der Berechnung der Klägerin zu Grunde liegenden Kalkulation hat das beklagte Land nicht konkret Stellung genommen, sondern lediglich allgemein die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Preise bestritten. Nicht zuletzt im Hinblick auf die geringen Preisdifferenzen wäre hingegen von dem beklagten Land zu erwarten gewesen, zumindest Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weshalb Zweifel an der Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Einheitspreise auf Basis der Kalkulationsgrundlagen bestehen könnten. Wegen unzureichenden Bestreitens des beklagten Landes ist sein Vorbringen unbeachtlich und es bedurfte daher auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

    b) Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

    aa) Die Kürzung der Rechnungen durch das beklagte Land um die Verbrauchskosten in Höhe von 0,8% der Nettorechnungssumme (insgesamt 555,52 brutto) ist gerechtfertigt. Dies entspricht der Vereinbarung der Parteien in Pos. 10.11 der weiteren Besonderen Vertragsbedingungen.

    bb) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz für von dem beklagten Land verursachte Bauzeitenverlängerungen in Höhe von insgesamt 8.833,92 € netto gemäß Ziff. 7.1 der Teilschlussrechnung. Insoweit hat die Klägerin zu den Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht hinreichend vorgetragen. Aus ihrem Vortrag ergibt sich bereits nicht ohne weiteres, inwieweit etwa die vereinzelt verspätete Überlassung von Planunterlagen hinsichtlich der beauftragten Gesamtleistung der Klägerin zu Bauzeitenverzögerungen geführt hat. Zudem fehlt es hinsichtlich der Anspruchsgrundlage des § 2 Nr. 5 VOB/B auch an einem Vortrag zu Anordnungen des Auftraggebers in Bezug auf die Bauzeit. Allein der Umstand, dass sich die Bauzeit verlängert hat, genügt zur Begründung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht. Insofern fehlt hier wie auch hinsichtlich der anderen hilfsweise in Bezug genommenen Anspruchsgrundlagen eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der Verzögerungen und der darauf bezogenen Mehrkosten der Klägerin. § 642 BGB kommt als Anspruchsgrundlage - unabhängig von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Norm bei VOB-Werkverträgen - ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es auf Grund verzögerter Mitwirkungshandlungen des beklagten Landes teilweise zu Bauzeitenverzögerungen gekommen ist, jedoch fehlt es an der Anspruchsvoraussetzung der Inverzugsetzung. Auch die Voraussetzungen der Auffangnorm des § 6 Nr. 6 VOB/B für Fälle von Bauzeitenverzögerung liegen nicht vor, weil es bereits an der nach § 6 Abs. 1 VOB/B erforderlichen Behinderungsanzeige fehlt.

    Überdies ist auch die Schadensberechnung nicht hinreichend konkret. Die vorgenannten Anspruchsgrundlagen erfordern eine konkrete Berechnung der durch die Bauzeitverzögerung bedingten Mehraufwendungen des Auftragnehmers. Die abstrakte Kalkulationsberechnung der Klägerin ist hingegen nicht ausreichend, da schon nicht klargestellt wird, ob für die Verzögerungszeiten Personal vorgehalten und nicht etwa auf anderen Baustellen eingesetzt wurde. Die Klägerin unternimmt eine fiktive Äquivalenzkostenberechnung im Sinne einer abstrakten Berechnung der Arbeitsproduktivität ihrer Mitarbeiter, die zur konkreten Schadensdarlegung jedoch nicht hinreicht. Der Vortrag zu "nicht abbaubaren" Personalkosten ist zu unbestimmt, um Grundlage einer konkreten Schadensberechnung zu sein.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

    Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebietMahnverfahrenVorschriften§ 195 BGB § 199 BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO