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  • 28.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122963

    Amtsgericht Bremen: Urteil vom 30.08.2012 – 9 C 173/12

    Solange die mit einem Telekommunikationsunternehmen vereinbarte Rufnummermitnahme (Portierung) nicht erfüllt wird, steht dem Kunden gegenüber Zahlungsansprüchen der Telefongesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht zu; der Kunde kann sich auf das Zurückbehaltungsrecht nicht berufen, sofern er in diesem Zeitraum Telekommunikationsleistungen aktiv in Anspruch nimmt.
    Das von der Telefongesellschaft zu vertretende Scheitern der Portierung begründet ein außerordentliches Kündigungsrecht des Kunden.


    Urteil des AG Bremen vom 30.08.2012, 9 C 173/12

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 74,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2012 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand

    Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist teilweise unbegründet.
    Der Klägerin stehen Vergütungsansprüche wegen Erbringung von Telekommunikationsleistungen lediglich in Höhe von 74,22 € zu (§ 612 BGB).
    In Höhe von 25,00 € ist die Klage bereits unschlüssig. Es wird nicht ausgeführt, weshalb der Klägerin eine Hauptforderung in Höhe von 185,34 € zustehen soll. Die Rechnungen vom 31.03.2011, 02.05.2011, 31.05.2011 und 01.07.2011 belaufen sich insgesamt auf einen Zahlungsbetrag von lediglich 160,34 €. Die geltend ge-machten Kosten des vorangegangenen Mahnverfahrens (25,00 €) unterfallen der Kostenentscheidung und sind im Kostenfestsetzungsverfahren anzusetzen. Diese Kosten können aufgrund des Risikos der zweifachen Geltendmachung und mangels Rechtsschutzbedürfnis als Hauptforderung nicht eingeklagt werden.
    Der Klägerin steht in Höhe von 160,34 € kein Zahlungsanspruch zu. Wegen Nichterfüllung einer wesentlichen vertraglichen Nebenpflicht, nämlich der vereinbarten Rufnummermitnahme (Portierung), stand dem Beklagten ab Freischaltung des Festnetzanschlusses grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu.
    Das Unterlassen der Zurverfügungstellung der wiederholt angeforderten Rufnum-merzuteilung begründete zudem ein außerordentliches Kündigungsrecht des Beklagten, das dieser mit Erklärung vom 06.04.2011 rechtswirksam ausübte (§ 314 BGB). Aus der spezialgesetzlichen Regelungen nach § 46 TKG ergibt sich, dass das Unterlassen der Rufnummerbeibehaltung nach dem Willen des Gesetzgebers eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt.
    Dass die Parteien bei Abschluss des Festnetzvertrags vom 04.08.2010 eine Ruf-nummermitnahme vereinbarten und dass die Altnummer dem Beklagten von der Klägerin sodann nicht zugeteilt wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Pflichtverletzung der Klägerin steht mithin fest.
    Gemäß § 280 I 2 BGB wird das Verschulden vermutet. Die Klägerin bleibt beweisfällig, dass der Grund für die unterlassene Zuteilung der früheren Telefonnummer des Beklagten allein darin lag, dass dieser bei seinem Altanbieter vorzeitig gekündigt habe und die T… der Klägerin nach Anfrage mitgeteilt habe, dass die Altnummer bereits neu vergeben worden sei und daher nicht abgegeben werden könne. Die Klägerin hat nach richterlichem Hinweis im Termin innerhalb der gesetzten Nachlassfrist zu den Umständen des Scheiterns der Rufnummermitnahme nicht ergänzend (unter Beweisangebot) vorgetragen. Der Beklagte trug vor, dass der Vertrag mit der T… am 30.07.2010 gekündigt worden sei. Auch eine nachträgliche Rufnummermitnahme ist innerhalb einer dreimonatigen Frist jedoch grundsätzlich möglich.
    Im Vertrag vom 04.08.2010 wurde vereinbart, dass der Beklagte zur Klägerin „mit Übernahme der Rufnummer“ wechselt: „Ich beauftrage meine derzeitige Telefonge-sellschaft, die Portierung der Rufnummern zum Termin des tatsächlichen Wechsels durchzuführen und bevollmächtige Vodafone, meiner derzeitigen Telefongesellschaft den Portierungsauftrag mitzuteilen.“ Somit hätte die Klägerin bereits bei Vertragsabschluss alle erforderlichen Daten beim Beklagten erfragen und sich sodann unverzüglich als bevollmächtigte Vertreterin an die frühere Telefongesellschaft wenden müssen. Dass die Klägerin dem Beklagten erst am 21.09.2010 - und offenbar nach Anmahnung durch den Beklagten - ein Portierungsauftragsformular zusendete, kann nicht zu Lasten des Beklagten wirken. Dieser durfte bei Vertragsabschluss darauf vertrauen, dass die Klägerin unverzüglich alle Maßnahmen ergreifen werde, um die Portierung sicherzustellen. Das Versäumen der Dreimonatsfrist wäre also der Klägerin zuzurechnen.
    Die Klägerin bleibt mithin beweisfällig, dass die Rufnummermitnahme auch bei unverzüglichem Handeln der Klägerin unmittelbar nach Vertragsabschluss aus faktischen Gründen nicht mehr möglich gewesen wäre.
    Gleichwohl ist der Beklagte nach Treu und Glauben gehalten, die ausweislich der Rechnung vom 31.03.2011 tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen zu vergüten (§ 242 BGB). Da der Beklagte im Erfassungszeitraum 25.02.2011 bis 24.03.2011 über das Festnetz diverse Telefonate in das Ausland und in fremde Netze führte, kann er sich nicht gleichzeitig auf das Vorliegen eines Zurückbehaltungsrechts wegen Nebenpflichtverletzung berufen. Denn dies würde ein widersprüchliches und rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen. Da der Beklagte im genannten Erfassungszeitraum den zugeteilten Anschluss (trotz der neuen Rufnummer) aktiv nutzte, schuldet er auch die Vergütung des diesbezüglichen Basispreises.
    Die Richtigkeit der Rechnung bzw. die tatsächliche Vornahme der abgerechneten Leistungen ist zu vermuten, da der Beklagte die Rechnung vom 31.03.2011 nicht fristgemäß monierte (§ 45i TKG).
    Die mit Rechnung vom 02.05.2011 abgerechneten Leistungen (Erfassungszeitraum 25.03.2011 bis 24.04.2011) sind nicht (teilweise) zu erstatten. Zwar wurden ausweislich der Abrechnung diverse Leistungen durch den Beklagten in Anspruch genommen. Aus der Rechnung erschließt sich jedoch nicht, ob dies nach oder vor der Kündigung des Beklagten (06.04.2011) erfolgte. Zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin ist daher anzunehmen, dass die Gespräche in fremde und ausländische Netze erst nach der Kündigungserklärung geführt wurden. Ein insofern in Betracht zu ziehender Anspruch der Klägerin nach § 812 BGB ist mit dem vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruch jedoch nicht zwangsläufig gleichzusetzen. Insbesondere könnte die Klägerin nach Bereicherungsrecht nicht ohne weiteres den kalkulierten Gewinn abschöpfen; dieser wäre nach Abschreibung der Sendemasten unter Umständen erheblich. Hinsichtlich der Bezifferung der ersparten Aufwendungen des Beklagten wäre auch auf vergleichbare Angebote der Konkurrenzanbieter abzustellen, die möglicherweise günstiger gewesen wären. Somit ist ein Zahlungsanspruch nach § 812 BGB mangels näheren Vortrags schwerlich bezifferbar. Im Übrigen hätte die Klägerin nach der Kündigung des Beklagten den Festnetzanschluss sogleich sperren können, weshalb ein Anspruch aus § 812 BGB gemäß § 814 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist; schließlich war der Klägerin die Einwendung der unterlassenen Rufnummermitnahme im Zeitpunkt der Kündigung bekannt.
    Der Beklagte schuldet keine Inkassokosten in Höhe von 45,00 €. Die Klägerin ist ein geschäftserfahrenes Großunternehmen, dass zur vorgerichtlicher Anmahnung ihrer Vergütungsforderungen keiner externen Hilfe bedarf (Woitkewitsch, MDR 2012, 500 mit Hinweisen auf die divergierende Rechtsprechung). Da die Klägerin zur konkreten Tätigkeit des Inkassodienstes und zu dessen Abrechnung/Vergütung nicht substantiiert vortrug, war die Berufung nicht zuzulassen. Dass die geltend gemachten Gebühren vollkommen überhöht sind, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass eine gegebenenfalls erstattungsfähige 0,65er Geschäftsgebühr bei einem Streitwert bis 300,00 € - inkl. Auslagen und MWSt - lediglich 23,21 € beträgt (vgl. Palandt, 71. A., § 286, Rn. 46). Kontoführungsgebühren sind - auch mangels näheren Vortrags – ebenso wenig wie Auskunftskosten erstattungsfähig (Woitkewitsch, a.a.O.). Wegen einer erheblichen Zuvielforderung sind auch die Kosten für wenigstens 2 Mahnschreiben in Höhe von 5,00 € nicht geschuldet. Aus diesem Grunde und mangels Hinweises nach § 286 III BGB sind lediglich Prozesszinsen nach § 291 BGB zu erstatten.
    Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

    RechtsgebietTelekommunikationsforderuengenVorschriften§§ 242, 280 BGB