Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kostenrecht

    So teuer wird der unberechtigte Insolvenzantrag

    Die Gebühren des von einem Gläubiger mit der Vertretung im Insolvenzverfahren beauftragten Rechtsanwalts richten sich nach dem Nennwert der Forderung, die Gebühren des vom Schuldner beauftragten Rechtsanwalts nach dem Wert der Insolvenzmasse, gleichgültig durch wen die verfahrenseinheitliche Maßnahme erfolgt ist (OLG Saarbrücken 30.10.14, 5 W 46/14, Abruf-Nr. 145891).

     

    Sachverhalt

    Der Gläubiger beantragte, gegen den Schuldner das Insolvenzverfahren zu eröffnen und bezifferte seine Forderungen auf über 1,2 Mio. EUR. Das AG wies den Eröffnungsantrag zurück, legte die Verfahrenskosten dem Gläubiger auf und setzte den Geschäftswert nach § 58 GKG auf 1.222.933,90 EUR fest.

     

    Der Bevollmächtigte des Schuldners beantragte darauf gemäß § 28 Abs. 1 RVG eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV RVG aus 20 Mio. EUR festzusetzen, dem behaupteten Wert der Insolvenzmasse. Der Gläubiger ist dem entgegengetreten und machte geltend, dass Aussonderungs- und Absonderungsrechte nicht berücksichtigt worden seien. Darauf wurde der Gegenstandswert auf 13 Mio. EUR und die begehrte Gebühr auf 40.496 EUR reduziert.

     

    Ohne den Gläubiger im ganzen Verfahren noch einmal anzuhören, half das AG seiner Beschwerde nicht ab und wies das LG sie zurück, lies aber die weitere Beschwerde zu. Beide Parteien legten diese ein, die das LG ohne eine eigene Abhilfeentscheidung wiederum unmittelbar dem OLG vorlegte.

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Entscheidung des OLG Saarbrücken hat taktische, verfahrensrechtliche und gebührenrechtliche Aspekte, die für die Bevollmächtigten im Umfeld einer Insolvenz beachtlich sind.

     

    Taktik

    Der Fall zeigt, dass ein Insolvenzantrag nicht leichtfertig gestellt werden darf. Denn wird ein Antrag gestellt, löst dies nicht nur Gerichtsgebühren aus, für die der Antragsteller haftet. Auch die Kosten des Schuldners können dem Gläubiger auferlegt werden.

     

    Gegenstandswertfestsetzung

    Grundlage der tatsächlich anfallenden Kosten ist die Festsetzung des Gegenstandswertes aus dem sich die anwaltlichen Gebühren berechnen. Maßgeblich ist insoweit § 33 RVG.

     

    Das einzuhaltende Verfahren ergibt sich aus § 33 RVG. Dabei sind folgende Schritte zu beachten:

     

    Checkliste / Drei Merkposten für Antrag und Rechtsmittel

    • 1. Auf Antrag muss das Gericht den Gegenstandswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren festsetzen. Ausnahme: Es wurde bereits ein Wert festgesetzt, der auch dafür maßgeblich ist, die Anwaltsgebühren zu berechnen.
    • 2. Binnen zwei Wochen kann gegen die Entscheidung dann Beschwerde eingelegt werden. Voraussetzung: Der Wert der Beschwerde übersteigt den Betrag von 200 EUR. Die festzusetzenden Gebühren steigen oder sinken um mehr als 200 EUR. Hierauf folgt ein Abhilfeverfahren und gegebenenfalls die Entscheidung über die Beschwerde. Wurde die Frist unverschuldet versäumt, kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
    • 3. Die Beschwerdeentscheidung ist unanfechtbar, wenn nicht das Beschwerdegericht die weitere Beschwerde zulässt, § 33 Abs. 6 RVG. Das war hier geschehen.
     

    Die Besonderheit des Verfahrens liegt darin, dass die Beschwerde sowohl im Namen des Mandanten als auch im eigenen Namen des Rechtsanwalts eingelegt werden kann. Im Zweifel gilt sie in dessen Namen eingelegt, in dem sie als zulässig angesehen werden kann, d.h. tatsächlich eine Beschwer vorliegt.

     

    • Beispiel

    Wird der Gegenstandswert dem Rechtsanwalt R. zu niedrig festgesetzt, ist Mandant M. meist nicht beschwert, da er bei einem höheren Gegenstandswert den R. höher vergüten müsste. Das Risiko, diesen Betrag erstattet zu bekommen, liegt dann bei M. Die Beschwer des R. liegt dagegen in der niedrigeren Vergütung, sodass im Zweifel die Beschwerde als im eigenen Namen des R. eingelegt gilt, wenn der Beschwerdeschriftsatz sich dazu nicht ausdrücklich erklärt. Ungeachtet dessen sollte die Beschwerde stets erkennen lassen, in wessen Namen sie eingelegt wird.

     

    Hier kam in Betracht, dass sowohl der Rechtsanwalt als auch der Schuldner die Beschwerde einlegten, weil eine höhere erstattungsfähige Vergütung den Eigenanteil des Schuldners daran vermindern konnte. Denn dieser war im Innenverhältnis nicht nach den gesetzlichen Gebühren, sondern aufgrund eines vereinbarten Honorars weitergehend verpflichtet.

     

    Das OLG musste die Sache nicht zurückverweisen, sondern konnte auch ohne die fehlende Abhilfeentscheidung des LG (§ 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 4 S. 1 RVG) entscheiden, weil nur Rechtsfragen zu beantworten waren (OLG Stuttgart FGPrax 12, 158; OLG München FGPrax 13, 155). Dass AG und LG unzweifelhaft das rechtliche Gehör des Gläubigers und seines Vertreters verletzt hatten, blieb unbeachtlich. Denn dies wurde dadurch geheilt, dass alle Unterlagen übersandt wurden und sie Gelegenheit erhielten, sich zu äußern.

     

    Gegenstandswert

    In der Sache konnten die Entscheidungen des AG und des LG keinen Bestand haben. Das ergab sich schon aus Folgendem: Sowohl § 58 GKG für das gerichtliche Verfahren als auch § 28 RVG für die anwaltliche Vergütung, wenn der Gegenstandswert festgestellt wird, unterscheiden danach, ob der Bevollmächtigte den Gläubiger oder den Insolvenzschuldner vertritt. Der Gegenstandswert musste also differenziert festgestellt werden.

     

    Nach § 58 Abs. 1 GKG werden die (Gerichts-)Gebühren für den Antrag darauf, das Insolvenzverfahren zu eröffnen und durchzuführen nach dem Wert der Insolvenzmasse zurzeit des Verfahrensendes erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt. § 58 Abs. 2 GKG bestimmt: Die Gebühr für das Verfahren über den Antrag richtet sich nach dem Betrag der Gläubigerforderung ‒ es sei denn der Wert der Insolvenzmasse ist geringer ‒, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Gläubiger gestellt ist. Folglich hat das AG den gerichtlichen Gegenstandswert zutreffend nach dem geringeren Betrag der Forderung des Antragstellers (Gläubigers) festgesetzt.

     

    Der Wert für die anwaltlichen Gebühren wird dagegen nach § 28 RVG festgesetzt, wobei dies nach § 58 GKG nicht bindet (BGH ZInsO 03, 217 noch zum inhaltsgleichen § 77 BRAGO). § 28 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt, dass die Gebühren der Nr. 3313, 3317 VV RVG sowie im Fall der Beschwerde gegen den Beschluss, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, der Nrn. 3500 und 3513 VV RVG nach dem Wert der Insolvenzmasse (§ 58 GKG) berechnet werden, wenn der Schuldner den Auftrag erteilt. Nach § 28 Abs. 2 S. 1 RVG werden die in Abs. 1 genannten Gebühren und die Gebühr nach Nr. 3314 VV RVG nach dem Nennwert der Forderung berechnet, wenn der Auftrag von einem Insolvenzgläubiger erteilt worden ist.

     

    Aus dem Wortlaut des § 28 RVG wird in der Kommentarliteratur weitgehend der Schluss gezogen, dass sich die Gebühren nach der Person des Auftraggebers richten. Der Anwalt als Vertreter des Schuldners erhält seine Gebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse (Abs. 1), der Rechtsanwalt als Vertreter des Gläubigers erhält seine Gebühren nach dem Nennwert der Forderung (Abs. 2).

     

    Das OLG Saarbrücken schließt sich der Literaturansicht an. Es beruft sich auf Wortlaut und Auslegung des § 28 RVG und die Gesamtsystematik der Vergütungsvorschriften. Bei einem anderen Verständnis sei § 28 RVG überflüssig und stände im Widerspruch zu § 58 GKG. Auch sei zu sehen, dass die Bevollmächtigten durchaus unterschiedliche Mandanteninteressen wahrnähmen.

     

    MERKE | Das OLG weist die Ansicht zurück, dass ein Insolvenzantrag für den Gläubiger so unüberschaubare Risiken mit sich bringe. Diese sei rechtspolitischer Art und vernachlässige die schutzwürdigen Belange des Schuldners. Er sei auch vor voreiligen Insolvenzanträgen und davor zu schützen, dass sein Vermögen unzulässig gefährdet werde.

     

    Schwierigkeiten, den Wert der Insolvenzmasse festzustellen, könnten ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Diese Schwierigkeiten bestehen in allen Fällen, in denen es nicht dazu kommt, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände sind dann nach ihrem objektiven Verkehrswert pflichtgemäß zu schätzen. Es findet keine Beweisaufnahme statt. Geschätzt wird auf Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Anders als das OLG Saarbrücken: OLG Dresden MDR 94, 1253; LG Berlin 11.3.09, 82 T 905/08; LG Ulm 5.6.13, 3 T 158/11
    • Siehe auch BT-Drucksache 15/1971, S. 195
    Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 205 | ID 43712734