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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverschleppung

    Alt- oder Neugläubiger? Das ist hier die Frage!

    Ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubiger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, weil er sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietvertrag hätte lösen können (BGH 22.10.13, II ZR 394/12, Abruf-Nr. 133992).

     

    Sachverhalt

    Die Kläger vermieteten an die Schuldnerin (GmbH), deren Geschäftsführer die Beklagten waren, Geschäftsräume für ein monatliche Miete einschließlich Betriebskosten von über 10.000 EUR vom 1.2.07 bis 31.1.12 mit Verlängerungsoption. § 3 Abs. 5 des schriftlichen Mietvertrags enthält folgende Regelung:

     

    • § 3 Abs. 5 des Mietvertrags

    „Bleibt der Mieter mit dem monatlichen Mietzins länger als zwei Monate im Rückstand, ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Ferner ist der Vermieter im Falle des Konkurses, des Vergleichs oder der Zahlungseinstellung des Mieters zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags berechtigt.“

     

    Die Schuldnerin zahlte in 11/09 nur einen Teil der Miete, in 04/09 und von 02 bis 09/10 zahlte sie überhaupt keine Miete. Am 4.2., 5.3., 8.4. und 8.6.10 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Nichtzahlung der Miete jeweils fristlos. In einem Räumungsvergleich vom 11.6.10 verpflichtete sich die Schuldnerin, die Geschäftsräume zum 31.8.10 zu räumen und die Miete für Juli und August 10 noch zu zahlen. Am 18.6.10 beantragten die Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, das am 22.7.10 eröffnet wurde.

     

    Die Kläger verlangen von den Beklagten die Zahlung von über 129.000 EUR nebst Zinsen mit der Begründung, diese seien ihnen in Höhe der von der Schuldnerin nicht bezahlten Miete und der Mietkaution zum Schadenersatz verpflichtet.

     

    Während das LG die Klage abgewiesen hat, hat das OLG die Geschäftsführer in Höhe von 98.768 EUR nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung der Mietzinsansprüche der Kläger gegen die Schuldnerin verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision zum BGH hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Kläger können den Mietzinsausfall nicht als Neugläubiger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a Abs. 1 S. 1 InsO ersetzt verlangen.

     

    Checkliste / Wann hat ein Neugläubiger einen Schadenersatzanspruch?

    • Die Neugläubiger einer GmbH haben bei einem schuldhaften Verstoß der Geschäftsführer gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen diese auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (BGH WM 13, 2369; BGH ZIP 12, 1455).

     

    • Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden.

     

    • Soweit § 15a Abs. 1 S. 1 InsO potenzielle Neugläubiger vor der Eingehung solcher Geschäftsbeziehungen mit einer insolvenzreifen GmbH schützen soll, geschieht dies zu dem Zweck, sie davor zu bewahren, einer solchen Gesellschaft noch Geld- oder Sachkredit zu gewähren und dadurch einen Schaden zu erleiden.

     

    • Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers deshalb darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen. Es handelt sich um den Ersatz eines Vertrauensschadens, der dadurch entsteht, dass der Gläubiger mit dem Schuldner einen Vertrag schließt und eine Vorleistung erbringt.
     

    Die Kläger sind nach Auffassung des BGH aber keine Neu-, sondern Altgläubiger. Ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubiger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, weil er sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietvertrag hätte lösen können (OLG Stuttgart ZIP 12, 2342).

     

    Wenn ein Dauerschuldverhältnis vor Insolvenzreife begründet wurde, ist der Gläubiger für seine nach Insolvenzreife fällig werdenden, aber ohne Gegenleistung bleibenden Leistungen Alt- und nicht Neugläubiger, weil der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht ursächlich für den Vertragsabschluss und damit für die Geld- oder Sachleistung nach Insolvenzreife ist, der Gläubiger bei Eintritt der Insolvenzreife vielmehr bereits in vertragliche Beziehungen zur Schuldnerin getreten war.

     

    MERKE | Anders ist dies aber, wenn

    • das Dauerschuldverhältnis mit Insolvenzeröffnung endet oder gekündigt werden kann (BGH NJW-RR 07, 759) oder
    • eine Lösung vom Vertrag bei Stellung eines Eröffnungsantrags möglich ist.

     

    Dann kann die Fortsetzung des vertraglichen Verhältnisses darauf beruhen, dass der Gläubiger seine Leistung im Vertrauen auf die Solvenz der Gesellschaft fortsetzt, obwohl er sich bei Kenntnis der Insolvenzreife vom Vertrag gelöst hätte.

     

    Diese Ausnahme lag im konkreten Fall aber nicht vor, weil sich die Kläger bei Insolvenzreife nicht vom Mietverhältnis mit der Schuldnerin lösen konnten:

     

    • Ein Mietverhältnis endet nicht mit Insolvenzeröffnung (§ 108 InsO) und kann vom Vermieter nicht außerordentlich bei Insolvenzreife oder Insolvenzeröffnung gekündigt werden.

     

    • Die Kläger konnten das Mietverhältnis auch nicht fristlos aufgrund des vereinbarten Sonderkündigungsrechts „bei Konkurs oder Zahlungseinstellung“ kündigen. Eine in einem Mietvertrag vereinbarte insolvenzabhängige Lösungsklausel ist nach allgemeiner Ansicht unwirksam (OLG Hamm NZM 02, 343; OLG Düsseldorf OLGR 07, 125; MüKo/Eckert, InsO, 3. Aufl., § 109 Rn. 79; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 119 Rn. 22; Braun, InsO, 4. Aufl., § 112 Rn. 2; Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 542 BGB Rn. 147).

     

    MERKE | Das hat der BGH aktuell auch schon zu Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie entschieden (NJW 13, 1159).

     

    Jedenfalls ist die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenzeröffnung unwirksam. Nach § 119 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenzeröffnung beschränkt die Anwendung der §§ 108 ff. InsO. Das Mietverhältnis über Räume besteht nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO im Fall der Insolvenzeröffnung fort. Nach § 109 Abs. 1 InsO kann es nur der Verwalter kündigen. Der Vermieter kann es gemäß § 112 InsO nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht einmal wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, oder wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen. Die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenz (oder des Konkurses) ist als Vereinbarung eines solchen, unwirksamen Kündigungsrechts im Fall der Insolvenzeröffnung auszulegen.

     

    Auch auf ein mietvertragliches Kündigungsrecht für den Fall der Zahlungseinstellung, die nicht festgestellt ist, hätten die Kläger eine fristlose Kündigung nicht stützen können, wenn die Beklagten pflichtgemäß einen Eröffnungsantrag gestellt hätten. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter das Mietverhältnis weder wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, noch wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen (§ 112 InsO). Da die Vermögensverschlechterung kein gesetzlicher Kündigungsgrund ist, werden davon gerade entsprechende Vertragsklauseln erfasst. Die Zahlungseinstellung, die die Zahlungsunfähigkeit vermuten lässt (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO), ist ein solcher Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, sodass aus einer darauf gestützten Kündigungsklausel ab dem Eröffnungsantrag kein Kündigungsrecht abgeleitet werden kann.

     

    FAZIT | Die Kläger können ihre Forderungen mithin nur zur Insolvenztabelle anmelden und erhalten hierauf die Insolvenzquote. Ein Schadenersatzanspruch gegen die Gesellschafter kommt nur in Betracht, soweit sie nachweisen, dass der Insolvenzantrag früher hätte gestellt werden müssen und in diesem Zeitpunkt die Insolvenzquote auskömmlicher gewesen wäre. In Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen und der fiktiven Insolvenzquote sind die Geschäftsführer dann persönlich zum Schadensersatz verpflichtet.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 25 | ID 42505089