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  • · Fachbeitrag · Vorsätzlich unerlaubte Handlung

    Leitentscheidungen des BGH in sog. Dieselfällen: Blaupause für weitere Produkthaftungsfälle

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Der BGH hat seit Mai 2020 in viele Fallkonstellationen im VW-Dieselskandal zum Motor EA189 entschieden. Sind diese Fälle schon vor dem Hintergrund der Verjährung weitgehend abgeschlossen, beginnen die Verfahren wegen anderer Motoren, anderer Abschalteinrichtungen und gegen andere Autohersteller gerade erst. Auch ist absehbar, dass künftig nicht nur die Autohersteller, sondern auch Hersteller anderer Produkte im Fokus solcher Klagen stehen werden. Dort, wo Umweltauflagen immer stärker werden und in den Grenzbereich des technisch (schon) Möglichen führen, liegt „die menschliche Schwäche der Manipulation“ nahe. Letztlich gibt es natürlich auch außerhalb dieser Produkthaftungsfälle Haftungen nach § 826 BGB, für die BGH-Leitentscheidungen Relevanz entfalten. FMP dokumentiert die wichtigsten Leitentscheidungen als ABC der Haftung in Fällen nach § 826 BGB. |

     

    Übersicht / Die wichtigsten BGH-Leitsätze in sog. Dieselfällen

    Annahmeverzug

    BGH 29.6.21, VI ZR 130/21

     

    BGH 18.5.21, VI ZR 167/20

     

    BGH 20.4.21, VI ZR 521/19

     

    BGH 23.3.21, VI ZR 3/20

     

    BGH 25.5.20,VI ZR 252/19

    Die Forderung jedenfalls eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrags schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung aus (Klageantrag ohne Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs).

    Aufwendungen

    BGH 19.1.21, VI ZR 8/20

     

    BGH 30.7.20, VI ZR 354/19

    Aufwendungen, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten zählen, wie Kosten von Hauptuntersuchungen, Ölwechsel und Inspektionskosten sind unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht ersatzfähig. Da die Klägerin das Fahrzeug, wie vorgesehen, genutzt hat, handelt es sich insoweit nicht um vergebliche Aufwendungen.

    Berufungsbegründung

    BGH 6.7.21, VI ZR 370/19

    Die Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen. Dabei ist aber stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist.

    Betrug

     

    Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB

    BGH 30.7.20, VI ZR 5/20

    Zwischen der etwaigen Vermögenseinbuße des Käufers eines Gebrauchtwagens im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung und den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter des Fahrzeugherstellers (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, besteht keine Stoffgleichheit im Sinne des Betrugstatbestands.

    Darlegungs- und Beweislast

    BGH 25.5.20, VI ZR 252/19

     

    BGH 30.7.20, VI ZR 367/19

     

    BGH 26.1.21, VI ZR 405/91

     

    BGH 27.7.21, VI ZR 151/20

    Im Grundsatz trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat.

     

    Dieser Grundsatz erfährt aber eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen.

     

    Bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Kenntnis zumindest eines vormaligen Mitglieds des Vorstands von der getroffenen strategischen Entscheidung, trägt der beklagte Hersteller die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, eine solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. Darauf, ob die vormaligen Mitglieder des Vorstands von dem Kläger als Zeugen benannt werden könnten, kommt es nicht an.

     

    Genügt er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

    Darlegungs- und Beweislast

    BGH 29.6.21, VI ZR 566/19

    Hat der Kraftfahrzeugkäufer im Schadenersatzprozess gegen den Kraftfahrzeughersteller konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung, ohne dies gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt offenzulegen, zumindest mit Billigung der Vorstände des Fahrzeugherstellers getroffen wurde, trägt der Kraftfahrzeughersteller die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen hatte und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte. Der Fahrzeugkäufer steht insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs und kann den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln. Demgegenüber ist dem Fahrzeughersteller Vortrag hierzu möglich und zumutbar.

    Deliktszinsen

    BGH 9.3.21, VI ZR 13/20

     

    BGH 30.7.20, VI ZR 354/19

    Dem Geschädigten steht kein Anspruch auf Zahlung von Deliktszinsen nach § 849 BGB zu. Einer Anwendung des § 849 BGB steht schon entgegen, dass der Geschädigte als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt.

    Finanzierungskosten

    BGH 13.4.21, VI ZR 274/20

     

    BGH 7.7.21,

    VI ZR 480/19

    Zum Umfang der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall gehören auch die Finanzierungskosten.

    Haftung

     

    Grundsatz

    BGH 8.3.21, VI ZR 505/19

    Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit i. S. d. § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadenersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbstständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.

    Minderung

    siehe Schadenersatz, kleiner

    Rechtsverfolgungskosten

     

    Höhe Geschäftsgebühr

    BGH 19.1.21, VI ZR 8/21

    Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Käufers sind nur entsprechend einer 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG, §§ 13, 14 RVG nebst Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer aus einem Gegenstandswert in Höhe des tatsächlich bestehenden Schadenersatzanspruchs als ersatzfähig anzusehen.

    Rechtsverfolgungskosten

     

    Vorgerichtliche Kosten

    BGH 22.6.21, VI ZR 353/20

    Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr.

     

    Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen.

    Schaden

    BGH 25.5.20, VI ZR 252/19

    Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht.

    Schaden

    BGH 27.7.21, VI ZR 151/20

    Ein Schaden i. S. d. § 826 BGB kann auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen. Nach deren Erfüllung setzt sich der Schaden in dem Verlust der aufgewendeten Geldmittel fort.

    Schadenersatz (kleiner)

    BGH 6.7.21, VI ZR 40/20

    Ein Geschädigter, der durch das deliktische Handeln eines Dritten (hier: Fahrzeughersteller) zum Abschluss eines Kaufvertrags (hier: über ein Dieselfahrzeug mit Prüfstanderkennungssoftware) bestimmt worden ist, kann, wenn er die Kaufsache behalten möchte, als Schaden von dem Dritten den Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand ‒ gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung ‒ zu teuer erworben hat (sogenannter kleiner Schadenersatz).

     

    Für die Bemessung dieses kleinen Schadenersatzes ist grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch eine nachträgliche Maßnahme (hier: Software-Update) des Schädigers, die gerade der Beseitigung der Prüfstanderkennungssoftware dienen sollte, ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen; dabei sind etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils einzubeziehen.

     

    In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Software-Update (Vorteilsausgleichung) verbunden sind, bereits „eingepreist“. Für eine Feststellung der Ersatzpflicht für diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.

    Schutzzweck

    BGH 30.7.20, VI ZR 367/19

    Auf den Schutzzweck der §§ 6, 27 Abs. 1 EG FGV und der zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union kommt es im Rahmen des Schadenersatzanspruchs aus § 826 BGB nicht an.

    Sittenwidrigkeit

     

    Verhaltensänderung

    BGH 23.3.21, VI ZR 1180/20

     

    BGH 8.12.20, VI ZR 244/20

    Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.

    Sittenwidrigkeit

     

    Verhaltensänderung

    BGH 8.12.20, VI ZR 244/20

    Der VW-Konzern hat seine Verhaltensänderung nicht auf seine Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in seiner Ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.15 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen.

    Software-Update

    BGH 18.5.21, VI ZR 452/19

    Die auf dem sittenwidrigen Verhalten des Automobilherstellers beruhende Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar. Dieser Schaden entfällt nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändert.

     

    Das Aufspielen eines Software-Updates führt nicht dazu, dass der ungewollte Vertragsschluss rückwirkend zu einem gewollten wird.

    Streitwert

    BGH 23.2.21, VI ZR 1191/20

    Begehrt der Käufer eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Gebrauchtfahrzeugs von dem beklagten Fahrzeughersteller (als deliktischen Schadenersatz) die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, ist für die Berechnung des Streitwerts und der Rechtsmittelbeschwer die Nutzungsentschädigung von der Zahlungsforderung in Höhe des Kaufpreises in Abzug zu bringen.

     

    Die Nutzungsentschädigung ist als Vorteil vom Ersatzanspruch nach § 249 BGB abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schuldners bedürfte. Es handelt sich um einen Fall der Anrechnung, die auch im Rahmen der Streitwertberechnung vorzunehmen ist.

    Täuschung

    BGH 25.5.21, VI ZR 252/19

    Es steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich, wenn ein Fahrzeughersteller im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt ausnutzt.

    Thermofenster

    BGH 13.7.21, VI ZR 128/20

     

    BGH 9.3.21, VI ZR 889/20

     

    BGH 19.1.21, VI ZR 433/19

    Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.

    Verjährung

     

    Grob fahrlässige Unkenntnis

    BGH 29.7.21, VI ZR 1118/20

    Die Annahme grober Fahrlässigkeit (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) setzt im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal zumindest in einem ersten Schritt die Feststellung voraus, dass der geschädigte Fahrzeugerwerber von dem sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hat.

    Verjährung

     

    Grundsatz

    BGH 17.12.20, VI ZR 739/20

    Dem Erwerber eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs war es 2015 zumutbar, aufgrund dessen, was ihm damals hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt war, Klage zu erheben und diese auf die ihm bekannten Tatsachenbehauptungen zu stützen.

     

    Merke | Damit beginnt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) mit dem Ablauf des 31.12.15 (§ 199 BGB), wenn festgestellt werden kann, dass der Geschädigte im Jahr 2015 positiv wusste, dass sein Fahrzeug betroffen ist.

    Verjährung

     

    Hemmung durch Musterfeststellungsklage

    Die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB setzt lediglich voraus, dass die Musterfeststellungsklage selbst innerhalb der Verjährungsfrist erhoben wird. Dagegen kann die Anspruchsanmeldung zum Klageregister ‒ im zeitlichen Rahmen des § 608 Abs. 1 ZPO ‒ auch später erfolgen.

     

    Die Berufung auf den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB verstößt nicht allein deshalb gegen Treu und Glauben, weil der Gläubiger seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage angemeldet hat.

    Verzugszinsen

    BGH 9.3.21, VI ZR 13/20

     

    BGH 30.7.20, VI ZR 354/19

    Dem Geschädigten stehen auch keine Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ab dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung zu.

    Vorteilsausgleich

     

    Aufzehrung

    BGH 30.7.20, VI ZR 354/19

    Der Schadenersatzanspruch des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung versehenen Fahrzeugs kann durch die im Wege des Vorteilsausgleichs erfolgende Anrechnung gezogener Nutzungen vollständig aufgezehrt werden.

    Vorteilsausgleichung

     

    Grundsatz der Berücksichtigung

     

    Schadensschätzung

    BGH 25.5.20, VI ZR 252/19

    Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB.

     

    Die Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben.

    Vorteilsausgleich

     

    Herabsetzung

    BGH 2.3.21, VI ZR 147/20

    Da es im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf die tatsächlich gezogenen Vorteile ankommt, verfängt der Einwand nicht, der errechnete Nutzungsvorteil sei zumindest erheblich herabzusetzen, weil die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig (gewesen) sei.

    Vorteilsausgleichung

     

    Sachverständigengutachten

    BGH 18.5.21, VI ZR 720/20

    Das Tatgericht ist bei der im Rahmen des Vorteilsausgleichs vorzunehmenden Bemessung des Nutzungsvorteils in einem sogenannten Dieselfall grundsätzlich nicht gehalten, zur Ermittlung der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des betroffenen Pkws ein Sachverständigengutachten einzuholen; es kann diese vielmehr grundsätzlich selbst ohne sachverständige Hilfe gemäß § 287 ZPO schätzen.

    Vorteilsausgleichung

     

    Schadensschätzung

    BGH 23.3.21, VI ZR 3/20

    Bei der Schätzung der Gesamtfahrleistung steht dem Tatrichter gemäß § 287 ZPO ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.

     

    Merke | Alle Berechnungen, die auf der Grundlage von 250.000 bis 300.000 km Gesamtfahrleistung erfolgt sind, hat der BGH unbeanstandet gelassen.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 178 | ID 47614741