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  • · Fachbeitrag · Urkundenprozess

    Werklohnforderungen im Urkundenprozess

    Eine Klage auf Zahlung von Werklohn ist im Urkundenprozess nur statthaft, wenn alle Anspruchsgrundlagen mit Urkunden unterlegt sind. Ist die Abnahme noch nicht erfolgt, ist die sofortige Klage auf Zahlung des Werklohns im Urkundenprozess auch deswegen unstatthaft, weil sie konkludent die Klage auf Abnahme umfasst, im Urkundenprozess aber nicht der Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung verfolgt werden kann (OLG Schleswig 30.8.13, 1 U 11/13, Abruf-Nr. 141798).

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Entscheidung des OLG Schleswig ist auf den ersten Blick für den Gläubiger ungünstig. Wie so häufig, lohnt aber der zweite Blick, um den Nutzen zu erkennen. Der Gläubiger kann nach § 592 ZPO seinen Anspruch im Urkundenprozess geltend machen, wenn er sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden beweisen kann.

     

    MERKE | Der Urkundenprozess hat für den Gläubiger besondere Vorteile. Er führt schnell zu einem Vollstreckungstitel, weil aufwändige Beweisaufnahmen durch Zeugenvernehmungen und Sachverständigengutachten auch auf erkennbar nur zur Verzögerung erhobene Einwendungen des Schuldners unterbleiben. Auch er muss seine Einwendungen mit Urkunden belegen. Weitere Beweismittel stehen ihm erst im Nachverfahren zur Verfügung, zu dem es in der Praxis aber in vielen Fällen gar nicht kommt, weil der Schuldner im Angesicht der bereits laufenden Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess die weiteren Kosten scheut und sein Ziel der Vollstreckungsvereitelung oder jedenfalls -verzögerung als gescheitert ansehen muss.

     

    Im Fall des OLG war die Besonderheit, dass eine Abnahme erfolgt war, jedoch nicht durch Urkunden belegt werden konnte. Umstritten ist, ob auch unbestrittene Tatsachen durch Urkunden unterlegt sein müssen oder sie das Tor zum Urkundenprozess verschließen:

     

    • Nach der einen Auffassung ist es nicht erforderlich, dass unbestrittene Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden könnten, weil diese nach den allgemeinen Beweisregeln keines Beweises bedürften (BGH WM 74, 487; BGH NJW 08, 523; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 592, Rn. 11, § 597, Rn. 4).

     

      • Nach einer etwas differenzierteren Auffassung soll sich die Berücksichtigung unstreitiger, aber nicht durch Urkunden bewiesenen, Tatsachen nur auf Lücken in der Beweisführung beziehen, wobei damit recht großzügig verfahren werden soll (BGH NJW 08, 523).

     

      • Nach einer anderen Variante soll danach sogar ein Urkundenprozess möglich sein, ohne dass auch nur eine Anspruchsvoraussetzung durch Urkunden bewiesen werden kann (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 597, Rn. 4).

     

    • Nach der Gegenauffassung müssen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden beweisbar sein, unabhängig davon, ob der Beweis im Einzelfall angetreten werden muss. Dies folge aus dem Wortlaut des § 597 Abs. 2 ZPO, nach dem die Klage auch dann als unstatthaft abzuweisen sei, wenn der Beklagte zwar säumig sei oder er den Klagegründen nicht widerspreche, sondern andere Einwendungen gegen den Anspruch vorbringe, die Anspruchsvoraussetzungen aber nicht durch Urkunden vollständig belegt seien (Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 3. Aufl., § 592, Rn. 30; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 592, Rn. 11; OLG München MDR 12, 186).

     

    Das OLG folgt der letzten Auffassung, will also auch unbestrittene Tatsachen durch Urkunden belegt sehen. Die Gegenauffassung widerspreche dem Wortlaut der §§ 592, 597 Abs. 2 ZPO und ließe sich mit dem Zweck des Urkundenprozesses nicht in Einklang bringen.

     

    Die vorherige Darstellung der Streitfrage zeigt, dass sich das OLG damit gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt. Das sah es auch selbst so und ließ die Revision zu. Diese Möglichkeit hat der Kläger aber nicht genutzt.

     

    Der Gläubiger muss sich im Ergebnis also nicht auf die Rechtsprechung des OLG Schleswig einlassen, sondern kann sich weiterhin auf die für ihn günstigere Rechtsprechung des BGH berufen. Allerdings sollte der Bevollmächtigte den Gläubiger auf die Risiken hinweisen, ohne die Vorteile des Vorgehens zu verschweigen. Dabei ist das Risiko überschaubar: § 596 ZPO erlaubt dem Kläger nämlich, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Beklagten vom Urkundenprozess abzusehen und den Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren fortzusetzen.

     

    MERKE | Für die Beratungspraxis in Dauermandaten muss gerade dem Bauunternehmer empfohlen werden, sich alle Absprachen an der Baustelle, vor allem Nachtragsvereinbarungen und die Abnahme, schriftlich direkt an der Baustelle bestätigen und unterschreiben zu lassen. Ein Formular für ein Abnahmeprotokoll ist vielfach erhältlich, aber auch ohne großen Aufwand herzustellen. Hiervon profitiert auch der Bevollmächtigte, der im Urkundenprozess seine Gebühren schneller und mit weniger Aufwand verdienen kann.

     

    Wer den Urkundenprozess nutzen möchte, muss nicht auf die Vorteile des gerichtlichen Mahnverfahrens verzichten. Nach § 703a ZPO kann auch schon ein Mahnbescheid im Urkundsverfahren beantragt werden.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 116 | ID 42759472