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  • · Fachbeitrag · Sittenwidrigkeit

    So verteidigen Sie Ihre Vergütungsvereinbarung

    | Der BGH hat aktuell entschieden: Ob ein für die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung sprechendes auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht, hängt davon ab, welche Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit marktangemessen und adäquat ist. Die gesetzlichen Gebühren stellen hierbei ein Indiz dar (BGH 10.11.16, IX ZR 119/14, Abruf-Nr. 190488 ). |

    1. Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB

    Es ist zunächst zu unterscheiden, welche Einwände gegen die Vergütungsvereinbarung erhoben werden. Zum einen kann die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB geltend gemacht werden, zum anderen aber auch eine unangemessene Höhe des Honorars nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG. Die beiden Einwände unterscheiden sich in den Voraussetzungen wie in den Rechtsfolgen. Wird deren Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB geltend gemacht, ist zwischen dessen beiden Absätzen zu unterscheiden:

     

    • Eine Vergütungsabrede ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, die die Sittenwidrigkeit begründen, vor allem eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben. Dabei sind die Verhältnisse zurzeit des Vertragsschlusses zugrunde zu legen.

     

    • Für den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich, das für sich allein aber nicht genügt. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Gläubiger die beim Schuldner bestehende, von § 138 Abs. 2 BGB näher bestimmte Schwächesituation ausgenutzt hat. Dieser Ausbeutungsvorsatz kann bei § 138 Abs. 2 BGB nicht allein aus dem auffälligen Missverhältnis gefolgert werden.

     

    a) Objektiver Tatbestand

    Im objektiven Tatbestand muss also in beiden Fällen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. Maßstab ist der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis. Die Darlegungs- und Beweislast trägt dabei die Partei, die sich auf Sittenwidrigkeit beruft. Zu würdigen sind alle Indizien des Einzelfalls.

     

    Welches Gewicht im Rahmen der Würdigung der Indizien dem Verhältnis zwischen gesetzlichen und vereinbarten Gebühren zukommt, hängt nach dem BGH davon ab, inwieweit bereits im Einzelfall aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren eine aufwandsangemessene, adäquate Vergütung für das konkrete Mandat erfolgt. Weil die Vergütung nach dem RVG nicht (allein) nach dem Aufwand bestimmt wird, ist sie nur ein Indiz, aber kein unverrückbarer Nachweis für eine unangemessen höhere Vergütung. Haben die Parteien ein Pauschalhonorar vereinbart, ist zudem das Risiko zu berücksichtigen, ob der sich nach den versprochenen anwaltlichen Leistungen voraussichtlich unter Abwägung der mit der Pauschalierung verbundenen Risiken ergebende hypothetische Stundensatz marktangemessen und üblich ist.

     

    b) Subjektiver Tatbestand

    Sodann ist dem subjektiven Tatbestand nachzugehen. Für Abs. 1 ist die verwerfliche Gesinnung festzustellen, für Abs. 2 der Ausbeutungsvorsatz. Nur bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung. Anderenfalls ist auch die subjektive Seite in beiden Fällen aus allen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen.

     

    c) Rechtsfolge

    Ergibt sich aus diesen Prüfungen, dass die Vergütungsabrede im Einzelfall sittenwidrig ist, führt dies nach § 138 BGB zur Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung. Damit steht dem Anwalt nur die gesetzliche Vergütung zu, die nach § 612 Abs. 2 BGB an die Stelle der nichtigen Vertragsabrede tritt.

    2. Unangemessene Höhe nach § 3 Abs. 2 RVG

    Ist die Vereinbarung nicht sittenwidrig, kommt gleichwohl noch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 RVG in Betracht, wenn die Vergütung unangemessen hoch ist. „Unangemessene Höhe“ ist von „Sittenwidrigkeit“ zu unterscheiden.

     

    a) Voraussetzungen

    Die vereinbarte Vergütung ist unangemessen hoch, wenn sich der Anwalt ein Honorar versprechen lässt, das unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht.  Der BGH überträgt die für Strafverteidiger aufgestellte Vermutung, dass dies der Fall ist, wenn das Honorar die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt (BGHZ 162, 98, 107; BGH NJW 09, 3301), nun auf die Honorare in zivilrechtlichen Streitigkeiten. Unterhalb des Fünffachen der gesetzlichen Vergütung muss also der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass es am sachgerechten Interessenausgleich fehlt. Die Vermutung der unangemessenen Höhe lässt den Nachweis der gleichwohl angemessenen Höhe zu. Allerdings muss der Anwalt darlegen und beweisen, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen ist.

     

    Maßgeblich sind alle (!) Umstände des Einzelfalls, insbesondere

    • Umfang und Schwierigkeit der Sache,
    • das mit der Sache verbundene Haftungsrisiko,
    • die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber,
    • die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers,
    • die Ziele des Auftraggebers und
    • ob die Bemühungen des Rechtsanwalts erfolgreich waren.

     

    b) Rechtsfolge

    Anders, als bei der Sittenwidrigkeit führt die unangemessene Höhe nach § 3 Abs. 2 RVG nicht zur Zurücksetzung auf die gesetzliche Vergütung, sondern nur zur Reduzierung auf den angemessenen Betrag. Die absolute Untergrenze stellt dabei auch in dieser Konstellation die Höhe der gesetzlichen Vergütung dar.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 106 | ID 44683527