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  • · Fachbeitrag · Schuldnerverzug

    Was kann der Gläubiger verlangen?

    | Unter welchen Voraussetzungen gerät der Schuldner in Verzug und was kann der Gläubiger dann vom Schuldner verlangen? Diese Fragen haben wir in FMP 20, 32 und FMP 20, 52 ausführlich erörtert. Dabei ging es vornehmlich um die Ansprüche des Gläubigers, die er neben der Hauptleistung verlangen kann, z. B. Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 bis 3 BGB), Mahnkostenpauschale (§ 288 Abs. 5 BGB) oder sonstige Schäden (§ 280 Abs. 1, 2 BGB, § 286 BGB), die infolge des Verzugs entstanden sind. Wie kann der Gläubiger aber reagieren, wenn der Schuldner nicht nur seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, sondern bereits die bestellte Ware oder Dienstleistung gar nicht abnimmt und daraus für den Gläubiger Schäden entstehen? |

    1. Ansprüche des Gläubigers wegen Schuldnerverzug

    Der Gläubiger kann im Fall des Schuldnerverzugs nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB Schadenersatz neben der Hauptleistung sowie Verzugszinsen nach Maßgabe des § 288 BGB verlangen. Hat er hingegen aufgrund des Schuldnerverzugs an der Hauptleistung kein Interesse mehr, kann er

    • die Leistung ablehnen und statt dessen Schadenersatz unter den Voraus-setzungen der § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281 BGB verlangen oder
    • vom Vertrag nach § 323 BGB zurücktreten.

     

     

    Am Beispiel eines vom BGH jüngst entschiedenen Falls sollen die Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers nachfolgend aufgezeigt werden.

     

    • Beispiel (nachgebildet BGH 14.10.20, VIII ZR 318/19)

    Verkäufer V. und Käufer K. schlossen am 4.7.16 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw zum Preis von 63.000 EUR. K. zahlte bar 13.000 EUR an. Als Datum der Abholung und Restzahlung wurde der 8.7.16 vereinbart. An diesem Tag bat K. darum, den Abholtermin zu verlegen. V. setzte daraufhin eine Frist zur Abholung und Bezahlung bis Montag, 11.7.16 um 15:00 Uhr, und teilte mit, dass er den Pkw sonst weiterverkaufen müsse. K. reagierte darauf. Am 13.7.16 erklärte V. den Rücktritt vom Kaufvertrag und kündigte die Schadenersatzansprüche an.

    Am selben Tag erklärte K., er sei bereit, den Pkw am 18.7.16 in Empfang zu nehmen. Das lehnte V. ab und verkaufte ihn am 18.7.16 an Interessent I. für 58.000 EUR. K. forderte V. auf, die 13.000 EUR zurückzuzahlen. V. zahlte 8.000 EUR und erklärte, da er den Pkw nur für 58.000 EUR verkaufen konnte, sei ihm ein Schaden von 5.000 EUR entstanden, mit dem er gegen den weitergehenden Rückzahlungsanspruch des K. aufrechne. Wie ist die Rechtslage?

     

     

    V. macht einen Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung geltend. Der Anspruch könnte aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB resultieren. Soweit dieser Anspruch begründet ist, kann der Käufer nach § 281 Abs. 5 BGB das bislang bereits Geleistete nach den §§ 346 bis 348 BGB zurückverlangen. Gegen diesen Anspruch könnte V dann mit seinem Schadenersatzanspruch aufrechnen.

     

    § 281 BGB setzt folgende Tatbestandsmerkmale voraus:

     

    • Fällige Leistung
    • Nicht oder nicht wie geschuldet erbracht
    • Angemessene Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung
    • Frist erfolglos verstrichen
    • Unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Verschulden, Schaden)

     

    Im vorliegenden Fall war die Abnahme und Restzahlung des Kaufpreises für den 8.7.16 vereinbart und somit fällig geworden. Diese Leistung wurde nicht rechtzeitig erbracht. Es wurde auch eine Frist zur Leistung gesetzt, die erfolglos verstrichen ist.

     

    Fraglich ist aber, ob diese Frist angemessen war. Dies bestimmt sich hinsichtlich ihrer Länge aufgrund der Umstände des Einzelfalls nach objektiven Maßstäben. Die am 8.7. (Freitag) gesetzte Frist zum Abholen und Bezahlen des Fahrzeugs bis zum 11.7.16 (Montag) war nach Ansicht des Gerichts unangemessen kurz. Es wurde dadurch aber eine angemessene Frist in Gang gesetzt.

     

    MERKE | Erweist sich die Fristsetzung als zu kurz, ist sie nicht unwirksam, sondern setzt stattdessen eine angemessene Frist in Lauf (BGH 13.7.16, VIII ZR 49/15; BT-Drucksache 14/6040, S. 138).

     

    Unterstellt, die angemessene Frist ist abgelaufen, ist im Rahmen des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB noch das Verschulden zu prüfen. Da dem Sachverhalt keine Entschuldigung für das Verhalten des Käufers zu entnehmen ist, liegt auch diese Voraussetzung vor. Somit könnte der Verkäufer Schadenersatz verlangen, mit dem er gegen den Rückforderungsanspruch des Käufers nach § 281 Abs. 5 BGB die Aufrechnung erklären könnte.

     

    Im vorliegenden Fall fehlte es nach Auffassung des Gerichts aber auch an einer angemessenen Frist, da zwischen Fristsetzung am 8.7.16 und der Rücktrittserklärung am 13.7.16 nur vier volle Kalender- bzw. zwei volle Arbeitstage lagen. Im Zeitpunkt des Rücktritts am 13.7.16 war eine angemessene Frist daher noch nicht abgelaufen. Somit war das Schadenersatzbegehren des Verkäufers im vorliegenden Fall abzulehnen. Ist aber der Schadenersatzanspruch nach § 281 Abs. 1 BGB unbegründet, kann der Käufer auch nach § 281 Abs. 5 BGB keine Rückforderung der bereits erbrachten Leistung verlangen (BGH, a. a. O.; MüKo/Ernst, BGB, 8. Aufl., § 281 Rn. 111).

     

    PRAXISTIPP | Der Gläubiger muss zur Vermeidung von Rechtsnachteilen also auf jeden Fall auf angemessene Fristsetzungen achten. Im Zweifel sollte die Frist großzügiger bemessen sein, wenn dadurch keine irreparablen Schäden eintreten. Auf der sicheren Seite dürfte sich der Gläubiger mit einer Frist von zumindest zwei Wochen wähnen.

     

    2. Rücktritt des Verkäufers nach § 323 BGB?

    Der Verkäufer ist nach § 323 Abs. 1 BGB nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten, da es auch hier an der angemessenen Fristsetzung fehlt. Die Fristsetzung ist auch nicht nach § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich, da keiner der dort genannten Konstellationen greift.

    3. Rücktritt des Käufers nach § 323 BGB?

    Wohl aber ist der Käufer gemäß § 323 BGB selbst wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Eine Rücktrittserklärung liegt spätestens konkludent in der Erhebung der Klage auf Rückerstattung der restlichen Anzahlung.

     

    Das Verhalten des K. war objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners als konkludente Rücktrittserklärung zu werten, denn aus dem Verhalten ist zu erkennen, dass K. an dem Vertrag nicht mehr festhalten wollte und nur noch dessen Rückabwicklung durch Rückzahlung der geleisteten Anzahlung begehrt.

     

    § 323 Abs. 1 BGB setzt voraus:

     

    • Gegenseitiger Vertrag
    • Fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht
    • Angemessene Frist zur Leistung oder nach Erfüllung
    • Frist erfolglos abgelaufen

     

    Der Verkäufer hat die ihm obliegende Leistung, nämlich die Übereignung und Übergabe des Pkw, trotz Fälligkeit nicht erbracht. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, da eine Fristsetzung entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert.

     

    Das setzt voraus, dass er unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen werde. Das war hier der Fall.

     

    Ist somit der Rücktritt vom Vertrag durch die Käuferin wirksam erklärt, sind nach § 346 BGB die empfangenen Leistungen zurück- und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Somit steht K. ein Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Anzahlung zu.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 68 | ID 47227010