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  • · Fachbeitrag · Kostenrecht

    OLG ändert Rechtsprechung: Erinnerung gegen den Kostenansatz eines LG als Berufungsgericht

    | Im gerichtlichen Alltag ist immer wieder zu sehen, dass die Parteien selbst agieren. Hat dies im Hauptsacheverfahren zur Folge, dass Rechtsmittel zum LG oder OLG unzulässig sind, verhält sich dies in Kostenverfahren häufig anders, weil sich die betroffene Partei hier selbst vertreten darf. Für den Gegner sind solche Verfahren von Bedeutung, weil er sonst ggf. als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden kann. Ein solches Verfahren hat das OLG Stuttgart jetzt zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu ändern. |

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Schlusskostenabrechnung des LG bzgl. des durchgeführten Berufungsverfahrens.

     

    Nachdem das AG den Beklagten mit Versäumnisurteil zur Zahlung von 4.164,24 EUR und Nebenkosten sowie zum Tragen der Verfahrenskosten verurteilt und dieses Versäumnisurteil auf den Einspruch unter Auferlegung der weiteren Verfahrenskosten aufrechterhalten hatte, hat der Beklagte persönlich mit Schreiben vom 1.4.19 gegen das Urteil „Einspruch“ eingelegt.

     

    Dieses Rechtsmittel hat das LG als Berufung angesehen und mit Beschluss vom 5.8.19 als unzulässig verworfen, weil weder eine form- noch eine fristgerechte Einlegung vorliege. Zugleich hat das LG dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

     

    Aufgrund der Kostenentscheidung des LG hat der Kostenbeamte die angefallenen Gerichtskosten auf der Basis eines Streitwerts von 4.164,24 EUR gegenüber dem Beklagten abgerechnet. Hiergegen hat der Beklagte Einwendungen dahin gehend erhoben, sein Rechtsanwalt würde die Kosten übernehmen, weil er ihn nicht ordnungsgemäß vertreten habe.

     

    Das LG hat dieses Vorbringen als zulässige Erinnerung behandelt und in der Sache zurückgewiesen. Dieser Beschluss enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung dahin gehend, dass eine weitere Beschwerde eingelegt werden könne, soweit sie mit der Entscheidung zugelassen worden sei.

     

    Der Beklagte hat gegen diese Entscheidung „Widerspruch und Beschwerde“ erhoben und zur Begründung nun vorgetragen: Der Versicherungsvertreter habe ihn seinerzeit fehlerhaft beraten, er habe die Versicherung bei der Klägerin im Mai 2018 gekündigt und dies sei ihm auch bestätigt worden. Er habe gegen das Urteil des AG in dieser Sache Berufung eingelegt, weil ihm durch das Verhalten der Klägerin weit höhere Kosten entstanden seien, deren Übernahme die Klägerin abgelehnt habe.

     

    Das LG hat entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen, weil diese wohl bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Es hat die Akten daher dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG hat die Beschwerde des Beklagten gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 GKG für zulässig gehalten und ist damit von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen.

     

    • Leitsatz: OLG Stuttgart 3.4.20, 8 W 87/20

    Gegen die Entscheidung des LG als Berufungsgericht über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz findet nach § 66 Abs. 2 GKG die Beschwerde unabhängig von ihrer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung statt (Abruf-Nr. 217668).

     

    Das OLG sieht als Gegenstand der zu beurteilenden Anfechtung eine Erinnerungsentscheidung des LG hinsichtlich der bei ihm selbst angefallenen Gerichtskosten des Berufungsverfahrens.

     

    Die Anwendungsbereiche von § 66 Abs. 2 und Abs. 4 GKG unterscheiden sich dadurch, dass der erste der beiden Absätze die Anfechtung einer Erinnerungsentscheidung bzgl. des Kostenansatzes regelt, unabhängig davon, welches Gericht entschieden hat. Hingegen sieht der letztere ausschließlich für solche Entscheidungen einen weiteren Rechtsbehelf vor, die zum einen von einem LG getroffen worden sind und bei denen zum anderen ‒ kumulativ ‒ das LG als Beschwerdegericht entschieden hat.

     

    Beachten Sie | § 66 Abs. 4 GKG betrifft also ausschließlich die Fälle, in denen das LG (als Beschwerdegericht) mit einer Beschwerdeentscheidung des AG nach § 66 Abs. 2 GKG befasst werden soll (Zimmermann in: Binz/Dorndörfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., § 66 GKG Rn 61; Volpert in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 66 GKG Rn 116).

     

    An der früher vom OLG vertretenen Ansicht, soweit das LG als Berufungsgericht über Gerichtskosten des Berufungsverfahrens nach § 21 GKG zu entscheiden habe, sei hinsichtlich der Rechtsbehelfe nicht auf § 66 Abs. 2 GKG, sondern auf § 66 Abs. 4 GKG abzustellen (OLG Stuttgart 2.7.08, 8 W 259/08), hält das OLG nicht mehr fest. Die Formulierung „... das Landgericht als Beschwerdegericht ...“ in § 66 Abs. 4 GKG sei nicht gleichbedeutend mit einer Tätigkeit des LG als Berufungsgericht. Dies ergebe sich allein schon aus den nicht miteinander vergleichbaren Gegenständen der richterlichen Entscheidungen.

     

    Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst den Rechtsbehelf der „weiteren Beschwerde“ an das Vorliegen einer Entscheidung eines LG als Beschwerdegericht im Verfahren nach § 66 GKG geknüpft hat. Dies sei auch deshalb anzunehmen, weil sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucksache 15/1971, dort Seite 156 f.) eindeutig entnehmen lasse, dass es die Intention des Kostenrechtsänderungsgesetzes im Bereich des § 66 GKG war, im Vergleich zum bis dahin geltenden Recht das Beschwerdeverfahren vom Hauptsacheverfahren abzukoppeln und durch die Einführung einer „weiteren Beschwerde“ zu einer weiteren Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Die Einführung der weiteren Beschwerde sei folglich nicht als Einschränkung der Regelung des § 66 Abs. 2 GKG gedacht gewesen, sondern als Erweiterung der Rechtsbehelfe, indem ansonsten unanfechtbare Beschwerdeentscheidungen des LG über die Schaffung des § 66 Abs. 4 GKG zum Zwecke der Vereinheitlichung der Kostenrechtsprechung mit einer zusätzlichen Beschwerdemöglichkeit versehen wurden.

     

    Gegenstand der zur Entscheidung vorgelegten Beschwerde sei die Erinnerungsentscheidung des LG hinsichtlich des Kostenansatzes für das Berufungsverfahren, somit keine Beschwerdeentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 GKG. Dass die angefochtene Entscheidung insoweit hinsichtlich der Rechtsbehelfe eine fehlerhafte Belehrung enthält, sei rechtlich ohne Bedeutung, nachdem der Beschwerdeführer eine nach den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich statthafte und zulässige Beschwerde erhoben hat.

     

    Die Beschwerde ist jedoch unbegründet: Mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz und damit auch mit einer Beschwerde gegen eine zurückweisende Erinnerungsentscheidung kann sich der Erinnerungsführer nur gegen den Kostenansatz selbst, also gegen die Verletzung des Kostenrechts und nicht gegen die Kostenbelastung der Partei als solche wenden (BGH 21.11.19, VIII ZB 97/16, Abruf-Nr. 213287). Daher waren die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen im Verfahren des OLG Stuttgart nicht zu berücksichtigen. Sie betreffen nicht das Kostenrecht, also die Anwendung der gesetzlichen Kostenvorschriften, sondern die Kostengrundentscheidung in der Berufungsentscheidung. Diese ist jedoch für den Kostenansatz bindend.

     

    Auch, soweit der Beschwerdeführer auf eine Übernahme der Verfahrenskosten durch seinen Rechtsanwalt hingewiesen hat, ist dies für die angefochtene Entscheidung rechtlich ohne Belang. Denn ein Rechtsanwalt ist für den Beklagten im Rechtsstreit nicht aufgetreten und daher weder Partei noch in irgendeiner Form am Rechtsstreit und seinen darauf basierenden Kostenverfahren beteiligt. Auch insoweit gilt die bindende Kostenentscheidung im Beschluss des LG, nach der der Beklagte und nicht ein für ihn tätiger Rechtsanwalt die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat.

     

    MERKE | Nr. 1220 des Kostenverzeichnisses zum GKG sieht eine 4,0-Gebühr aus dem Streitwert, vom LG auf 4.164,24 EUR festgesetzt, vor, also 584 EUR.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 178 | ID 46839415