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  • · Fachbeitrag · Energieversorgung

    Hauseigentümer muss Stromnutzer nennen

    • 1. Ein Versorgungsunternehmen, das im Rahmen der Grundversorgung Elektrizität liefert, hat ein besonders schützenswertes rechtliches Interesse daran, zu erfahren, wer sein Kunde ist. Denn der Grundversorgungsvertrag kommt nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande, sondern dadurch, dass die Realofferte des Versorgers durch sozialtypisches Verhalten (Entnahme von Strom) angenommen wird.
    • 2. Nach § 826 BGB kann derjenige wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haften, der die erforderliche Mitteilung gegenüber dem Versorgungsunternehmen unterlässt, wer dessen Vertragspartner ist.
    • 3. Ist Eigentümerin eines Grundstücks, das im Rahmen der Grundversorgung mit Elektrizität beliefert wird, eine juristische Person, trifft die Mitteilungspflicht deren gesetzlichen Vertreter.
    • 4. Der gesetzliche Vertreter haftet jedenfalls persönlich, wenn er auch auf Nachfrage des Versorgungsunternehmens nicht für Aufklärung sorgt, wer dessen Vertragspartner ist, obwohl er hierzu aufgrund seiner Stellung ohne Weiteres in der Lage wäre. Die unterlassene Aufklärung genügt in diesem Fall für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes.
    • 5. Kann das Versorgungsunternehmen seine berechtigten Ansprüche mangels Kenntnis seines Vertragspartners nicht durchsetzen, haftet der Mitteilungspflichtige persönlich in Höhe der angefallenen Stromkosten.

    (OLG Nürnberg 23.5.14, 2 U 2401/12, Abruf-Nr. 141800)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger begehrt gegenüber dem beklagten Energieversorgungsunternehmen die Feststellung, dass er nicht zur Begleichung einer Stromrechnung von rd. 5.000 EUR verpflichtet ist. Seine Ehefrau war ursprünglich Eigentümerin des Hauses, in dem der Strom entnommen wurde. Im Wege der Zwangsversteigerung wurde das Haus von einer englischen Firma erworben, deren Chef der Kläger ist. In dem Haus sind mehrere weitere Firmen gemeldet, deren Vertreter jeweils der Kläger ist. Dieser weigerte sich, die Stromrechnung zu begleichen oder auch nur den Namen der Person(en) zu nennen, die den Strom abnahmen, da er weder in dem Haus wohne noch selbst den Strom abnehme. Darauf ließ das Energieversorgungsunternehmen den Stromanschluss mithilfe des Gerichtsvollziehers sperren. Auf die Feststellungsklage des Klägers hat das Energieversorgungsunternehmen im Wege der Widerklage den Zahlungsanspruch gegen den Kläger verfolgt.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Feststellungsklage und Zahlungswiderklage werfen die identische Streitfrage auf: Haftet der Kläger aus Vertrag oder einem sonstigen Rechtsgrund für die entstandenen Stromversorgungskosten.

     

    MERKE | Dabei ist die Frage nicht auf den Stromversorger beschränkt, sondern stellt sich bei allen anderen Grundversorgern, insbesondere auch bei Gas- und Wasserversorgern, in gleicher Weise.

     

    Ein vertraglicher Anspruch kann auf zwei Wegen begründet werden:

     

    • Zum einen kann zwischen den Parteien ausdrücklich ein Energieversorgungsvertrag geschlossen werden oder
    • er kommt konkludent, nämlich durch die bloße Nutzung der Energie in der Grundversorgung zustande.

     

    MERKE | Nach der Rechtsprechung des BGH nimmt der, der aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrags konkludent an. Eine etwaige Erklärung, er wolle mit dem Unternehmen keinen Vertrag schließen, ist unbeachtlich, da dies in Widerspruch zu seinem eigenen tatsächlichen Verhalten steht, d.h. er nimmt die Realofferte des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten an (BGH NJW-RR 04, 928; NJW-RR 05, 639). Vertragspartner wird, wer aufgrund seiner Verfügungsmacht über den Versorgungsanschluss die Leistung entgegennimmt (BGH NJW 03, 3131).

     

    Ein ausdrücklicher Versorgungsvertrag schied vorliegend aus, sodass nur der konkludente Vertrag in Betracht kam. § 2 Abs. 2 Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) regelt, wie in diesem Fall weiter zu verfahren ist. Nichts anderes gilt nach § 2 Abs. 2 der Gasgrundversorgungsverordnung.

     

    • Im Wortlaut: § 2 Abs. 2 StromGVV (in der Fassung vom 30.4.12)

    Kommt der Grundversorgungsvertrag dadurch zustande, dass Elektrizität aus dem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird, über das der Grundversorger die Grundversorgung durchführt, so ist der Kunde verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme von Elektrizität unverzüglich in Textform mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn die Belieferung des Kunden durch ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen endet und der Kunde kein anschließendes Lieferverhältnis mit einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen begründet hat.

     

    Das OLG hat hier an die Stelle des Kunden, d.h. des einzelnen Stromabnehmers, eine Mitteilungspflicht beim Hauseigentümer gesehen. Es hat dies für erforderlich gehalten, um dem Forderungsdurchsetzungsinteresse des Energieversorgungsunternehmens Geltung zu verschaffen. Allerdings fehlt es an einer näheren Begründung der Auffassung. Dass der Kläger selbst Strom bezieht, konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Da das Haus zuvor seiner Ehefrau gehörte und der Sachverhalt nichts dafür hergab, dass der Kläger Vertragspartner des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Stromversorgungsvertrages war, ergab sich die Mitteilungspflicht ‒ dem Wortlaut folgend ‒ auch nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 2 S. 2 StromGVV.

     

    Dem Sinn und Zweck der Regelung und der gesetzgeberischen Intension dürfte es allerdings entsprechen, den Eigentümer eines versorgten Hauses so lange als Kunde anzusehen, bis ein Nutzer des Hauses die Kundeneigenschaft eingeräumt hat.

     

    Das OLG nimmt aber nicht an, dass damit der Hauseigentümer auch (konkludenter) Vertragspartner des Energieversorgungsunternehmens wird. Vielmehr ergebe sich die Haftung aus dem Recht der unerlaubten Handlung. Anknüpfungspunkt ist die unterlassene Mitteilung des Nutzers, nicht die eigene Nutzung. Die Haftung nach § 826 BGB wird angenommen, wenn Umstände, die dem Vertragspartner unbekannt sind, nach Treu und Glauben aber bekannt sein müssen, weil sein Verhalten bei Vertragsverhandlungen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen davon wesentlich beeinflusst werden, sittenwidrig verschwiegen werden (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 826 Rn. 20).

     

    MERKE | Das würde allerdings nur zutreffen, wenn der Kläger selbst den Strom nutzt und die Weitergabe der erforderlichen Daten nach § 2 Abs. 3 StromGVV verweigert. Die Eigennutzung konnte dem Kläger aber nicht nachgewiesen werden. Der Kläger ist also Dritter.

     

    Auch bei Dritten, die nicht Vertragspartner sind, kommt eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht, wenn diese das sittenwidrige Verhalten eines Vertragspartners bei Vertragsschluss bewusst unterstützen. Sittenwidrig ist das Verschweigen von Umständen, wenn ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem betroffenen Gläubiger, ein schwerwiegender Verstoß gegen das Anstandsgefühl vorliegt, der mit den Grundbedürfnissen loyaler Gesinnung unvereinbar ist. Das Verschweigen relevanter Umstände durch einen Dritten ist sittenwidrig, wenn er mit dem Schuldner gerade zur Vereitelung der Ansprüche des Vertragsgläubigers planmäßig zusammenwirkt (Palandt/Sprau, a.a.O., § 826 Rn. 23). Das war hier anzunehmen, weil die von dem Kläger geführte Firma Eigentümer und andere von ihm geführte Firmen Nutzer des Hauses mit den Entnahmestellen waren.

     

    Daraus ergibt sich der rechtliche Obersatz des OLG Nürnberg: Ein Hauseigentümer, der dem Stromversorger böswillig verschweigt, wer in seinem Haus die Stromversorgung nutzt, muss die Stromrechnung selbst bezahlen. Den Vorsatz als notwendige Voraussetzung eines Anspruchs aus § 826 BGB hat das OLG aus dem Gesamtverhalten des Klägers abgeleitet:

     

    • Schriftliche Anfragen nach dem Nutzer hat er unbeantwortet gelassen,
    • gegen die Übersendung der Rechnung und seine Führung als Kunde hat er sich verwahrt und auch diese Gelegenheit nicht genutzt, den tatsächlichen Entnehmer zu benennen,
    • er hat sich nur auf die formale Position zurückgezogen weder Eigentümer noch Nutzer zu sein,
    • er ignorierte fortwährend das Näheverhältnis zur Nutzung und teilte nicht mit, warum ihm das Nennen des tatsächlichen Nutzers unbekannt war und
    • er hat seinen eigenen Wohnort nicht angegeben und trotzdem im streitgegenständlichen Objekt eine Postsendung für seine Ehefrau entgegengenommen.

     

    MERKE | Am Ende kommt es nicht darauf an, dass genau diese Indizien vorliegen. Vielmehr muss sich aus der Gesamtschau ergeben, dass der Hauseigentümer ihm vorliegende Informationen bewusst verschweigt, Erkenntnismöglichkeiten nicht nutzt und sich auf eine formale Rechtsposition im Verhältnis zu § 2 Abs. 2 StromGVV oder § 2 Abs. 2 GasGVV zurückzieht.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 120 | ID 42759558