· Allgemeines Vertragsrecht
Notwendigkeit von Telefon- und Telefax-Nummern in Widerrufsbelehrungen

| Nach den Vorgaben des EU-Rechts hat der nationale Gesetzgeber in den §§ 312 ff., 495, 650i BGB für Verbraucher das Recht eingeräumt, sich von einem geschlossenen Vertrag nach § 355 BGB durch Widerruf zu lösen. Soweit der Unternehmer den Verbraucher auf sein Widerrufsrecht wirksam hingewiesen hat, beträgt die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB grundsätzlich 14 Tage nach Vertragsschluss oder Lieferung der Ware. Wurde jedoch eine Belehrung über das Widerrufsrecht unterlassen oder war diese fehlerhaft, verlängert sich die Frist nach § 356 Abs. 3. S. 2 BGB auf 12 Monate und 14 Tage. Seit jeher umstritten ist die Frage, was Inhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sein muss. Um den betroffenen Unternehmen die Erfüllung ihrer Belehrungspflichten über das Widerrufsrecht zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in Art. 246 ff. EGBGB gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung eingeführt. Nicht jeder Unternehmer nutzt diese aber ohne Veränderungen. Deshalb wird um den formalen Inhalt einer Widerrufsbelehrung weiter gestritten. Der BGH hat jetzt über eine weitere Fallkonstellation entschieden. |
Sachverhalt
Der Kläger ist Verbraucher und hat am 18.4.22 und am 15.6.22 von der Beklagten jeweils ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes (§ 312c BGB) erworben. Die Beklagte, die auf ihrer Internetseite unter „Kontakt“ ihre Telefonnummer und im Impressum erneut ihre Telefonnummer und dort zusätzlich auch ihre Telefaxnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefon- und ihre Telefaxnummer. Dazu heißt es, der Widerruf kann „mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) erklärt werden.“ Das zuerst erworbene Fahrzeug wurde dem Kläger am 17.9.22 übergeben, am 28.12.22 das zweite Fahrzeug. Am 24.8.23 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss der beiden Kaufverträge gerichteten Erklärungen und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Fahrzeuge. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg hatte, möchte der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision und eine Änderung der Vorentscheidungen erreichen.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung sind vornehmlich in den §§ 355, 356 und 357 BGB sowie in Art. 246a EGBGB geregelt. Der Gesetzgeber stellt in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ein Muster zur Verfügung, das auf die typischen Konstellationen im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zugeschnitten ist.
MERKE | Unternehmern bietet die Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Wird das Muster vollständig und ohne inhaltliche Änderungen übernommen, profitieren Unternehmen gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB von der sog. „Privilegierung des Musterschutzes“. Dies bedeutet, dass die Widerrufsbelehrung als ordnungsgemäß gilt und der Unternehmer seiner gesetzlichen Belehrungspflicht nachgekommen ist. |
Änderungen oder Ergänzungen dieser Musterbelehrungen sind zwar zulässig, aber dann entfällt die Privilegierung und der Unternehmer trägt das Risiko, dass die Belehrung als fehlerhaft gilt und die Widerrufsfrist sich nach § 356 Abs. 3, S. 2 BGB auf 12 Monate und 14 Tage verlängert.
In der Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) heißt es u. a.: „Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“
Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Angabe, dass ein Widerruf auch mittels Telefax erfolgen kann, eine wesentliche Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung darstellt, die ‒ so die Kläger ‒ einen relevanten und somit fristverlängernden Umstand begründet, wenn gleichzeitig weder eine Telefonnummer noch eine Telefaxnummer in der Widerrufsbelehrung angegeben wurde.
Entscheidungsgründe
Dieser Argumentation des Käufers ist der BGH nicht gefolgt, sondern hat die Widerrufsbelehrung als ausreichend angesehen (22.7.25, VIII ZR 5/25, Abruf-Nr. 249468). Dabei hat er zugleich Fragen der Klärung der Verbrauchereigenschaft und zu den Kosten der Rücksendung beantwortet.
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Nach Ansicht des BGH lässt der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der EU-Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU vom 25.10.11) keine Beantwortung der Frage zu, welche Kommunikationsmittel bei Fernabsatzverträgen in einer Widerrufsbelehrung, die nicht vollständig auf die Musterwiderrufsbelehrung zurückgreift, für die Erklärung des Widerrufs anzugeben sind. Die Auslegung der Richtlinie nach Sinn und Zweck lasse aber erkennen, dass dem Verbraucher eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme zu dem im Internet tätigen Unternehmer ermöglicht werden soll.
Dazu sei es aber ohne Zweifel nicht erforderlich, in der Widerrufsbelehrung eine Telefaxnummer des Unternehmers anzugeben. Bereits durch die Angabe einer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, habe die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren.
Beachten Sie | Der BGH hebt hervor: Auch eine falsche oder nicht angegebene Telefaxnummer sei unschädlich, selbst wenn in der Widerrufsbelehrung die Möglichkeit eines Widerrufs per Telefax erwähnt werde.
Eine unvollständige oder fehlerhafte Information sei nur als fehlerhafte Belehrung anzusehen, wenn der Verbraucher durch sie in Bezug auf seine Rechte und Pflichten irregeführt und somit zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, den er möglicherweise nicht geschlossen hätte, wenn er über vollständige und inhaltlich zutreffende Informationen verfügt hätte.
Ein verständiger Durchschnittsverbraucher würde aber selbst bei einer fehlerhaften Angabe der Telefaxnummer nicht irregeführt und von einer rechtzeitigen Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten, wenn der Unternehmer sowohl seine Postanschrift als auch seine E-Mail-Adresse mitteilt, über die der Verbraucher effizient kommunizieren kann.
MERKE | Der BGH hatte schon am 25.2.25 (VIII ZR 143/24, Abruf-Nr. 246824) in einem im Wesentlichen gleich gelagerten Parallelfall entschieden, dass die fehlende Angabe der Telefonnummer in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung dem Beginn der Widerrufsfrist nicht entgegensteht. In Anknüpfung an diese Entscheidung hat der BGH nochmals hervorgehoben, dass dem Beginn der Widerrufsfrist nicht entgegensteht, wenn die Widerrufsbelehrung einleitend das Bestehen eines Widerrufsrechts (abstrakt) an die Verbrauchereigenschaft des Käufers knüpft. |
Eine Belehrung, ob diese Umstände im konkreten Einzelfall gegeben seien, obliege dem Unternehmer nicht. Vielmehr müsse der Verbraucher selbst beurteilen, ob die genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts in seinem Fall gegeben sind.
Ebenso ist es nach Auffassung des Senats für den Beginn des Fristlaufs auch nicht erforderlich, dass der Unternehmer Angaben zur Höhe der Kosten der Rücksendung macht. Denn die Folgen einer fehlerhaften Belehrung über die Kosten seien in § 357 Abs. 5 BGB (§ 357 Abs. 6 BGB a. F.) abschließend und vorrangig geregelt.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung verfolgt einen praktikablen Ansatz und vermeidet so einen übermäßigen Verbraucherschutz, der sich an marginalen Formalien orientiert. Es gilt der Grundsatz „Lassen wir die Kirche mal im Dorf“.
Gleichwohl ist es ratsam, als Unternehmen die Musterwiderrufsbelehrungen zu verwenden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Privilegierung der Musterwiderrufsbelehrung verloren geht und der Verbraucher auch nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist noch von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann. Es bedarf guter Gründe, von dieser Musterwiderrufsbelehrung abzusehen.