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  • · Fachbeitrag · Abschleppkosten

    Falschparken: So verfolgen Sie den richtigen Anspruch

    | Parkraumbewirtschaftung wird bei steigenden Pkw-Zahlen immer schwieriger und auch teurer. Das trifft vor allem Gewerbetreibende, die für ihre Kunden kostenfreie Parkplätze zur Verfügung stellen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Sie können daher „Falschparker“ abschleppen lassen, die solche Parkplätze nutzen, ohne Kunden zu sein. Der BGH hat nun zugunsten Gewerbetreibender entschieden, wie sie Abschleppkosten von Pkw-Haltern erstattet verlangen können. Sie müssen vor allem nicht klären, wer ein Fahrzeug tatsächlich abgestellt hat. Der folgende Beitrag erläutert, wie der Bevollmächtigte seinen gewerbetreibenden Mandanten beraten muss, um den Ersatzanspruch durchzusetzen. |

    Sachverhalt

    Der auf die Beklagte zugelassene Pkw wurde ‒ nicht von ihr ‒ auf dem Kundenparkplatz eines Verbrauchermarkts über zwei Stunden abgestellt. Da die durch entsprechende Schilder kenntlich gemachte Höchstparkzeit von 90 Minuten überschritten war, veranlasste ein Mitarbeiter der Klägerin, die ein Abschleppunternehmen betreibt, den Pkw umzusetzen. Die Klägerin war aufgrund eines zwischen ihr und der Betreiberin des Verbrauchermarkts als Grundstücksbesitzerin bestehenden Rahmenvertrags verpflichtet, unberechtigt parkende Fahrzeuge zu entfernen. Die hierfür vereinbarte Vergütung betrug pauschal 219,50 EUR. Die Ansprüche gegenüber dem unberechtigten Nutzer der Fläche bzw. gegen dem Halter des entsprechenden Fahrzeugs auf Ersatz der Kosten hatte die Betreiberin des Verbrauchermarkts an die Klägerin abgetreten.

     

    Die Klägerin forderte die Beklagte auf, die 219,50 EUR zu zahlen. Sie mahnte wegen Nichtleistung diesen Betrag zzgl. weiterer Kosten an. Mit der Klage machte sie neben der Hauptforderung auch Mahnkosten, Zinsen und die Kosten einer Halteranfrage geltend. Das AG hat „ortsübliche“ Abschleppkosten von 130 EUR zuerkannt, das LG hat die Klage vollständig abgewiesen. Mit der Revision möchte die Klägerin zumindest den vom AG zuerkannten Betrag.

     

     

    Der BGH sieht die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag als gegeben an. Er fasst seine Sicht der Dinge in folgendem Leitsatz zusammen:

     

    • Leitsatz: BGH 11.3.16, V ZR 102/15

    Wird ein Fahrzeug, das unbefugt auf einem Privatgrundstück in verbotener Eigenmacht abgestellt wird, im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Wege der berechtigten Selbsthilfe entfernt, entspricht dies dem objektiven Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Er ist deshalb nach den Grundsätzen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz der für die Entfernung erforderlichen Aufwendungen verpflichtet (Abruf-Nr. 185809).

     

    Relevanz für die Praxis

    Wird eine Geschäftsführung ohne Auftrag angenommen, ergibt sich ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Aufwendungen nach § 683 S. 1 BGB i. V. m. § 670 BGB. Dieser Anspruch steht grundsätzlich der Grundstücksbesitzerin (nicht zwingend auch Eigentümerin) zu. Hier konnte die Klägerin jedoch unmittelbar vorgehen und die Grundstücksbesitzerin von dieser unangenehmen Aufgabe entlasten, weil die Ansprüche abgetreten waren.

     

    PRAXISHINWEIS | Hierauf sollten Sie in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Abschleppunternehmer achten. Einerseits muss eine Vergütung als Aufwendung vereinbart werden, andererseits muss der Gewerbetreibende dem Abschleppunternehmer den Erstattungsanspruch abtreten, wobei dieser die Abtretung annehmen sollte. Der Abschleppunternehmer trägt das Risiko, dass und in welcher Höhe der Aufwendungsersatzanspruch beigetrieben werden kann, wenn die Abtretung gemäß § 364 BGB „an Erfüllungs statt“ erfolgt.

     

    Musterformulierung / Abtretung Aufwendungsersatzanspruch

    Der Auftraggeber (Gewerbetreibende) tritt dem dies annehmenden Auftragnehmer (Abschleppunternehmer) hiermit seinen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB in Höhe der nach diesem Vertrag vereinbarten Vergütung (Gebühren und Auslagen) und jedem anderen Rechtsgrund gegen den oder die Störer an Erfüllungs statt ab (§ 364 BGB).

     

    Laut BGH stellt das im Auftrag der Grundstücksbesitzerin durchgeführte Umsetzen des Fahrzeugs ein Handeln in fremdem Rechtskreis und damit eine Fremdgeschäftsführung im Sinne von § 677 BGB dar.

     

    Wichtig | Der BGH sieht die Handlungspflicht beim Fahrzeughalter: Ein Geschäft des Halters war es deshalb, weil er nach § 862 Abs. 1 BGB bzw. ‒ wenn das Parken als teilweise Besitzentziehung qualifiziert wird ‒ gemäß § 861 Abs. 1 BGB verpflichtet war, den Pkw zu entfernen. Das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück begründet eine verbotene Eigenmacht i. S. v. § 858 Abs. 1 BGB, für die nicht nur der Fahrer, sondern ebenfalls der Halter des Fahrzeugs verantwortlich ist. Dies gilt auch, wenn das Parken an bestimmte Bedingungen ‒ wie etwa eine Höchstparkdauer ‒ geknüpft ist und diese nicht eingehalten wird. Fahrer und Halter sind also Gesamtschuldner. Dies wurde im Fall des BGH bei der Formulierung der Abtretung berücksichtigt, weil dort vom „Störer“ die Rede ist.

     

    Dieser Sicht steht nicht entgegen, dass der Gewerbetreibende (auch) im eigenen Interesse tätig wird. Der Fremdgeschäftsführungswillen liegt auch beim sog. „auch fremden Geschäft“ vor (st. Rspr.: BGH NJW 09, 2590). Gleichwohl sollte zusätzlich im Vertrag zwischen Gewerbetreibendem und Abschleppunternehmer festgehalten werden, dass das Abschleppen der Beseitigung der Störung nach § 862 Abs. 1 BGB bzw. § 861 Abs. 1 BGB dient.

     

    Die Übernahme einer Geschäftsführung liegt im Interesse des Halters, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist (BGH NJW-RR 93, 200). Die Tilgung einer einredefreien Schuld gilt als vorteilhaft und damit als interessegemäß (st. Rspr.: BGH WM 68, 1201). Entsprechendes gilt, wenn ein Grundstückseigentümer eine Eigentumsbeeinträchtigung selbst beseitigt. Der Störer wird von der ihm nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB obliegenden Pflicht frei, sodass die Übernahme des Geschäfts auch in seinem objektiven Interesse liegt.

     

    MERKE | Der Umstand, dass der Geschäftsherr Aufwendungsersatz schuldet, kann naturgemäß seinem Interesse nicht schon von vornherein und generell entgegenstehen, weil § 683 BGB sonst nie erfüllt wäre.

     

    Zu berücksichtigen ist nach dem BGH, dass die Grundstücksbesitzerin von der Störerin die sofortige Beseitigung der Störung verlangen und den Anspruch auch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen konnte. Insoweit gab es auch keine Alternative zum Abschleppen.

     

    MERKE | Das würde sich anders verhalten, wenn Halter oder Fahrer in kürzester Frist erreichbar sind. Eine Durchsage im Supermarkt sollte also vor dem Abschleppen erfolgen. Gleiches gilt für andere naheliegende unmittelbare (!) Ermittlungen des Störers.

     

    Definition des mutmaßlichen Willens

    Der wirkliche Wille des Störers i. S. d. § 683 BGB lässt sich regelmäßig nicht feststellen, wobei der BGH zutreffend darauf hinweist, dass sich Spekulationen verbieten. Abzustellen ist damit auf den mutmaßlichen Willen.

     

    Der mutmaßliche Wille ist derjenige, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Mangels anderer Anhaltspunkte ist als mutmaßlicher Wille der Wille anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht (BGHZ 47, 370; Müko/Seiler, BGB, 6. Aufl., § 683 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 683 Rn. 5; für den Fall des Abschleppens eines Fahrzeugs a. A. Lorenz, NJW 09, 1025).

     

    Die Konsequenz ist einfach: Da die Entfernung des Fahrzeugs im objektiven Interesse des Halters liegt, ist auch der mutmaßliche Wille hierauf gerichtet. Die Halterin wurde hier durch die Geschäftsführung von ihrer Pflicht befreit, die Störung sofort zu beseitigen, was nur durch ein Umsetzen des Fahrzeugs bewirkt werden konnte.

     

    Was kann der Grundstücksbesitzer verlangen?

    Aufgrund der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Grundstücksbesitzer gemäß § 683 S. 1 BGB i. V. m. § 670 BGB Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Hat ein Grundstücksbesitzer ein Unternehmen umfassend mit der Beseitigung der Besitzstörung gegen Zahlung einer vertraglich festgelegten Pauschalvergütung beauftragt, stellt das Eingehen einer solchen Verbindlichkeit nur insoweit eine ersatzfähige Aufwendung dar, als die am Ort der Besitzstörung üblichen Kosten für das Abschleppen fremder Fahrzeuge und die Kosten für vorbereitende Maßnahmen nicht überschritten werden (st. Rspr.: BGH NJW 14, 3727; NJW 12, 528). Zur angemessenen Vergütung kommen Mahnkosten und Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzugs hinzu.

     

    PRAXISHINWEIS | Holen Sie daher vor Vertragsabschluss das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen dazu ein, welche Pauschale ortsüblich ist. Achtung: Nicht nur der eigentliche Abschleppvorgang wird beauftragt, sondern auch das Überwachen und Feststellen von Besitzstörungen.

     

    Wichtig | Der BGH sieht durch die Abtretung nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern einen unmittelbaren Zahlungsanspruch (BGH NJW 12, 528).

     

    Auf den ersten Blick überraschend sieht der BGH allerdings keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Halteranfrage. Er gibt damit seine bisherige Rechtsprechung auf (BGH NJW 12, 3781; so schon BGH NJW 16, 863). Für das Abschleppen muss der Halter nicht festgestellt werden. In der Regel meldet sich dieser selbstständig, wenn er sein Fahrzeug nicht mehr vorfindet. Dann können die Stammdaten festgehalten werden. Erst wenn dies nicht gelingt, ist eine Halteranfrage notwendig und sind die Kosten ersatzfähig.

     

    Im Fall des BGH erfolgte die Halteranfrage erst gut zwei Jahre nach dem Abschleppen, um die Ersatzforderung geltend zu machen. Das lag alleine im Interesse des Gewerbetreibenden. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 858 Abs. 1 BGB scheitert am Verschulden des Halters, der nicht zugleich Fahrer war, und ein Bereicherungsanspruch daran, dass nichts erlangt wurde.

     

    PRAXISHINWEIS | Ihr Mandant sollte also zeitnah handeln. Meldet sich der Halter nicht innerhalb des gleichen Tags, kann die Halteranfrage erforderlich sein, um ihn über den Standort seines Fahrzeugs zu unterrichten und so ggf. einen weiteren Schaden zu vermeiden, etwa Standgebühren (§ 254 Abs. 2 BGB). Ihr Mandant sollte dann unmittelbar Kontakt mit dem Halter aufnehmen. Er hat ein Druckmittel in der Hand: Er kann den Standort nur gegen Zahlung der Abschleppkosten bekannt geben. Das erspart meist einen langwierigen Forderungseinzug. Einem Rückforderungsverlangen nach § 812 BGB kann Ihr Mandant angesichts der Rechtsprechung des BGH gelassen entgegensehen.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 187 | ID 44308452