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  • 16.08.2011 | Kurz berichtet

    Mietwucher im gewerblichen Bereich?

    Die Schuldnerin hatte von der Gläubigerin seit 1991 eine Telefonanlage gemietet. Ab 2004 bezahlte sie den Mietzins wegen vermeintlichen Mietwuchers nicht mehr. Objektiv hat der Mietzins um mehr als 100 Prozent über dem ortsüblichen Preis gelegen. Nicht genug, um Wucher nach § 138 BGB anzunehmen (OLG Rostock 22.4.10, 3 U 194/08, Abruf-Nr. 112393).  

     

    Checkliste: Die 7 wichtigsten Grundsätze des Wuchertatbestands
    1. Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist und somit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH NJW 04, 2668).

     

    2. Sowohl der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB als auch der des sog. wucherähnlichen Rechtsgeschäfts im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB erfordern zunächst ein objektiv auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Maßgebend sind die beiderseitigen vertraglichen Hauptpflichten; die sonstigen Vertragsregelungen sind aber zu berücksichtigen. Das auffällige Missverhältnis ist von der Seite des Wucherers zu beurteilen, nicht von der des Opfers. Daher sind die Vorteile, die dem Wucherer aus dem wucherischen Geschäft zufließen sollen oder zugeflossen sind, allein mit dem objektiven Wert seiner Leistung zu vergleichen, während es auf einen Vergleich der Leistungen mit den Vorteilen, die sich der Bewucherte aus dem Geschäft verspricht oder die er erlangt, nicht ankommt (BGH NJW 97, 2689).

     

    3. Bei diesem Konditionenvergleich müssen die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden; insbesondere hängt das Verhältnis zweier Leistungen wesentlich auch davon ab, welche Risiken von den Vertragspartnern übernommen werden.

     

    4. § 138 Abs. 2 BGB setzt ein „auffälliges“ Missverhältnis voraus. Deshalb löst nicht jede Überschreitung des objektiven Wertes der Gegenleistung durch den dafür verlangten Preis die Sanktion dieser Vorschrift aus. Auffällig ist das Missverhältnis erst, wenn einem Kundigen bei Kenntnis der maßgeblichen Faktoren ohne Weiteres ersichtlich ist, dass der ausbedungene Vermögensvorteil den Wert der Leistung in einem völlig unangemessenen Umfang übertrifft (BGH NJW 97, 2689).

     

    5. Im Übrigen muss das Hinzutreten subjektiver Umstände, nämlich im Fall des § 138 Abs. 1 BGB die vorwerfbare Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Benachteiligten, im Fall des § 138 Abs. 2 BGB das Zu-Tage-Treten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten, festgestellt werden.

     

    6. Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei der benachteiligten Partei (BGH 9.10.09, V ZR 178/08).

     

    7. Der Schluss vom auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine „missliche Lage“ des dadurch Benachteiligten und auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nur bei einem Verbraucher gerechtfertigt, nicht aber bei einem Vollkaufmann (BGH NJW-RR 89, 1068).
     

    Zwar ist nach dem OLG Rostock im gewerblichen oder einem vergleichbaren Bereich der sog. Mietwucher nicht ausgeschlossen. Praktisch ist er aber ohne Relevanz, weil es regelmäßig an der subjektiven Komponente fehlt, vor allem, wenn ein angemessener Mietpreis nur schwer bestimmbar ist.  

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2011 | Seite 134 | ID 147808