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  • 14.12.2010 | Der praktische Fall

    Restschuldbefreiung im Ausland

    Ein Leser berichtet, der Schuldner habe ihm „gedroht“, dass er nun die Restschuldbefreiung im Ausland betreiben werde, wenn er die Forderungsbetreibung gegen ihn fortsetze. Eine Titulierung der Forderung solle unser Leser erst gar nicht in Erwägung ziehen. Unser Leser fragt: Ist eine Restschuldbefreiung im Ausland ohne Weiteres möglich? Wird diese auch in Deutschland anerkannt?  

     

    Die Frage des Lesers ist nicht so einfach zu beantworten. Einerseits muss sie dahin beantwortet werden, dass eine Verbraucherinsolvenz auch in Mitgliedsstaaten der EU durchgeführt werden kann. Andererseits hat der Schuldner aber auch kein beliebiges Wahlrecht, wo er ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchführt. Die „Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.00 über Insolvenzverfahren“ (ABl. EU v. 30.6.00, L160/1) regelt die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren in der EU und grundsätzliche verfahrensrechtliche Fragen. Nach Art. 3 Abs. 1 VO ist ein Insolvenzverfahren in dem Mitgliedsstaat zu führen, in dem der Schuldner den Mittelpunkt „seiner wirtschaftlichen Interessen“ hat. Es gilt dann nach Art. 4 Abs. 1 VO das Insolvenzrecht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird. Nach Art. 16 der VO ist die Eröffnung in jedem anderen Mitgliedsstaat zu beachten. Diese Regelungen eröffnen dem Schuldner also tatsächlich die Möglichkeit ein Insolvenzverfahren im Ausland zu betreiben und von dortigen Verfahrensregelungen, insbesondere einer kürzeren Verfahrensdauer zu profitieren. Dies gilt insbesondere für das Verbraucherinsolvenzrecht in Frankreich und England.  

     

    Praxishinweis

    Eine Ausnahme regelt allerdings Art. 26 der VO. Danach kann ein Mitgliedsstaat die Anerkennung einer Entscheidung - mithin auch der gewährten Restschuldbefreiung - verweigern, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßigen Rechten und Freiheiten unvereinbar ist.  

     

    Der BGH hat sich schon mit seinem Beschluss vom 18.9.01 (NJW 02, 960) für eine grundsätzliche Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiungen entschieden. Wenn das ausländische Gericht seine Zuständigkeit angenommen und das Verfahren durchgeführt habe, sei dies von den Deutschen Gerichten in entsprechenden Verfahren anzuerkennen. Insbesondere sei im Rahmen der Prüfung allein der Zuständigkeit ausländischer Insolvenzgerichte grundsätzlich nicht danach zu forschen, ob die ausländische Rechtsordnung Vorkehrungen gegen die rechtsmissbräuchliche Erschleichung eines Gerichtsstandes oder gegen die Ausnutzung eines „forum non conveniens“ trifft, sowie aus welchen Gründen das ausländische Gericht im Einzelfall davon keinen Gebrauch gemacht hat. Es genüge in diesem Zusammenhang, dass die Sachlage für den Regelfall die internationale Zuständigkeit des ausländischen Insolvenzgerichts (entsprechend § 3 InsO) ergebe. Allerdings lässt der BGH den Gläubiger auch nicht gänzlich allein: Sofern das Ergebnis im Einzelfall Anstoß erregen sollte, sei dies unter dem umfassenderen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die deutsche öffentliche Ordnung zu prüfen.