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  • · Fachbeitrag · Rechtsdienstleistungsmarkt

    Legal Tech und Erfolgsvergütung schon vor dem Inkrafttreten wieder geändert

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Nachdem der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht bekannt gemacht wurde (BGBl. I 20, 3320), widmet sich der Gesetzgeber zwei weiteren zentralen Regulierungsproblemen: Dürfen Rechtsanwälte künftig Erfolgshonorare wie Inkassodienstleister vereinbaren und in diesem Kontext auch bestimmte Drittauslagen, also Gerichtskosten, übernehmen, damit der Wettbewerb zwischen den beiden Rechtsdienstleistern gestärkt wird? Außerdem: Inkassodienstleistungen werden im Rahmen von Legal-Tech-Angeboten vermehrt auch von Inkassodienstleistern angeboten. Der Gesetzgeber sieht hier (noch) keinen hinreichenden Verbraucherschutz und sucht die Abgrenzung zur zulässigen Rechtsdienstleistung. Er strebt eine höhere Transparenz und Verständlichkeit der Geschäftsmodelle für den Verbraucher ab. Der folgende Beitrag bringt Sie auf den aktuellen Stand. |

    1. Drei Berufsgruppen, die es zu unterscheiden gilt

    Mit den o. g. Regelungsanliegen sieht der Gesetzgeber im Kern wohl drei Berufsbilder:

     

    • Den Rechtsanwalt, der komplexe Rechtsdienstleistungen bis zu durchschnittlichen Rechts- und Inkassodienstleistungen erbringt,
    • den klassischen Inkassodienstleister, der vorwiegend Inkassodienstleistungen im B2C und B2B erbringt und in diesem Kontext auch rechtsberatend und rechtsverfolgend in Einzelfällen (Insolvenzanfechtung) auch rechtsverteidigend tätig wird und
    • den neuen Typus von Inkassodienstleister, der als Legal-Tech-Unternehmen in standardisierten Prozessen vor allem für Verbraucher tätig wird.

    2. Gesetzgebungsvorhaben vor dem Abschluss

    Hierzu hat die Bundesregierung im Januar den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt beschlossen (BT-Drucksache 19/27673). Am 10.6.21 hat der Bundestag das Gesetz in Bezug auf das Rechtsdienstleistungsgesetz in deutlich veränderter Form (BT-Drucksache 19/30495) beschlossen und den Beschluss mit einer Entschließung (BT-Drucksache 19/30540) begleitet.

    3. Wettbewerb zwischen Anwälten und Inkassodienstleistern

    Rechtsanwälte sollen künftig nicht schrankenlos, aber in größerem Maß als heute Erfolgshonorare vereinbaren und Verfahrenskosten übernehmen dürfen. Insbesondere in der außergerichtlichen Forderungseinziehung sollen sie so den Inkassodienstleistern gleichgestellt werden.

     

    a) Änderungen für Rechtsanwälte

    aa) Gebührenverzicht und Abtretung an Erfüllung statt

    Es bleibt zunächst bei § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO, wonach Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält (Erfolgshonorar), unzulässig sind, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Hier werden die Aktionsräume des Rechtsanwalts aber nachhaltig erweitert.

     

    bb) Geringere Vergütung oder Verzicht

    In außergerichtlichen Angelegenheiten kann nach § 4 Abs. 1 RVG in der bisherigen Fassung eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden. Sie muss allerdings in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen. Das soll nun geändert werden. Ist Gegenstand der außergerichtlichen Angelegenheit eine Inkassodienstleistung (§ 2 Abs. 2 S. 1 RDG), muss die Vergütung nicht mehr in einem solchen angemessenen Verhältnis stehen. Der Rechtsanwalt kann sogar ganz auf eine Vergütung verzichten.

     

    cc) Neue Regelungen in Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung

    Auch § 4 Abs. 2 RVG a.F., der bisher eine beschränkte Abtretung des Erstattungsanspruchs an Erfüllung statt im gerichtlichen Mahnverfahren und der Zwangsvollstreckung vorsieht, wird völlig neu gefasst. Ist Gegenstand der Angelegenheit eine Inkassodienstleistung in einem der in § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO genannten Verfahren, also im gerichtlichen Mahnverfahren oder der Zwangsvollstreckung, kann eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden oder der Anwalt kann ganz auf eine Vergütung verzichten.

     

    MERKE | Für die Praxis werden diese Regelungen im Sinne eines wirklichen Gebührenverzichts nur geringe Bedeutung entfalten. Es geht dem Gläubiger wie dem Rechtsdienstleister nicht darum, für keine oder eine sehr geringe Vergütung zu arbeiten. Vielmehr ist das Ziel, dass der Rechtsdienstleister das Risiko trägt, dass der Erstattungsanspruch gegenüber dem Schuldner realisiert werden kann. Das wird aber durch eine geringere Vergütung oder einen Verzicht nicht erreicht. Weil dann ein geringerer oder kein Schaden entstanden ist, kann auch von dem Schuldner kein höherer Ersatzanspruch geltend gemacht werden.

     

    Wenn man davon ausgeht, dass der Rechtsanwalt gänzlich auf die Vergütung verzichten kann, wird allerdings nicht in Zweifel zu ziehen sein, dass er sich vorgerichtlich, im gerichtlichen Mahnverfahren und in der Zwangsvollstreckung den Erstattungsanspruch an Erfüllung statt (§ 364 BGB) zur Erfüllung seines Vergütungsanspruchs wird abtreten lassen.

     

    dd) Erfolgshonorar für Rechtsanwälte deutlich ausgeweitet

    Spannender ist hier schon die gänzliche Neufassung von § 4a RVG-E, der nun in einem beschränkten Umfang ein Erfolgshonorar zulässt. Ein Erfolgshonorar (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO) soll nach dessen Abs. 1 künftig vereinbart werden dürfen, wenn

    • 1. sich der Auftrag auf eine Geldforderung von höchstens 2. 000 EUR bezieht,
    • 2. eine Inkassodienstleistung außergerichtlich oder in einem der in § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO genannten Verfahren ‒ gerichtliches Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung ‒ erbracht wird oder
    • 3. der Auftraggeber im Einzelfall bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.

     

    Wenn es nicht um eine Inkassodienstleistung geht (Nr. 2) darf nach § 4a Abs. 2 RVG-E ein Erfolgshonorar bei Geldforderungen aber nur vereinbart werden, wenn dem Wegfall oder der Verringerung der Vergütung im Misserfolgsfall eine angemessene Erhöhung der gesetzlichen Vergütung im Erfolgsfall gegenübersteht.

     

    MERKE | Der Regelung unter 2. kommt faktisch keine Bedeutung zu, weil es den Vereinbarungen zum Erfolgshonorar eigen ist, dass (auch) die gesetzliche Vergütung geschuldet ist, aber zu deren Erfüllung der Erstattungsanspruch an Erfüllung statt abgetreten wird (§ 364 BGB). Deshalb liegt die Vergütung im Erfolgsfall aus der Summe von gesetzlicher Vergütung und Erfolgshonorar immer angemessen über der gesetzlichen Vergütung.

     

    Im Gesetzgebungsverfahren wurde in § 4 a Abs. 1 als S. 2 RVG noch eingefügt, dass ein Erfolgshonorar nicht vereinbart werden darf, wenn die einzuziehende Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist. Diese Bestimmung wird noch viele Probleme aufwerfen, vor allem, wenn nur Teile der Forderung nicht pfändbar sind. Die Regelung wird im Übrigen dem bedürftigen Schuldner nicht helfen, wenn er seinen Anspruch dann gar nicht durchgesetzt bekommt.

     

    ee) Vereinbarungen über das Erfolgshonorar sind formgebunden

    Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ist beim Anwalt formgebunden. Sie muss die Angabe enthalten, welche Vergütung unter welcher Bedingung anfällt, welchen Einfluss die Vereinbarung auf die zu zahlenden Gerichts-, Verwaltungs- und von Dritten zu erstattenden Kosten haben soll und welche Kriterien der Bemessung des Erfolgshonorars zugrunde gelegt wurden. Rechtfertigt sich das Erfolgshonorar aus § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG, wonach der Auftraggeber im Einzelfall bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde, müssen die voraussichtliche gesetzliche Vergütung und eine erfolgsunabhängige Vergütung angegeben werden, zu der der Anwalt bereit wäre, den Auftrag zu übernehmen.

     

    Ausgehend von dieser Änderung wird dem Rechtsanwalt künftig in § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO erlaubt, Vereinbarungen zu treffen, die ihn verpflichten, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, wenn in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar nach dem neuen § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RVG vereinbart wird, also Inkassodienstleistungen erbracht werden.

     

    b) Änderungen für Inkassodienstleister

    aa) Schärfere Fassung des Begriffs der Inkassodienstleistung

    Eine Inkassodienstleistung liegt nach § 2 Abs. 2 RDG vor, wenn die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Diese Bestimmung soll ergänzt werden um den Hinweis auf die rechtliche Prüfung und Beratung.

     

    • § 2 Abs. 2 RDG n.F.

    Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einbeziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung (Inkassodienstleistung).

     

     

    bb) Unterscheid zur Rechtsdienstleistung im konkreten Einzelfall

    Es bleibt dabei, dass der Unterschied zu § 2 Abs. 1 RDG darin liegt, dass die Rechtsdienstleistung sich durch die „rechtliche Prüfung des Einzelfalls“ von der Inkassodienstleistung abgrenzt. In den neuen Legal-Tech-Modellen wird auf der ersten Stufe der Kontaktanbahnung eine abstrakte und automatisierte Prüfung angeboten, die die konkreten Umstände des Einzelfalls gerade nicht berücksichtigt. Der Gesetzgeber möchte mit seiner Ergänzung klarstellen, dass sich die rechtliche Prüfung auf eine Forderung beziehen muss und nicht auch andere Rechte Gegenstand einer Inkassodienstleistung sein können (BR-Drucksache 58/21, S. 39/40). Damit soll einerseits die Rechtsprechung des BVerfG (hierzu BT-Drucksache 16/3655, S. 27) umgesetzt, andererseits die aktuelle Rechtsprechung des BGH (27.11.19, VIII ZR 285/18 ‒ Lexfox, Abruf-Nr. 212591) begrenzt werden. Die vom BGH als entwicklungsoffen betrachtete Interpretation des Begriffs der Inkassodienstleistung soll klar begrenzt werden.

     

    MERKE | Die Gesetzbegründung verweist darauf, dass jedes „Mehr“ aber nicht unbedingt verboten sein muss, sondern als erlaubnisfreie Nebenleistung zur hauptsächlich erbrachten Inkassodienstleistung nach § 5 Abs. 1 RDG angesehen werden könnte. Damit wäre sie gleichsam zulässig. Insoweit soll in § 5 Abs. 1 RDG mit einem neuen S. 3 ausdrücklich klargestellt werden, dass eine andere Nebentätigkeit auch ihrerseits eine Inkassodienstleistung sein kann.

     

    cc) Behandlung von Fremdgeld

    Im Bereich der Inkassodienstleistungen soll bisher nach § 10 Abs. 3 S. 2 RDG die Auflage angeordnet werden, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. Diese Regelung wird jetzt nicht mehr in das Ermessen der Registrierungsbehörde gestellt, sondern ‒ wie bei Rechtsanwälten ‒ zur unmittelbaren Pflicht. § 13g RDG n.F. bestimmt, dass Inkassodienstleister fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen haben.

     

    dd) Registrierungsverfahren für Inkassodienstleister mit Rückwirkung

    Künftig soll schon im Registrierungsverfahren von einem Inkassodienstleister angegeben werden, welche Tätigkeiten er erbringen will, um den Aufsichtsbehörden eine Vorabprüfung der Vereinbarkeit der angestrebten Tätigkeiten mit einer Registrierung als Inkassodienstleister zu prüfen. In § 13 RDG soll deshalb ein neuer Abs. 2 eingefügt werden. Zur Prüfung der Vorausset-zungen nach

    • § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG, also ob eine Inkassodienstleistung erbracht werden soll,
    • §12 Abs. 1 Nr. 2 RDG, also ob für die zu erbringende Inkassodienstleistung die notwendige theoretische und praktische Sachkunde vorliegt sowie nach
    • § 5 Abs. 1 RDG ‒ in der geänderten Form ‒, also ob und welche Nebenleistungen ggf. auch als Rechtsdienstleistungen erbracht werden,

     

    ist mit dem Antrag auf Registrierung einer Inkassodienstleistung eine inhaltliche Darstellung der beabsichtigten Tätigkeiten beizufügen. Angegeben werden muss damit, auf welchen Rechtsgebieten die Tätigkeiten erbracht werden sollen sowie ob und welche Nebenleistungen erbracht werden sollen.

     

    ee) Interessenkonflikt

    Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nach § 4 RDG nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Genau das prüft aufgrund der Angaben die Registrierungsbehörde. Diese Regelung soll allerdings dahin ergänzt werden, wonach eine solche Gefährdung nicht schon deshalb anzunehmen ist, weil aufgrund eines Vertrags mit einem Prozessfinanzierer Berichtspflichten gegenüber dem Prozessfinanzierer bestehen. Sollte die Prüfung der Registrierungsbehörde ergeben, dass sie eine der Tätigkeiten für unzulässig erachtet, ist dies mit der Registrierung mitzuteilen.

     

    MERKE | Auch wenn dies in der Gesetzesfassung nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, dürfte damit der Umfang der Erlaubnis beschränkt sein, was sich als Verwaltungsakt darstellt, der dann mit Widerspruch und Klage im Verwaltungsrechtsweg anzufechten sein wird, wenn die Entscheidung keine Akzeptanz findet.

     

    Jede Änderung muss dann in gleicher Weise mitgeteilt werden. Hierzu sollen die entscheidenden Regelungen in § 13 Abs. 5 RDG-E aufgenommen werden.

     

    ff) Meldepflicht für Inkassounternehmen bei der Registrierung

    Inkassodienstleister, die Tätigkeiten auf anderen als bereits zuvor mitgeteilten Rechtsgebieten erbringen wollen, müssen diese Tätigkeiten unverzüglich der zuständigen Behörde in Textform mitteilen. Das gilt entsprechend, wenn andere als bereits zuvor mitgeteilte Nebenleistungen erbracht werden sollen. Erachtet die zuständige Behörde eine nachträglich mitgeteilte Neben-leistung als nicht zulässig, muss sie dies dem Inkassodienstleister innerhalb von zwei Monaten mitteilen. Für die Anfechtung der Entscheidung ist dann ebenfalls der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

     

    gg) Auch registrierte Inkassounternehmen haben eine Handlungspflicht

    Die gesetzliche Änderung betrifft auch alle bereits registrierten Inkassodienstleister. Es soll nämlich ein § 7 RDGEG eingeführt werden, wonach die bei Inkrafttreten bereits registrierten Inkassodienstleistern bis zum 30.6.22 eine inhaltliche Darstellung der von ihnen ausgeübten Tätigkeiten mit den davon betroffenen Rechtsgebieten übermitteln müssen. Dazu ist darzustellen, welche der Tätigkeiten als Nebenleistungen erbracht werden. Erachtet die zuständige Behörde eine nachträglich mitgeteilte Nebenleistung als nicht zulässig, muss sie dies dem Inkassodienstleister innerhalb von vier Monaten mitteilen. Für die Anfechtung der Entscheidung ist dann ebenfalls der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

     

    hh) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

    Als mildere Maßnahme gegenüber der Ablehnung der weiteren Tätigkeiten kann sich darstellen, dass die Aufsichtsbehörde nach § 2 Abs. 1 RDV künftig berechtigt sein soll, über den Sachkundelehrgang mit den Themenschwerpunkten nach § 11 RDG hinausgehende Nachweise der theoretischen Sachkunde zu verlangen. Insoweit ist eine gewisse Spezialisierung von Inkasso-dienstleistern anzunehmen und auch davon auszugehen, dass dies im Vertrieb und Marketing genutzt wird.

     

    ii) Legal Tech mit neuen Verbraucherinformationen nach § 13b RDG

    In der Wahrnehmung des Gesetzgebers werden Legal-Tech-Dienstleistungen im Wesentlichen im Bereich Consumer-to-Business (C2B) erbracht. Hieraus leitet der Gesetzgeber neue Informationspflichten des Inkassodienstleisters gegenüber dem Verbraucher ab.

     

    MERKE | Obwohl Legal-Tech-Dienstleistungen auch von einem Rechtsanwalt erbracht werden dürfen und der Gesetzentwurf insoweit in der Honorierung und der Einführung von Erfolgshonoraren eine Gleichstellung der Rechtsanwälte mit den Inkassodienstleistern vorsieht, werden keine Informationspflichten in die BRAO eingeführt. Es wird abzuwarten bleiben, ob dies noch verfassungsrechtliche Fragen (Art. 3, 12 GG) aufwirft.

     

    Die Neuregelung soll als § 13b RDG n.F. Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen für Verbraucher implementieren. Inkasso-dienstleister, die für einen Verbraucher tätig werden, müssen diesem vor Abgabe seiner Vertragserklärung über eine Inkassodienstleistung folgende Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen:

     

    • falls ein Erfolgshonorar vereinbart werden soll, einen Hinweis darauf, welche anderen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Forderung bestehen, insbesondere, wenn diese im Erfolgsfall ermöglichen, seine Forderung in voller Höhe zu realisieren;
    • falls Kostenrisiken durch einen Prozessfinanzierer abgesichert werden sollen, einen Hinweis hierauf und auf die mit dem Prozessfinanzierer im Hinblick auf die Prozessführung getroffenen Vereinbarungen;
    • falls der Inkassodienstleister berechtigt sein soll, mit dem Schuldner einen Vergleich zu schließen, einen Hinweis hierauf und insbesondere Erläuterungen dazu,
      • ob der Vergleichsschluss der vorherigen Zustimmung des Verbrauchers bedarf oder
      • ob und unter welchen Voraussetzungen er von ihm widerrufen werden kann,
      • wie sich die Ablehnung oder der Widerruf eines Vergleichsschlusses durch den Verbraucher auf die Vergütung des Inkassodienstleisters und das weitere Verfahren auswirkt,
      • wie sich ein Vergleichsschluss auf die Vergütung des Inkassodienstleisters auswirkt,
      • welche Auswirkungen es auf einen Vergleichsschluss haben kann, wenn Forderungen mehrerer Personen zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht werden sollen, sofern dies beabsichtigt ist, sowie
    • die Bezeichnung, Anschrift und elektronische Erreichbarkeit der für den Inkassodienstleister zuständigen Aufsichtsbehörde.

     

    jj) Versteckter Kontrahierungszwang

    Im Kontext dieser Darlegungs- und Informationspflichten wird auch ein gewisser Kontrahierungszwang geschaffen. Nach § 13 b Abs. 2 RDG n.F. soll der Inkassodienstleister, der für Verbraucher tätig wird, gezwungen sein, Verbrauchern, für die er im Einzelfall nicht tätig werden will, die hierfür wesentlichen Gründe mit der Ablehnung der Tätigkeit in Textform mitzuteilen. In der Mitteilung ist darauf hinzuweisen, ob eine rechtliche Prüfung stattgefunden hat und ob diese ganz oder teilweise automatisiert vorgenommen wurde. Die Mitteilung ist mit einem Hinweis darauf zu verbinden, dass die Ablehnung der Tätigkeit andere Möglichkeiten zur Durchsetzung der Forderung unberührt lässt. Die Auftragsablehnung muss also gegen die Grundsätze der Privatautonomie begründet werden.

     

    kk) Formerfordernisse für Vergütungsvereinbarungen

    Vergütungsvereinbarungen, die sich nicht nur auf einen schriftlichen oder mündlichen Rat beziehen, müssen künftig zumindest in Textform geschlossen werden.

     

    MERKE | Das birgt rechtliche Risiken. Ein Inkassodienstleister muss intensiv prüfen, ob die Vereinbarungen im Vergütungsverhältnis mit den geltend gemachten Ansprüchen im Erstattungsverhältnis übereinstimmen. Es kann nicht mehr erstattet verlangt werden, als auch vergütet werden muss. Es wird künftig nicht mehr möglich sein, zu behaupten, dass ergänzende mündliche Vereinbarungen mit dem Gläubiger bestehen. Selbst wenn dem so ist, fehlt es dann an der formellen Wirksamkeit.

     

    Von Teilen des Inhalts und der systematischen Stellung ist die Regelung auf Inkassodienstleistungen im C2B zugeschnitten. Tatsächlich ist eine solche Begrenzung dem Wortlaut allerdings nicht zu entnehmen.

     

    ll) Notwendiger Inhalt der Vergütungsvereinbarung

    An die Vergütungsvereinbarung bestehen dann auch inhaltliche Anforderungen. Sie muss als solche bezeichnet sein, von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein, von der Vollmacht getrennt sein und einen Hinweis darauf enthalten, in welchem Umfang die Vergütung erstattet verlangt werden kann, d.h., dass der Erstattungsanspruch auf die Vergütung beschränkt ist, die auch ein Rechtsanwalt erhalten könnte.

     

    Wird ein Erfolgshonorar vereinbart, gehen die notwendigen Angaben darüber hinaus. Die Vergütungsvereinbarung muss dann auch Folgendes enthalten:

     

    • die Angabe, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingungen verdient sein soll,
    • die Angabe, ob und ggf. welchen Einfluss die Vereinbarung auf die ggf. von dem Verbraucher zu zahlenden Gerichtskosten, Verwaltungskosten und die von diesem zu erstattenden Kosten anderer Beteiligter haben soll,
    • die wesentlichen Gründe, die für die Bemessung des Erfolgshonorars bestimmend sind, vor allem im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Rechtsdurchsetzung, den Aufwand des Inkassodienstleisters und die Möglichkeit, die Kosten für die Inkassotätigkeit vom Schuldner ersetzt zu erhalten,
    • falls bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung eine Vergütung fällig wird, einen Hinweis hierauf.

     

    mm) Anpassung der Vergütung

    Bisher kann der Inkassodienstleister seine Vergütung mit dem Auftraggeber frei vereinbaren. Grenze ist allein die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Nun soll die Vergütung durch die Gerichte angepasst werden, wenn sie „unter Berücksichtigung aller Umstände“ unangemessen hoch ist.

     

    MERKE | Es dürfte fraglich sein, ob dies einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Für eine Vergütungsvereinbarung in AGB mag diese Begrenzung zulässig sein, ist aber wegen der Regelung in § 307 BGB überflüssig. Wenn die Vergütung jedoch individuell vereinbart ist, greift die Regelung unverhältnismäßig in die Privatautonomie und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, den Gleichbehandlungsgrundsatz im Hinblick auf andere Gewerbetreibende, die Berufsfreiheit und das Eigentumsrecht ein. Am Ende wird aber vielmehr gelten: Wo kein Kläger, da kein Richter.

     

    nn) Achtung: Verbot des Erfolgshonorars

    Wie schon bei den Rechtsanwälten ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars unzulässig, soweit sich die Inkassodienstleistung auf eine Forderung bezieht, die der Pfändung nicht unterworfen ist. Das dürfte wieder vor allem Vereinbarungen im C2B betreffen. Soll also etwa eine Unterhaltsforderung geltend gemacht werden, scheidet ein Erfolgshonorar aus.

     

    Bei Rechtsdienstleistungen im ausländischen Recht gelten die vorstehenden Regelungen nach dem neuen § 13c Abs. 5 RDG dann weitgehend entsprechend.

     

    oo) Änderungen an der Inkassoregulierung

    Der mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (VVInk), der Inkassoregulierung, schon beschlossene § 13b RDG n.F über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Inkassodienstleisters wird wieder aufgehoben, aber inhaltsgleich in § 13e RDG n.F. geregelt. Gleiches gilt für die Aufhebung von § 13c RDG über den Bearbeiterwechsel, der dann gleichermaßen identisch in § 13f RDG n.F. seinen Regelungsort findet. Unberührt bleibt allein die neue Regelung in § 13d RDG über die Vergütung der Rentenberater.

     

    pp) Bußgeldvorschriften werden angepasst

    Eher als Folgeänderungen anzusehen sind die Ergänzungen und Änderungen von § 20 RDG, der Bußgeldvorschrift. Wer gegen die vorstehenden Pflichten verstößt, setzt sich der Gefahr eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aus.

     

    MERKE | Von Relevanz könnte sein, dass auch der Verstoß gegen § 13g RDG als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet ist, während eine unterlassene Weiterleitung von Fremdgeld ja auch strafrechtliche Relevanz haben könnte.

     

    4. Inkrafttreten

    Da mit dem Gesetz Vorschriften geändert werden, die Gegenstand des am 1.10.21 in Kraft tretenden Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht sind, soll das Gesetz nun ebenfalls am 1.10.21 in Kraft treten.

    5. Entschließung: In der nächsten Wahlperiode geht es weiter

    Der Deutsche Bundestag hat den jetzigen Beschluss als einen Zwischenschritt gesehen. In der nächsten Legislaturperiode wird das Thema wieder auf dem Tisch liegen. Er hat beschlossen, die Bundesregierung zu bitten,

     

    • zu prüfen, ob die Kohärenz zwischen den berufsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsanwälte einerseits und andere Rechtsdienstleister andererseits Anpassungen im Hinblick auf weitere Anforderungen (z. B. Verschwiegenheitspflichten) notwendig macht;

     

    • zu prüfen, ob bei Fallgestaltungen, in denen ein Inkassodienstleister eine ihm auf fremde Rechnung abgetretene Forderung, deren außergerichtliche Durchsetzung erfolglos geblieben ist, durch einen von ihm beauftragten Anwalt gerichtlich durchzusetzen versucht, das geltende Recht den Interessen des Auftraggebers des Inkassodienstleisters als wirtschaftlichem Forderungsinhaber ausreichend Rechnung trägt;

     

    • bereits nach Ablauf von drei (und nicht früher vorgesehen fünf) Jahren die mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen moderaten Öffnungen der Möglichkeiten für Rechtsanwälte, Erfolgshonorare zu vereinbaren und (bei der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen) auch Verfahrenskosten zu übernehmen, zu evaluieren; hierbei soll vor allem in den Blick genommen werden, in welchem Umfang Anwälte von den neuen Möglichkeiten zur Vereinbarung von Erfolgshonoraren und zur Prozessfinanzierung Gebrauch gemacht haben, ob dabei Risiken für die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte sichtbar geworden sind und ob die Begrenzung auf Geldforderungen von höchstens 2.000 EUR angemessen ist;

     

    • im Hinblick darauf, dass künftig mehr Rechtsdienstleistungen für Verbraucher durch Inkassodienstleister erbracht werden dürften, zu evaluieren, ob die im Gesetzentwurf vorgesehenen Sachkundeanforderungen ausreichen, um die notwendige Qualität dieser Angebote sicherzustellen;

     

    • unter Beteiligung der Länder bis zum 30.6.22 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Übertragung der Aufsicht auf eine zentrale Stelle auf Bundesebene vorsieht; dabei wird vornehmlich eine Übertragung der Zuständigkeit auf das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Betracht zu ziehen sein, was die Ausstattung des BfJ mit den erforderlichen Haushaltsmitteln voraussetzen würde.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 117 | ID 47446596