Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung

    Inkassoregulierung: Neue Hinweispflichten für Rechtsanwälte und Inkassodienstleister

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Mit dem am 1.10.21 in Kraft tretenden Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (BGBl. I 20, 3320) hat der Gesetzgeber die Hinweispflichten für Inkassodienstleister in § 13a RDG statt in § 11a RDG geregelt, modifiziert und erweitert. Der bisherige § 43d RDG hat zwar für Rechtsanwälte weiter Bestand, wurde aber in gleichem Umfang ergänzt. |

    1. Auftraggeber

    Anders als bisher ist nicht nur der Auftraggeber zu benennen, sondern künftig auch dessen Anschrift anzugeben, sofern nicht dargelegt wird, dass durch die Angabe der Anschrift überwiegende schutzwürdige Interessen des Auftraggebers beeinträchtigt würden.

     

    PRAXISTIPP | Die Angabe der Anschrift des Auftraggebers soll es dem Schuldner ermöglichen, Einreden und Einwendungen auch mit dem Auftraggeber unmittelbar zu klären. Das übersieht, dass der Gläubiger genau dafür einen Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister beauftragt hat. Steht für einen Rechtsanwalt nicht infrage, dass er Einreden und Einwendungen des Schuldners sachgerecht behandeln kann, sieht das BVerfG auch bei einem Inkassodienstleister die dafür notwendige Kompetenz (BVerfG NJW 02, 1190; NJW-RR 04, 1570). Auftraggeber und Rechtsdienstleister werden deshalb vereinbaren müssen, wie sie mit den Posteingängen beim Auftraggeber umgehen.

     

    2. Forderungsgrund: Vorsätzlich unerlaubte Handlung

    Als Forderungsgrund kommen vertragliche Ansprüche, Ansprüche aus unerlaubter Handlung sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht. Nur für vertragliche Ansprüche mussten bisher ergänzende Angaben gemacht werden. Nun definiert der Gesetzgeber auch die Anforderungen an die Konkretisierung des Forderungsgrundes bei unerlaubten Handlungen. So sind künftig die Art der unerlaubten Handlung sowie der Tatzeitpunkt anzugeben.

     

    PRAXISTIPP | In der Praxis spielt die Leistungserschleichung nach § 265a StGB eine besondere Rolle, etwa die Schwarzfahrt im öffentlichen Personennahverkehr oder auch der Eingehungsbetrug nach § 263 StGB, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der Abnahme einer Vermögensauskunft eine neue Verbindlichkeit eingegangen wird. Die Informationspflicht ist geeignet, dem Rechtsdienstleister zu verdeutlichen, dass entsprechende Prüfungen durchaus schon nach Übernahme der Forderung angezeigt sein können.

     

    3. Identitätsdiebstahl

    Die Fälle des Identitätsdiebstahl haben insbesondere mit der Ausweitung des E-Commerce deutlich zugenommen. Nicht zuletzt, weil viele Politiker hiervon betroffen waren, sucht der Gesetzgeber zumindest die Folgen für die Betroffenen abzuschwächen.

     

    Identitätsdiebstähle laufen häufig in der Form ab, dass jemand in betrügerischer Absicht unter dem Namen einer oder eines Dritten Waren bestellt, die er dann an sich bringt, ohne sie zu bezahlen. In solchen Fällen kann der Schuldner an der angegebenen Adresse oft nicht sicher ermittelt werden. Der Umstand, dass eine Adressermittlung vorgenommen werden muss, beinhaltet deshalb das Risiko, dass nicht der wirkliche Schuldner angesprochen wird. Deshalb sollen sie in dem Fall, in dem eine Anschrift durch eine (stets mit einem gewissen Fehlerrisiko behaftete) Adressermittlung in Erfahrung gebracht wurde, künftig auf diesen Umstand hingewiesen werden müssen. Damit die angesprochenen Personen einen möglichen Fehler in Form eines Identitätsdiebstahls schnell geltend machen können, sollen Ihnen nicht nur der Umstand der Adressermittlung, sondern auch die erforderlichen Maßnahmen zur Fehlerkontrolle und -behebung mitgeteilt werden.

     

    Beachten Sie | Konkrete Vorgaben für die Mitteilungsmöglichkeiten sollen dabei auch nach Ansicht des Gesetzgebers nicht gemacht werden, zumal die Angemessenheit der Maßnahmen je nach Größe und Struktur des Inkasso-dienstleisters erheblich variieren kann. So kann sich insbesondere bei größeren Unternehmen ggf. eine eigene Internetseite mit Eintragungsmöglichkeiten oder eine (gesonderte) E-Mail-Adresse anbieten. Denkbar erscheint aber auch die Beifügung von besonderen Mitteilungsbögen.

     

    Letztlich kann aber auch der Hinweis auf die Möglichkeit der Mitteilung über die üblicherweise angebotenen schriftlichen oder elektronischen Kommunikationskanäle genügen, sofern denn sichergestellt ist, dass Mitteilungen über Identitätsdiebstähle zeitnah gelesen und bearbeitet werden.

     

    Musterformulierung / § 13a Abs. 1 Nr. 7 RDG ‒ Adressmitteilung

    Nach unseren Informationen sind Sie die Vertragspartnerin unserer Mandantin. Ihre Adresse musste von uns jedoch ermittelt werden. Setzen Sie sich bitte unmittelbar mit uns in Verbindung, wenn es hierbei zu einem Fehler gekommen sein sollte. Wir werden dafür eine Lösung finden.

     

    4. Aufsichtsbehörden und Rechtsanwaltskammern

    Während Inkassodienstleister künftig nach § 13a Abs. 1 Nr. 8 RDG die für sie zuständige Aufsichtsbehörde gegenüber dem Schuldner nennen müssen, müssen Rechtsanwälte nach § 43d Abs. 1 Nr. 8 BRAO die für Sie zuständige Rechtsanwaltskammer angeben. Dem Schuldner soll es so leichter gemacht werden, festzustellen, an welche öffentliche Stelle er sich bei Beschwerden wenden kann. Die schon bisher bestehende Möglichkeit, sich im Internet über die Aufsichtsbehörden (www.rechtsdienstleistungsregister.de) oder die Rechtsanwaltskammern zu informieren, genügte dem Gesetzgeber nicht.

     

    Neben der Bezeichnung und der Anschrift soll dabei auch die elektronische Erreichbarkeit der Aufsichtsbehörde anzugeben sein. In Anbetracht der zunehmenden Digitalisierung erschien es dem Gesetzgeber erforderlich, dass die Aufsichtsbehörden für den Schuldner auch elektronisch leicht zu erreichen sind. Die Erreichbarkeit können die Aufsichtsbehörden insbesondere durch eine E-Mail-Adresse oder ein Kontaktformular gewährleisten.

     

    PRAXISTIPP | Der Gesetzgeber geht davon aus, dass alle Aufsichtsbehörden bereits heute elektronisch erreichbar sind. Falls dies wider Erwarten nicht der Fall sein sollte, müsste eine solche Erreichbarkeit durch die Aufsichtsbehörden geschaffen werden. Sofern über die (bevorzugte) Erreichbarkeit einer Aufsichtsbehörde Zweifel bestehen könnten, könnte es sinnvoll sein, dass sie den registrierten Personen die von ihnen anzugebende Erreichbarkeit mitteilen. Umgekehrt erscheint es ratsam, offiziell um die Mitteilung der entsprechenden Angaben zu bitten, da dies das Risiko deutlich vermindert, sich wegen irreführender Angaben Vorwürfen ausgesetzt zu sehen.

     

    5. Neue zeitlich Vorgaben für Anfragen

    Anfragen des Schuldners nach Abs. 2 der genannten Vorschriften zum Ursprungsgläubiger und zu den Umständen des Vertragsschlusses sind künftig in Textform und unverzüglich zu beantworten. Da die Privatperson im Zeitpunkt einer Nachfrage in aller Regel mit einer Zahlungsaufforderung konfrontiert ist, die oft mit einer relativ kurzen Frist versehen ist, und die Informationen für ihre Entscheidung über die von ihr zu veranlassenden Maßnahmen von erheblicher Bedeutung sein kann, müssen Anfragen unverzüglich beantwortet werden, also ohne schuldhaftes Zögern. Der Inkassodienstleister muss die Anfrage daher in der Zeit beantworten, die bei einem ordnungsgemäß eingerichteten Geschäftsbetrieb für eine Beantwortung üblicherweise als erforderlich anzusehen ist.

     

    PRAXISTIPP | Der Gesetzgeber sieht, dass der Rechtsdienstleister bestimmte Informationen möglicherweise zunächst bei seinem Auftraggeber einholen muss. In solchen Fällen muss er sich ohne schuldhaftes Zögern um die Beschaffung der Information kümmern, deren Erteilung ggf. anmahnen, wenn sie von seinem Auftraggeber nicht innerhalb einer angemessenen Frist übermittelt wird, und sie nach Erhalt wiederum ohne schuldhaftes Zögern der Privatperson mitteilen.

     

    6. Hinweispflichten bei Ratenzahlungsvereinbarungen

    Über die neuen Hinweispflichten bei Ratenzahlungsvereinbarung im Hinblick auf die Kostentragungspflicht des Schuldners sowie die rechtlichen Wirkungen eines inkludierten Schuldanerkenntnisses hatten wir bereits in FMP (21, 147 und 148) berichtet. Dem Schuldner ist vor dem Abschluss einer solchen Zahlungsvereinbarung zu verdeutlichen, dass ein Abschluss nur in Betracht kommt, wenn er auch die Kosten in Form der Erstattung der Einigungsgebühr übernimmt.

     

    Enthält die Zahlungsvereinbarung ein Schuldanerkenntnis, muss der Gläubigervertreter verdeutlichen, welche Einwendungen der Schuldner damit verliert. Hierfür werden mit der der Einbindung des Nichtbestehens der Verbindlichkeit, der Verjährung des Anspruchs oder dessen Erfüllung Beispiele gegeben.

     

    MERKE | Die Regelung des Gesetzgebers zum Schuldanerkenntnis ist wenig überzeugend. Stellt sie sich schon als eine fragwürdige Rechtsberatung des Schuldners wider die Interessen des Auftraggebers dar, ist sie auch inhaltlich unzutreffend. Die genannten Einwendungen gehen dem Schuldner nicht verloren. Ein unzutreffendes Schuldanerkenntnis kann er vielmehr nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB kondizieren. Sein Nachteil liegt allein in der Beweislastumkehr. Er muss beweisen, dass das Schuldanerkenntnis ohne rechtlichen Grund abgegeben wurde. Dieser Nachteil ist aber gerechtfertigt, da der Gläubiger seinerseits auf die unmittelbare Erfüllung des Anspruchs verzichtet und damit Gefahr läuft, seinen Anspruch künftig nicht mehr nachweisen zu können

     

    7. Neue Formen

    Bisher konnten die Hinweispflichten formfrei erfüllt werden. Ab dem 1.10.21 müssen die Informationspflichten dagegen (zumindest) in Textform erfüllt werden. Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, muss nach § 126b BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

     

    MERKE | Die Textform kann durch Brief, E-Mail, Computerfax oder SMS, Postfächer in einem Online-Portal oder Messenger-Dienst erfüllt werden (Primaczenko/Frohn, BeckOKGBGB, Stand 1.5.20, § 126b Rn. 16.1.). Die Übermittlung per CD, DVD oder USB-Stick wird wohl weniger in Betracht kommen. Eine Mitteilung in einem Schuldnerportal, die heruntergeladen und gespeichert werden muss, wahrt die Schriftform ebenfalls. Ob auch die Möglichkeit des Speicherns die Form wahrt, wird in Abrede gestellt (Primaczenko/Frohn, a. a. O., § 126b Rn. 19).

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 159 | ID 47502379