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  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Quotenunterhalt bei stationärer Heimunterbringung und gehobenen Einkünften

    von RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a.D., Berlin

    | Verlangt ein im Pflegeheim lebender Ehegatte von dem anderen Trennungsunterhalt, ist fraglich, wie sich dieser bei gehobenen Einkünften errechnet, anhand einer Quote oder der konkreten Bedarfsberechnung. Der Beitrag erläutert die Berechnung anhand der Quotenmethode: |

     

    • Beispiel

    Die Eheleute F und M leben seit etwa einem Jahr getrennt. Die F leidet an einer fortgeschrittenen Demenz und ist seit einem Monat in einem Pflegeheim untergebracht. Die monatlichen Heimkosten belaufen sich auf rund 4.000 EUR. F hat den Pflegegrad 4 erhalten. Sie bezieht ein Pflegegeld i. H. v. monatlich 1.775 EUR und eine eigene Altersrente von monatlich 400 EUR. Für sie ist eine Berufsbetreuerin B bestellt worden. Der M ist Geschäftsführer in einem Konzern und bezieht monatliche Erwerbseinkünfte von bereinigt netto 9.800 EUR. Die F macht, vertreten durch B, ab Januar 21 Trennungsunterhalt geltend. M möchte wissen, wie viel Unterhalt er zahlen muss bzw. ob der Unterhaltsanspruch auf die Höhe der ungedeckten Pflegeheimkosten beschränkt werden kann.

     

    1. Eheliche Lebensverhältnisse

    Die ehelichen Lebensverhältnisse, nach denen sich der Trennungs- und der nacheheliche Unterhalt bemessen (§ 1361 Abs. 1 S. 1, § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB), werden durch die Verhältnisse bis zur Rechtskraft der Ehescheidung geprägt. Die Lebensverhältnisse richten sich nach den Einkünften, die zur Verfügung stehen, um den laufenden Lebensbedarf zu decken, und dafür auch eingesetzt werden können. Üblich ist die Bezeichnung „bereinigtes Nettoeinkommen“, vgl. die Leitlinien der OLGe. Die ehelichen Lebensverhältnisse sind wandelbar, insbesondere im Zuge von Trennung und Scheidung. Bei der Bedarfsermittlung sind daher Einkommensveränderungen zu beachten.

     

    Frage: Was bedeuten prägende und nicht prägende Einkünfte?

     

    Antwort: Einkünfte können aus verschiedenen Quellen fließen, z. B. Erwerbs- und Vermögenseinkünfte, gesetzliche oder soziale Leistungen mit Einkommenscharakter ‒ z. B. Arbeitslosen-, Kranken-, Eltern- und Pflegegeld sowie Rentenzahlung. Der prägende Charakter von Einkünften beurteilt sich danach, ob diese als in der Ehe angelegt anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn die Einkunftsquelle in der Ehe bzw. während des Zusammenlebens vorhanden war und die Einkünfte daraus aufgrund der Aufgabenverteilung in der Ehe und der gemeinsamen Planung erzielt wurden oder als Surrogat zu beurteilen sind. Bei Pflegegeldzahlungen wird i. d. R. vermutet, dass damit ein entsprechender pflegebedingter Aufwand einhergeht. Deshalb wird der eheangemessene Lebensbedarf des Pflegebedürftigen dadurch i. d. R. nicht beeinflusst.

     

    Die Pflegegeldzahlungen dienen dazu, den krankheitsbedingten Mehraufwand der F zu decken. Sie standen mangels Pflegebedürftigkeit der F während des ehelichen Zusammenlebens nicht für den gemeinsamen Lebensunterhalt zur Verfügung. Sie sind nicht in der Ehe angelegt und daher nicht eheprägend.

     

    MERKE | M kann F nicht auf die Änderungen verweisen, die durch ihre Heimunterbringung eingetreten sind. Dadurch werden die gehobenen ehelichen Lebensverhältnisse ‒ trotz der geänderten Lebenssituation ‒ nicht gewandelt. Maßgebend bleiben die finanziellen Lebensverhältnisse der getrennt lebenden Eheleute, wie sie in ihrer Ehe und während des Zusammenlebens angelegt waren.

     

    Der Unterhaltsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse. Diese umfasst beim Trennungsunterhalt insbesondere die Höhe der gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen und die Einkünfte des Berechtigten. Hier sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unstreitig.

    2. Unterhaltsbedarf

    Der Bedarf bemisst sich beim Trennungs- und nachehelichen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen, §§ 1361, 1578 BGB. Diese richten sich nach dem verfügbaren Familieneinkommen. Dazu zählen die Einkünfte, die für Konsumzwecke der Eheleute tatsächlich zur Verfügung stehen bzw. gestanden haben und damit unterhaltsrelevant und eheprägend sind.

     

    MERKE | Die Einkünfte der Eheleute sind vorab z. B. um vorrangigen Kindesunterhalt, sonstige eheprägende Verpflichtungen, berufsbedingte Aufwendungen und etwaige weitere berücksichtigungsfähige Positionen zu bereinigen. Der sog. Erwerbsanreiz gehört zum unterhaltsrelevanten Einkommen.

     

    Die Rechtsprechung bemisst bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen den Unterhalt nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten (Familieneinkommen). Bei dieser Quotenmethode wird in Fällen mit einem Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle (DT) ausgewiesenen Einkommensbetrags an eine tatsächliche Vermutung für einen im Wesentlichen vollständigen Verbrauch des Gesamteinkommens zu Konsumzwecken angeknüpft. Der Unterhaltsbedarf kann also im Fall eines bereinigten Familieneinkommens i. H. v. bis zu (2 x 5.500 EUR =) 11.000 EUR ohne eine Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden.

     

    MERKE | Wendet man bei einem Alleinverdiener die 3/7-Quote auf sein bereinigtes Nettoeinkommen von 11.000 EUR an, ergibt sich ein Elementarunterhaltsanspruch von rund 4.714 EUR. Nach Abzug des sog. Erwerbsanreizes wird dadurch das Einkommen hälftig auf beide Ehegatten verteilt. Der Unterhaltspflichtige kann diese tatsächliche Vermutung entkräften. Er trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast. Bei der Frage des Verbrauchs des gesamten Familieneinkommens für den Lebensunterhalt können ggf. auch regionale Lebenshaltungskosten eine Rolle spielen.

     

    3. Unterhalt bei gehobenen Einkommensverhältnissen

    Bei hohen Einkünften ist nach dem objektiven Maßstab eines vernünftigen Betrachters unter Beachtung des tatsächlichen Konsumverhaltens der Ehegatten während des Zusammenlebens i. d. R. davon auszugehen, dass ein Teil der Mittel in die Vermögensbildung fließt. Dies gilt nicht für Einkünfte „im Normalbereich“. Dazu rechnen auch gehobene Einkommensverhältnisse bis zum Familieneinkommen i. H. v. 11.000 EUR (BGH FK 20, 41).

     

    MERKE | Für das 11.000 EUR übersteigende bereinigte Familieneinkommen muss der Berechtigte, der Quotenunterhalt begehrt, darlegen und ggf. beweisen, dass und in welchem Umfang es verwendet worden ist, um den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu decken (dazu Soyka, FK 20, 22, 25 f.).

     

    Umgekehrt kann der Unterhaltspflichtige gem. den Wertungen des BGH eine Herabsetzung der i. d. R. erst bei einem Nettoeinkommen von 11.000 EUR bzw. einem Elementarunterhalt von 4.714 EUR erreichten Grenze ausnahmsweise verlangen, wenn besondere Umstände vorliegen, die konkret gegen einen vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens während der Ehe sprechen.

     

    MERKE | Wurde während des Zusammenlebens ein Teil der Einkünfte i. d. R. nicht für den allgemeinen Lebensbedarf verwendet, bleibt er auch nach der Trennung bei der Unterhaltsbemessung unbeachtet. Das ist z. B. der Fall, wenn während des Zusammenlebens nennenswerte Beträge zur Vermögensbildung abgeführt wurden.

     

    M trägt keine besonderen Umstände vor, die eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen könnten. Hier besteht kein Anlass für eine Korrektur aufgrund der gelebten ehelichen Lebensverhältnisse vor der Trennung von M und F.

     

    Frage: Wie muss F ihren Bedarf schlüssig vortragen?

     

    Antwort: Der Bedarf der F darf ungeachtet ihrer Heimunterbringung nach der Quotenmethode bemessen werden. Über das während des ehelichen Zusammenlebens verfügbare Gesamteinkommen der Ehegatten hinaus muss F bzw. B für eine schlüssige Anspruchsbegründung nach der geltend gemachten Einkommensquote nichts darlegen.

    4. Ober- oder Sättigungsgrenze für die Bedarfsbemessung

    Der BGH geht davon aus, dass es an sich für die Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt keine Ober- oder Sättigungsgrenze nach einer Einkommensquote gibt. Eine solche Sättigungsgrenze kommt aber mittelbar bei gehobenen Einkünften in Betracht, da der Unterhalt auf Mittel zu beschränken ist, die eine Einzelperson auch nach einem objektiven Maßstab selbst bei Beachtung hoher Ansprüche für einen billigenswerten Lebensbedarf sinnvoll ausgeben kann. Denn der Unterhalt dient nur dazu, den laufenden (auch gehobenen) Lebensbedarf zu decken, nicht aber, um eine Vermögensbildung zu finanzieren. Fraglich ist hier, ob für F der eheangemessene Unterhaltsbedarf nicht konkret anhand der ungedeckten Kosten für die Heimunterbringung zu ermitteln ist.

    5. Quotenunterhalt und Halbteilungsgrundsatz

    Vom bedarfsbestimmenden Einkommen der Ehegatten steht jedem die Hälfte zu (sog. Halbteilungsgrundsatz). Da von diesem Grundsatz maßvoll abgewichen werden kann, ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit noch um einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu bereinigen, sodass nur 6/7 davon in die Berechnung miteinfließen. Der BGH hat nichts dagegen, den Erwerbstätigenbonus gem. den Süddeutschen Unterhaltsleitlinien i. H. v. 1/10 neben dem Abzug pauschalierter berufsbedingter Aufwendungen anzusetzen (FK 20, 41). Die OLGe haben insoweit aber bisher dazu noch keine einheitliche Lösung gefunden.

     

    MERKE | Bei allen anderen Einkünften, z. B. aus Kapital, aber auch Pensionen und Renten, gilt der Grundsatz der Halbteilung uneingeschränkt. Ein Erwerbstätigenbonus wird nicht abgezogen.

     

    Das bereinigte Einkommen des M beläuft sich auf 9.800 EUR. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7 verbleiben 8.400 EUR. F verfügt über ‒ schon vor der Trennung bezogene ‒ Renteneinkünfte i. H. v. 400 EUR. Es ist von einem früheren Familieneinkommen von insgesamt 10.200 EUR auszugehen. Es übersteigt nicht das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der aktuellen DT.

     

    Frage: Wie ist mit dem für die stationäre Heimunterbringung von F geleisteten Pflegegeld unterhaltsrechtlich umzugehen?

     

    Antwort: Die monatlichen Pflegegeldzahlungen von 1.775 EUR erhöhen nicht die (Renten-)Einkünfte der F und damit nicht das frühere Familieneinkommen. Sie kompensieren die Mehraufwendungen infolge der stationären Heimunterbringung von F. Deshalb ist das Pflegegeld nicht eheprägend. Nach dem Halbteilungsgrundsatz führen die erheblichen Unterschiede zwischen den Einkünften von M und F (von 9.800 EUR gegenüber 400 EUR) nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse. Vielmehr kommen die Einkünfte während der Trennungszeit und ungeachtet der stationären Heimunterbringung der F beiden Eheleuten gleichmäßig zugute, soweit nicht aufgrund besonderer Umstände ein Anteil des jeweiligen Einkommens vorab einem allein zuzurechnen ist. Dafür besteht hier jedoch kein Anlass.

     

    MERKE | Dem berechtigten Ehegatten ist bei der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen das gesamte bereinigte Familieneinkommen, das den Lebensstandard ihrer Ehe geprägt hat, hälftig zuzuordnen, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe es nur von einem oder von beiden Ehegatten erzielt wird.

     
    • Lösung zum Beispiel

    Der eheangemessene Unterhaltsbedarf der F beträgt (8.400 EUR ‒ 400 EUR) ÷ 2 = 4.000 EUR. Die nicht eheprägenden Pflegegeldzahlungen an die F beeinflussen diesen nicht. Das Pflegegeld ist bedarfsmindernd anzurechnen. Der Unterhaltsanspruch der F gegen M beläuft sich auf (4.000 EUR ‒ 1.775 EUR =) 2.225 EUR. Die F verfügt damit über Gesamteinkünfte i. H. v. (400 EUR + 2.225 EUR + 1.775 EUR =) 4.400 EUR. Damit kann sie ihre Heimkosten (4.000 EUR) zuzüglich des ihr zustehenden Taschengelds (rund 117 EUR) decken. Der Rest bleibt ihr zur freien Verfügung.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 159 | ID 47088849