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  • · Nachricht · Versicherungsrecht

    OLG Frankfurt a. M. verneint eine Vorsorgeobliegenheit

    | Eine Versicherung kann sich nicht auf die verspätete Anzeige eines Versicherungsfalls berufen, wenn der Versicherungsnehmerin aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands weder die eigene Anzeige des Versicherungsfalls noch die Information ihres bevollmächtigten Ehemanns möglich war und der Ehemann keine Kenntnis von dem Versicherungsvertrag (Pflegetagegeldversicherung) besaß (OLG Frankfurt a. M. 11.11.20, 7 U 36/19). |  

    Der Kläger (M) begehrt von der beklagten Versicherung (V) die rückwirkende Leistung von Pflegetaggeld für seine inzwischen verstorbene Frau (F). Die F unterhielt bei der V eine Pflegetagegeldversicherung für den Fall einer Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III). In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen hieß es u. a.: Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht. Der M besaß eine Vorsorgevollmacht für F. Diese erlitt 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. In 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Der M meldete den Versicherungsfall in 2015 und beantragte eine rückwirkende Leistungserbringung ab 2013. Dies lehnte die V ab. Das LG hat seine Klage abgewiesen.

     

    Die hiergegen eingelegte Berufung war erfolgreich. Die V kann sich nicht auf eine verspätete Anzeige des Versicherungsfalls gem. den Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen. Die verspätete Anzeige ist unverschuldet erfolgt. Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall anzeigen. Der F war aber aufgrund des Schlaganfalls weder die eigene Anzeige noch eine Information des M über die streitgegenständliche Versicherung möglich gewesen. Sie musste auch nicht i. S.e. vorausschauenden Verhaltenspflicht den M vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Bestehen des Versicherungsvertrags informieren. Eine solche „Vorsorgeobliegenheit“ existiert nicht.

     

    M selbst hat auch nicht schuldhaft und in einer seiner F zuzurechnenden Weise eine frühere des Versicherungsfalls unterlassen. Er hatte unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrags. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge in Höhe von 20 EUR/p. M. hatten keinen Anlass geboten, von einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext hat sich allein ergeben, dass irgendein Versicherungsvertrag bei der V bestanden hat, nichts jedoch zur Art der Versicherung.

     

    Quelle: ID 47016429