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Kein Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen vom Arzt nicht erkannter Schwangerschaft
| Ein Schadenersatzanspruch gegen einen Frauenarzt, dem vorgeworfen wird, eine Schwangerschaft fehlerhaft nicht erkannt zu haben, kann nicht damit begründet werden, die Patientin hätte bei zutreffendem Befund von der Möglichkeit einer Abtreibung nach § 218a Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, denn diese Form der Abtreibung (sog. Fristenlösung) ist zwar straflos, bleibt aber rechtswidrig (OLG Oldenburg 18.11.14, 5 U 108/14). |
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des Nichterkennens einer Schwangerschaft auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Die Klägerin begab sich in die gynäkologische Behandlung der Beklagten und bat darum, das Vorliegen einer Schwangerschaft abzuklären. Ihre Familienplanung hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Sie wollte kein weiteres Kind. Die Beklagte führte eine Ultraschalluntersuchung durch und schloss eine Schwangerschaft aus. Eine solche lag jedoch vor. Die Klägerin befand sich in der sechsten Woche. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt von der Schwangerschaft erfahren, hätte sie sich für einen Abbruch entschieden. Als sie von der Schwangerschaft erfuhr, war sie in der 15. Woche. Die Klägerin hat der Beklagten vorgeworfen, keine Urin- und Blutuntersuchung veranlasst zu haben. Dabei wäre die Schwangerschaft - unstreitig - erkannt worden. Die Beklagte habe ihr die Möglichkeit einer legalen Abtreibung nach § 218a Abs. 1 StGB genommen.
Die auf einem ärztlichen Fehler beruhende Vereitelung eines Schwangerschaftsabbruchs kann nur Grundlage eines Anspruchs auf Ersatz des Unterhaltsschadens für ein ungewolltes Kind sein, wenn der Abbruch rechtmäßig gewesen wäre. § 218a StGB lässt einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich nur bei Vorliegen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation (§ 218a Abs. 2 und 3 StGB) zu. Ein allein auf der Beratungslösung (§ 218a Abs. 1 StGB) beruhender Schwangerschaftsabbruch ist hingegen nicht rechtmäßig. § 218a Abs. 1 StGB klammert zwar den Schwangerschaftsabbruch unter den dort genannten Voraussetzungen aus dem Tatbestand des § 218 StGB aus. Dies bedeutet aber nur, dass er nicht mit Strafe bedroht ist. Ein Rechtfertigungsgrund ist damit nicht gegeben. Die Beratungsregelung hat lediglich zur Folge, dass die Frau, die ihre Schwangerschaft nach einer Beratung abbricht, straflos eine von der Rechtsordnung nicht erlaubte Handlung vornimmt (st. Rspr. des BGH 19.2.02, VI ZR 190/01; 31.1.06, VI ZR 135/04; BVerfG 28.5.93, 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92 und 2 BvF 5/92). Finanzielle Nachteile, deren Vermeidung das Gesetz nicht für gerechtfertigt erklärt, müssen nicht kompensiert werden. Sie sind Folge einer Entwicklung, deren Hinnahme der Gesetzgeber der betroffenen Person zumutet. Aus demselben Grund stehen der Klägerin, wie das LG zu Recht angenommen hat, auch keine Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte zu (vgl. dazu auch OLG Koblenz 20.3.06, 5 U 255/06).
Quelle: http://www.olg-oldenburg.de/