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Grillen mit Brennspiritus: Sorgfaltspflichten der Eltern
| Zum Haftungsmaßstab in Bezug auf deliktische Verhaltenspflichten der Eltern zum Schutz der Gesundheit des Kindes, insbesondere zu der Beachtung von Sorgfaltsanforderungen beim Grillen ( OLG Hamm 4. 4.14,9 U 145/13 ). |
Die Klägerin (Haftpflichtversicherer, HV) nimmt die Beklagte (Mutter, M) aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers (Nachbarn, N) auf Ausgleich in Anspruch innerhalb eines ihrer Ansicht nach bestehenden Gesamtschuldverhältnisses wegen eines Grillunfalls, bei dem der damals 6jährige Sohn S der M schwere Brandverletzungen erlitt. Beim Grillen spritzte der N Brennspiritus in die glimmenden Kohlen. Es entstand eine meterhohe Stichflamme, die den Spiritusstrahl entzündete. N richtete den brennenden Strahl in Richtung Garten. Als die Stichflamme enstand, befanden sich S und seine Schwester im ausreichenden Sicherheitsabstand zum Grill. S lief aber in Panik und auf Zuruf seiner Schwester in den vermeintlich sicheren Garten. Dort geriet er in den brennenden Spiritusstrahl und zog sich schwere Brandverletzungen zu. Die HV zahlte bisher für N auf Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche des S. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie erfolglos von M Erstattung der Hälfte der von ihr erbrachten Zahlungen sowie Feststellung der hälftigen Einstandspflicht der M im Hinblick auf zukünftige Schadenersatzleistungen.
Der HV steht aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) kein Anspruch gegen M auf (hälftigen) Ausgleich der von ihr geleisteten Schadenersatzzahlungen gem. § 426 Abs. 2, § 840 Abs. 1 BGB zu. Denn zwischen M und N besteht kein Gesamtschuldverhältnis. M haftet S gegenüber nicht gem. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V. mit § 229 StGB. Denn zugnsten der M greift die Haftungsprivilegierung aus § 1664 Abs. 1 BGB. Danach haften die Eltern nur bei Verletzung derjenigen Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen oder gemäß § 277 BGB bei grober Fahrlässigkeit. Beides ist der M aber nicht vorzuwerfen. Entscheidend ist insoweit ein subjektiver Maßstab, der auf die individuellen, persönlichen Eigenarten des Schädigers und seine üblichen Verhaltensweisen abstellt (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 277 Rn. 3). Ein Anscheinsbeweis) bzw. jedenfalls ein starkes Indiz für die Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt wird angenommen, wenn der betroffene Elternteil selbst verletzt wird (Palandt/Grüneberg, a.a.O., (OLG Zweibrücken, NJW-RR 02, 1456). Dies ist hier der Fall. Die Kleidung der M geriet selbst leicht in Brand. Zudem war der Spiritus im Haushalt der M bereits zuvor als Anzündhilfe beim Grillen verwendet worden.
M handelte auch nicht grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was jedem hätte einleuchten müssen. Unter Berücksichtigung aller Umstände dieses Einzelfalls hat M hier zwar fahrlässig die Brandverletzungen des S (mit-) verursacht. Zwar unterließ sie es, die Kinder ins Haus zu schicken, N davon abzuhalten, weiter Spiritus zu benutzen oder die Kinder soweit vom Grill zu positionieren, dass sie auf typisch kindliche Fehlreaktionen hätte reagieren können. Diese Pflichtwidrigkeit erreicht jedoch nicht das Ausmaß einer groben Fahrlässigkeit. Denn M hat - wenn auch im Ergebnis unzureichende - Maßnahmen ergriffen, um ihre Kinder zu schützen. Denn sie hat dafür gesorgt, dass ihre Kinder sich in einem Abstand zum Grill aufstellten, der ausreichte, um sie vor der unmittelbar über dem Feuerkorb entstehenden Stichflamme zu schützen. Dass sich aufgrund einer Panikreaktion der Kinder und auch des N aufgrund der Stichflamme auf andere Weise die Brandgefahr verwirklichte, war zwar objektiv vorhersehbar, jedoch nicht so naheliegend, dass jedem hätte einleuchten müssen, dass die Sicherungsmaßnahmen unzureichend waren. Dass sich die Gefahr doch verwirklichte, beruhte letztlich auf einer unglücklichen Verkettung mehrerer Umstände, die in ihrem Verlauf und Zusammentreffen nicht so naheliegend waren, dass sich weitergehende Schutzmaßnahmen trotz der großen Gefahr beim Einsatz von Brennspiritus jedem schlechterdings hätten aufdrängen müssen.