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  • · Fachbeitrag · Erbrecht

    Zehn Gründe, warum Testamente scheitern

    von Prof. Dr. Wolfgang Böh, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, München

    | Verfassen Erblasser ihr Testament selbst, ist dies fehleranfällig. Der Beitrag zeigt zehn Gründe, die oft dazu führen, dass ein Testament scheitert. |

    1. Formverstoß

    Ein Formverstoß liegt vor, wenn das Testament maschinenschriftlich abgefasst wird. Zuweilen fehlt auch die Unterschrift unter dem Testamentstext. Spätere Änderungen können das Testament formunwirksam machen, z. B. ein Durchstreichen oder eine Ergänzung. Ebenfalls ist problematisch, wenn man zahlreiche Einzelgegenstände als Vermächtnisse zuordnet und diese Gegenstände mit Bildern und einer maschinenschriftlichen Tabelle als Anhang konkretisiert.

     

    PRAXISTIPP | Ein durch einen Laien erstelltes Testament sollte immer rechtsanwaltlich auf die Wirksamkeit hin überprüft werden.

     

    2. Keine Ersatzerben bestimmt

    Fällt der eingesetzte Erbe vor dem Erbfall weg, sollte für diesen Fall im Testament ein Ersatzerbe genannt sein. Gibt es keine nahestehenden Verwandten als Ersatzerbe, sollte man z. B. eine gemeinnützige Organisation einsetzen, bevor der Nachlass an entfernte Verwandtschaft oder den Fiskus fällt.

     

    PRAXISTIPP | Im Testament sollte immer mindestens ein Ersatzerbe genannt werden. Ist der Ersatzerbe bereits älter und ist es wahrscheinlich, dass er den Erbfall nicht mehr erlebt, sollte ein weiterer Ersatzerbe eingesetzt sein.

     

    3. Irrtum zur Bindungswirkung

    Bei Ehegattentestamenten, die häufig mit dem Inhalt eines Berliner Testaments versehen werden, gehen die Eheleute meistens davon aus, dass das Ehegattentestament für den Überlebenden bindend ist, § 2270 BGB. Es wird unterstellt, dass er den Nachlass nicht einfach an eine dritte Person verschenken oder ein neues Testament errichten darf. Diese Annahme ist allerdings nicht richtig. Denn ein Ehegattentestament hat nur eine Bindungswirkung, wenn sich dies aus dem Testamentstext ableiten lässt. Es gibt also Ehegattentestamente mit Bindungswirkung, ohne Bindungswirkung oder mit einer sog. eingeschränkten Bindungswirkung.

     

    PRAXISTIPP | Im Ehegattentestament sollte klar geregelt sein, ob eine Bindungswirkung (sog. Wechselbezüglichkeit) gewünscht ist.

     

    4. Unanwendbarkeit des deutschen Erbrechts

    Die meisten Testierenden gehen davon aus, dass deutsches Erbrecht gilt, weil sie deutsche Staatsbürger sind. Diese Annahme ist aber falsch. Denn die sog. EU-ErbrechtsVO hat den Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts geändert. Es kommt danach auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Prägend ist also auch nicht der bloße Wohnsitz. In der Praxis entsteht hierdurch viel Streit, wenn der spätere Erblasser z. B. in einer ausländischen Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Dann kann das dortige Erbrecht gelten, mit Auswirkungen im gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht, bei der Gültigkeit von konkreten erbrechtlichen Regelungen und der Frage der zulässigen Testamentsform.

     

    PRAXISTIPP | Testierende mit deutscher Staatsangehörigkeit können die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts im Testament festlegen.

     

    5. Der Widerruf bei Ehegattentestamenten

    Ist ein Ehegattentestament erstellt, dürfen die Eheleute sich zu Lebzeiten beider Ehepartner davon einseitig lösen. Die Praxis zeigt aber, dass den meisten nicht klar ist, dass ein hierfür notwendiger Widerruf notariell zugestellt werden muss. Damit wird sichergestellt, dass der Widerrufsempfänger weiß, dass auch er an das Ehegattentestament nicht mehr gebunden ist. Fehlt aber die notarielle Zustellung, ist der Widerruf unwirksam, vgl. § 2271 i. V. m. § 2296 BGB.

     

    PRAXISTIPP | Bei dem beabsichtigten Widerruf eines Ehegattentestaments muss ein Notar eingeschaltet werden.

     

    6. Pflichtteilsansprüche durch Schenkungen reduzieren

    Pflichtteilsansprüche sind ein großes Problem auch im Rahmen der Testamentserrichtung und -durchsetzung. Deshalb sind spätere Erblasser motiviert, die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu beschränken. Dies gelingt z. B. dadurch, dass der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen reduziert wird. Zwar werden solche Schenkungen über § 2325 BGB teilweise auf den Nachlass hinzugerechnet, je „älter“ diese Schenkungen sind, desto geringer ist die Hinzurechnung. Für jedes Jahr zwischen Schenkung und Erbfall fallen grundsätzlich 10 Prozent Schenkungswert pflichtteilsreduzierend weg. Bei dieser Gestaltung gibt es aber zwei Probleme, die kaum bekannt sind.

     

    • Wird zwischen Ehegatten geschenkt, gilt die Abschmelzungsregelung während der Ehe nicht.
    • Ebenso läuft die Abschmelzungsregelung nicht an, wenn ein Nießbrauchvorbehalt z. B. bei einer Immobilienschenkung vorbehalten ist.

     

    PRAXISTIPP | Ist eine Pflichtteilsreduzierung beabsichtigt, muss genau geprüft werden, inwieweit die Abschmelzungsregelung anläuft.

     

    7. Mehrheitsentscheid bei Erbengemeinschaften

    Innerhalb einer Erbengemeinschaft kann nur einvernehmlich agiert werden. Selbst ein Mehrheitsentscheid reicht oft nicht aus. Ein Miterbe mit einer Beteiligung von einem Prozent kann das sog. „Zünglein an der Waage“ sein.

     

    PRAXISTIPP | Die Vertretung in der Erbengemeinschaft sollte über eine Vollmacht geregelt werden, damit nicht bei jeder Entscheidung abzustimmen ist.

     

    8. Die Notwendigkeit eines Erbscheins

    Viele Testierende lassen das Testament durch einen Notar ausfertigen, da sie davon ausgehen, dass nur ein notarielles Testament ausreicht, die Notwendigkeit eines kostenpflichtigen Erbscheins zu vermeiden.

     

    PRAXISTIPP | Auch eine formwirksame transmortale Vorsorgevollmacht kann den Erbschein entbehrlich werden lassen. Eine solche Vorsorgevollmacht muss nicht notariell beurkundet werden. Es genügt die kostengünstige notarielle Unterschriftsbeglaubigung.

     

    9. Die notarielle Bestätigung der Testierfähigkeit

    Bei der Frage der Testierfähigkeit wird vielfach der Weg zum Notar gewählt, da man davon ausgeht, dass der Notar mittels einer bestätigten Testierfähigkeit für Rechtssicherheit sorgt. Dies ist aber ein Irrtum, da ein Notar als medizinischer Laie ebenso wenig wie ein Anwalt oder der medizinisch nicht ausreichend qualifizierte Hausarzt eine hinreichende Aussage dazu treffen kann.

     

    PRAXISTIPP | Rechtssicherheit verspricht i. d. R. nur eine gutachterliche Beurteilung eines Facharztes für Psychiatrie.

     

    10. Der sichere Pflichtteilsanspruch

    Es gibt die Fehlvorstellung, dass bestimmte, dem Erblasser nahestehende Personen immer einen Pflichtteilsanspruch haben. Dies ist aber nicht richtig. Es gibt mehrere Konstellationen, in denen der Pflichtteilsanspruch reduziert oder gar auf null gesetzt werden kann. Ein kaum bekanntes Beispiel ist, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits zu Lebzeiten ein sog. Eigengeschenk erhalten hat, § 2327 BGB. Selbst wenn keine Pflichtteilsanrechnung bei diesem Geschenk angeordnet ist, kann dies den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch reduzieren.

     

    PRAXISTIPP | Ein vollständiger Verlust des Pflichtteilsanspruchs kann dadurch erreicht werden, indem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land nimmt, das kein Pflichtteilsrecht kennt.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 142 | ID 48393692