· Nachricht · Ehegattennachzug
Kein Sprachtest von türkischen Staatsangehörigen
| Dass Deutschland Ehegatten von rechtmäßig im Inland wohnenden türkischen Staatsangehörigen ein Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs nur erteilt, wenn sie einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, verstößt gegen das Unionsrecht (Gerichtshof der Europäischen Union 10.7.14, C-138/13). |
Das 2007 eingeführte Spracherfordernis ist nicht mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar. Seit 2007 macht Deutschland die Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug von Drittstaatsangehörigen grundsätzlich davon abhängig, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Diese Bedingung soll Zwangsverheiratungen verhindern und die Integration erleichtern. Die Klägerin (K), die türkische Staatsangehörige ist, möchte zu ihrem Ehemann (E) nach Deutschland ziehen. E, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, lebt seit 1998 in Deutschland, wo er eine GmbH leitet und eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Im Januar 12 lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara wiederholt die Erteilung eines Visums mit der Begründung ab, dass sie nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge. K erhob hiergegen Klage beim VG. Dieses hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob das seit 2007 in Deutschland geltende Spracherfordernis mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der sog. Stillhalteklausel vereinbar ist, die Anfang der 1970er Jahre im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbart wurde. Diese Klausel verbietet die Einführung neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit. Der Gerichtshof hat nun Folgendes entschieden: ie Stillhalteklausel steht einer nationalen Regelung entgegen, die eingeführt wurde, nachdem diese Klausel in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist, und vorschreibt, dass der Ehegatte eines in diesem Staat wohnenden türkischen Staatsangehörigen, um zum Zweck der Familienzusammenführung in das Hoheitsgebiet dieses Staates einreisen zu können, vor der Einreise nachweisen muss, dass er einfache Kenntnisse der Amtssprache dieses Mitgliedstaats erworben hat.
Ein solches Spracherfordernis erschwert eine Familienzusammenführung, indem es die Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme des Ehegatten eines türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zu den Vorschriften verschärft, die galten, als die Stillhalteklausel in Kraft trat. Eine solche Regelung stellt eine neue Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die türkischen Staatsangehörigen i.S. dieser Klausel dar. Die Familienzusammenführung ist ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesserung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zur Förderung ihrer Integration in diesen Staaten beiträgt. Auf die Entscheidung eines türkischen Staatsangehörigen wie E, sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen, um dort dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann es sich negativ auswirken, wenn die Rechtsvorschriften dieses Staates die Familienzusammenführung erschweren oder unmöglich machen und sich der türkische Staatsangehörige deshalb u.U. zu einer Entscheidung zwischen seiner Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat und seinem Familienleben in der Türkei gezwungen sehen kann. Schließlich kann zwar die Einführung einer neuen Beschränkung zugelassen werden, sofern sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht. Doch hält der Gerichtshof diese Voraussetzungen hier nicht für gegeben. Auch wenn man davon ausgeht, dass die von der deutschen Regierung angeführten Gründe (die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen und die Förderung der Integration) zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, geht eine nationale Regelung wie das fragliche Spracherfordernis über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der fehlende Nachweis des Erwerbs hinreichender Sprachkenntnisse automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung führt, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 96/14; http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-07/cp140096de.pdf